Darf man als Lehrer einem Kind sagen, dass man es nicht mag? ("Aus dem Corona in Bayern"-Thread)

  • kein Wunder, dass es da zu Aggressionen kommt, die Busfahrer sind schließlich kein pädagogisches Personal!

    Ich möchte mal die These in den Raum werfen, dass es viel zu spät kommt, dass Jugendlichen mal ihr Verhalten gespiegelt wird. Meiner Erfahrung nach sorgt der Umstand, dass Jugendliche zu einem Großteil ihrer Zeit (Schule) mit Pädagogen in Kontakt kommen dafür, dass sie in vielen Bereichen menschlichen Umgang nicht lernen.

    Beispiel: Bei uns gibt es einen verhaltensauffälligen Jungen, der sogar schon einmal eine Kollegin übelst beleidigt und nun sogar bedroht hat.

    Nun sollen dem Schüler (erstens viel zu lasche) pädagogische Maßnahmen verordnet werden und zweites denkt die Kollegin, ihre Rolle als Pädagogin würde dann professionell aussehen, wenn sie dem Schüler nach dem Vorfall wieder möglichst neutral und wertschätzend gegenüber entgegentritt.

    Was lernt der Junge daraus? Dass er den größten Mist machen kann (ja, er wird sicher seine Probleme haben, aber um die Gründe geht es jetzt nicht, sondern darum, was er daraus lernt) und nachher haben ihn doch alle lieb. Seine Mutter ist genauso, sie nimmt ihn in Schutz und tut so, als wäre es so ein tolles Kind.

    Würde das Kind einem Nichtpädagogen (also quasi auch mir...) gegenüber sowas abziehen wäre danach ganz deutlich, dass er das erstmal wieder gut machen muss, bevor wieder akzeptiert wird.

    In der Schule oder generell durch "pädagogisches Personal" wird den Kindern vermitteln, wenn Du ein Arsch bist, okay, dann musst Du vllt mal ne Strafarbeit (nichtmal mehr das heute) machen, aber trotzdem ist man dir wohl gesonnen. Bitte!? Ein Kind hat das Recht darauf zu erfahren, dass wenn man ein Arschloch zu jemandem ist, dass diese Person einem dann in aller Regel nicht mehr wohl gesonnen ist (wie viele Pädagogen es aber, aus komisch verstandenem Berufsethos oder was auch immer, sind).

    Wenn also der Busfahrer sich "unpädagogisch" verhält, dann ist das vermutlich sogar die beste Lehre fürs Leben. Nämlich: Wenn Du ein Arsch bist, hat das Konsequenzen. Man mag dich nicht mehr. Niemand mag Arschlöcher. Und als beste Lernerfahrung ist die Person ab dann auch ein Arsch, aber nur zu Dir.

    Klar muss es die Option auf Wiedergutmachung geben (das ist professionell), aber die wird ein Kind gar nicht suchen, wenn die Person einem ja trotzdem wohlgesonnen ist.

    Klar kann ein Kind dann noch entscheiden, ob es nicht vielleicht sogar okay ist ein Arsch zu bleiben. Aber ich glaube, dass ganz viele Kinder heute einfach zu wenig gespiegelt bekommen, was ihr Verhalten in anderen Menschen auslöst. Und meine Erfahrung ist, dass die dann versuchen sich wieder gut zu stellen, wenn sie mal wirklich merken, dass sie sich jemanden zum Feind gemacht haben.

    Die "Professionalität" des Lehrers / Erziehers verhindert dem Kind den Zugang zu echten Emotionen als Reaktion.

    Ich bin da mega offen gegenüber meinen Schülern, ich sage denen klipp und klar, dass sie per se alle bei mir willkommen sind und ich ihnen wohl gesonnen bin. Ich sage ihnen aber auch, dass ich mich nicht verarschen lasse und nachtragend bin. Wer sich das mit mir verscherzt, der wird das spüren. Ganz unpädagogisch.

    Was soll ich sagen, ich habe ganz viele Klassen, mit denen ich prima auskomme, eigentlich mit weit über 95% aller SuS. Und diejenigen, auf die das nicht zutrifft, sind auch die, die als Problemkinder verschrien sind und Kolleginnen in den Wahnsinn treiben. Ein Teil der Problemkinder (nicht alle) läuft bei mir aber deutlich besser. Es kam sogar mal ein Schüler an und hat sich entschuldigt und gefragt, ob ich ihm noch böse bin und er würde sich auch "zusammenreißen". Das war ein mega gutes Gespräch und ab da war es auch in Ordnung zwischen uns. Ich war eine von zwei Lehrern (gab noch einen Mann, mit dem er klar kam) wo er überhaupt beschulbar war. Allen anderen hat er den Unterricht gesprengt. Zufall?


