ADHS ohne Ritalin in den Griff bekommen

  • @Firelilly: Ich finde es verantwortungslos, wenn man als Naturwissenschaftler ernsthaft glaubt, dass plötzlich (in Deutschland) 10% der Jungen neurologisch erkrankt sein sollen, die es zuvor nicht waren. Wie das möglich sein soll, hätte ich gerne mal erklärt.
    @Karl-Dieter: Ich hatte circa 5-10% im Kopf, aber wir müssen uns hier ins Gedächtnis führen, dass es sich hier um eine Substanz handelt, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt. Da finde ich 5-10% schon deutlich drüber, das wäre bei anderen Amphetaminen oder z.B. Kokain aber nicht anders. Und bei denen hat man vor ein paar Jahren auch gesagt, dass es bei Politikern und Unternehmensberatern sehr beliebt sei, obwohl ich auch dort schätzen würde, dass der Anteil der Kaffee- oder Teeliebhaber höher gelegen hat. ;)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Wer lesen kann, versteht, dass es nicht um die (wenigen) echten Betroffenen ging, sondern um die (Vielzahl), die aus Bequemlichkeit pauschal (falsch) diagnostaziert werden, um sie dann mit Ritalin ruhigzustellen.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Es ist ein Unterschied, ob er ruhig genug ist, oder ob er ruhig gestellt wird. Es ist auch ein Unterschied, ob ein Betroffener die Umgebung bekommt, seine Stärken zu zeigen, oder ob man sie ihm verweigert und ihm stattdessen ein Rezept in die Hand drückt (und ihm damit durch die Blume auch mitteilt, er sei das "Problem"). Wir holen die Kinder nicht immer da ab, wo sie stehen, oft genug selbst wenn wir es könnten.

    Betroffene Kinder (Erwachsene) wissen in aller Regel, dass sie ei Problem haben! Unbehandeltes ADHS kann zu sehr erheblichen Problemen führen, die oft schon damit anfangen, dass sie aufgrund ihres Verhaltens ständig Stress und Ärger haben, möglicherweise keinen Schulabschluss oder einen, der weit unter ihren eigentlichen Möglichkeiten liegt, schaffen. Suchtprobleme sind sehr, sehr häufig bei Betroffenen usw.
    Nach meinen Erfahrungen, und das wird hier im Thread ja auch bestätigt, eröffnet eine Medikation für Betroffene neue Welten mit Chancen, die zuvor nicht möglich waren. Oft macht die Medikation eine Verhaltenstherapie auch erst möglich, weil der Betroffene sich ohne gar nicht ausreichend auf die Therapie einlassen kann.
    Letztlich lehnen wir als Lehrer uns auch sehr weit aus dem Fenster, wenn wir über die Diagnostik und Behandlung der Erkrankung spekulieren. Das ist Aufgabe der Medizin, nicht der Pädagogik.

  • Es ist ein Unterschied, ob er ruhig genug ist, oder ob er ruhig gestellt wird. Es ist auch ein Unterschied, ob ein Betroffener die Umgebung bekommt, seine Stärken zu zeigen, oder ob man sie ihm verweigert und ihm stattdessen ein Rezept in die Hand drückt (und ihm damit durch die Blume auch mitteilt, er sei das "Problem"). Wir holen die Kinder nicht immer da ab, wo sie stehen, oft genug selbst wenn wir es könnten.

    Nur um das klar zu stellen: In der Grundschule war ich die Einzige, die auch ohne Medikamente mit ihm klar kam. Ich hatte ihn in Kl. 3 und 4. In Kl. 1 und 2 lief in der Schule dagegen ganz viel mit Druck auf die Eltern. Diese griffen letztlich zu dem Medikament, weil sie DEN STRESS ZU HAUSE nicht mehr aushielten. In der Schule profitierte ich auch, keine Frage. Aber ich habe nichts in der Richtung unternommen, ich hatte einen Draht zu ihm und wusste, wie ich ihn nehmen kann. Ich möchte das nicht so stehen lassen, weil ich eigentlich immer noch stolz auf mich bin und die Eltern mir das heute noch signalisieren, wie sehr sie mich damals geschätzt haben. Auch im Vergleich, wie es sich dann entwickelt hat. Wie du siehst, haben wir noch Kontakt.

  • Betroffene Kinder (Erwachsene) wissen in aller Regel, dass sie ei Problem haben!

