Wut / Unverständnis bzgl mancher Eltern- Kennt ihr das?

  • Ja, und sie wissen, dass Nutella viele Kalorien hat, viel Zucker und Fett - genau wie die meisten Wurstsorten und viele Käsesorten.

    Und wie Marmelade und Honig und Sirup und Butter. Also eigentlich alles, was der Durchschnittsbürger so gerne zum Frühstück isst. :ohh:

    • Offizieller Beitrag

    vielelicht sollten auch oder besonders wir Lehrer uns immer mal wieder klar machen, dass wir nicht für die Rettung der Welt zuständig sind.


    Natürlich bei Vernachlässigung und/ oder Misshandlung einschreiten, aber müssen wir tatsächlich in der Schule oder auch hier eine ideologische Diskussion über Nutella-Brote führen???

  • Es geht durchaus darum, Kinder aus schlechten Familienverhältnissen dazu zu bringen, die selben Fehler später nicht zu machen und sie (per Bildung) in die Lage zu versetzen, sich (und ihren Kindern später) etwas zu Essen zuzubereiten und den Alltag zu bewältigen.


    Im Unterricht muss man das thematisieren - in der GS kommt das Thema Körper und Ernährung, da wäre Fachpraxis angebracht und nicht nur die Theorie, wo welche Därme sitzen.


    In Bawü gab/gibt? es ein sogenanntes Schulfruchtprogramm, mit dem ich gute Erfahrungen gesammelt habe: Den Schülern werden Äpfel angeboten, die kostenlos sind (Sponsor). An der Schule meiner Kinder und bei uns waren die Apfelkisten am Mittag immer leer, gerade frühstückslose Kinder konnten sich hier bedienen. Solch ein Angebot würde mir schon einmal reichen, um die Kinder auf den Geschmack zu bringen und den größten Hunger zu lindern. Übrigens gehören auch kostenlose Wasserspender in jede Schule.


    Darüber hinaus muss das Thema Alltagsbewältigung viel mehr Raum einnehmen - in Primar und Sek I. So können die Kinder lernen, sich notfalls selbst zu versorgen, wenn Mama es nicht kann. Und vielleicht bewegt sich etwas, wenn das eigene Kind Äpfel fordert.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich als Kfz-Mechaniker immer wieder ein Auto eines Kunden repariere, das dieser wissentlich oder unwissentlich regelmäßig verbeult oder zerschrammt, dann würde ich mich irgendwann fragen, wozu das noch gut ist.


    Die ersten sechs Jahre bis zur Einschulung und die Zeit außerhalb der Schule haben einen so prägenden Einfluss auf die meisten Kinder, dass der "Reparaturbetrieb Schule" gerade bei "hartnäckigen Missständen", die im wahrsten Sinn des Wortes "hausgemacht" sind, keinen Einfluss hat. Diese Illusionen mache ich mir nicht mehr.


    Ich würde ggf. sogar soweit gehen zu behaupten, dass Schaumkrone und Bodensatz der Gesellschaft ohne viel Zutun auch in der nächsten Generation Schaumkrone oder Bodensatz bleiben. Dazwischen gibt es sicherlich einiges von dem, was wir soziale Mobilität nennen. Und diese Bandbreite der Gesellschaft kann man mit Schule auch noch erreichen.

  • Die ersten sechs Jahre bis zur Einschulung und die Zeit außerhalb der Schule haben einen so prägenden Einfluss auf die meisten Kinder, dass der "Reparaturbetrieb Schule" gerade bei "hartnäckigen Missständen", die im wahrsten Sinn des Wortes "hausgemacht" sind, keinen Einfluss hat. Diese Illusionen mache ich mir nicht mehr.

    Deshalb gibt es auch politische Forderungen nach drastischen Ausweitungen der Schulpflicht, wie eine Ganztagsschulpflicht und eine Kitapflicht, damit der Staat letztlich alle Kinder von kleinauf und möglichst ganztägig in seinen Bildungseinrichtungen unter Kontrolle hat und die unterschiedliche soziale Herkunft der Kinder keine Rolle mehr bzgl. ihrer Entwicklung spielt.


    Da mag sogar was dran sein, allerdings würde ich ein solches Konzept dann doch für ziemlich totalitär und für unvereinbar mit einer freiheitlichen Gesellschaft halten.


  • Ich würde ggf. sogar soweit gehen zu behaupten, dass Schaumkrone und Bodensatz der Gesellschaft ohne viel Zutun auch in der nächsten Generation Schaumkrone oder Bodensatz bleiben. Dazwischen gibt es sicherlich einiges von dem, was wir soziale Mobilität nennen. Und diese Bandbreite der Gesellschaft kann man mit Schule auch noch erreichen.

    Diese Sortierung von Menschen ist ein Zweck der in der Schule sogar noch Vorrang vor dem Lernen hat.
    "Soziale Mobilität" bedeutet auch Konkurrenzkampf, der Ruf nach "gleichen Bildungschancen" eine Steigerung des Konkurrenzdrucks.

