Ländlicher Raum: Erhöhte Gefahr von Schulschließungen?

  • Vielleicht ist mit Deinem Gefühl einfach was falsch.

    Na, sicher dat :D! Mit deinem vielleicht auch?

    Vielleicht fehlt Dir an der Stelle einfach die Erfahrung der Maturprüfung in der Dir eine 19jährige das Prinzip der enantioselektiven Synthese erklären kann

    Ja, die fehlt mir durchaus und die brauche ich auch nicht; bin ja keine Chemielehrerin. Falls es dir entgangen sein sollte: Ich nehme auch Abiturprüfungen ab. Und zwar am beruflichen Gymnasium (diese Abiprüfungen sind - außer im beruflichen Schwerpunkt - dieselben wie am allgemein bildenden Gym). Allerdings "nur" in Englisch.

    es geht um das intellektuelle Zeug und genau das gehört ans Gymnasium.

    Das ist doch absoluter Blödsinn! Meinst du, mit meinen Fachoberschüler*innen oder mit Realschüler*innen kann man nicht über "intellektuelles Zeug" diskutieren?!? Wenn du das glaubst, tust du mir wirklich leid.


    Aber vermutlich bin ich einfach selbst nicht intellektuell genug und das, was ich glaube, dass es "intellektuelles Zeug" sei, ist es gar nicht?! Ach, stimmt ja: Mit meinem Gefühl ist ja was falsch 8)... Ich habe ja auch "nur" das Lehramt BBS studiert (und mein Lebensgefährte hat "nur" einen Hauptschulabschluss; also unterhalten wir uns sicherlich gar nicht über "intellektuelles Zeug").

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich habe noch im Kopf, wie meine früheren Nichtgymnasialfreunde nachmittags draußen spielen durften, ich aber über den Hausaufgaben saß.

    Junge, du tust mir unheimlich leid. Ich habe früher tatsächlich mit meinen Gymnasial- und Nicht-Gymnasialfreund*innen nachmittags draußen gespielt (na ja, richtig "gespielt" hat man ab der 7. Klasse, wo wir nicht mehr in derselben Schule waren, ja eigentlich nicht mehr). So lange haben auch wir Gymnasiast*innen damals nicht für die Hausaufgaben gebraucht und auf's Lernen habe ich zum Glück nie zu viel Zeit aufwenden müssen.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ja dann wollen wir uns jetzt halt unbedingt und mit Anlauf missverstehen. Von mir aus.


    Meinst du, mit meinen Fachoberschüler*innen oder mit Realschüler*innen kann man nicht über "intellektuelles Zeug" diskutieren?!?

    Ich meine nicht, ich weiss es. Natürlich diskutiere ich auch mit den Fachmaturanden mal über schwierige Themen und Zusammenhänge, die nicht gleich offensichtlich sind. Aber ich bleibe auf einem tieferen Niveau hängen, als an der Maturabteilung. Es kann nicht jeder alles und es ist nicht jeder gleich schlau. Das ist halt wirklich Bullshit.



    Allerdings "nur" in Englisch.

    Also *ich* habe Dich und das Fach gerade nicht abgewertet. Das wollen wir an der Stelle bitte festhalten.



    und mein Lebensgefährte hat "nur" einen Hauptschulabschluss; also unterhalten wir uns sicherlich gar nicht über "intellektuelles Zeug"

    Ja, und? Wäre das denn schlimm, wenn's tatsächlich so wäre? Ich meine nicht, oder? Das ist ja der Punkt, den du glaube wirklich nicht ganz verstehst. Ich kann doch anerkennen, dass jemand intelligenter ist als ich selbst (das trifft ganz sicher auch auf einen Teil meiner Jugendlichen zu) und es toll finden, wenn wir an der Schule die Möglichkeit haben, das zu fördern. Aber deswegen finde ich alle anderen doch nicht doof und finde keine Gesprächsthemen mehr. Das meinte ich übrigens auch mit dem Loriot-Zitat.


    Vielleicht war der Sport-Vergleich vor ein paar Seiten doch nicht ganz falsch. Wir können problemlos anerkennen, dass Simone Biles eine aussergewöhnliche Sportlerin ist und ich nicht mal im Ansatz fähig bin, so etwas zu leisten. Aber intellektuelle Fähigkeiten dürfen nicht speziell gefördert werden weil sich sonst irgendjemand zurückgesetzt fühlen könnte? Das ist ja absurd.


