Aufsatzerziehung - völlig „unkreatives“ Kind

  • Folgendes Problem: in meiner Deutschklasse (3. Jahrgang) ist ein Junge, der ein sehr guter Schüler ist. Vor allem im mathematischen Bereich ist er laut Klassenleitung herausragend. Auch im Lesen und Schreiben ist er definitiv Leistungsspitze. Nun starten wir gerade mit Aufsatzerziehung und da verzweifelt er (und ich auch so langsam). Kreative Ideen liegen ihm so gar nicht. Die Aufgabe, zu einer vorgegebene Geschichte einen Schlusssatz zu finden, ist eine riesige Herausforderung. Von einer ganzen Geschichte ganz zu schweigen. Er liest viel und ihm wird auch viel vorgelesen, das ist nicht das Problem. Eher, dass er so verkopft ist. Glaube ich jedenfalls. Dass er in diesem Bereich solche Schwierigkeiten hat, belastet ihn und macht ihn traurig.

    Habt ihr Ideen, wie ich seine Kreativität fördern kann?

  • Hm, hat er denn Sorge, dass er Fehler machen könnte oder dass es peinlich ist, was er schreibt also jemand darüber lachen könnte? Oder welche Ursachen vermutest du? Was sagt er z.B., wenn du darum bittest, dass er den letzten Satz formulieren soll? Kann er eine Idee in seinen Worten wiedergeben, ohne dass ein druckreifer Satz ausgesprochen werden muss etc.

  • "Jetzt sind wir alle mal ganz spontan/kreativ!" funktioniert halt nicht.


    Vielleicht liegts ja auch an den Aufsatzthemen?


    Ich habe mich mit Aufsätzen auch immer unheimlich schwer getan und bin froh, dass ich diese Dinger nicht mehr schreiben muss. Dafür kann ich mich kurz fassen. :aufgepasst:


    Und was ist den Aufsatzerziehung? Gibt es auch eine Kleine-Einmaleins-Erziehung?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Es gibt SuS, die herausragend auswendig lernen und wiedergeben, so gut, dass sie eigenes Ersinnen und Erdenken nicht lernen... manchmal auch das Vernetzen nicht.

    Beispiel: Wer war Martin Luther?

    Antwort: Ein glaubensstarker Mann.

    Die Antwort ist Teil eines sehr bekannten Liedes, der Inhalt war vom Kind gar nicht verstanden, aber die bloße Wiederholung erscheint als treffende Antwort.


    Das ist der Nachteil einer Auswendiglern-Begabung. Diese Kinder bekommen früh und häufig Lob für alles, was sie sich merken können, fordern in dem Bereich und bekommen immer neue Herausforderungen, nicht aber in den Bereichen, die ihnen so gar nicht liegen, sodass vielleicht irgendwann auffällt, dass sie nicht kreativ sind oder nicht gut deuten können.

    Auch gibt es offenbar Menschen, die sich alles merken können, wohinter eine 1:1-Zuordnung steckt, die klassischen Quizfragen, automatisiertes Rechnen,

    mit Das-kommt-darauf-an-Antworten aber nichts anfangen können.


    Zum einen ist es gut, dass diese Kinder auch mal andere Erfahrungen machen, die sie an Grenzen bringen und die sie dazu bringen, einen Lernweg zu suchen und zu bestreiten.

    Zum anderen kann man auch das Schreiben erlernen, letztlich muss man dem Kind zeigen, wie es den vorhandenen Erfahrungs- und Wortschatz einsetzen kann.


    Einer meiner Schüler hatte statt eines Rechtschreibheftes, das er wirklich benötigte, ein Heft aus der Indianer-Reihe von Klett, das sehr einfach mit Wörtersammlungen begann, dann zu Sätzen überging und so in Richtung Texte verfassen anleitete.


    Ein erheblich schwierigeres Heft gibt es aus dem Friedrich-Verlag, das habe ich aber nicht mehr eingesetzt.


    In der Grundschule reicht es für „Texte schreiben“ nicht aus, wenn man Sachtexte erstellen oder zusammenfassen kann.

  • Der Schüler könnte 1:1 ich in der 3. Klasse sein. :D


    Vermutlich versteht er nicht, was du von ihm willst.

    Die Geschichten sind für ihn völlig unwichtig und es gibt zu denen aus seiner Sicht nichts zu sagen bzw. schreiben.


    Lass ihn analytisch/technisch an die Sache gehen und gib ihm Kriterien:

    "Eine Erzählung enthält Worte/Satzfragemente um Spannung aufzubauen. Das sind x, y oder z. Davon müssen zwei eingebaut werden."

    "Der Hauptteil hat mindestens 4 Sätze."

    " In der Einleitung erwähnst du den Ort und die Hauptperson."

    So in der Art.


    Oder du gibst ihm eine Prototypgeschichte als Muster, die er immer wieder abwandeln soll/kann. Wie bei Groschenromanen oder Krimis, immer die gleiche Geschichte, aber an unterschiedlichen Orten und mit immer anderen Namen.


    Vermutlich wirst du nie einen Autor aus dem Schüler machen. Eventuell kriegst du ihn mit Sachtextformaten, Erlebnisberichten (des Schülers) bzw. Themen, die ihn interessieren.

    2 Mal editiert, zuletzt von kodi () aus folgendem Grund: Grammatik-&Rechtschreibfehler

  • Bei dem aber jede/r weiß, was gemeint ist, oder?

    SteffdA offensichtlich nicht?

