Die mit der Keule kommen... Muss das sein?

  • Ne schöne Anekdote: Eine Kollegin ist in der Kleinklasse (also Kind mit Förderbedarf) eingeschult worden und hat an der ETH studiert. Gibt's wirklich.

    Eine kurze Internet-Recherche ergibt, dass es in der deutschsprachigen Schweiz - sicherlich auch regional sehr unterschiedlich - früher die Kleinklassentypen A bis D gab. Ich habe allerdings auf die Schnelle nirgendwo Definitionen dafür gefunden. Kann man diese mit den Förderschwerpunkten vergleichen oder wofür standen die? Heute gibt es wohl nur noch übergreifende Kleinklassen?


    Wenn jedenfalls auch Kinder mit Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung oder Förderbedarf Sprache diese Kleinklassen besuchen (und so liest es sich für mich), dann ist das keineswegs so überraschend, dass da auch Kinder dabei sind, die später auch ein Studium absolvieren können. Da kenne ich auch einige.

  • Wenn du so krass sozial-enotional wie die Schüler an unserer Zweigschule E bist, dann schaffst du nicht mal den Förderschullehrplan.

    Mein Mann, an der E Schule, testet als Beratungslehrer alle Schüler (sehr viele), die meisten haben einen IQ von 85-110, sind aber leistungsmäßig maximal zum Mittelschullehrplan in der Lage.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Wenn ich das richtig verstehe, folgen die früheren Kleinklassentypen B und D den Lernzielen der Regelklassen.

    Die heutigen "allgemeinen" Kleinklassen haben die früheren Kleinklassentypen B, C und D ersetzt.

    So ganz schlau werde ich aber noch nicht aus den Informationen, die man findet.

    Vielleicht ist es auch kantonal unterschiedlich?

    Das ist jetzt etwas, das mich tatsächlich interessiert. Kannst du hier weiterhelfen, Antimon ? Oder vielleicht andere in der Schweiz tätige Kolleginnen wie FrauZipp ?

  • Wenn du so krass sozial-enotional wie die Schüler an unserer Zweigschule E bist, dann schaffst du nicht mal den Förderschullehrplan.

    An den E-Schulen wird hier i. d. R. der Lehrplan der allgemeinen Schule zugrunde gelegt, ggf. für einzelne SuS auch der L-Lehrplan. Ich kenne wie gesagt auch ehemalige E-SuS, die ein Studium absolviert haben. Wie "krass" die mal waren, weiß ich nicht. Aber prinzipiell sind E-Schulen wie auch S-Schulen ja auch als "Durchgangsschulen" konzipiert, von denen die SuS, wenn sie die Probleme (weitgehend) überwunden haben, wieder in den Regelbereich wechseln können und sollen.

  • Hier habe ich etwas zu Zürich gefunden:



    Klingt für mich verglichen mit Deutschland nach SuS aus den Förderschwerpunkten L, E und S sowie mit Teilleistungsstörungen und allgemeinen Entwicklungs- und Lernrückständen.


    Für mich keine so große Überraschung, wie gesagt, dass sicher nicht alle, aber doch einige SuS aus diesem weiten Personenkreis auch ein Studium absolvieren können.


    Aber ich freue mich wie gesagt über Praxisberichte, was für SuS tatsächlich in diesen Kleinklassen sind und was es mit den Bezeichnungen der früheren Kleinklassentypen B, C und D (und A?) auf sich hat.


    Und bis dazu jemand etwas schreibt, nerve ich jetzt auch nicht mehr mit Off-topic-Beiträgen. :_o_)

  • An den E-Schulen wird hier i. d. R. der Lehrplan der allgemeinen Schule zugrunde gelegt,

    Ja, das weiß ich natürlich.

    Unsere Zweigstellenschule hat aber tatsächlich den Lehrplan L.

    Ja, an der Schule meines Mannes (Mittelschullehrplan) wird das Prinzip der "Durchgangsschule" gelebt. Es herrscht Fluktuation. Aber alle Schüler bleiben, so die Eltern es zulassen, mindestens 2 Jahre. Meist sogar länger. Dann sind sie soweit aufgebaut dass sie dem Regelschulunterricht folgen können.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ich tippe bei meiner Kollegin auf irgendwas im emotional-sozialen Bereich, keineswegs eine Lernbehinderung, die ist irgendwas kurz vor der Hochbegabung. Ich habe sie nie gefragt, es ist mir ziemlich egal. Ich habe in meinen Klassen auch immer mal wieder SuS ehemals aus Kleinklassen, auch das erfährt man so beiläufig und es ist mir egal. Deswegen verstehe ich auch den ganzen Aufriss hier nicht. Es geht einzig um SuS mit kognitiven Einschränkungen deren Beschulung am Gymnasium vollkommen sinnbefreit ist.


    Zu deiner Frage: Natürlich ist das kantonal unterschiedlich. In Basel-Stadt gibt es das Konzept Kleinklasse gar nicht mehr, im Baselland werden SuS in der Mittelstufe nur noch im Leistungszug A in einer Kleinklasse beschult:


    https://www.baselland.ch/polit…inem%20Lernr%C3%BCckstand.