    Aber ich glaube, es ist gut jetzt, das bringt eh nichts. :rose:

  • Ich bin ja wie Humblebee an einer BS und unterrichte ab Klasse 10 von "Hauptschulabschlussnichtgeschafft-Klassen" bis zu Leistungskursen. Vorher war ich an allgemeinen Gymnasien und kann ohne Romantisierung sagen, dass das Niveau im Beruflichen Gymnasium identisch mit einem allgemeinen Gym sein sollte (u.a. auch wegen des Zentralabiturs in Hessen, mehr dazu später).

    Zwischen Humblebee und mir gibt es aber einen enormen Unterschied: Ich befürworte absolut das mehrgliedrige System.


    Ich unterrichte gern meine BFS- und BVJ- Klassen und gebe mir mindestens genau so viel Mühe bei Förderung etc. wie in den BG-Klassen. Aufgrund sozialer und/oder sprachlicher Probleme sowie oft mangelnder Arbeitshaltung und eben auch kognitiver Einschränkungen sind die fachlichen Inhalte aber stark begrenzt. Ja, was absolut richtig ist: wären einzelne Schüler dieser Klassen in einem Arbeitsumfeld aufgewachsen, in dem Hausaufgaben gemacht werden, ein Leistungswille der Klasse vorherrscht, Eltern sich um die schulischen Belange kümmern würden etc., wäre evtl mehr möglich. Aber, und jetzt kommt das große ABER, bin ich mir sehr sicher, dass bei einem Zuviel an Desinteressierten, sozial Auffälligen, weniger kognitiv Fähigen in einer Klasse auch einige nicht in einem Leistungskurs auf gymnasialen Niveau säßen.


    "Die Stärkeren können ja den Schwächeren helfen und lernen dabei selbst etwas" halte ich für eine Alibiaussage. Selbst innerhalb meines Leistungskurses ist das schon grenzwertig, über noch größere Heterogenität hinweg wäre das für mich unvorstellbar. Markus' Horizont endet nunmal am nächsten Fußballspiel, Mia interessiert sich nur für die neuesten Videos ihrer Lieblingsinfluencerin, während Peter tief in die Mathematik versunken ist und Gabi Lyrik toll findet. Markus erreiche ich ganz anders als Gabi, ich kann in unterschiedlichen Schulformen ganz anders auf beide eingehen und das finde ich auch gut so. Ich will beide so gut es geht unterstützen.


    Was passiert, wenn Schüler die nicht für sie geeignete Schulform wählen, erlebe ich leider auch jedes Jahr und das möchte ich auch gerne an Midnatsol richten: Wir als BS sind mittlerweile eine große Konkurrenz für Gymnasien, achte also bei deiner Idee auf BS in der unmittelbaren Umgebung. BS können die Oberstufe eines Gyms enorm reduzieren: 1) treten einige Gymnasiasten, deren Laufbahn am allgm Gym eher steinig war, zu uns über, weil sie denken, dass es am BG einfacher sei 2) wechseln Schüler mit Realschulabschluss eher an eine BS als an ein Gym, wenn sie Abitur oder ihre Fachhochschulreife machen möchten.


    Nach den Erfahrungen der letzten Jahre (Corona ausgeschlossen, da andere Versetzungs- und Übergangsregelungen) sind allerdings ca. 30 -40 % der Schüler für höhere Schulformen nicht geeignet. 20% merken dies auch im ersten Jahr und verlassen die Schulformen wieder, und ich gebe zu, erst dann ist ein Arbeiten auf entsprechendem Niveau möglich

  • Mia interessiert sich nur für die neuesten Videos ihrer Lieblingsinfluencerin, während Peter tief in die Mathematik versunken ist und Gabi Lyrik toll findet. Markus erreiche ich ganz anders als Gabi, ich kann in unterschiedlichen Schulformen ganz anders auf beide eingehen und das finde ich auch gut so. Ich will beide so gut es geht unterstützen.