    Aha. Und warum "haben" sie ein "Problem"? Weil sie es von sich aus wissen oder weil man es ihnen sagt oder gar weil die deutsche Schulpflicht sie zwingt, jahrelang jeden Tag viele Stunden relativ regungslos in einem Klassenraum voller Reize zu verbringen? Wie groß ist denn der Anteil der Umgebung an diesem Wissenserwerb? Und was ist die Motivation dieser Umgebung, darauf hinzudrängen, dass ein nerviges aber letztendlich in allen Belangen abhängiges Kind diesen Wissenserwerb vollzieht??

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Was schlägst du vor?


    Wie erleben die Mitschüler dieses "nervige Kind", das ständig mehr Beachtung erhält als die ganze Klasse?

  • Aha. Und warum "haben" sie ein "Problem"? Weil sie es von sich aus wissen oder weil man es ihnen sagt oder gar weil die deutsche Schulpflicht sie zwingt, jahrelang jeden Tag viele Stunden relativ regungslos in einem Klassenraum voller Reize zu verbringen? Wie groß ist denn der Anteil der Umgebung an diesem Wissenserwerb? Und was ist die Motivation dieser Umgebung, darauf hinzudrängen, dass ein nerviges aber letztendlich in allen Belangen abhängiges Kind diesen Wissenserwerb vollzieht??

    sie haben das Problem, weil sie in dieser Gesellschaft leben und so ganz grundsätzlich auch Teil dieser Gesellschaft sein wollen. Menschen sind einfach soziale Wesen, die den Kontakt zu anderen Menschen in der Regel brauchen.
    Auch ohne Schule und Schulpflicht haben bzw hätten ADHSler sehr oft massive soziale Schwierigkeiten. Da hilft es auch nicht, so zu tun, als wären die Probleme nicht vorhanden. Unsere Gesellschaft wird sich nicht so schnell verändern, dass ein heute betroffenes Kind ohne erhebliche Probleme erwachsen werden kann. Das kann man traurig finden, ist aber so. Ich hatte ja vorhin schon geschrieben, dass beispielsweise Suchterkrankungen bei (unbehandelten) Betroffenen überdurchschnittlich häufig vorkommen. Das kann man natürlich als Eltern ignorieren, ich würde das nicht tun.

  • Ein anderer Humor, andere Interessen, andere Freunde als früher. Anderes Ordnungsverhalten. Anderes Lachen und Weinen (sic!). Es war ein bekannter Körper mit einer anderen ... Psyche (?), Seele (?). Es war teilweise gespenstisch.
    Ich hab mich gefragt, was passiert, wenn das alte Selbst eines Tages zurückfindet.


    Hallo Thamiel,


    redest du wirklich von MPH? Das Medikament ist doch viel zu flüchtig, um solche enormen Wirkungen auf die Persönlichkeit eines Menschen haben zu können.


    Nach wenigen Stunden ist die Wirkung vorbei. Das wirkt evtl. ein paar Stunden über die Kernschulzeit und am Nachmittag/Abend ist das Kind wieder im diffusen AD(H)S-Modus.


    Klar, wenn man den Kleinen einredet, dass sie mit MPH Zombies werden, glauben sie das wahrscheinlich irgendwann selbst.


    der Buntflieger

  • a) Brauchst du auch noch nen Beweis dafür, dass die Erde keine Scheibe ist?


    b) Himmel, wüsste ich die Namen dieser "Ärzte" dürften die sich Sorgen um ihre Aprobation machen. Aber ich habe schon mehrfach, sowohl inner- als auch außerberuflich "Eltern" erlebt, die "eben einen Arzt haben, der Ritalin verschreibt, dann ist Ruhe". Quasi Originalton.
    Und die letzten Kommentare von Valerianus und Thamiel lassen durchaus den Schluss zu, dass es sich da leider nicht um "bedauerliche Einzelfälle" handelt.
    Dass sowohl diese "Ärzte" als auch die "Eltern" hier absolut verantwortungslos handeln, steht außer Frage.
    Das wird dir als "Beleg" wohl reichen müssen. Wenn du sowas noch nie mitbekommen hast, hattest du schlicht Glück, oder guckst sehr untertänig weg.


    zu a) Die Nicht-Existenz von etwas kann man nicht beweisen, aber ich kann dir sehr wohl belegen, dass die Erde ein Rotationsellipsoid ist. Zumal du häufiger hier im Forum einfach irgendeine Behauptung in den Raum stellst und dann Belege immer Mangelware waren.


    b) Mir tut das zwar schrecklich leid, aber deine vorgeblichen persönlichen Anekdoten haben keinerlei Aussagekraft.