    Sprich Kleinklasse bedeutet automatisch, dass nach dem intellektuell schwächstem Niveau unterrichtet wird. Die Schlauen dürfen nicht neben der Spur unterwegs sein und wenn doch, werden sie neben 20 "normalen" Pubertieren einfach mitgeschleift. Vielleicht mit heilpädagogischer Unterstüzung, vielleicht steht aber auch nur eine ausgebildete Coiffeuse zur Verfügung, die auch mal was mit Kindern machen wollte.


    Ich kann nur weitergegeben, was ich von den KuK aus der Gewerkschaft höre: Die wollen alle das alte Kleinklassensystem zurück. Es profitiert niemand davon, jeden Förderbedarf auf Biegen und Brechen in Regelklassen zu beschulen.

  • Mit all diesen Möglichkeiten, die Förderschulen wirklich bieten, frage ich mich, warum wir überhaupt über Alternativen diskutieren. Ich glaube ja, dass andere Länder neidisch wären, wenn sie wüssten, wie viel Mühe wir betreiben, um den Schwächsten unserer Gesellschaft zu ermöglichen, auf ein Leben mit gesellschaftlicher Teilhabe vorbereitet zu werden. Gerade in den Bereichen "Lernen" und "emotional-soziale Entwicklung" hast du natürlich viele Hardcore-Fälle, die aus völlig zerrütteten Elternhäusern mit problematischem Freundeskreis und wenig Bildungsnähe kommen. Da kann auch eine Förderschule keine Wunder vollbringen - sagt auch keiner! Da es aber von Anfang an klar ist, dass diese Schüler besondere Bedürfnisse haben, kann die Förderschule von Anfang an bewusst Akzente setzen, um den Schülern Alternativen aufzuzeigen, z.B. wie man mit Konflikten umgeht, wie man seinen Tag strukturiert, was es heißt, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Im Gymnasium, aber auch in anderen Formen der Sek I, ist nicht das Hauptziel, Menschen gesellschaftsfähig zu bekommen, sondern die inhaltliche und methodische Vorbereitung zum Erwerb eines Schulabschlusses. Das gerät jedoch in Gefahr, wenn die vorhandene Zeit nicht zur Vermittlung von Unterrichtsinhalten genutzt werden kann.

  • Vielleicht muss man die Frage andersherum stellen: vlt. ist eine Schulform, die es nicht schafft auch lernzieldifferent zu fördern, schlicht nicht mehr zeitgemäß.

    Es gibt aber keine Schulform, die es schafft lerndifferenziert innerhalb einer Gruppe zu unterrichten. Selbst in den Gesamtschulen finden keine Binnendifferenzierung statt. Stattdessen werden die Schüler in unterschiedliche Kurse mit unterscheidlichen Leistungsniveaus geschickt. Das findet dann zwar alles innerhalb eines Gebäudes statt, aber die Gruppen sind auch dort wieder getrennt, so als würde sich ein Gymnasium und eine Förderschule den Schulhof teilen.


    Binnendifferenzierter Unterricht innerhalb einer Lerngruppe und dann auch noch den Extremfall mit inkludierten Schülern mit emotionalem und sozialem Förderbedarf ist eine Schimäre.

  • Wie bereits gesagt, mich hat noch keiner drum gebeten, Gymnasiasten zu inkludieren.

    Damit dürfe doch alles gesagt sein.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ich schick dir welche vorbei. Mir fallen schon ein paar ein, die irgendeine Art von Förderbedarf hätten. Der Typ mit der Prüfung bei der ich ihm hätte Punkte geben sollen für was, was er 2 Wochen vorher mal im Unterricht erzählt hat. Den schenk ich dir. :rotfl:

  • ... und deinen Chemie-LP, den schnupf ich doch locker 😋

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Was mich übrigens richtig ankekst ist der "Einfallsreichtum" unseres schulpsychologischen Dienstes, wenn es um Nachteilsausgleiche geht. Wie sieht das denn bei euch so aus? Würde mich wirklich interessieren. Der SPD Baselland kennt nur einen Standard für jegliche Diagnose: Mehr Zeit bei Prüfungen. Ob und wie das überhaupt umgesetzt werden kann, interessiert keine Sau. Ich hatte als Klassenlehrperson mal ein Abklärungsgespräch für eine Schülerin, da bin ich echt sauer geworden als die anfingen mir zu erklären, wie meine Arbeit wohl aussieht. Die haben keinen Blassen und es interessiert sie auch nicht. Ob den Jugendlichen schlussendlich also geholfen ist, ist auch egal. Ich habe jetzt guerillamässig mit einer ADS-Schülerin für meinen Fachunterricht eine eigene Vereinbarung getroffen. Mal schauen, wie weit wir damit kommen und ob ihr das mehr bringt, was wir überlegt haben.

  • Über Gewährung und Form eines Nachteilsausgleichs entscheidet hier die Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleitung (Schulpsychologen, Beratungslehrer, Sonderpädagogen etc. sind höchstens beratend tätig).

