Lehrerkind- Wo hat der Beruf deiner Eltern sich in deinem Leben spürbar ausgewirkt?

  • Immer mal wieder muss ich bei Beiträgen, in denen es um Familie und unseren Beruf geht schmunzeln, wenn dort steht, dass der Beruf sich keinesfalls negativ ausgewirkt habe/ auswirke auf das Elterndasein, wenn, dann höchstens positiv. Nein, es geht mir nicht um die drölfzigsten Debatte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern vielmehr um die Diskrepanz, die sich zwischen dieser Selbstwahrnehmung und der Perspektive der betroffenen Kinder ergeben kann.


    Wie und wo hat der Beruf eurer Eltern- gleich ob diese nur letztlich Lehrkräfte waren oder nicht- spürbar in eurem Leben ausgewirkt? (Beruf bitte nennen, damit wir möglichst viel zum Mitschmunzeln oder auch Nachdenken bekommen.)


    Ich starte selbstredend gerne. Meine Eltern waren/ sind Lehrer (u.a. Mathematik) bzw. Technische Zeichnerin mit später aufgestocktem Wirtschaftsstudium. Das positive Verhältnis beider Eltern gegenüber Zahlen, aber auch Bildung und Büchern gegenüber hat bereits im Kindergartenalter bei mir begünstigt, dass Zahlen genau wie Bücher meine Freunde waren (was ich auch genau so gesagt habe als Kind).:love:

    Dass mein Vater Lehrer ist habe ich immer mal wieder gehört, wenn er etwas strenger wurde oder auch bestimmte Sachen erklärt hat. Dabei hat sich dann manchmal seine Stimme in einer ganz speziellen Weise geändert, genau wie seine Wortwahl, so dass ich ganz deutlich hören konnte, dass plötzlich nicht mehr Papa CDL mit mir sprach, sondern Herr Lehrer CDL-Papa.^^ Lustigerweise ist ihm das selbst nie aufgefallen. Irgendwann als Erwachsene habe ich ihm das dann mal erzählt, samt Beispielsituationen, in denen das vorgekommen war, das fand er ziemlich ulkig, genau wie ich heutzutage. Als Kind/ Jugendliche fand ich das jedoch maximal nervtötend, wenn ich auch noch zuhause plötzlich Lehreranweisungen bekommen habe, statt normal mit meinem Vater sprechen zu können. :explodier:

    Glücklicherweise war umgekehrt meine Vater aber auch derjenige, der am Geduldigsten mit mir debattiert hat über ausnahmslos alles (und das verdammt fundiert) und im Austausch mit dem ich meine lange Zeit rhetorisch ziemlich spitze Zunge nicht nur wetzen, sondern auch überhaupt erst richtig ausbilden durfte (meinen Vater das erste Mal rhetorisch geschlagen zu haben, statt mit dem dumpfen Gefühl aus einer Debatte ins Bett zu gehen, dass ich zwar recht gehabt hatte, er mir aber dummerweise trotzdem rhetorisch komplett überlegen war und alles zerlegen/widerlegen konnte- unvergessen :klatsch:). Nachdem er später Lehrer an der Schule wurde, an der ich Schülerin war (nach Einholen meiner Erlaubnis), kann ich gesichert sagen, dass seine Geduld und Gelassenheit auch als Lehrer legendär war und bis heute ist.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Hmm. Ich bin einfach nur das Kind der alleinerziehenden Putzfrau. Hat mich das fürs Leben geprägt? Ich denke schon. Das Leben hat nichts zu verschenken, es ist einfach nur eine Aneinanderreihung von Zufällen. Die Gelegenheiten, die sich bieten, muss man sehen und zuschlagen. Bloss nicht zögern.

    • Offizieller Beitrag

    Tochter eines Eisenbahners und einer Steno-Sekretärin, die nach einer betriebsbedingten Kündigung nie wieder einen Job gefunden hat und sich "für das Wohl ihrer Kinder" opferte und Tages- und dann Pflegemutter wurde. (In Anlehnung an einen anderen Thread: natürlich ohne Ausbildung, sie hat ja schließlich selbst zwei Kinder).

    Ob es mich geprägt hat: Klar doch.
    1) Sie hielten den Lehrerjob für den Aufstiegsjob schlechthin, lauer Lenz, gesellschaftliche Anerkennung, gutes Geld. (hahaha)

    2) Ich bin Zugpendlerin durch und durch :D (es hat andere Gründe, aber ich fühle mich tatsächlich wohl in Zügen)

    3) Ich fühle bei jedem Streik mit und denke nicht nur an meine primären Individualbedürfnisse.

    4) Ich wusste schon sehr früh, dass Babys und Kinder nicht "soooooooo süss" sind, sondern verdammt viel Arbeit und ich diese Arbeit nicht machen möchte.