    Man muss einem Kind auch mal sagen "Ich mag dich nicht. Das liegt daran, weil du dich frech verhältst." Pädagogen neigen zu sagen "Ich mag dich, aber ich finde dein Verhalten doof". Und diese Trennung zwischen Person und Verhalten ist so etwas von lebensfremd und eine total falsche Botschaft.

    Geht mal zu einem erwachsenen Menschen und seid dreist. Pöbelt mal jemanden an und wollt dann, dass die Person euch wohlgesonnen ist.

    Betrügt euren Partner und wollt dann noch von ihm geliebt werden.

    So läuft das nicht, Verhalten und Person gehören zusammen und werden vom Gehirn als zusammengehörig wahrgenommen. Und diesen Zusammenhang sollen Kinder in der Schule aufgrund des "pädagogischen Personals" irgendwie verlernen scheint mir.


    Also, bitte mehr "unpädagogische Busfahrer" etc. einstellen, damit die SuS zumindest da mal eine echte Reaktion bekommen. Von den eigenen Eltern bekommen sie ja meist auch keine. Die Eltern lassen ja auch so viel mit sich machen aus Angst, man wäre ja eine schlechte Mutter, wenn man einem Kind mal seine Emotionen richtig spiegelt, wenn es einen "Hure" nennt.

  • Man muss einem Kind auch mal sagen "Ich mag dich nicht.

    Finde ich schwierig, um nicht zu sagen unangemessen. Meiner Meinung nach sollte es immer das konkrete Verhalten sein, das man tadelt.


    Und diese Trennung zwischen Person und Verhalten ist so etwas von lebensfremd und eine total falsche Botschaft.

    Das muss in der Schule aber sein (meine Meinung). Privat ist es was anderes.


    Auch wenn ich eine(n) Schüler(in) an sich nicht mag (was ja vorkommen kann, Lehrer sind auch Menschen), behalte ich das für mich. Wenn ich jemanden in meiner Klasse doof finde, muss ich ihn als Lehrer dennoch professionell behandeln, also unabhängig meiner persönlichen Einstellung gegenüber dem Schüler/der Schülerin.


    Ansonsten stimme ich dir zu, das nach meinem Empfinden oft zu lasch gehandelt wird bzw. die Schule zu wenig Handhabe hat.

  • Finde ich schwierig, um nicht zu sagen unangemessen. Meiner Meinung nach sollte es immer das konkrete Verhalten sein, das man tadelt.

    Wie gesagt, das sehen sehr viele so wie Du. Und das das führt meiner Meinung nach zu einer Dissonanz.

    Wieso sollte man jemanden mögen, der sich einem gegenüber scheiße verhält.

    Es muss die Option geben, dass das Kind das wieder gut machen kann, damit da ein Lernprozess stattfindet, das würde ich auch so sehen.

    Aber jemanden bedingungslos zu mögen, das halte ich erstens für nicht möglich und aus meiner Argumentation heraus auch überhaupt nicht für sinnvoll.

    Auch für die anderen Schüler. Sie beobachten "Schüler XY ist mega frech und ungezogen zu Frau Firelilly. Sie scheint es ihm nicht übel zu nehmen. Oder: mit Lehrern kann man ja so umgehen, die müssen einen als Pädagogen trotzdem fair und freundlich behandeln. Da muss man das auch gar nicht wieder geradebiegen"

    Deshalb ist meine eigene Meinung, dass ich lieber deutlich mache, was los.


    Auch wenn ich eine(n) Schüler(in) an sich nicht mag (was ja vorkommen kann, Lehrer sind auch Menschen), behalte ich das für mich.

    Wenn der Schüler das aber gar nicht erfährt, wie soll es dann den Zusammenhang zwischen seinem Verhalten gegenüber Menschen und dem, wie Menschen daraufhin empfinden und reagieren lernen.

    Etwas für sich behalten ist eine Form von Täuschung, die viele Pädagogen sicher aus dem typischen "gut gemeint" heraus machen. Ich halte das aber sowohl für die Lehrkraft selber, als auch für das Kind für ungesund für die Psyche und die Entwicklung.