  • Ich kontrolliere gar nichts. Weißbrot ist nicht gerne gesehen und eben Nutella auch nicht. Wir empfehlen ein gesundes Brot, und auch Obst und Gemüse.


    Die Kinder kontrollieren sich (von mir nicht gewollt) gegenseitig und sagen mir dann Bescheid, wenn jemand was sehr ungesundes mit hat.


    Und ja, ich finde man muss hier erzieherisch einwirken. Bei uns haben sie oft sogar Kuchen vom Bäcker mit, besagte Schülerin bringt auch gerne mal kalte Cheeseburger von McDonalds mit.


    Die Zähne sind bei allen Kindern der Famlie total kaputt.


    Edit: Muss man hier ernsthaft über den Nährwert von Toastbrot diskutieren?

  • Die Kinder kontrollieren sich (von mir nicht gewollt) gegenseitig und sagen mir dann Bescheid, wenn jemand was sehr ungesundes mit hat.

    Also hast du den Kids dieses Denunziantentum auch noch ungewollt beigebracht? :rolleyes: Das ist aber gefickt eingeschädelt. :_o_D

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Was ist daran eigentlich so schwer zu verstehen, dass unserer Schule gesunde Ernährung wichtig ist. Das besprechen und thematisieren wir in der 1. Klasse. Hat ein Kind immer wieder ungesunde Sachen dabei, rede ich mit den Kindern, dass sie in Zukunft etwas mehr darauf achten soll. Ich kann es nicht ändern, wenn Kinder zu mir kommen und erzählen XY hat wieder einen Cheeseburger dabei.

  • Du kannst es nicht ändern, wenn Kinder zu dir kommen und petzen ??! Wow. Sowas abzustellen ist eigentlich ganz einfach wenn man Lehrer ist.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Na dann erleuchte mich doch mal... ;) Eigentlich ist es auch überhaupt und wenn nur ein Problem bei diesem einen Kind und wenn dieses täglich Cheeseburger, Trockensuppen, Kuchen und Nutellabrot mitbringt, während es sich kaum konzentrieren kann und die Zähne weggammeln, dann rangiert das bei mir über dem Petzproblem, sorry.

  • Ist doch ganz einfach: Kinder machen, was LehrerIn gefällt. Wenn LehrerIn gefällt, Dinge wie ungesunden Pausenboxinhalt gepetzt zu bekommen, dann wird ungesunder Pausenboxinhalt auch gepetzt. Dein obiges "die machen das ungewollt" ist so verlogen wie es durchsichtige Schutzbehauptung ist: Du bist der Lehrer, du bestimmst, wo deine Klasse langläuft. Das Verhalten ist nicht von außerhalb ohne dein Zutun in die Klasse eingezogen und von dir (notgedrungen) nur geduldet, es ist gewollt.


    Mit anderen Worten, du willst, das deine Kids einander kontrollieren und gegebenenfalls ans Messer liefern, ob bewußt oder nicht sei von mir aus dahingestellt.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Weißbrot ist nicht gerne gesehen und eben Nutella auch nich


    Von Weißbrot ernährt sich die halbe Welt, bis auf Deutschland.


    Was die Schule gerne sieht ist vollkommen irrelevant. Als Elter würde ich dir gehörig den Marsch blasen, wenn du meinem KInd das von mir ausgesuchte Essen madig machst.


    Ich unterrichte übrigens den Verzicht auf überteuerte Bio-Produkte. Gen-Food ist die viel besser Alternative.

    • Offizieller Beitrag

    In dem Moment, wo ich Kindern den Unterschied zwischen "richtig" und "falsch" beibringe und mich als Erzieher (als Vater wie als Lehrer) als Instanz einbringe, die richtiges und falsches Verhalten positiv oder negativ sanktioniert, fördere ich mittelbar auch das Urteilsvermögen der Kinder, was sich dann auch in "Petzen" äußern kann. Mit Denunziantentum hat das nicht viel zu tun. Andere auf Regeln hinzuweisen oder falsches Verhalten als solches zu bezeichnen ist kein Denunziantentum sondern Teil des Sozialverhaltens in einer Gruppe mehrerer Personen.


    Noch etwas zur "Sortierfunktion" von Schulen:


    Gerade die Kinder des von mir so bezeichneten Bodensatzes der Gesellschaft sind bereits, wenn sie in die Grundschule kommen, weitgehend vorsortiert. (Ich gestehe, diese Terminologie behagt mir nicht, aber sie ist hinreichend drastisch, um das auszudrücken, was ich sagen möchte.)
    Im Kindergarten meiner Kinder erlebe ich das tagtäglich. Das Elternhaus des einen oder anderen Kindes hat in den vier oder fünf Jahren des Lebens dieser Kinder bereits so viel kaputt gemacht bzw. an ungewollter oder unbewusster Vorsortierung vorgenommen, dass unsere Bildungs- und Erziehungseinrichtungen dies nicht mehr kompensieren können. Da tun sich mitunter soziale Abgründe auf. Diese Kinder haben keine Chance im Leben, weil weder ihre Eltern noch sie selbst je erkennen können, was sie tun können, um sozial aufzusteigen.