    5) Ich hatte jeden Tag vor Augen das Gegenbeispiel pädagogisch geprägter, wohlwollender Erziehung und bin froh, dass das Tagesmutter- und Pflegesystem sich doch durchaus geändert hat.

    6) Ich wusste schon sehr früh, dass ein Kind nicht per se glücklicher ist, weil ein Elternteil zuhause ist und dass ich nicht wegen Kinder meinen Job aufgeben würde. Ein ausgelasteter Elternteil ist besser als ein Mensch zu Hause (aufgrund meiner Sozialisation kenne ich nur die Extreme, es gibt in Frankreich kaum Teilzeit und definitiv nicht die "deutsche Teilzeit", meine Mutter war die einzige Mutter zuhause in meinem Freundeskreis und vor der Schule standen nur Tagesmütter)

  • Lehrerkinder...


    Da kann ich nur Bastian Bielendorfers "Lehrerkind"-Programme empfehlen (Buch oder Bühne) Es ist so unglaublich zutreffend. :D


    All das, das ich schreibe, ist übrigens meine Wahrnehmung (als Kind oder auch als Erwachsene) und kein Dogma.


    Ich bin doppeltes Lehrerkind.

    Und ich muss sagen, dass ich immer noch dabei bin, die Muster von früher abzulegen, die ich durch diese Konstellation erlangt habe.


    Vorerst: ich habe meine Eltern lieb und sie mich. Ich bekomme schon immer jegliche Unterstützung, die ich mir wünschen kann und meine Geschwister ebenso. Wir können auf ein sicheres Zuhause zurückblicken und darauf, dass meine Eltern IMMER für uns da waren. Immer. Dafür sind wir alle sehr dankbar.

    Leider hat das "Lehrer-Gen" halt ordentlich in der Erziehung zugeschlagen.


    Für meine Eltern hat Leistung sehr stark gezählt, zudem galt das, was sie für uns als richtig erdachten, als Gesetz. Kein Rauskommen, kein Durchkommen. Nicht immer einfach.

    Wir sind drei Kinder und haben das jedes auf seine Weise erlebt, aber alle drei gleich negativ, trotz liebevoller Umgebung, trotz sicherem Zuhause.

    Näher möchte ich da nicht drauf eingehen.


    Ein kleines Beispiel: ich kam aus der vierten Klasse mit dem ersten Halbjahreszeugnis nach Hause. Ich war Einserschülerin, aber irgendwo gab es immer EINE Zwei. Irgendwo schlich sie sich immer rein - immer woanders. Ich kam heim, meine Mutter nahm das Zeugnis entgegen und fragte mich: "Und? Wo ist die Zwei diesmal?" - für sie ein "harmloser Witz", für mich brach damals die Welt zusammen, dass ich trotz guter Leistungen immer noch nicht genügte und diese eine Zwei mehr im Fokus stand als die restlichen Einser, wie die letzten Zeugnisse auch. Kinder nehmen einfach anders wahr - und darauf muss man wirklich achten, egal, ob man Lehrkraft in der Schule ist oder privat daheim.


    Wenn man das Gefühl hat, nur dann wirklich geliebt und akzeptiert zu sein, wenn man überall die Beste ist, dann ist das sehr anstrengend. Mittlerweile haben wir da oft drüber geredet und auch vieles geklärt. Meine Eltern waren sehr gute Lehrkräfte, beide waren beliebt und respektiert und vor allem sehr geduldig und wertschätzend mit ihren Schüler*innen. In unserer kindlichen Wahrnehmung haben sie das aber leider in der Schule gelassen. "Was andere denken" war enorm wichtig - wir waren insgesamt stark reglementiert und auf Außenwirkung getrimmt. Und wenn ich in Mathe wieder einmal geträumt hatte und mein Vater (Mathelehrer) mir das hinterher erklären musste, kam meine Mutter nach 5 Minuten rein: "Nun schrei doch das Kind nicht so an!" :D Mein Dad verstand einfach nicht, warum seine eigene Brut seine Gedankengänge nicht sofort verstand. Etwas, bei dem seine Klassen seine komplette Geduld geschenkt bekamen.


    Ich habe meine Eltern wirklich sehr lieb, wir sind uns mittlerweile wieder sehr nah, nachdem ich in der Pubertät still und leise alles geschluckt habe, um ein "gutes Kind zu sein" und erst danach, als ich auszog, mehrere Wochen "Elternpause" gemacht habe, was ihnen sehr weh getan hat - und ich bin auf einem langen Weg der Reflexion und Vergebung, weil sie wirklich nur das Beste wollten. Aber es ist immer und immer wieder auch jetzt noch zu erkennen, dass Muster noch nicht ganz repariert sind. Dauert eben.