  • Also bei uns gibt's keinen offiziellen Nachteilsausgleich :aufgepasst:

    Wenn einer gar nicht lesen und schreiben kann, lesen wir ihm die Aufgaben vor und schreiben die Antworten auf. Oder lassen die Schüler in der 9. Klasse im Zahlrnraum bis 100 rechnen. Oder anderes....

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Mehr Zeit bei Prüfungen. Ob und wie das überhaupt umgesetzt werden kann, interessiert keine Sau.

    Warum ist das problematisch?

    Wir teilen der Klausurplanerin mit, wer wieviel Zeit benötigt und dementsprechend werden die Aufsichten eingeteilt. Bei mündlichen Prüfungen gibt es dann meist mehr Vorbereitungszeit.

    Ansonsten hatten wir schon vergrößerte Aufgabenstellungen, Alternativaufgaben zum Hörverstehen und das Schreiben auf Laptops. Aber meist ist es in der Tat die Arbeitszeitverlängerung.

  • Bei uns gibt es keinen "zentral" organisierten Prüfungsplan. Ich setze meine Prüfungstermine selbst. Wenn also jemand 15 min mehr Zeit haben soll, muss ich selbst eine Aufsicht in einem separaten Raum organisieren. Ich habe in der aktuell fraglichen Klasse nämlich exakt 45 min Zeit und danach exakt 5 min um den Raum und das Unterrichtsfach zu wechseln. Die betroffene Schülerin kennt das Spiel bereits aus der alten Schule (sie wiederholt bei uns das Schuljahr und durfte auf Antrag das Schulhaus wechseln) und hat darunter nach eigenen Angaben mehr gelitten als davon profitiert.


    Schreiben auf Laptop und Ausdruck in Grossbuchstaben hatte ich auch schon, das ist einfach. Das spezielle Problem bei den ADSLern ist, dass die nach 15 min Prüfungszeit das Hirn abstellen und dann oft gar nichts mehr aufs Blatt schreiben. Mehr Zeit bringt's da also genau gar nicht. Kennt da jemand von euch alternative Massnahmen?

  • Wie bereits gesagt, mich hat noch keiner drum gebeten, Gymnasiasten zu inkludieren.

    Damit dürfe doch alles gesagt sein.

    Was ist denn damit gesagt? Dass sich Eltern von Kindern, die das Gymnasium besuchen, noch niemals Gedanken darüber machen, was es noch für Schularten gibt? Das wissen doch nicht mal viele Kolleg*innen so genau.


    Ich habe z.B. darüber nachgedacht, ob schwache Hauptschüler*innen bei uns in der L-Schule nicht besser zu inkludieren wären, damit diese durch engmaschigere Begleitung ihren Abschluss schaffen.


    Dass 'unsere' L-Kinder ohne Frühstück kommen oder sich nicht so lange konzentrieren können, ist noch lange keine Legitimation für einen eigenen Schultyp.


    Gibt's wirklich hieb- und stichfeste Zahlen, dass Förderschüler*innen sich weniger ausgegrenzt fühlen oder leichter einen Abschluss schaffen als SuS in der Inklusion? Wer aus deren Sicht argumentiert und sicher ist, was für "sie alle" das Beste ist, der könnte mal nach Belegen für diese Idee fahnden. Gymshark z.B., worauf fußt deine Überzeugung, was für andere das Beste ist?


    Ich fände es spannend, wenn wir in der Diskussion mal versuchen, nicht unser Bild zu festigen, dass wir als Lehrpersonen sowieso haben. Klar ist es chillig, dass wir in der Förderschule Zeit für Frühstück und Morgenkreis haben. Aber warum sollte das ein Gymnasiast nicht? Mein jüngstes Kind (Gym) lernt den Kram mit links, hat einen IQ von knapp 130, geht aber ungern in die Schule. Mehr Zeit und Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse, die pubertierende Kinder in Krisen haben, würden seinen Lernerfolg nicht schmälern, im Gegenteil. Würde das Kind, statt sich 7 Stunden am Stück frontal durch irgendwas durchzugähnen, gemütlich frühstücken und könnte dann individuell an einem Thema intensiv arbeiten, wäre es kein Problem, den Stoff zu schaffen und ne nette Zeit zu haben und trotzdem neben Jugendlichen mit Behinderung den Vormittag zu gestalten. Lasst uns doch mal mehr zumindest probehalber mehr Ideen wagen als "geht nicht, will ich nicht, kann ich nicht, kann ich mir nicht vorstellen"


    Und aus Lehrersicht: der Stress, den Gymnasialkolleg*innen offenbar empfinden, ist der nicht systembedingt, weil 45min-Takt, weil große Klassen, weil Korrekturfächer, weil Stoffülle statt Intensität der Auseinandersetzung mit spannenden Themen?


    Dass Inklusion so nicht funktioniert, wissen wir doch alle, wirklich alle. Legitimation für Segregation ist das allein aber nicht. Ob es Förderschüler*innen in der Förderschule besser geht, ob sie dort eher Abschlüsse schaffen, ob sie weniger Ausgrenzung erfahren etc.pp., das wurde hier noch keinmal ernsthaft angesprochen.

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