Schüler hat Diabetes - wen fragen?

  • Es gibt den Verein „Kinderhilfe Diabetes“ (https://diabetes-kinderhilfeverein.de/aktuelles.html), der sich des Themas angenommen hat. Mit Unterstützung des Pädagogischen Landesinstituts, des Bildungsministeriums,des Gesundheitsministeriums (alles RLP) usw. wurde aufgrund der hohen Nachfrage nach Fortbildungen zum Thema Diabetes bei Kindern ein Webinar erstellt.

    In diesem bekommst du alle wichtigen Informationen zum Thema und erfährst, was du darfst/nicht darfst und was du tun musst/nicht tun solltest.


    Frau Neese, die Vorsitzende des Vereins, ist über die Maßen engagiert und kann dir mit Sicherheit weiterhelfen. Setz dich am Besten per Mail mit ihr in Verbindung. Mit etwas Glück, kannst du vielleicht sogar am Webinar teilnehmen.


    Btw. ich habe ständig Schüler mit Diabetes und rate dir, die Bestimmungen für dein Bundesland genau zu überprüfen. In Rlp z.B. darf ich als Lehrer den Pen ohne schriftliche Erlaubnis der Eltern und ohne eine extra Schulung über die Nutzung des Pens gar nicht einsetzen. Fakt ist auch, dass der Pen mehr schadet als nützt. Die Wirkung setzt erst innerhalb einer dreiviertel Stunde ein und die Nebenwirkungen sind sehr zahlreich und hoch. Solange du eher einen Krankenwagen rufen kannst, die eine deutlich schonendere „Zuckerlösung“ einsetzen, solltest du das machen. Den Pen nutzt man nur im Notfall, abseits jeglichen Funkempfangs und Zivilisation. Genaueres erfährst du bei Frau Neese.

    Du meinst die Glukosespritze. In einem Pen ist das Kurzzeitinsulin (muss zu jeder kohlenhydrathaltigen Mahlzeit verwendet werden) und in einem anderen das Langzeitinsulin (morgens und abends).

  • Nochmal ganz vielen Dank für die ganzen Infos!

    Ich habe dem Kind heute eine Schweigepflichtsentbindung mitgegeben, jetzt sind ja erst mal Ferien, ich hoffe, ich bekomme die dann zurück.

    Ja, aber ist schon krass, dass die Eltern sich da gar nicht kümmern. Am Anfang des Schuljahres wiesen mich die MITSCHÜLER des Kindes auf die Erkrankung hin (noch nicht mal der Kollege vom Vorjahr...), Infos erfragte ich dann bei Kollegen (habe ich ja bereits erzählt).

    Ich finde es interessant, dass ich keine Holschuld habe (ist auch richtig so, ansonsten müsste ich ja permanent mit alles Ärzten meiner Schüler im Kontakt stehen), wenn etwas passiert, macht man sich menschlich natürlich lebenslang Vorwürfe, auch wenn man rechtlich frei wäre.

    Danke! Und an alle bayersichen Lehrer: schöne Ferien!


    PS Das Kind hat für die Heimfahrt ein Handy, aber ob es das im Notfall bedienen kann... ich weiß nicht. Ein Aktionsplan muss her und das schleunigst, richtig!

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Wir hatten in unserer Schule letztes Jahr 2 Kinder mit Diabetes. Eins davon ganz frisch diagnostiziert. Beide haben selbst gemessen und ggf. Gespritzt ( und das in der Grundschule). Für beide Kinder hing im Lehrerzimmer und in der Klasse eine Info mit genauen Angaben, was bei welchem Wert zu tun ist. Darüber musst ja nicht nur du, sondern jeder Lehrer in der Klasse bescheid wissen. Mich wundert es echt, dass sowas nicht direkt vom Arzt mitkam oder von der Schulleitung gefordert wurde.

  • Grundsätzlich finde ich eine Schulung zum Typ 1-Diabetes für alle in der Klasse des betroffenen Kindes tätigen Pädagogen sinnvoll. Mir hat die Teilnahme an solchen Veranstaltungen eine größere Handlungssicherheit vermittelt.

    Fachkräfte eines Zentrums für Diabetologie liefern neben Hintergrundwissen zu dieser Autoimmunerkrankung Informationen zu den an der Schule zu treffenden Vorbereitungsmaßnahmen, zu gesetzlichen Grundlagen, Ernährung, Blutzuckermessung, Überzuckerung, Anzeichen für Unterzuckerung, Ketontest, Behandlung von Unterzuckerung mit Anpassungsschema, Vorbereitung und Anpassung im Rahmen des Sportunterrichts.