    Schüler haben viel zu oft unauthentische Menschen vor sich. Du bist sauer auf das Kind und findest es mega unsympathisch? Du verbirgst das aber total? -> unauthentisch

  • Ich habe überhaupt niemandem zu erzählen, dass ich ihn "nicht mag".


    Keinem Erwachsenem, mit dem ich beruflich zu tun habe, und erst recht keinem Kind.


    Persönliche Gefühle sind genau das - persönlich. Damit habe ich niemanden ungefragt zu belästigen und ich habe sie nicht zum Maßstab meines Handels zu machen. Meinen Umgang mit Schülern habe ich anhand objektiver Kriterien aus zu richten und das ist auch völlig ausreichend, um nicht akzeptables Verhalten von Schülern zu sanktionieren, wenn es nötig ist. Wenn ich damit Probleme habe, muss ich das mit mir selber ausmachen.

  • Wieso sollte man jemanden mögen, der sich einem gegenüber scheiße verhält.

    Ich meinte ja, klar kann ich jemanden durchaus nicht mögen (kommt bei mir bestimmt in jeder Klasse vor). Aber es so direkt zu sagen, finde ich nicht i. O. Ich mag manche auch wegen ihrer etwas komischen Art vielleicht nicht, aber verhalte mich neutral, bin höflich und freundlich, den Rest behalte ich für mich. Wenn sich jemand total daneben benimmt, sage ich demjenigen, dass sein Verhalten in dieser konkreten Situation nicht korrekt war, aber nicht, dass ich ihn als Person doof finde. Das geht einfach nicht.

  • Wieso sollte man jemanden mögen, der sich einem gegenüber scheiße verhält.

    Hast du denn wirklich SuS, die sich dir gegenüber immer "scheiße" verhalten? Ich muss ehrlich sagen, dass ist mir in all den Jahren so gut wie noch nie vorgekommen. Es waren immer nur einzelne Situationen, in denen sich mal jemand blöd verhalten hat. Und das habe ich ihr/ihm dann natürlich auch gesagt. Das heißt aber nicht, dass ich diese Person an und für sich nicht mag bzw. mochte!

    Im Übrigen kann ich nur sagen, dass unsere Schulsozialpädagog*innen sich nicht so verhalten, wie von dir beschrieben. Die sagen den SuS schon auf den Kopf zu, was an ihrem Verhalten "scheiße" war oder ist.

    Und auch mit den "pädagogischen Maßnahmen" bin ich an unserer Schule bisher eigentlich immer zufrieden gewesen. Ich hatte noch nie den Eindruck, dass ein/e Schüler/in sich nach einer OMK ins Fäustchen gelacht hat, weil die dort getroffenen Maßnahmen zu lasch waren.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Es gibt tatsächlich kein Kind, das ich nicht mag. Klar mag man manche mehr als andere, das ist menschlich. Aber ich habe noch kein Kind getroffen, das ich wirklich so gar nicht mag.


    Zum Thema „lasch“ oder „klare Kante“: klare Ansagen sind wichtig, innerhalb und außerhalb der Schule. Das ist für mich aber nicht gleichbedeutend mit Anschreien oder beleidigen. Wir hatten schon Fahrer, die 8jährigen gedroht haben, sie bei voller Fahrt aus dem Bus zu schubsen oder den Bus an einen Baum zu setzen: „Dann haltet ihr für immer die Schnauze!“. Das führt offensichtlich nicht zu Verhaltensänderung, sondern dazu, dass das Kind sich weigert, nie mehr in den Bus zu steigen.

    Und jeder kennt sicher auch emotionale KuK, die die SuS dauernd anschreien. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mich hat das als Kind/ Teenie wirklich nicht beeindruckt, im Gegenteil - solche LuL hat keiner Ernst genommen. Am „wirkungsvollsten“ waren immer die Leute, die eine ruhige Autorität ausstrahlten und auch Verständnis für uns zeigten.

    Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es Sinn macht, Kids zu erklären, warum man welches Verhalten erwartet wird. Wir sind nämlich gut drin, den Kids zu sagen, was sie NICHT tun sollen, aber schlecht darin, ihnen zu sagen, was sie denn stattdessen tun sollen.

