Körperlicher Angriff auf Lehrkraft

  • Liebe Forenteilnehmer,


    zum Glück war ich noch nie von folgender Fragestellung betroffen, wenngleich ich vereinzelte Vorfälle bei Kolleg*innen schon mitbekommen habe.


    Welche Handlungsmöglichkeiten habe ich als Lehrkraft in der konkreten Situation, dass ein Schüler "schwarz sieht" und auf Ansprache jeglicher Art nicht reagiert? Also ein Schüler, der komplett ausrastet, die Lehrkraft körperlich angeht und für sich und/oder andere eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Die Fragestellung ist nicht konstruiert, sondern kommt (v.a. im Förderschulbereich) vereinzelt vor.


    Wie verhält man sich rechtskonform in solch einer Ausnahmesituation? Darf man den Schüler festhalten? Darf man sich körperlich wehren? Darf man ihn fixieren, um andere Schüler zu schützen?


    Die Meinungen im Lehrerkollegium sind da sehr unterschiedlich, in Verordnungen nach meiner oberflächlichen Recherche auch nicht abgedeckt.


    Ich habe persönlich auch schonmal aus erster Quelle gehört, dass ein Schüler derart ausgerastet ist und null ansprechbar war, dass die Polizei hinzugezogen wurde, die wiederum auch keine Handlungsmöglichkeit sah außer einer Einweisung in die Psychatrie.

  • Du hast in deinem Klassenraum (zumindest in meinem Bundesland) das Hausrecht inne.


    Informiere dich zum Thema Notwehr, Nothilfe und Garantenstellung.


    Art. 2 GG gilt auch für Lehrer*Innen.

  • Man kann diese Fragen tatsächlich nicht pauschal beantworten, die richtige Reaktion hängt entscheidend von den Umständen ab. Die von MarPhy aufgeworfenen Begriffe lohnen aber tatsächlich einer näheren Betrachtung, insbesondere der - meiner bisherigen Erfahrung nach vielen Lehrkräften - am wenigsten bekannte Begriff der Garantenstellung, die ein Eingreifen nicht nur erlaubt, sondern oft auch verpflichtend macht, selbst wenn das von "normalen" Privatpersonen nicht gefordert wird.

  • Außer dem oben Gesagten: Ich kenne eine EH-Schule, die jedes Mal die 112 gerufen hat, wenn ein Kind ausgerastet ist. Ist natürlich nicht überall üblich, aber möglich.

    Eine Möglichkeit ist es auch, den Rest der Klasse aus dem Zimmer zu befördern, wenn ein Kind sich nicht mehr unter Kontrolle hat.


    Ich habe mal ein Kind festgehalten, das mich daraufhin gebissen hat, da hab ich dann auch überlegt, ob Randalierenlassen nicht besser gewesen wäre. Solange es bei Sachbeschädigung bleibt.

  • Du musst halt Fremd- und Eigengefährdung nach Möglichkeit verhindern. Da ist die Grauzone groß.

    Ich bin, wie Quittengelee auch schrieb, schon mehrfach mit der ganzen Klasse aus dem Raum. Klasse in Sicherheit gebracht und zurück zum Schüler, sich diesem in den Weg stellen, damit er nicht an Schweren oder Fenster kommt und je nach Stärke des Verhaltens einen zweiten Lehrer dazu holen.

    Also eigentlich alles so, wie ich es auch mit fremden Menschen machen würde.

    Festhalten ist an unsrer Schule ausdrücklich nicht erwünscht, es sei denn, es wird ganz konkret gefährlich (aus dem Fenster springen, Schere werfen, andren Schüler treten, der nicht auskommt). Oft reicht es, sich in den Weg zu stellen.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Vergiss auch eines nicht:

    Im Falle des Falles nachzuweisen, dass dein Handeln falsch war, ist schwierig bis unmöglich, es ist am Ende eine Entscheidung nach einem Abwägungsprozess in Sekundenbruchteilen.

    Es gibt nur einen Fall, wo es einfach ist: Wenn du untätig geblieben bist. Okay, und nen Notwehrexzess:D

    Ist im Grunde wie bei der ersten Hilfe...Das einzige, was man falsch machen kann, ist nicht zu helfen.

  • Außer dem oben Gesagten: Ich kenne eine EH-Schule, die jedes Mal die 112 gerufen hat, wenn ein Kind ausgerastet ist. Ist natürlich nicht überall üblich, aber möglich.


    Wäre nicht eher die 110 angebracht? Oder kommen bei 112 dann die netten Männer mit der speziellen Jacke und der Beruhigungsspritze?

  • Bis vor 1 Jahr hätte ich sagen können, dass ich sowas nicht kenne, aber mich hat in diesem Schuljahr tatsächlich ein Junge gegen das Schienbein getreten nachdem er erst mit einem Stuhl bewaffnet zuhauen wollte ( der Stuhl war ihm dann wohl zu schwer).