  • @Karl-Dieter-
    Doch, die persönliche Erfahrung hat die Aussagekraft eines Existenzbeweises. Und sie ist, da von anderen ähnliches berichtet wird, sicher kein Einzelfall. Wie groß die Zahl der Fälle abzuschätzen ist, in denen leichtfertig, vorschnell ADHS Diagnosen gestellt und Ritalin verabreicht wird/wurde ist aber vermutlich problematisch.
    @Thamiel
    Natürlich ist dem Psychiater der Unterschied zwischen dem lebensrettenden Insulin und Ritalin bekannt, er darf bzw. muss das Zeug ja verschreiben. Der Spruch ist nur ein Sinnbild dafür, dass es in unserer Gesellschaft vollkommen akzeptiert ist, bei körperlichen Gebrechen Medikamente zu nehmen, bei psychischen (teils ja dennoch physiologisch bedingten) Problemen jedoch nicht. Diese Medikamente erlauben aber manchen Menschen ein gutes bzw. annehmbares Leben.
    Wer wären wir, das zu verweigern?
    Auch ein z. B. depressiver Mensch ist unter Psychopharmaka wesensverändert oder evtl. so wie vor der Erkrankung. Wie beurteilt man denn das eigentliche Wesen eines Menschen?

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • ...aber die Existenz kann ich - empirisch - beweisen, wenn auch ohne Namensnennung (wäre hier ja auch reichlich bekloppt).
    Da das auch andere hier können und tun, sollte dir das als "Beleg" ausreichen. Tut es das nicht, ist dir auch nicht mehr zu helfen.

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  • Könnt Ihr diesen Kleinkrieg bitte lassen? Das führt in der Sache nicht weiter.


    Zur bisherigen Diskussion:


    Die Diskussion ist hier weitgehend sachlich verlaufen, wenngleich sie auch deutlich macht, wie wenig wir als Lehrer, auch wenn wir aufgrund von ADHS-Schülern betroffen sein mögen, effektiv mitreden können.


    Einmal unabhängig von der Gabe von Ritalin bleibt das Problem, dass ein ADHS-Schüler mitunter schwer beschulbar ist und eine erhebliche Belastung für die Lehrkräfte sowie seine Mitschüler darstellen kann. Er selbst leidet oft unter Ausgrenzung bzw. negativem Feedback und schlechten Noten.
    Nun gibt es Lehrkräfte und Mitschüler, die mal besser, mal schlechter damit umgehen können.


    Wenn es um die Frage nach Alternativen zu Ritalin geht, dann muss man sich fragen, welche Form von Therapie tatsächlich möglichst zeitnah durchgeführt werden kann und welche Form von Therapie in diesem Fall für den schulischen Vormittagsbereich überhaupt greift. Es würde mich in diesem Zusammenhang einmal interessieren, wie viele von Euch hier ADHS-Kinder kennen, die einerseits kein Ritalin bekommen und andererseits verhältnismäßig problemlos durch den Schulalltag kommen durch alternative Behandlungsmethoden.


    Ich selbst habe das nur bei ADS-Kindern erlebt, weil die natürlich nicht so auffallen wie ADHS-Kinder.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Was schlägst du vor?


    Wie erleben die Mitschüler dieses "nervige Kind", das ständig mehr Beachtung erhält als die ganze Klasse?

    Es erhält mehr Beachtung, wenn Lehrer oder Klasse ihm mehr Beachtung schenken, nicht weil es nervt.

    Auch ohne Schule und Schulpflicht haben bzw hätten ADHSler sehr oft massive soziale Schwierigkeiten. Da hilft es auch nicht, so zu tun, als wären die Probleme nicht vorhanden.

    Oh, tu ich gar nicht. Ich hab nur den Eindruck, dass wenn die "Probleme" physisch sind, viel mehr am Umfeld gearbeitet wird, um dem Betroffenen die Integration zu erleichtern. Da werden Rampen gebaut, Aufzüge, Treppenlifte und Sanitäreinrichtungen, akustische Hilfsassistenten usw.
    Sind die Probleme hingegen psychisch, mithin nicht sichtbar, werden ebensolche Lösungen bevorzugt. Insbesondere, wenn sie auch noch für das Umfeld bequem sind und der Preis sich nur auf den Einzelnen beschränkt.

    Es würde mich in diesem Zusammenhang einmal interessieren, wie viele von Euch hier ADHS-Kinder kennen, die einerseits kein Ritalin bekommen und andererseits verhältnismäßig problemlos durch den Schulalltag kommen durch alternative Behandlungsmethoden.