    Gerade die Schülerin "Gabi" wäre doch eher ein Argument für Gesamtschulen, wenn sie eher sprachlich interessiert (und eventuell begabt) ist. Solche SuS sind doch im Endeffekt sehr häufig: kaum einer ist in jedem/fast jedem Fach mindestens gut oder aber schwächer. Die meisten haben ihre Stärken und ihre Schwächen. Warum sollte z.B. die sprachbegabte "Gabi" "nur" einen RS-Abschluss machen, wenn sie in den MINT-Fächern immerhin 4 steht? Warum sollte die MINT-begabte "Claudia", die in Sprachen eher schwächer ist (aber auch nicht 5/6 steht), nicht auch Abi machen und dann die Chance haben, ein MINT-Fach zu studieren?

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Wenn das Gymnasium dafür da ist, auf die Uni vorzubereiten, spricht das noch mehr für eine gymnasiale Oberstufe nach einer gemeinsamen Mittelstufenzeit. Denn niemand kann wissen, welches Kind später studieren möchte, unabhängig von seinen intellektuellen Begabungen. (Es soll übrigens schon sehr intelligente Menschen gegeben haben, die sich nach einer Ausbildung selbständig gemacht haben, Künstler*innen wurden, oder die Welt bereisten, um den Steuerzahlenden auf der Tasche zu liegen...)


    Wenn es aber vielmehr darum geht, besonders intelligente Kinder zu fördern, unabhängig vom angestrebten Schulabschluss, müsste man die Aufnahme am Gym von einem IQ-Test abhängig machen. Die bisherige Praxis "Grundschule entscheidet" bezieht sich ja in erster Linie auf das Lernverhalten und wird immer wieder intelligente aber unkonzentrierte, genervte, depressive, nervende oder aggressive Jugendlichen in die Oberschulen bringen, weil sie nicht aufs Gymnasium passen.


    (Intellekt meint nicht nur Intelligenz sondern auch Bildungshintergrund der Familie, nicht wahr? Wie ist Valerianus aufgewachsen? Ich vermute, mit Oper, Bücherschrank und Vater mit FaZ am Frühstückstisch?)


    Das ist zwar verständlich, hat aber zur Folge, dass an Oberschulen zwar des Denkens Mächtige sitzen, die aber trotzdem keine 1en schreiben. Die Durchlässigkeit ist eine Farce. Zugleich werden brave Kinder gehemmt, so wie sie am Gymnasium gehemmt würden. Aber an Oberschulen interessiert es nicht, das Gymnasium wird traditionell von Verhaltensproblemen und Lustlosigkeit weitgehend verschont. Es geht also ganz sicher nicht nur um Intelligenz.


    Und ich sage es zum 3. Mal, weil es unterzugehen scheint, viele Eltern wollen Gesamtschulen, melden ihre Kinder bei entsprechenden intellektuellen Fähigkeiten vorsichtshalber aber doch am Gym an. Dass an Gesamtschulen die Abis tendenziell schlechter ausfallen ist also total logisch und keine Überraschung. Deswegen sage ich ja wenn, dann komplett. So wird die neue Gemeinschaftsschule auch in Sachsen die bessere Oberschule werden, bei der ein paar Wackelkandidaten gerade noch das Abitur schaffen.


    Aber intellektuelle Fähigkeiten dürfen nicht speziell gefördert werden weil sich sonst irgendjemand zurückgesetzt fühlen könnte? Das ist ja absurd.

    Das ist wirklich absurd, zum Glück hat das auch niemand behauptet.


    Das Problem ist, dass der Arbeitsmarkt hier in Deutschland für Haupt- und Realschüler*innen nicht so viel Aussicht auf Wohlstand und Anerkennung bietet. Solange Gymnasium erreichbar scheint, wird jedes vernünftige Elternteil, auch Lindbergh würde das natürlich, versuchen, sein Kind erst mal auf der höheren Bildungseinrichtung anzumelden. Und das ist vom Bildungsaspekt eigentlich ne gute Sache, weil Bildung hat auch einen Selbstzweck nicht nur das Ziel der Produktion von Betriebswirtschaftlern und am Hungertuche nagenden Kulturwissenschaftlerinnen. Aber es kostet halt Geld. Die Klassen sind zu groß, der Unterricht veraltet, die Ausstattung miserabel.


