Unterricht wird live gefilmt für Schüler mit Schulangst - Erlaubt?

  • Hallo zusammen,


    egal wie lange man Lehrer ist, man erlebt doch immer wieder was neues. In meiner kommenden Klasse ist (oder eben nicht) eine Schülerin mit Schulangst. Die Eltern haben sich das ärztlich attestieren lassen und demnächst soll eine Kamera den Unterricht komplett mitfilmen, sodass die Schülerin von Daheim aus teilnehmen kann.


    Ehrlich gesagt habe ich damit echt meine Probleme. Denn es kann mir niemand garantieren, dass nicht die Eltern die ganze Zeit zusehen und es Mitschnitte gibt. Außerdem scheint man auch nicht die Einverständnis der anderen Eltern einholen zu wollen, deren Kinder zumindest hörbar übertragen werden. Mal ganz abgesehen davon, dass man quasi unter Dauerüberwachung steht, ist das für alle vor Ort ja auch überhaupt kein geschützter Raum mehr.


    Da es zu dieser Problematik im Internet bisher nichts zu finden gibt, sind hier vielleicht Kolleg*innen, die mit einer solchen Praktik schon Erfahrungen gemacht haben? Oder sogar rechtliche Hinweise geben können?


    Besten Dank!

    • Offizieller Beitrag

    egal wie lange man Lehrer ist, man erlebt doch immer wieder was neues. In meiner kommenden Klasse ist (oder eben nicht) eine Schülerin mit Schulangst. Die Eltern haben sich das ärztlich attestieren lassen

    Andere Formulierung: Ein Arzt hat bei deiner Schülerin eine Schulangst diagnostiziert und einen entsprechenden Attest ausgestellt.


    Denn es kann mir niemand garantieren, dass nicht die Eltern die ganze Zeit zusehen und es Mitschnitte gibt.

    Gut, man kann nie ausschließen, dass jemand mit einer separaten Kamera oder speziellem Programm aufnimmt, aber wenn man zum Beispiel Zoom / Teams selbst startet, hat man ja die Kontrolle, ob ein Teilnehmer aufnimmt oder nicht (nur derjenige, der die Rechte der Session kann das und man weiß es auch als Teilnehmer*in)

  • ur derjenige, der die Rechte der Session kann das und man weiß es auch als Teilnehmer*in)

    Naja, aufnehmen kannst du das ja trotzdem mit Geräten ohne das es zu verhindern geht.

    Wir hatten ja das Problem während des Hybridunterrichts und es war ganz klar, es geht nur, wenn andere Schüler weder zu sehen noch zu hören sind oder die Eltern dieser das erlaubt haben.

    • Offizieller Beitrag

    Wir hatten ja das Problem während des Hybridunterrichts und es war ganz klar, es geht nur, wenn andere Schüler weder zu sehen noch zu hören sind oder die Eltern dieser das erlaubt haben.

    und wie sorgt man denn dafür, dass die anderen SuS nicht zu hören sind?

  • und wie sorgt man denn dafür, dass die anderen SuS nicht zu hören sind?

    Headset mit entsprechender Geräuschunterdrückung. Hieß allerdings der Lehrer musste alles gesagte der Schüler wiederholen.


    Ich würde das also dringend klären lassen, wie sich die Leute die das angeordnet haben vorstellen.

  • Wer kann denn so etwas anordnen? Ich glaube kaum, dass das rechtssicher möglich ist. Die Frage, ob man das als Kollegin erlauben muss, hatten wir bestimmt in irgendeinem Thread aus dem Coronabereich bereits, ich weiß aber nicht mehr wo und was die Antwort ist/war.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Ich habe zwar schon aus Spaß zu meinen Schülern gesagt, dass ich mir manchmal eine Überwachungskamera im Klassenraum wünsche, aber das ist schon ein starkes Stück.


    Da stellen sich mir eine Menge Fragen:

    Lässt die Schulleitung das geschehen? Wenn ja, warum?

    Wie soll die technische Umsetzung aussehen? Wer bezahlt das? Was wenn die Technik nicht funktioniert?

    Was sagen die Eltern der anderen Schüler dazu? Was sagen überhaupt die Schüler dazu?

    Du hast angegeben an einer Realschule zu unterrichten. Wie ist die Schülerin durch die Grundschule gekommen? Hat sie die Schulangst erst entwickelt?