    Sport.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • @Thamiel


    Die Antwort ist mir zu pauschal, weil sie die Problematik gefährlich simplifiziert. Diese und ähnliche Antworten kommen in meinem Umfeld gegenüber einem Mädchen und deren Eltern vorzugsweise von anderen Eltern, die von der Themaik keine Ahnung haben, aber eben zu allem ihren Senf dazugeben wollen. Das trifft auf Dich sicherlich nicht zu. Hast Du außer Sport noch weitere Ideen?


    Um auf Deine Kritik bezüglich der fehlenden Hilfsmittel bei psychischen Problemen eingehen:


    Was schlägst Du denn an konkreten Hilfsmitteln für ADHS-Kinder vor, um sich nicht dem Vorwurf der Ignoranz oder Bequemlichkeit auszusetzen?

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Ich habe ja reine Jungenklassen und daher häufiger das Vergnügen damit, dass jungentypisches Verhalten auf einmal als krankhaft bezeichnet wird, allerdings auch ab und an mal den Fall, dass jemand tatsächlich AD(H)S hat. Die wenigsten davon waren eine Belastung für eine Jungenklasse, die kommen damit eigentlich hervorragend klar, solange da nicht noch massive Störungen des Sozialverhaltens reinkommen (die nicht ADHS induziert sind). Ich hab Verhaltenstherapie und Neurofeedback beide im Einsatz gesehen, die Wirksamkeit ist in etwa so gut wie die von Ritalin, wirkt aber über den Tag gleichmäßig und manchmal muss man den Schüler daran erinnern, dass zu tun was er da gelernt hat.


    Auch ein z. B. depressiver Mensch ist unter Psychopharmaka wesensverändert oder evtl. so wie vor der Erkrankung. Wie beurteilt man denn das eigentliche Wesen eines Menschen?

    Ja, deswegen werden depressive Menschen, die das erste Mal Psychopharmaka bekommen, üblicherweise stationär aufgenommen, weil Antidepressiva als erstes die Antriebslosigkeit beheben, die schlechte Gefühlslage bleibt bestehen. Dann hast du jemanden, der nicht nur Gedanken an eine Selbsttötung hat, sondern auch die Motivation das umzusetzen. Die schlechte Gefühlslage wird dann...durch Verhaltenstherapie geändert. Aber immerhin besser als Depressionen mit Insulinschocktherapie, Elektrokonvulsionstherapie oder Lobotomie zu behandeln (die Klassiker der Medizin halt). Es gibt kein Antidepressivum, dass wesentlich besser abschneidet als Verhaltenstherapie (Klick mich!), die meisten haben Glück, dass sie so lange zugelassen sind, dass sie nicht gegen Placebo antreten mussten, haben aber gleichzeitig massive Nebenwirkungen.

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  • @Valerianus


    Ich denke, dazwischen sollten wir in der Tat differenzieren. Das wäre aber dann in einem neuen Thread besser aufgehoben. Dass jungentypisches Verhalten schnell in einer stark effeminisierten Erziehungswelt mitunter pathologisiert wird, ist ein weiterer Teil des Problems. In diesem Thread ging es aber um Kinder, bei denen ADHS zweifelsfrei diagnostiziert wurde. Diese Kinder zeigen in der Regel auch sozial auffälliges Verhalten. Das mag sich in der Tat von hyposozialisierten Kindern nicht wesentlich unterscheiden, so dass man entweder schnell mit der küchenpsychologischen Keule ADHS kommt oder eben die Kinder als dissozial abstempelt.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Ich glaube (dafür hab ich echt keinen Beleg), dass die Verhaltensprobleme bei vielen ADHS Kindern kein direktes ADHS Problem sind, sondern daher kommen, dass die ADHS sehr lange unbehandelt oder falsch therapiert worden ist. Was passiert denn bei unbehandelter ADHS? Die Kinder rasseln irgendwann mit den Eltern oder auch den Lehrkräften zusammen, weil sie Konzentrationsprobleme bei der Arbeit haben oder Bewegungsphasen einfordern, wenn alle anderen Kinder noch still arbeiten können. Darauf kann man jetzt eingehen (Arbeitsphasen verkürzen, Bewegungsphasen einplanen, etc.), was zuhause sicher einfacher ist als im Klassensetting oder man kann den Kindern sagen, dass sie sitzen bleiben und sich gefälligst konzentrieren sollen. Wir stimmen sicher überein, dass die zweite Methode häufiger vorkommt, aber ungefähr so hilfreich ist, wie einem Depressiven zu sagen, dass er doch alles mal positiv sehen sollte. Diese ständige Konfliktsituation mit Eltern und Lehrern führt dann irgendwann zu den häufig beschriebenen untragbaren Verhaltensweisen, die im ICD-10 auch noch speziell als "Hyperkinetische Störung verbunden mit Störung des Sozialverhaltens" bezeichnet wurden. Nach dem neuen ICD-11 hätte meine halbe Klasse mindestens eine milde Form von ADHS gehabt als ich sie am Anfang der 5. Klasse übernommen habe, einfach weil...Jungen...