    Mir war der Begriff tatsächlich nicht geläufig.


    Mein kürzester Aufsatz war übrigens mal so 3 Sätze lang. Das hat meine damalige Deutschlehrerin ziemlich zur Verzweiflung getrieben....

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  • Vielleicht muss er erstmal anderweitig kreativ werden dürfen, wenn er eher kopflastig ist. Du könntest ihn malen lassen, am besten mit Wasserfarben. Ein Bild zur Geschichte, ein Bild zum Ende usw.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Dazu müsste man wissen, wie du "Texte verfassen" aufbaust.

    Ich habe schon verschiedene Ansätze durch, wie es halt gerade "in" war.

    Bei Ansätzen, wo vorher das Wortmaterial, der Stil usw. durch diverse Aufgaben entlastet wurde, hatten die Schüler wenig Probleme, inhaltlich eine Geschichte je nach Vermögen zu schreiben.

    Bei Herangehensweisen, die ganzheitlich den ganzen Themenbereich durch diverses Wortmaterial aufbereiten (ist z.B. bei unserem Sprachbuch und Lesebuch der Fall), werden dadurch Zugänge geschaffen.

    Schwierig wird es für einige Schüler, wenn ich den Kindern etwas gebe, wo vorher gar nicht vorgearbeitet wurde. Da kommt schon öfter dann: "Mir fällt nichts ein."

    Bei einem solchen Ansatz ist es wichtig, alternative Angebote zu haben. Stichpunkt: Schreiben nach einem Bildimpuls.

    Wenn ein Schüler keinen Schlusssatz zu einer Geschichte findet, findet er entweder keinen Zugang zu Geschichte oder er ist generell blockiert. Da könnte man ihm als Vorstufe z.B. mehrere Alternativen für einen Schluss anbieten.

    Vielleicht sollte man sich bei manchen Geschichten testen, ob man selbst einen Schluss finden würde, denn bei manchen Vorlagen denke ich manchmal, da würde mir auch nichts einfallen, denn nicht alle Vorlagen für die Grundschule enthalten wirklich zur Kreativität auffordernde Geschichten.

  • Vielleicht hat er einfach Angst, Fehler zu schreiben und ist dadurch im Stress/Druck/Blockade. Ich habe festgestellt, dass Kinder, die von Anfang an AUCH mal frei schreiben dürfen und dabei Fehler machen dürfen, erstens kreativer sind, zweitens weniger Hemmungen haben überhaupt zu schreiben. Nachdem ich den Kindern das ab Klasse 1 in einem speziellen Heft (bei uns Geschichtenheft) wieder zugestehe, beim selbstständigen Schreiben natürlich auch Fehler zu machen und ihnen diese Schreibzeiten und - anlässe immer wieder anbiete, merke ich, wie das für die weiteren Klassenstufen Früchte trägt. Das Freie Schreiben war/ist ja eine Weile eher verpönt gewesen. Ich meine auch nicht Lesen durch Schreiben als Methode des Lesenlernens.


    Hilfreich finde ich auch immer einen Klassenbriefkasten wo auch nichts kontrolliert wird, um die Angst vor dem schriftlichen Verfassen abzulegen . Es darf aber nur "nette Post" geben.

    Oder du stellst anfangs erst einmal freiere Aufsatzthemen / lässt sie z.B. über das Wochenende schreiben als "Montagsgeschichte."

  • Vielleicht hat er einfach Angst, Fehler zu schreiben und ist dadurch im Stress/Druck/Blockade. Ich habe festgestellt, dass Kinder, die von Anfang an AUCH mal frei schreiben dürfen und dabei Fehler machen dürfen, erstens kreativer sind, zweitens weniger Hemmungen haben überhaupt zu schreiben. Nachdem ich den Kindern das ab Klasse 1 in einem speziellen Heft (bei uns Geschichtenheft) wieder zugestehe, beim selbstständigen Schreiben natürlich auch Fehler zu machen und ihnen diese Schreibzeiten und - anlässe immer wieder anbiete, merke ich, wie das für die weiteren Klassenstufen Früchte trägt. Das Freie Schreiben war/ist ja eine Weile eher verpönt gewesen. Ich meine auch nicht Lesen durch Schreiben als Methode des Lesenlernens.


    Hilfreich finde ich auch immer einen Klassenbriefkasten wo auch nichts kontrolliert wird, um die Angst vor dem schriftlichen Verfassen abzulegen . Es darf aber nur "nette Post" geben.

    Oder du stellst anfangs erst einmal freiere Aufsatzthemen / lässt sie z.B. über das Wochenende schreiben als "Montagsgeschichte."

    Das das eine schöne Sache ist, kann ich aus Elternsicht bestätigen.

    Meine Kinder wurden alle in schon in der ersten Klasse nach allen Ferien aufgefordert einen freien Text über die Ferienerlebnisse zu schreiben. Manche haben erstaunlich viel geschrieben (2 oder 3 kurze Sätze) und dann etwas dazu gemalt, andere Kinder haben am Anfang eher ein Bild gemalt und dazu nur ein oder zwei Worte festgehalten. Die Geschichten wurden im Laufe der Zeit dann immer länger.

    Manchmal wurden die Sätze eine Zeit lang im Klassenzimmer ausgehängt, auf jeden Fall wurden sie abgeheftet und nach zwei Jahren Anfangsunterricht den Kindern mitgegeben.


    Ist auch für die Eltern eine nette Erinnerung. Viel schöner als das erste Schulheft mit abgeschriebenen Wörtern.


    LG DFU

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