    Bei der "Elite" funktioniert das anders. Da sorgen die Eltern mit Macht, Wissen und Geld dafür, dass Elite eben Elite bleibt. (Das Buch "Gestatten Elite" beschreibt das par excellence.)

  • Das Kind erfährt also schon in der Grundschule, dass es bewusst von der Lehrkraft zum Außenseiter gestempelt wird, weil seine Eltern ihm das falsche Essen mitgeben. Wohlgemerkt: Das Kind wird bloß gestellt, weil seine Eltern in den Augen der Lehrkraft falsche Nahrungsmittel ausgewählt haben. Oder das Kind hat mitgenommen, was noch im Kühlschrank war und wird dafür bloß gestellt.
    Und beim Mobbing werden die Klassenkameraden auch noch von der Lehrkraft unterstützt, indem ihr Petzen ernst genommen wird.
    Wow! Erzieheung wie im Kaiserreich. Kein Wunder, wenn die jungen Erwachsenen dann Schule hassen.


    Wir hatten vor ein paar Wochen eine rege Diskussion zum Thema Flüchtlinge - als ich da über kulturelle Prägung schrieb, wurde mir vehement wiedersprochen, man könne jeden Menschen umerziehen.


    Nun lese ich hier, dass das bei unserer Unterschicht nicht funktioniert.
    Was für eine verquere Auffassung von Freiheit ist das? Man darf nur noch essen, was dem Lehrer behagt? Und im Alter von 5 Jahren ist sowoeso schon Hopfen und Malz verloren? Seid ihr noch ganz dicht? Unter Freiheit verstehe ich etwas anderes.


    Noch mal: Was ich esse oder meiner Familie anbiete, ist unsere Sache. Das geht auch keine Lehrer etwas an. Ich darf hier mal sanft an Artikel 6 erinnern, den Schutz der Familie und des Familienlebens.

  • In dem Moment, wo ich Kindern den Unterschied zwischen "richtig" und "falsch" beibringe und mich als Erzieher (als Vater wie als Lehrer) als Instanz einbringe, die richtiges und falsches Verhalten positiv oder negativ sanktioniert, fördere ich mittelbar auch das Urteilsvermögen der Kinder, was sich dann auch in "Petzen" äußern kann.

    Was natürlich nicht stimmt, da die Sanktionierung von Verhalten nicht zwingend darin resultiert, sanktionswürdiges Verhalten anderer verraten zu bekommen. Das ist der Grund, der mich so fassungslos macht: denn eigentlich wäre beides im Bereich des Möglichen. Aber nur aus der Bequemlichkeit heraus, die Kontrolle der Frühstücksbox nicht selbst durchführen zu müssen, die SuS als Hilfspolizisten zu akzeptieren besteht das Resultat dann darin, jene die Splitter anderer wichtiger nehmen zu lassen als die eigenen Balken.


    Der Rattenschwanz folgt auf dem Fuße: In der GHS ist es den Kinder kaum zu vermitteln, wieso dieses Verhalten beim Frühstücksinhalt erwünscht, bei anderem Fehlverhalten aber unerwünscht sein soll. Mit anderen Worten, ob es ums Frühstück geht oder ums Kaugummikauen, Papierkügelchen schnipsen oder die Jacke im Flur nicht richtig aufgehängt zu haben: da züchtet man eine Bande von Verrätern. Den Teufel mit dem Belzebub austreiben und darüber noch die Schultern zucken.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Hab' mir den Film "Frau Müller muss weg" als DVD besorgt und gestern genüsslich und sehr amüsiert angeschaut:

    Zitat von wikipedia

    Die Schulnoten einiger Schüler einer Klasse in einer Dresdner Grundschule werden schlechter. Da nun das Zeugnis naht, das über die Art der weiterführenden Schule entscheidet, sind viele Eltern besorgt. Sie entschließen sich, dafür zu sorgen, dass die Klassenlehrerin Frau Müller die Klasse abgibt. Dazu vereinbaren einige einen Termin mit ihr, übergeben ihr eine Unterschriftenliste und behaupten fest, dass die Lehrerin schuld an den schlechten Noten sei. Den Eltern geht es nicht um die geeignete weiterführende Schule, sondern nur um den formalen Abschluss...

    In Form eines kleinen Kammerspiels geht es weniger um Frau Müller als um die Reaktionen und Verhaltensweisen der Eltern. Eine nette Gesellschaftssatire mit witziger Pointe.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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