Lehramtstudentin sucht Rat: Was ist die Realität des Lehrerdaseins?

  • Hallo zusammen,


    ich bin 19 Jahre alt und beginne dieses Jahr im Oktober dann mein Lehramtsstudium für Gymnasien für die Fächer Deutsch und Werte und Normen. Es war schon immer mein Wunsch, Lehrerin zu werden, so lange ich denken kann. Die Schulzeit (insbesondere die Zeit in der Oberstufe) hat mich in diesem Wunsch zusätzlich bestätigt, weshalb ich mir eigentlich nie etwas anderes vorstellen konnte bzw. jegliche Zweifel eigentlich immer sehr schnell verworfen hab.


    Ich selber hatte keine sonderlich umstandsfreie Kindheit und habe schon früh gelernt, was es heißt, Verantwortung für sich selbst übernehmen zu müssen. Das alles hat auch einige Spuren hinterlassen, mit denen ich mich persönlich aber auch viel beschäftigt habe und auch professionell in Sprachtherapie gelernt habe, wie ich damit umgehen kann.


    Warum ich das erwähne ist ein bisschen auf den Beruf bezogen. Denn je mehr Abstand ich zur Schule kriege, desto objektiver betrachte ich den Beruf „Lehrer“ auch das erste Mal so richtig. Ich arbeite nebenbei, bis zum Studienbeginn, auch noch in einer Senioren Wohngemeinschaft für betreutes Wohnen und konnte da auch schon lernen, für andere zu sorgen bzw. die Verantwortung für sie zu übernehmen. Dieser Nebenjob hat mir zwar gezeigt, dass ich durchaus fähig bin, diese Verantwortung zu übernehmen und auch wie ich mit verschiedenen Persönlichkeiten umgehen kann. Wenn ich mich dann jedoch frage „Könnte ich diesen Beruf mein restliches Leben lang ausüben?“, wäre die Antwort ein klares „Nein“. Mir macht es zwar Spaß, mit diesen Menschen zusammen zu arbeiten und ich bilde mir auch ein, eine ganz gute Menschenkenntnis zu haben. Der allgemeine Umgang mit Menschen fällt mir also recht leicht und bereitet mir auch Freude, auch wenn mal ein paar Ausreißer dabei sind.


    Trotzdem beziehe ich diese Erfahrung so ein bisschen auf den Beruf als Lehrkraft. Ich liebe es, Wissen weitergeben zu können von den Dingen, die mir Spaß machen. Man könnte also sagen, es macht mir Spaß, andere für meine eigenen persönlichen Interessen zu begeistern oder mich mit verschiedenen Menschen über Themen auszutauschen bzw. sachliche Diskussionen zu führen. Durch mein eigenes Kindheitstrauma weiß ich jedoch auch, dass ich mir oft Dinge zu Herzen nehme, obwohl sie gar nicht auf mich als Person bezogen sind. Ich könnte beispielsweise aus diesem Grund auch niemals in der Pflege arbeiten, weil ich Schicksalsschläge o.ä. gedanklich mit nach Hause nehmen würde. Ich bin nun mal sehr emotional und habe auch viel Empathie. Ich möchte halt, dass es allen immer gut geht.


    Genau aus diesem Grund habe ich auch bedenken, wirklich Lehrerin zu werden. Denn auch wenn ich es sicherlich hinkriegen würde, auf verschiedene Persönlichkeiten einzugehen, hab ich doch ein bisschen Angst, selbst daran kaputt zu gehen, wenn manche SuS auch ein Kindheitstrauma haben und ich versuchen würde, diesen Menschen zu helfen. Ich weiß, man muss Beruf und Privates trennen, aber es fällt mir einfach enorm schwer, weil ich selbst weiß, wie wichtig es sein kann, wenn man Hilfe von Außenstehenden bekommt. Grob gesagt: Ich habe Sorge, dass es mehr Erziehungsauftrag und psychologische Betreuung in der heutigen Schulzeit ist, als dass ich Wissen vermitteln kann. Dazu zähle ich zum Beispiel auch den konstanten Druck, Noten vergeben zu müssen, da viele SuS sich durchaus über Noten definieren (das kenne ich aus meiner eigenen Schulzeit bzw. meinem eigenen Freundeskreis).


    Ich würde mich wirklich sehr über eine Antwort freuen, wie ihr Lehrkräfte mit solchen Themen umgeht und ob es wirklich so ausgeprägt ist, wie vermutet.


    Vielen Dank und liebe Grüße! :)

  • xsassii

    Hat den Titel des Themas von „Lehramt - Realität des Lehrer Berufes“ zu „Lehramtstudentin sucht Rat: Was ist die Realität des Lehrerdaseins?“ geändert.
  • Das hilft mir ehrlich gesagt nicht weiter? Und selbst wenn ich erst 19 bin, ist es trotzdem in Ordnung mir Gedanken zu machen, BEVOR ich in den Beruf einsteige und dort merke, dass es vielleicht nichts für mich ist. Dafür gibt es ja extra solche Foren?

  • Ganz pragmatisch: Wenn du dir so unsicher bist, ob das Lehramtsstudium richtig ist, würde ich mich direkt schlau machen, wie du unterwegs aus der Nummer am besten wieder rauskommst. Überleg dir, ob du die Fächer auch ohne die Lehramtsoption studieren würdest oder was die Alternative wäre und was dir von den Veranstaltungen, die du jetzt belegst, für die Alternative wieder angerechnet wird. Wann kommen denn bei euch im Studium die ersten Berufspraktika? Mindestens das musst du dir einfach mal anschauen, dann merkst du schon, ob das für die passt oder nicht.