    Unsere Gesellschaft täte gut daran, zu überlegen, was wichtig ist für die Zukunft für uns alle. Welche Wertschätzung wir Pflegekräften entgegenbringen, warum auf dem Bau ausschließlich Nichtdeutsche arbeiten, wieso Produkte für 1,99€ im Regal liegen müssen. Ich fürchte, wenn dieser Trend weitergeht, werden Handwerksberufe aussterben und die Lebensgrundlage derer, die nicht studieren können, immer mehr ausdünnen.

  • Ich habe noch im Kopf, wie meine früheren Nichtgymnasialfreunde nachmittags draußen spielen durften, ich aber über den Hausaufgaben saß. Ich war leistungsstark und motiviert, daher ging das schon irgendwie, aber ich war dennoch noch ein Kind und Übergang ist Übergang. Einem "Mal schauen!"-Kind wünsche ich so eine Situation jedoch nicht, weswegen ich auch völlig der Überzeugung bin, dass ich bei meinem eigenen Kind im Zweifelsfall immer die niedrigere als die höhere Schulform wählen würde.

    Wenn du deine Nachmittage mit Hausaufgaben verbracht hast und keine Zeit gefunden hast raus zugehen, dann warst du aber der Meinung vieler hier ungeeignet für das Gymnasium.

    • Offizieller Beitrag

    Eine Frage an die Gesamtschulerfahrenen (Integriert): Habt ihr "oft" (also sagen wir mal, über einen Drittel) Schüler*innen, deren Kursbelegung bei den differenzierten Fächern echt auseinandergehen? Also E1 in Deutsch, E3 in Mathe, E1 in Englisch (oder wie auch immer die Kurse heißen, ihr wisst schon).
    Ich habe nur ein Jahr an einer Gesamtschule gearbeitet und es ist fast 20 Jahre her, aber da war es so, dass alle SuS des E1-Franz-Kurses (es gab da sogar 2 Franz-Kurse pro Jahrgang) ausnahmslos in Englisch, Deutsch und Mathe auch im "Gymkurs" waren. und alle aus dem "Hauptschulkurs" in Deutsch auch in Mathe und Englisch unten waren, eventuell ausnahmsweise in einem Realschulkurs.
    und ehrlich: in Bio waren plötzlich keine aus den "Hauptschulkids" ein Überflieger. Die Stimmung in der Klassengemeinschaft war super, ich hatte nicht das Gefühl, dass die Kursbelegungen schlimm waren, die SuS erzählten mir immer selbst, dass es eben möglich sei, zu wechseln, usw.. (ich war Fremdsprachenassistentin, keine feste Lehrerin, da hatte ich schon andere Kontakte), aber sich eigentlich gut damit "abfanden", auch wurde von 10-Klässler*innen gut reflektiert, dass die Pubertät bei einigen zum "Runterrutschen" führte, erst in einem Fach, dann in allen, höher kommen sei dann wesentlich aufwändiger.

    Habt ihr ähnliche Erfahrungen?


    EDIT: den Beitrag meine ich nicht als Beweis, dass integrierte Gesamtschulen nicht gut sind, sondern dass ich mich frage, ob es nicht eine Menge Halo-Effekte gibt, sowohl beim / bei der Schüler*in als bei den Lehrer*innen. Dass die Kids wissen, ach, ist okay, ich bin halt ein "E3-Typ"...

    • Offizieller Beitrag

    und jetzt eine persönliche Erfahrung einer gesamtschulisch erfahrenen Schülerin (und zwar REALE Gesamtschule).

    Ich kannte es nicht anders, und deswegen habe ich mir nie darüber Gedanken gemacht. In Deutschland angekommen fand ich das dreigliedrige Schulsystem und alle "Fehlentscheidungen" (Reproduktion sozialer Ungleichheit, Habitus...) furchtbar.
    Und ich weiß nicht, wo ich, Arbeiterkind mit leistungsorientierter Mutter, gelandet wäre, aber: schon in der Schule (so 9./10. Klasse) konnte ich sagen, dass ich in der 6. Klasse absolut REIN GAR NICHTS gelernt habe. das bisschen Mathe hätte ich in 3-4 Wochen aufgeholt, nur Deutsch war neu. Das Jahr hat nur als Beweis dazu gedient, dass die Schulleitung am Ende doch die Deutschschüler*innen nicht auf alle Klassen der Schule aufpatscht, "um Elitenbildung zu vermeiden". Ich saß mit SuS, die keinen Satz ohne Fehler schreiben konnten. Die Stifte durch die Gegend warfen. Die die Lehrer*innen beleidigten.