    Inattention refers to significant difficulty in sustaining attention to tasks that do not provide a high level of stimulation or frequent rewards, distractibility and problems with organization. Hyperactivity refers to excessive motor activity and difficulties with remaining still, most evident in structured situations that require behavioural self-control. Impulsivity is a tendency to act in response to immediate stimuli, without deliberation or consideration of the risks and consequences.

    P.S.: Bei beiden Punkten setzt übrigens Neurofeedback an. Die Kindern werden trainiert (es ist im Grunde Dressur mit einem Computer und EEG) selber wahrzunehmen und gegenzusteuern, wenn ihre Gedanken gerade abschweifen oder sie anfangen sich leicht (unbewusst) zu bewegen.

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  • konkrete Vorschläge eines Kinder- und Jugendpsychiaters als Alternativen zur Medikation für ein Grundschulkind:
    - therapeutisches Klettern
    - Lerntherapie


    Im übrigen beschränkt sich ADHS nicht auf reinen Bewegungsdrang oder Konzentrationsprobleme in Arbeitsphasen. Es beginnt schon damit, dass das betroffene Kind Anweisungen, die über 3-Wort-Sätze hinausgehen, nicht erfassen kann, weil es sofort innerlich wegdriftet oder von etwas abgelenkt wird, was es sieht/hört. Das stört ganz erheblich die Kommunikation mit so ziemlich jedem Mitmenschen.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

    Einmal editiert, zuletzt von Jule13 ()

  • Es ist schon erstaunlich wieviel „Experten“ sich anscheinend mit der Diagnose und Therapie von ADHS auskennen und kluge Ratschläge geben können. Ich denke aber das hier kaum jemand beurteilen kann wie sich ADHS „anfühlt“, wie man darunter leidet und welche Wirkung (und Nebenwirkungen) Methylphenidat aufdie Betroffenen hat. Vielleicht deshalb mal eine Aussage von einem erwachsenen „Betroffenen“ mit der Diagnose ADHS
    In meinen jungen Jahren und später (besonders in der Pubertät) hatte ich immer mit Konzentrationsproblemen (aber auch starker Hyperfokussierung), Desinteresse an Schule, Lernproblemen und massiver Impulskontrolle zu kämpfen. Dies äußerte sich an schlechten Schulabschlüssen, einer „interessanten“ Berufsbiographie und „endete“ schlussendlich in einem Beruf, den ich früher am meisten gehasst habe. Über den zweiten Bildungsweg habe ich erfolgreich zwei Lehrerausbildungen gemacht und arbeite nun an einem SBBZ.
    Vor Jahren wurde, selbst noch von Ärzten erzählt, das sich das „Zappelphilippsyndrom“ oder auch bekannt als ADHS mit den Jahren herauswächst. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich selbst davon betroffen bin, der Weg zur Diagnose ist eine ausführlichere Geschichte. Lange Rede, kurzer Sinn aus meiner eigenen Erfahrung.
    Medikenet und Ritalin verändert NICHT die Persönlichkeit! Das ADHS verändert die Persönlichkeit. Medikenet funktioniert nur bei der eindeutigen Diagnose ADHS, sonst wirkt es kontraproduktiv in Form eines Aufputschmittels. Das Medikament kann überhaupt nicht die Persönlichkeit verändern (die bleibt), soll es auch nicht. Es führt u.a. dazu zuzuhören, sich konzentrieren zu können und das ewige Gedankenkreisen in den Griff zu bekommen. Mit Medikenet konnte ich das erste Mal im Leben meditieren/ruhig werden.
    Zu den Nebenwirkungen: Verstärktes Durstgefühl, Appetitlosigkeit in der Anfangszeit. Normalisiert sich mit der Zeit. Wichtig ist eine gewisse Einstellungszeit. Hier muss genauestens dosiert werden.
    Der Reboundeffekt kann sehr heftig werden. Auch hier sollte genau dosiert werden und auf event. Unterzuckerung geachtet werden.
    Fazit: Für mich als Betroffener war die Diagnose und die Einstellung mit Methylphenidat ein wahrer Segen und die Erlösung von einem langen Leidensweg. Nicht vergessen darf man, das unbehandeltes ADHS nicht selten zu Depressionen führen kann! Auf Probleme innerhalb des Berufslebens, Partnerschaften, Kollegen, etc. möchte ich erst gar nicht eingehen.

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