    Gespräche und Anleitungen durch Eltern und/oder Diabetesberater zum Umgang mit Messgerät, Pen, Pumpe, Ketongerät, Anpassungsschema/Austauschtabelle, Spritzenplan, Unterzuckerungsbox und Notfallset halte ich für notwendig.

    Durch entsprechende Hinweise in der Gesamtkonferenz und einen Notfallplan im Lehrerzimmer und Klassenraum kann das Kollegium wenigstens grob auf Ernstfälle vorbereitet werden.

    Von den Eltern einer Schülerin erhielt ich Unterlagen im Sinne eines Handlungsplans für zu niedrige oder zu hohe Werte sowie eine personenbezogene Tabelle mit einer Auflistung, bei welchem Gewebezuckerwert (Anzeige auf dem Messgerät) welche Aktion erfolgen sollte. Diese Übersicht sowie die Notfallnummern hatte ich immer griffbereit.

    Gerne kann ich in einer persönlichen Nachricht Schulungsunterlagen und einen personenbezogenen Handlungsplan (nur als Beispiel zur Ansicht, nicht zur Verwendung im geschilderten Fall) zuschicken.

  • Wenn sich die Eltern dir gegenüber so quer stellen, keine Informationen geben und auch nicht wollen, dass das Kind den Pen in der Schule verwendet - geht es nicht sogar schon in Richtung Kindswohlgefährdung, evtl. ein Fall für das Jugendamt?


    Sarek

  • Danke, Annelie, werde auf dich zukommen. Sillaine, ja, keine Ahnung, hat sicher keinen so recht interessiert. Sarek, das ist als nächster Schritt geplant, falls die Eltern keine Schweigepflichtsentbindung unterschreiben!

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Übrigens mal ganz grundsätzlich: Infos über Erkrankungen der Schüler und wie damit umzugehen ist sind keine Holschuld der Schule!

    Richtig, trotzdem möchte man wissen, was tödliche Symptome sind, wenn man denn Kenntnis von einer chronischen Krankheit hat. Aber ich würde keinesfalls im Alleingang einen Notfallplan erstellen. Deswegen über Schulleitung gehen (natürlich nicht, wenn man einen Notruf absetzt, hoffe das war klar).


    Kindeswohl kam mir auch in den Sinn.

  • Ich habe tatsächlich Pen und Glucosespritze verwechselt. Danke für die Klarstellung.

    Jedoch darf man auch den Pen als Lehrer erst nach schriftlicher Genehmigung durch die Eltern nutzen.

  • ... den Glucosepen musst du im Notfall setzen, das bedarf keiner Einwilligung der Eltern. Hat man Kenntnis von einer Diabeteserkrankung und macht das im Notfall nicht, macht man sich strafbar, egal ob Lehrer oder sonst wer. Das gilt als unterlassene Hilfeleistung.

  • Dazu müsste ich wissen

    • was ein Glucosepen ist, wie er wirkt und wann ich ihn einsetzen muss
    • ob der Schüler einen hat
    • wo der ist
    • wie ich ihn benutzen muss

    Wie gesagt, ich habe überhaupt kein Problem damit, notwendige Hilfe zu leisten. Wer aber von mir verlangt, bei bestimmten Krankheiten Fachwissen einzusetzen, der möge zunächst dafür sorgen, dass ich das auch habe.

  • So ein Pen ist nicht allzu kompliziert. Zunächst musst du den aktuellen Wert messen (dafür gibts so Teststäbchen).

    Du musst eine Einwegnadel an den Pen dranpacken.

    Dann stellst du die Anzahl Einheiten ein (nach Tabelle gemäß gemessenem Wert).

    Danach ähnlich wie bei einer Spritze kurz andrücken, damit keine Luft mehr drin ist.

    Dann an Bauch oder ggf Oberschenkel desinfizieren, ansetzen, und rein damit.

    Durch die Einheitseinstellung wird die gewünschte Insulinmenge gegeben.

    Im Anschluss Nadelaufsatz entsorgen.


    Eigentlich nicht kompliziert (was da mittlerweile geht ist schon ein Ding, das war früher weit schwieriger...)

    Wichtig ist, dass eine Tabelle vorliegt, der du den richtigen Wert entnehmen kannst. Diese wird idR vom Diabetologen erstellt (bzw Hausarzt mit entsprechender Qualifikation).

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • So ein Pen ist nicht allzu kompliziert.

    Glaub ich Dir gern, und danke für die Erklärung (die ich nie brauchen werde, weil es bei uns für solche Fälle medizinisches Personal gibt *frohdrumsei*). Dennoch würde im Ernstfall auch Deine Anleitung hier nicht die entsprechende Dienstanweisung ersetzen.