    Am wichtigsten: Wie soll das dem Mädchen helfen seine Angst zu überwinden?


    Unter uns, selbst wenn da rechtlich irgendeine Möglichkeit wäre, würde ich mauern. Das bringt auf lange Sicht nur Ärger und dem Kind nützt es gar nichts.

  • Ich würde einfach "Nein" sagen.


    Schwierig für die Schülerin, sicherlich ... aber vorerst schaue ich, dass es mir gut geht.


    Den Eltern kann man ja offen und ehrlich erläutern, wieso man dazu nicht bereit ist. Da eine solche Anweisung keinen Bestand haben wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Schulleitung soetwas überhaupt erst versuchen würde.


    Ich frage mich auch, ob man mit so einem Vorgehen bestimmte Verhaltensmuster (Vermeidungsverhalten) nicht noch weiter verfestigt...

  • Für die Schülerin müsste es so etwas wie Schule für Kranke o. ä. geben. Da gibt es besondere Regelungen, hängt aber natürlich wieder vom Bundesland ab.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Es braucht ziemlich sicher die schriftliche Einwilligung aller Erziehungsberechtigten der anderen SuS, dass derartige Übertragungen zulässig sind, zumindest solange die anderen SuS sichtbar oder hörbar sind. Darüber hinaus müssen die Eltern der Schülerin schriftlich versichern keinerlei Mitschnitte (Audio oder Video) anzufertigen oder ihr Kind anfertigen zu lassen.


    Diese Einverständniserklärungen wurden während der Pandemie aus der Not heraus laxer gehandhabt. Inzwischen müssen diese hier in BW jedes Schuljahr neu unterzeichnet und eingesammelt werden, wo dann eben Erziehungsberechtigte festlegen, ob ihr Kind in Bildern/ Videos sichtbar oder hörbar sein darf, ob diese nur im Rahmen des eigenen Unterrichts oder auch z.B. auf der Schulhomepage veröffentlicht werden dürfen. Daraus ergibt sich für mich völlig klar, dass ohne entsprechende Einverständniserklärungen an deiner Schule ein derartiges Streamen nicht infrage kommt.

    Was den geschützten Raum für den Rest der Gruppe anbelangt, teile ich deine Bedenken durchaus. Wir hatten während der Pandemie einen solchen Fall von Schulangst, nachdem der Präsenzunterricht wieder begonnen hatte bei einem Mädchen, das auf seinen Platz in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gewartet hat. Wegen der Pandemieregelung ging das damals mit dem Streamen, allerdings haben die KLs den Eltern gegenüber sehr deutlich gemacht, dass sie während des Unterrichts nicht daneben sitzen dürfen, sich nicht einmischen dürften in den Unterricht, das Kind auch keine anderen Haushaltsaufgaben parallel übernehmen dürfe und keinerlei Mitschnitte zulässig wären. Darüber hinaus wurde abgesprochen, dass die Regelung sofort hinfällig wäre, wenn das Mädchen nicht mitarbeite/ nicht ansprechbar wäre im Fernunterricht, nicht täglich ihre Aufschriebe/ Hausaufgaben sende oder Klassenarbeitstermine (die in Präsenz, aber in einem Einzelraum stattfanden bei Bedarf) nicht wahrnehme. Das Ganze war natürlich mit der Schulleitung vorab besprochen und abgestimmt.


    Wir als Lehrkräfte wurden nicht dazu verpflichtet, unseren Unterricht zu streamen, weil das rechtlich gesehen zumindest wackelig gewesen wäre. Ich habe mich - anders als ein paar KuK, die lediglich Aufgaben und Materialien online geteilt haben- aber darauf eingelassen, da ich das Mädchen bis dahin in meinem Unterricht als - soweit ihr das gesundheitlich bedingt möglich war- interessiert und zuverlässig wahrgenommen hatte und ihr gerne die Gelegenheit geben wollte, im Rahmen ihrer damaligen Möglichkeiten dennoch am Unterricht aktiv teilhaben zu können. Während des Unterrichts habe ich dann immer ein Headset getragen. So wurde ich gut hörbar übertragen, die SuS im Raum aber waren nicht hörbar (was für diese wichtig war, das habe ich vorab mit der Lerngruppe besprochen, was ihnen lieber wäre, nachdem die Rechtslage- oder eher das Ignorieren derselben und die Toleranz alternativer Lösungen- damals beides erlaubt hätte). Relevante Antworten von Mitschülern habe ich dann kurz weitergegeben als Zusammenfassung übers Headset.