    Die Ikraft war genauso überrascht wie ich über den Ausbruch, dem eine freundliche Aufforderung ( und das ist nicht ironisch, sondern sie war wirklich freundlich) etwas wieder zur Schule zurückzubringen vorausgegangen war.

    Meine Ikraft hat ihn dann festgehalten und ich ihn auf Abstand geschoben.

    Meine Klasse war völlig konsterniert.

    Nach 5 Minuten hatte er sich beruhigt und war wie immer.

    Meine Ikraft hat sich etliche Male entschuldigt, dass sie nicht schnell genug gewesen sei, aber das ging so schnell...

    Tja,..ich hab ihr gesagt man muss es positiv sehen..er liefert durch diese Ausbrüche immer wieder den Beweis, dass er die Ikraft dringend weiterhin benötigt.

  • Thema Garanten Stellung:

    Auch der Notfallsanitäter hat gegenüber dem Betroffenen eine Garanten Stellung. Ist der Verletzte jedoch renitent, bleibt er im Wagen sitzen bis die Polizei da ist. Die Garanten Stellung umfasst nicht die Verpflichtung mich selber in Gefahr zu bringen. Lediglich, wenn ich nur abwarten und noch nicht Mal den Notruf betätige, dann wird's kritisch. Dann wird bei einer Garanten Stellung aus unterlassener Hilfeleistung (max ein Jahr Gefängnis) auch schnell Mal Totschlag durch Unterlassen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Die Garantenstellung umfasst schon auch, dass geeignete Mittel ergriffen werden, die Gefährdung der anvertrauten Person zu beenden bzw. "den Erfolg eines Tatbestands eine Strafgesetzes abzuwenden". Dafür ist regelmäßig mehr erforderlich, als lediglich die Polizei zu rufen. Gleichzeitig muss das Mittel natürlich auch zumutbar sein, es ist nicht zu fordern, dass sich jemand "in die Kugel schmeißt". Zwischen nur Notruf wählen und schwere eigene Verletzungen in Kauf nehmen gibt es aber einen sehr breiten Bereich, insbesondere in typischen Pausensituationen.

  • Das ist richtig, es umfasst jedoch nicht die Pflicht sich selber in Gefahr zu begeben, also kein falsches Heldentum.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Nennt sich Notwehr

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Das mit dem Festhalten ist aber eine ganz diffizile Sache. Mir ist ein Lehrer bekannt, der danach angezeigt wurde (nicht ich).

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Das mit dem Festhalten ist aber eine ganz diffizile Sache. Mir ist ein Lehrer bekannt, der danach angezeigt wurde (nicht ich).

    Naja, anzeigen kann man ja erstmal alles mögliche, die Frage ist ja, was ist dabei am Ende herausgekommen?

  • Wohl eingestellt, was ich mitbekommen habe. Aber es war vorher schon ein rechter Stress mit Aussagen etc.

    Also ja, passiert ist im Endeffekt nix, aber das war nicht von Anfang an klar und zudem war es recht belastend.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Vor allem da ich Förderschule u Inklusion bei dir lese stellt sich für mich die Frage, wie alt ist die Person die dich körperlich angreift?

    Bist du der Person körperlich und kräftemässig überlegen?


    Du darfst auf jedenfall um dich und andere zu schützen Notwehr leisten.


    In Gefahren Situationen würde ich aber immer eine Dritte Person dazu holen, zur Bewertung, als Zeuge und vor allem für die Sicherheit.

    In lebensgefährlichen Situationen natürlich umgehend die Polizei und den Notruf.


    Was ist denn genau passiert als körperlicher Angriff auf dein Kollegium, bitte etwas mehr Details.

    Du warst ja scheinbar nicht betroffen, aber andere Personen im Kollegium?

  • Das erleben wir hier an einer Regelgrundschule auch. Wir rufen dann zu Hause an und bitten die Eltern, das Kind abzuholen. Wenn das nicht geht oder die Eltern sich weigern, würden wir den Rettungswagen rufen, da Selbstgefährdung vorliegt. Das mussten wir bisher noch nicht, würde unsere Schulleiterin aber machen. Ordnungsmaßnahmenkonferenz sollte auf jeden Fall folgen, weil ein erheblicher Verstoß gegen die geltenden Regeln der Schule vorliegt. Pädagogisch natürlich fragwürdig, aber neben Erziehungsmitteln die einzige schulische Möglichkeit, auf Fehlverhalten zu reagieren. Besser wäre natürlich eine psychologische Behandlung oder ein Sozialtraining, aber wenn Eltern das nicht organisieren, hat man als Schule Pech und kann wenig erreichen. Wir sind ja am Ende keine therapeutische Einrichtung.

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