    Rückblickend war es selbst bis zum Abitur solala, wer alles in den Klassen saß und bis zum Abitur kam. Aber Jahr für Jahr wurden die Klassen neu gebildet, nach der 7. Klasse gingen einige in die Klasse ohne 2. Fremdsprache über. und langsam war das Leben in der Schule ein bisschen einfacher.
    Ich habe erst Jahre später verstanden, dass mein Sitznachbar (echt nett und lieb aber nicht der "intellektuellste", nicht scherzt, wenn er sagt, er habe 2 Stunden an einigen Übungen gesehen, die ich ohne Übertreibungen in 5 Minuten runtergeschrieben hatte. (und ich hatte Schule bis 16 Uhr 30. JEDEN TAGE der 4 Schultage) Warum? Er hat berufliches Abitur gemacht und in der Oberstufe aufgeblüht, wo er viele mathematisch-technische Fächer hatte. Warum hatte er nicht ein Jahr mehr Mittelstufe (bzw. ich ein Jahr weniger?)

  • (Intellekt meint nicht nur Intelligenz sondern auch Bildungshintergrund der Familie, nicht wahr? Wie ist Valerianus aufgewachsen? Ich vermute, mit Oper, Bücherschrank und Vater mit FaZ am Frühstückstisch?)

    Den hier nehm ich: Intelligenz wird fast vollständig als Bandbreite vererbt, wo man auf dem Band letztendlich rauskommt, hängt fast vollständig von der frühkindlichen Förderung ab (die Schule macht da auch was, aber nicht ganz so massiv). Mein Vater ist Automechaniker (in der Oberstufe wegen Disziplinproblemen vom Gymnasium geflogen, sein Vater war kurz vorher verstorben), mit späterer Weiterbildung zum Industriemeister, meine Mutter hat eine Ausbildung angefangen, aber nicht beendet und dann ohne Ausbildung als Buchbinderin gearbeitet, ist dann Hausfrau geworden und hat später Teilzeit als Küchenhilfe gearbeitet. Ich könnte jetzt aufhören und so tun, als hätte ich dich widerlegt, aber ich mache mal mit dem Teil weiter, der tatsächlich wichtig ist:


    Meine Mutter hat sich immer mit uns Kindern beschäftigt, wir haben vorgelesen bekommen, sind zum Lesen angehalten worden, jede Woche in die Bücherei gegangen, sie hat bei den Hausaufgaben immer versucht zu helfen (Kontrolle, Vokabeln abfragen, einfach nachfragen und zeigen lassen), solange es halt ging und darauf geachtet, dass wir die richtige Einstellung zum Lernen hatten. Mein Vater hat normalerweise von 7 bis 17 Uhr gearbeitet und hat zusätzlich abends an 2-3 Tagen noch in einer Spedition ausgeholfen, um uns Musikschule, Zoo, Ausflüge, Urlaub und alles mögliche bezahlen zu können. Es gibt keine zwei Menschen auf der Welt denen ich jemals dankbarer sein werde. Denn darauf kommt es an: Eltern die sich bemühen, die alles für ihre Kinder geben so gut und toll sie es eben können und das hat wenig mit sozio-ökonomischem Hintergrund zu tun. Verwahrlosung fällt bei höherem sozio-ökonomischem Hintergrund nur nicht so auf und die Eltern bringen ihre Kinder dann schon irgendwie unter (Privatschule, ab ins Unternehmen von Freunden, etc.)


    P.S.: Zeitung war bei meinem Opa die Bild, bei meinen Eltern die WAZ, Opern hassen wir alle gleichermaßen, aber ich durfte als Jugendlicher ein paarmal mit zu Reinhard Mey und Hannes Wader und konnte dank der "Connections" meines Vaters bereits mit 16 in den Sommerferien 3-4 Wochen in der Automobilindustrie arbeiten und mir so das Geld für Führerschein, Auto und andere teurere Anschaffungen selbst verdienen, obwohl die eigentlich erst ab 18 eingestellt haben. ;)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Ich stimme Valerianus zu. Entscheidender als das Bildungsniveau der Eltern, entscheidender als deren sozioökonomischer Hintergrund, ist deren Interesse, ihr Kind bestmöglich zu fördern. Damit verbunden ist also eher eine innere Einstellung, die auch Eltern mit einer eher schlechten Ausgangslage aufbringen können, Stichwort "Du sollst es selbst einmal besser haben als wir...". Der Satz dürfte dem Einen oder Anderen hier auch bekannt vorkommen, oder?