    Abgesehen davon: Etwa 25 - 30 % aller 19jährigen fangen mal an irgendwas zu studieren und wechseln nach 2 Semestern das Fach, weil es doch nicht gepasst hat. Das war immer schon so und ist völlig normal. So irre viele Gedanken solltest du dir da jetzt auch wieder nicht machen.

  • Es ist ganz nötig, dass du lernst, dich abzugrenzen. Empathie empfinde ich als tolle Voraussetzung für den Beruf, aber es gibt einen Unterschied zwischen „Helfen“ und „Probleme von anderen zu den eigenen zu machen“. Das gilt für sehr viele Berufe, eigentlich immer da, wo Kontakt mit Menschen über den reinen Kundenkontakt hinausgehen. Heutzutage gibt es dafür an Schulen auch multiprofessionelle Teams, die zumindest Rat und Austausch ermöglichen, was ich immer sehr hilfreich finde.

    Ansonsten würde ich auch vorschlagen, erst einmal in einem Praktikum zu schauen, wie der Anblick da „von der anderen Seite“ aussieht. Diese Praktika sind ja teilweise schon im ersten oder zweiten Semester. Entscheidend ist ja auch noch, welches Lehramt du anstrebst, da sind die Schwerpunkte ja auch unterschiedlich?

  • Such dir einen Nebenjob an einer Schule, sobald du das mit deinem Zwischenstand im Studium übernehmen kannst. Dann lernst du ganz konkret, wie du mit SuS umgehst, ob und wie du ihre Probleme "mitnimmst". Alle Einzelmeinungen von uns, wie wir das schaffen, sind anekdotisch und helfen dir nur insofern, dass du zwar das Spektrum kennst, wie wir das mitnehmen, du weißt aber nicht, wie dir das gelingen kann.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Psychologische Betreuung und "helfen" ist nicht dein Job. Aufmerksam sein und ggf. an entsprechende Stellen weiterverweisen, ja, aber man sollte sich schon bewusst sein, wofür man ausgebildet wurde und wo die Grenzen des eigenen Tätigkeitsfeldes liegen. Für weitergehende Betreuung gibt es Sozialpädagogen und Therapeuten.

  • Lehrer ist in vielen Teilen eine Berufung und nicht nur ein Job. Viele, sehr viele von uns haben ein ausgeprägtes Helfersyndrom und nehmen dir Sorgen und Probleme der Schüler an und mit nach Hause. Und viele Schüler haben heute wirklich Sorgen und Probleme!

    Deshalb ist Abgrenzung extrem wichtig. Wer das nicht kann hat in diesem Beruf verloren und wird sich innerhalb von wenigen Jahren verheizen und mit psychischen Problemen plagen.


    Wenn du dich nicht abgrenzen kannst und Schülern bei IHREN Problemen helfen kannst ohne sie anzunehmen, ist dieser Beruf nicht gesund für dich.


    Dazu kommt vorher noch der starke Druck im Ref. Je nach Fachleiter oder Betreuungslehrer kann jede einzelne Minute, jedes Wort und jede deiner Bewegungen in einer Unterrichtsstunde auseinandergenommen werden. So kann eine Nachbesprechung einer Unterrichtsstunde auch schon mal 4 Stunden dauern obwohl die Stunde eigentlich gut war.


    Aber wenn das Ref gelingt und du dich abgrenzen kannst, ist der Lehrerberuf einer der anstrengendsten und schönsten Berufe die es gibt.

  • So kann eine Nachbesprechung einer Unterrichtsstunde auch schon mal 4 Stunden dauern obwohl die Stunde eigentlich gut war.

    Off-Topic, aber da hat dann aber auch ein/e Fachleiter/in das eigene Zeitmanagement nicht im Griff.


    Ein bisschen "on-topic": Das Ref kann durchaus auch eine schöne Erfahrung sein und hat i.d.R. deutlich mehr mit deiner Berufsrealität zu tun als jedes Seminar im Studium. Lass dir bloß nicht vorher das Ref schlecht reden :)!

    There are only 10 sorts of people - Those who know binaries and those who don't.

  • Ich möchte mich Finnegans Wake anschließen. Ich habe die teilweise harte Realität des Lehrerberufes erst durch einen Nebenjob während dem Studium kennengelernt, besser als in jedem Praktikum. Sollte es das Studium zeitlich hergeben: Schau dich nach Stellen -- bspw. als Unterstützungskraft -- um, z. B. für einige Deutsch-Förderstunden am Nachmittag. Vielleicht findest du eine nette Schule und kannst so direkt erkennen, ob und wie stark deine beschriebenen Probleme auftreten.

    Am Ende darf (muss) ich noch erwähnen, dass der Lehrerberuf der schönste der Welt ist :victory:

  • Ich hatte auch eine tolle Reffi Zeit.

    Es kommt auch einfach immer drauf an , ob es passt.

    Ich hatte wunderbare Mentorinnen , eine tolle SL und wirklich wunderbare Fachleiter.

  • Ich fand das Ref tatsächlich einen Spaziergang... Die ersten drei Berufsjahre fand ich dann (vom Arbeitsaufwand her) sehr happig. Aber das Ref ging mit links.

    Na ja, "mit links" bzw. als "Spaziergang" würde ich mein Referendariat nun nicht bezeichnen, aber sooo schlimm war es nun auch nicht. Ich fand vom Arbeitsaufwand her auch die ersten paar Berufsjahre stressiger, allerdings fiel dort natürlich das "unter Beobachtung Stehen" weg.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

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