  • Ich habe jetzt nicht den gesamten Faden gelesen, sondern nur so quer gelesen, und möchte nur etwas von der Seite einwerfen:

    Ich habe auch einen Typ I Diabetiker in meiner Klasse. Dieser hat eine Schulbegleitung und zweimal am Tag kommt zum messen ein Pflegedienst in die Schule. Auch bei ihm schwanken die Werte unheimlich, weil er ständig isst ohne zu spritzen und das wohl eigentlich auch überhaupt nicht richtig kann.


    Langer Rede, kurzer Sinn, in Hamburg gibt es extra Fortbildungen für Lehrkräfte in der Diabetesabteilung eines Kinderkrankenhauses, in dem die Oberärztin der Abteilung generelle Tipps zum Umgang mit der Krankheit gibt und auch alle Fragen beantwortet.


    Vielleicht gibt es sowas in Bayern auch.

  • Interessant, interessant, was ihr so an Gedanken reinwerft, danke!

    Ich könnte auch nix spritzen oder setzen, auch im Notfall nicht, weil ich gar nicht weiß, wie irgendwas ausschaut oder gehandhabt wird. Natürlich würde ich im Notfall die Rettung von meinem Privathandy im Klassenzimmer rufen und nicht erst mit den SL drüber sprechen. Wenn ich denn einen Notfall erkennen würde. Neulich beim Zucker von 350 wirkte das Kind ganz normal. Aber was heißt schon normal bei meinen Schülern... (sorry, der Seitenhieb musste nach meiner krassen Woche sein), also da ticken ständig welche aus, wie soll ich da einen medizinischen Notfall erkennen (ohne Schulung, evtl auch mit).

    Ja, ich brauche einen Plan, mehr Infos, eine Fobi. Und das mit der Schulbegleitung werde ich auch mal eruieren. Wirklich klasse, worauf ihr hier mich so bringt!:kuss:

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • ... den Glucosepen musst du im Notfall setzen, das bedarf keiner Einwilligung der Eltern. Hat man Kenntnis von einer Diabeteserkrankung und macht das im Notfall nicht, macht man sich strafbar, egal ob Lehrer oder sonst wer. Das gilt als unterlassene Hilfeleistung.

    Genau das ist in RLP den Erziehern und Lehrkräften untersagt.
    Die Notfallspritze (Glucakon-Spritze) ist alles andere als einfach zu bedienen. Sogar eine erfahrene OP-Schwester war aufgrund der Stresssituation schon nicht in der Lage, diese Spritze korrekt einzusetzen. Wie sollen wir Lehrer dann so etwas hinbekommen.

    Es ist ein Irrglaube, dass das Nichtsetzen der Notfallspritze unterlassene Hilfeleistung ist.

    Es reicht völlig, den Notruf abzusetzen.

  • ... den Glucosepen musst du im Notfall setzen, das bedarf keiner Einwilligung der Eltern. Hat man Kenntnis von einer Diabeteserkrankung und macht das im Notfall nicht, macht man sich strafbar, egal ob Lehrer oder sonst wer. Das gilt als unterlassene Hilfeleistung.

    Zwar muss im Notfall entsprechende Hilfe geleistet werden, dass heißt aber nicht zwangsläufig, dass der Pen gesetzt werden muss. In Anbetracht der kurzen Anfahrtzeiten von Notärzten und der stark verzögerten Wirkung des Pens ist ein sofortiges Absetzen eines Notrufs wahrscheinlich sogar das geeignetere Mittel.

  • Kein Irrglaube, sondern Tatsache. Es gibt dort Gerichtsurteile zu.

    Ich fürchte, du verwechselst dabei zwei Sachen. In der Vergangenheit haben mehrere Gerichte zwar betont, dass Lehrkräfte verpflichtet sind, im Notfall erste Hilfe zu leisten. Das folgt bereits aus der Garantenstellung der Lehrkraft für ihre Schülerinnen und Schülern und betrifft in erhöhten Maß noch einmal vorgeschulte Lehrkräfte. Dazu gehört auch eine (einfache) Verlaufskontrolle bezüglich Atmung und Puls, wie z.B. der BGH am 04.04.2019 erst befand.


    Ein Urteil, welches eine Lehrkraft konkret dazu verpflichtet, einen Heileingriff durchzuführen, zu der sie nicht ausgebildet ist, anstatt den Notarzt zu rufen, der wahrscheinlich schneller sinnvoll helfen könnte, würde mich dann aber auch einmal interessieren.

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