  • Meine Mutter hat sich immer mit uns Kindern beschäftigt, wir haben vorgelesen bekommen, sind zum Lesen angehalten worden, jede Woche in die Bücherei gegangen, sie hat bei den Hausaufgaben immer versucht zu helfen (Kontrolle, Vokabeln abfragen, einfach nachfragen und zeigen lassen), solange es halt ging und darauf geachtet, dass wir die richtige Einstellung zum Lernen hatten. Mein Vater hat normalerweise von 7 bis 17 Uhr gearbeitet und hat zusätzlich abends an 2-3 Tagen noch in einer Spedition ausgeholfen, um uns Musikschule, Zoo, Ausflüge, Urlaub und alles mögliche bezahlen zu können. Es gibt keine zwei Menschen auf der Welt denen ich jemals dankbarer sein werde. Denn darauf kommt es an: Eltern die sich bemühen, die alles für ihre Kinder geben so gut und toll sie es eben können und das hat wenig mit sozio-ökonomischem Hintergrund zu tun. Verwahrlosung fällt bei höherem sozio-ökonomischem Hintergrund nur nicht so auf und die Eltern bringen ihre Kinder dann schon irgendwie unter (Privatschule, ab ins Unternehmen von Freunden, etc.)

    Das kenne ich von vielen Bekannten, die dann auch erfolgreich studiert haben und teilweise auch schon beruflich erfolgreich sind (die Anderen sind dafür noch zu "neu" im Beruf). Natürlich sollten alle Eltern ihre Kinder fördern (und hier sollte auch mehr Unterstützung angeboten werden), aber: Schule muss auch für die Kinder/Jugendlichen da sein, bei denen die Eltern das aus welchen Gründen auch immer nicht gemacht haben. Denn die Kinder/Jugendlichen können nicht dafür, wenn ihre Eltern sie nicht so gut gefördert haben. Es bringt ja nichts die Einstellung zu haben "Och, Klaus, du hast leider Pech gehabt, du stammst nicht nur aus einer ärmeren Familie, deine Eltern haben dich auch nicht gefördert, deshalb wird aus dir nichts."

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    • Offizieller Beitrag

    Es bringt ja nichts die Einstellung zu haben "Och, Klaus, du hast leider Pech gehabt, du stammst nicht nur aus einer ärmeren Familie, deine Eltern haben dich auch nicht gefördert, deshalb wird aus dir nichts."

    nein, das stimmt. Und die Schule soll eben ermöglichen, dass jede**r dieselben Chancen hat, "hochzukommen", unabhängig seines Hintergrundes (mir gruselt es, wenn ich hier lese oder im Bekanntenkreis höre, was Kinder BEI der Einschulung schon alles können MÜSSEN..).
    Aber wo wird die Grenze vom Ausgleich gezogen? Fahrrad fahren? Schuhe zubinden? Schwimmen können? in eine größere Stadt fahren? Zoobesuch?

    Also es ist eine reale Frage, mit der ich mich in den letzten Jahren immer mehr beschäftige. Was ist MEIN Auftrag in der Schule? Wie balanciere ich zwischen "kein Kind zurücklassen" und "verdammt noch mal, ich will UNTERRICHTEN und "nebenbei" auch erziehen und nicht ERZIEHEN und nebenbei auch unterrichten (und ja, Erziehen gehört definitiv zu meinen Dienstpflichten, und Unterrichten geht auch nicht ohne Erziehungsauftrag aber zwischen Werte vorleben / beibringen (ich bin in der Sek, nicht Primarbereich) und Kindern der 8. Klasse erklären (also nicht nebenbei sondern eine Unterrichtsreihe), dass Chips zum Frühstück solala sind oder wie man Fahrrad fährt.. ich weiß nicht...

  • Die Schule muss nicht die Verfehlungen der Eltern ausgleichen, sonst hast du irgendwann einen Teil der Eltern, die gar nichts mehr machen, weil... erledigt ja die Schule. Eher sollte Schule die Eltern konkret an ihre Aufgaben als Sorgeberechtigte erinnern, notfalls auch mit Hilfe des Jugendamtes.