    Es gibt - bislang- keinen Rechtsanspruch darauf per Stream am Unterricht teilnehmen zu können. Wenn dir also komplett unwohl ist, dann wird man dich mit Sicherheit nicht dazu zwangsweise verpflichten können. Du musst dann eben auf anderem Wege sicherstellen, dass die Schülerin die Unterrichtsaufgaben erhält und Rückfragen stellen kann, beispielsweise durch Moodle/ Teams/ Email, sowie ggf. die SuS in Präsenz wechselweise Protokolle schreiben lassen mit den Tafelaufschrieben, zentralen Fragen und Antworten, etc. ( so haben das bei uns einige KuK gelöst gehabt, die keinen Stream wollten). Das kann auch für den Rest der Klasse eine ganz gute Übung und Lernhilfe sein.


    Was sagt deine SL zu der Sache? Kommt von dieser die Ansage, die Kamera müsse installiert werden und der Stream geleistet werden? Ist die Schülerin denn begleitend in Therapie wegen ihrer Schulangst?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    An deiner Stelle würde ich mich an den Personalrat wenden, ggf. an den Datenschutzbeauftragten.

    Wir hatten auf der Personalratsschulung einen fiktiven Fall ähnlicher Art. In meinem Bundesland ist eine derartige Maßnahme nach §85 des Personalvertretungsgesetzes mitbestimmungspflichtig unter Vorlage des Nutzungskonzepts und der Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten.

  • Ich kann deine Bedenken absolut nachvollziehen und würde es genauso nicht haben wollen.


    Wenn es ein ärztliches Attest gibt, dann gibt es darüber sicher auch andere Möglichkeiten der Beschulung. Beispielsweise über Privatlehrer, die nach Hause kommen. Bezüglich der Bezahlung bin ich mir nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB VIII oder SGB IX oder von der Krankenkasse. Danach müsste sie therapeutisch begleitet wieder schrittweise in der Schule eingegliedert werden- entweder bei euch oder erstmal an einer Schule für sozial-emotuonale Entwicklung (kleine Klassen).

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

    • Offizieller Beitrag

    tja, steht sogar im Namen ;)

    Ernsthaft: bei allem Ärger zur persönlichen Personalsituation (die ich vermutlich auch nicht hinnehmen würde, aber das weiß ich gerade nicht), finde ich wichtig, Themen und Probleme wie Schulangst und weitere psychische Diagnosen ernstzunehmen (und ich hätte tatsächlich gedacht, es sei eine bekannte Diagnose (im Bezug auf "man erlebt immer was Neues". Also ich hatte nie den Fall aber es ist mir bekannt).

    Dies gesagt: mich irritiert die Maßnahme, es ist definitiv nicht die Art Maßnahme, die ich Laie erwartet hätte.

  • Wie sagte ein Experte mal so schön in einer Fortbildung: "Schulangst ist Elternangst". Meiner Erfahrung nach attestieren Ärzte mittlerweile alles, wenn die Eltern privatversichert sind. Ich hatte mal einen Schüler, der jeden morgen seine verschriebene Dosis Ritalin bekam, aber von seinen Eltern ein "Pausenbrot" bestehend aus einer abgepackten Portion Chips und eine Dose eines bekannten Engery-Drink-Herstellers.

    Aber davon abgesehen würde mich einfach interessieren, ob jemand eine solche Situaion mit der Kamera im Unterricht schon mal erlebt hat?

    Mit dem Homeschooling ist das meiner Ansicht nach schwer zu vergleichen. Das war eh kein normaler Unterricht und war völlig unpersönlich. Als Klassenlehrer lebt man aber davon, dass die Kinder auch mal frei aus sich heraus kommen. Vor einigen Jahren hatte ich permanent eine Integrationshilfe im Unterricht sitzen - da erzählt mir doch kein Teenager etwas von seinem Wochenende, wenn jemand mitschreibt... geschweige denn aufnimmt. Das war die merkwürdigste Klassenleitung meines Lebens. So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben, denn dann kann man auch eine Roboter vor die Klasse stellen, der Aufgaben verteilt und gut is'.