  • Zur Bussituation: Die Kinder/Jugendlichen kommen dann halt in die Schule und sind voller Aggressionen und ungelösten Streitigkeiten, da muss man sie erst mal runter kriegen, einfangen emotional, ansonsten müsstest du sie in eine Gummizelle sperren (das würde bedeuten, jedesmal den Notruf zu wählen, freiwillig gehen die Kinder da nicht mit, der Notruf würde dir spätestens am 2. Tag was husten und ja, er wird ab und zu gerufen und ein Kind wird "abgeführt" und in die Psychiatrie/zur Polizei gebracht, kommt also durchaus vor). Dann musst du den Rest der Klasse beruhigen, weil das kein schöner Anblick ist, wenn man Kinder gefesselt abführt und dann ist es 11 Uhr und du hast ihnen noch nichts beigebracht.

    Abgesehen davon würde ich dir dringend mal empfehlen, an einer Schule zur Erziehungshilfe zu hospitieren.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Es gibt tatsächlich kein Kind, das ich nicht mag.

    Das ist mir tatsächlich schon passiert. Einmal im Ref., wo ein Kind (11. Klasse) dermaßen meinen Unterricht sabotiert hat (und auch mit anderen Lehrkräften Probleme hatte) und in meiner Lehrprobe demonstrativ geschlafen (ja, geschlafen!) hat, nur um mich in Schwierigkeiten zu bringen. Ich konnte das mit dem Prüfungsausschuss zum Glück klären (die kannten das "Kind" und die Probleme auch), aber ich fand das so dermaßen fies... Gespräche und Verweise haben zu nichts geführt. Dieses Kind hatte ich aber anschließend nicht mehr und konnte das Ganze abhaken. Damals fand ich es echt schwer, als Anfängerin damit umzugehen und die Lehrer rieten mir eher dazu, es zu ignorieren. Hab ich dann auch gemacht...


    Das andere Mal ist auch noch nicht so lange her (2 Jahre) und hat mich hierher in dieses Forum getrieben. Da war die Mutter so dermaßen unfreundlich, anmaßend, beleidigend, ignorant und intrigant und nach deren Besuch in der Sprechstunde fiel mir so richtig auf, wie sehr ihr Kind nach ihr kommt. Und anschließend hat sich das Kind mir gegenüber noch mehr so verhalten (weil es keine 15 Punkte von mir bekam, obwohl Mami mit mir geschimpft hat) und ich hörte noch ähnliche solcher Geschichten von anderen KuK. Dieses "Kind" (na ja, es war 17...) konnte ich nicht mehr richtig ernst nehmen, schon gar nicht nach dem Gespräch mit der Mutter. Das ging so weit, dass ich - zum ersten und einzigen Mal in 15 Jahren - das Gefühl hatte, es nicht mehr frei von persönlichen Gefühlen (in dem Fall Aversion) bewerten zu können, sodass ich mir zur Prüfung eine Fachkollegin mitgenommen habe. Das hat mir echt geholfen. Ich hoffe, sowas passiert mir nicht nochmal... Fand ich erschreckend!


    (Trotzdem habe ich beiden nie gesagt, wie blöd ich sie finde, sondern denke mir dann immer: Das wird irgendwann in deinem Leben schon nochmal auf dich zurückfallen...).

  • Wieso sollte man jemanden mögen, der sich einem gegenüber scheiße verhält.

    Musst du nicht, aber Rollenkonflikte zwischen mir als Privatperson und mir als Lehrkraft muss ich lösen, ohne meine Schützlinge in Mitleidenschaft zu ziehen. Als Privatperson finde ich Schüler x vielleicht arg bescheiden, als Lehrkraft muss ich trotzdem mit ihm zusammenarbeiten und sorge insofern für ein Arbeitsumfeld mit klaren Regeln und dem Maß an Verbindlichkeit, das alle unsere SuS von uns als Lehrkräfte erwarten dürfen. Genau diese Trennung von Beruf und Arbeit *Privatleben müssen die nämlich später auch mal leisten können bei Bedarf und lernen das teilweise zumindest zuhause nicht, sondern wenn, dann nur in der Schule.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: *Privatleben

  • kleiner gruener frosch

    Hat den Titel des Themas von „Darf man als Lehrer ein Kind "scheiße" finden? ("Aus dem Corona in Bayern"-Thread)“ zu „Darf man als Lehrer einem Kind sagen, dass man es nicht mag? ("Aus dem Corona in Bayern"-Thread)“ geändert.

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