    Kommt natürlich auch stark auf die Kinderseele an. Ich war immer hochsensibel, habe immer gleich die Fehler bei mir gesucht etc - meinen Selbstwert habe ich erst im Erwachsenenalter ausbauen können. Andere Kinder, die da nicht so empfindlich sind, fühlen das vielleicht anders, keine Ahnung.


    Lehrerskinder, Pfarrers Vieh...man kennt den Spruch ja - und SO falsch isser nicht, meiner Wahrnehmung nach, auch wenn es wunderbare Ausnahmen gibt, wie ich bei einer Kollegin und ihrer Familie sehen kann.

  • Sohn einer alleinstehenden Fabrikarbeiterin. Wenn ich so darüber nachdenke, dann fällt mir das schon einiges ein.

    Mir war schon früh klar, dass Bildung für mich Schlüssel zu einem anderen Leben ist, denn den Job meiner Mutter wollte ich niemals machen. So habe ich mich selber zu einem Intellektuellen erzogen, denn familiäre Vorbilder gab es keine.

    Ach ja, als Kind war ich immer mit an den Kundgebungen am 1. Mai dabei - da kann man ja nur links werden 😂 Noch heute ist mir jede Art von konservativer Attitüde ein Graus. Obwohl ich meinem relativen Wohlstand durchaus geniesse, habe ich nicht vergessen, wie es ist, mit wenig finanziellen Mitteln über die Runden zu kommen - das war bei mir noch bis 35 so.

    Vielleicht auch ein Folge meiner Herkunft: Mit Statussymbolen kann man mich nicht beeindrucken, was andere Menschen haben oder nicht haben ist mir völlig gleichgültig.

  • Das ist schön geschrieben, Philio , das erkenne ich alles genau so wieder. Ich habe gerade nochmal nachgedacht über das, was ich schrieb. Doch, es ist schon so, dass meine Mama ihr ganzes Leben über verpasste Chancen getrauert hat. Und wir darüber auch immer die übeslsten Streitereien hatten. "Du könntest Fremdsprachen studieren..." Nein, Mama, das hättest *du* gerne gemacht, *ich* nicht.

  • Schöne Idee @CDL, man lernt sich hier dadurch noch etwas näher kennen.


    Meine Eltern sind in den 1950ern unter abenteuerlichen Umständen zugewandert. aus dem heutigen Polen und dem wildem Osten Deutschlands. Im Sauerland entwickelte sich eine für damals wohl "typische" Ehe. Mein Vater war nach verschiedenen Tätigkeiten, auch in seinem gelernten Beruf, bis zur Rente über 25 Jahre lang Arbeiter in der Metallindustrie. Dort konnte er einiges mehr verdienen als woanders (teilweise 12-Stunden-Tage), und sein Ziel war eigenes Haus, vier Kinder, zufriedene Gattin als Hausfrau... Alles hat geklappt (...hat auch meine Mutter immer bestätigt).

    Er wird, wenn die Gesundheit mitmacht, in diesem Jahr übrigens runde 100. :) Weil es bei uns eine (für uns Kinder oft lästige) sehr sparsame Haushaltsführung gab, konnten wir uns sogar jeden Sommer 3 Wochen Urlaub in Holland gönnen.


    Durch die entstehende Reihenhaussiedlung, die Menschen mit ähnlichen Vorgeschichten durch viel Eigenleistung und Nachbarschaftshilfe aufbauten, gab es feste soziale Kontakte und mit der Zeit eine Masse Kinder, die auf der Straße, in den großen Gärten und im Wald zusammen spielen konnten, alles selbst organisiert. Kaum jemand war im Kindergarten, und die Grundschule fand nur vormittags statt. Meine Eltern ließen mir viele Freiheiten, es gab keinen Leistungsdruck wegen der Schule, Kontrolle (wenn nötig) fand unauffällig statt, Strafen (wenn nötig) gab es nur in Form von "Standpauken"...

    Ich durfte sogar mit 10 Jahren meine Schulform selbst entscheiden. Ich nahm die 200 Meter entfernte Realschule, weil ich keine Lust hatt, auf das wesentlich weiter entfernte Gymnasium zu gehen. Leider hatte ich es danach ab Klasse 11 bis zu Abi relativ schwer, aber das "Durchbeißen" bei Problemen haben wir alle irgendwie gelernt.

    Meine Geschwister und ich haben sowieso viele Eigenschaften durch das Elternhaus mitbekommen: Sparsamkeit sitzt "irgendwie" in unseren Genen. Essen wird selbst gekocht, keine Fertigprodukte. Miteinander reden, sich helfen, aufeinander aufpassen und zusammen etwas unternehmen finden wir wichtig. WG-Leben fiel uns nie schwer, da wir lange Zeit zu Hause unsere Zimmer teilen mussten. Und zu guter Letzt haben zwei von uns vier "Kindern" studiert, drei arbeiten bzw. arbeiteten in sozialen Berufen.