  • Das war eh kein normaler Unterricht und war völlig unpersönlich.

    Inwiefern?

    Vor einigen Jahren hatte ich permanent eine Integrationshilfe im Unterricht sitzen - da erzählt mir doch kein Teenager etwas von seinem Wochenende, wenn jemand mitschreibt... geschweige denn aufnimmt. Das war die merkwürdigste Klassenleitung meines Lebens.

    Ich weiß nicht, ob ich dich hier richtig verstehe.

    Wegen der Integrationskraft war es eine merkwürdige Klassenleitung? Und die Integrationskraft hat mitgeschrieben, was SuS gesagt haben?

    Alles seltsame Storys ...

  • Aber davon abgesehen würde mich einfach interessieren, ob jemand eine solche Situaion mit der Kamera im Unterricht schon mal erlebt hat?

    Mit dem Homeschooling ist das meiner Ansicht nach schwer zu vergleichen. Das war eh kein normaler Unterricht und war völlig unpersönlich. Als Klassenlehrer lebt man aber davon, dass die Kinder auch mal frei aus sich heraus kommen. Vor einigen Jahren hatte ich permanent eine Integrationshilfe im Unterricht sitzen - da erzählt mir doch kein Teenager etwas von seinem Wochenende, wenn jemand mitschreibt... geschweige denn aufnimmt. Das war die merkwürdigste Klassenleitung meines Lebens. So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben, denn dann kann man auch eine Roboter vor die Klasse stellen, der Aufgaben verteilt und gut is'.

    Ich hatte auch schon eine Integrationsassistenz in der Klasse mitsitzen und habe das als völlig unproblematisch erlebt für die Klassensituation. Dadurch dass diese Assistenz täglich mit dabei war, hat diese für die SuS einfach mit dazugehört. Diese haben sich völlig problemlos geöffnet und auch persönlichere Dinge mit eingeflochten in ihren Beiträgen. Komisch war es nur in den Stunden, in denen die Integrationsassistenz erkrankt war und durch die Schulsozialarbeiterin ersetzt wurde. Diese hatte immer das Bedürfnis sich wie eine Schülerin zu gerieren einerseits (sich zu melden zu Themen, aufgerufen werden wollen, gelobt werden wollen, reinrufen und blöde Kommentare machen,..) während sie andererseits aber in anderen Momenten völlig klar als erwachsene Bezugsperson im Raum unterwegs war während bestimmter Aufgaben. Diese Rollenunklarheit war sowohl für die SuS, als auch für mich äußerst befremdlich, so dass es in diesen Stunden weniger zu persönlicheren Beiträgen gekommen ist. Zumindest meiner Erfahrung nach hängt das insofern ganz deutlich von der Person ab, die die Assistenz leistet und der Art und Weise, wie die Assistenz geleistet wird, nicht von der Assistenz an sich. Vielleicht hattest du da einfach etwas Pech bei deinem Exemplar.


    Dies geschrieben halte ich eine Integrationsassistenz die mit im Raum ist für ein anderes Thema, als den kompletten Unterricht zu streamen für eine Schülerin mit diagnostizierter Schulangst. Wie in Beitrag 11 geschrieben hatte ich den Fall schon im Unterricht.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL ()

  • Inwiefern?

    Ich weiß nicht, ob ich dich hier richtig verstehe.

    Wegen der Integrationskraft war es eine merkwürdige Klassenleitung? Und die Integrationskraft hat mitgeschrieben, was SuS gesagt haben?

    Alles seltsame Storys ...

    Wie haben auch eine Schulhelferin die für den Vater den Unterricht protokolliert. Die Kollegin sagt, da gewöhnt man sich dran

  • Gut, man kann nie ausschließen, dass jemand mit einer separaten Kamera oder speziellem Programm aufnimmt, aber wenn man zum Beispiel Zoom / Teams selbst startet, hat man ja die Kontrolle, ob ein Teilnehmer aufnimmt oder nicht (nur derjenige, der die Rechte der Session kann das und man weiß es auch als Teilnehmer*in

    Nö mit OBS kann ich jederzeit meinen Bildschirm aufnehmen. Das bekommt niemand mit.

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