    Davon abgesehen, Kinder ab dem Grundschulalter können durchaus auch kognitiv erfassen, dass ihre Eltern nicht in allem die optimalen Vorbilder sind, sodass, wenn die Eltern eher die "Schule braucht eh kein Mensch "-Fraktion vertreten, sie dennoch aus eigener Motivation heraus gute Schulleistungen zeigen können, wenn sie selbst den Sinn dahinter sehen.

  • Die Schule muss nicht die Verfehlungen der Eltern ausgleichen, sonst hast du irgendwann einen Teil der Eltern, die gar nichts mehr machen, weil... erledigt ja die Schule.

    Diese Eltern gibt es schon.

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  • Aber wo wird die Grenze vom Ausgleich gezogen? Fahrrad fahren? Schuhe zubinden? Schwimmen können? in eine größere Stadt fahren? Zoobesuch?

    Das ist sicher eine interessante Frage. Fahrrad fahren wird ja in GS in NRW durchaus "unterrichtet" in Form der Fahrradprüfung, Schuhe zubinden wird sicher in der Kita und teilweise auch in der GS thematisiert. Schwimmen wird auch in vielen GS unterrichtet, teilweise auch noch in der Sek 1. Ausflüge in Städte und Zoos (oder auch Museen) sind auch Teil der Schullaufbahn (wenn auch nicht in der Form, dass man unbedingt in Klasse x in den Zoo fahren muss).

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

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    • Offizieller Beitrag

    ja klar, ich habe eben konkrete Beispiele genommen, die ich aus meinem / dem Schulalltag kenne.
    Aber ich glaube, je mehr solche Themen, zum Teil intensiver (weil ohne Grundlage) im Unterricht Platz einnehmen, desto weniger Platz ist da, um zum Beispiel das Lesen /Schreiben beizubringen. (Ich hatte keine Reihe Radfahren. Irgendwann kamen wir mit dem Rad zur Schule, wenn wir wollten, unser Radverhalten wurde vom netten Polizisten geschaut, wir hatten vorher im Unterricht geklärt, was alles an einem Fahrrad sein soll (Lichter, Reifen usw..) und wer mit einem Rad einen kleinen Parcours fahren konnte, hat ein Zettelchen bekommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass auch nur jemand das Ding nicht bekommen hat oder hätte nicht bekommen können. Bin ich im Wunderland aufgewachsen oder ist es ein Generationsding? (menno bin ich alt)
    und DAS auslagern geht gar nicht.
    Wenn Kinder "zufällig" durch GuteNachtGeschichten Wörter lernen oder sich Buchstabenkombinationen merken können: super. Aber Eltern haben NICHT Wörter beizubringen.
    (und meiner Meinung nach Erzieher*innen auch nicht. Ich fehlschätze wahrscheinlich Erieher*innen, aber Schriftspracherwerb gehört glaube ich nicht zu deren Schwerpunkten). Dafür ist deren Rolle in der Entwicklung, insbesondere sensomotorisch, sozial, sprachlich besonders wichtig und prägend.

  • Es kann nicht jeder alles und es ist nicht jeder gleich schlau

    Und vor allem: Gleichermaßen interessiert an "intellektuellem Zeug".

    Ich kenne übrigens einen Schreiner, mit dem kannst Du wunderbar über Theorie und Geschichte des Möbelbaus diskutieren. Auf Französisch, wenn es sein muss.

    Ich kenne aber auch Akademiker, mit denen du über gar nichts zu diskutieren brauchst, weil da außer krachdummen Allgemeinplätzen ganz wenig zu erwarten ist.

    Beides sicher Ausnahmen, das gebe ich gern zu.

    Aber intellektuelle Fähigkeiten dürfen nicht speziell gefördert werden weil sich sonst irgendjemand zurückgesetzt fühlen könnte? Das ist ja absurd

    Lektüretipp: Kurt Vonnegut, "Harrison Bergeron". Kurzgeschichte, gibts im Netz.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • (Intellekt meint nicht nur Intelligenz sondern auch Bildungshintergrund der Familie, nicht wahr?

    Häh? Ich meine, ich hätte jetzt mindestens 3 x geschrieben, dass *ich* das nicht meine.

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