    Vielleicht auch ein Folge meiner Herkunft: Mit Statussymbolen kann man mich nicht beeindrucken, was andere Menschen haben oder nicht haben ist mir völlig gleichgültig.

    Das auch!

  • Vielleicht auch ein Folge meiner Herkunft: Mit Statussymbolen kann man mich nicht beeindrucken, was andere Menschen haben oder nicht haben ist mir völlig gleichgültig.

    Ein insgesamt toller Beitrag.


    Und um den zitierten Punkt beneide ich dich sehr. Ich habe sehr lange kämpfen müssen, um das hinter mir zu lassen. Ich wurde in allem und jedem verglichen und habe mich selbst ebenfalls immer in diesen dummen Wettbewerb gestellt, natürlich meist mit selbstkritischstem Tenor.


    Je mehr ich da heraustrete, desto mehr bin ich dankbar für die Ruhe, die es mir schenkt. Wie schön, dass du diese schon lange haben darfst, auch wenn du sie sicher schwierigeren Umständen verdankst.

  • Das ist gerade echt schön für mich auch die Gemeinsamkeiten zu entdecken, die ganz verschiedene Geschichten dennoch zu meiner Geschichte in sich tragen. So teile ich den starken, aktiven Gewerkschaftshintergrund mit Chili (GEW väterlicherseits, mütterlicherseits IGMetall) , bin wie Philio immer auf den 1.Mai-Demos gewesen und kann mit Statussymbolen nichts anfangen.


    Mit treasure teile ich die Erinnungen an ein liebevolles, aber auch ein stark leistungsbezogenes Elternhaus, was auch in mir und meinen Geschwistern als Kinder oftmals ausgelöst hat, dass wir für uns und ohne entsprechende Leistung nicht genug wären. (Das konnten wir als Erwachsene dann zum Glück irgendwann miteinander besprechen und auch emotional klären. Inzwischen macht mein Vater kommunikativ vieles in der Folge anders, so dass wir uns tatsächlich gesehen fühlen.)


    Meine Mutter kam aus einem Elternhaus mit Fluchtgeschichte, wie bei Pepe und hatte Eltern, die in der Folge nicht nur sehr hart arbeiten mussten und sparsam leben mussten, um sich etwas aufzubauen, sondern die auch keine Zeit hatten für höhere schulische Bildung, obgleich mein Opa vor dem Krieg geplant hatte zum Studium nach Deutschland (München) zu gehen, wie das in seiner Familie üblich war. Meine Mutter durfte, weil sie ein Mädchen war, nicht aufs Gymnasium gehen, Realschule war bereits ein Zugeständnis ihrer Eltern (ihre Mutter war Fabrikarbeiterin, ihre Schwester wurde nach dem Hauptschulabschluss brav Sekretärin, ehe die geheiratet hat, weil sich das so gehört hat).

    Manche Bildungselemente, die meine Mutter sich für sich selbst gewünscht hätte hat sie dann über ihre Kinder ausgelebt. Vor allem ich hatte damit zu kämpfen, mich davon freizuschwimmen, die ungelebten Träume meiner Mutter realisieren zu sollen. Da sehe ich dann die Verbindung zu Antimon.


    Vielen Dank für das, was ihr bislang geteilt habt. Es ist schön, euch so noch etwas besser und persönlicher kennenzulernen. Ich freue mich auf zahlreiche weitere Beiträge.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • "Und? Wo ist die Zwei diesmal?" - für sie ein "harmloser Witz", für mich brach damals die Welt zusammen, dass ich trotz guter Leistungen immer noch nicht genügte und diese eine Zwei mehr im Fokus stand als die restlichen Einser, wie die letzten Zeugnisse auch.

    So etwas und insgesamt überhaupt starken Notendruck habe ich allerdings auch bei meinen Nicht-Lehrer-Eltern erleben müssen. :(

  • Lehrerin2007 Wollten sie für dich "etwas Besseres" als sie damals erlebt haben?

    Das ist ja gerne mal Motivator für das Treiben bei Eltern...



    Insgesamt finde ich diesen Thread wunderbar.


    Ich nehme hier nicht nur ein interessantes Thema wahr, sondern auch die Offenheit derjenigen, die sich schon gemeldet haben (und hoffe, dass auch andere sich trauen). Wie schön, dass das hier möglich ist.

    • Offizieller Beitrag

    So etwas und insgesamt überhaupt starken Notendruck habe ich allerdings auch bei meinen Nicht-Lehrer-Eltern erleben müssen. :(

    jup.

    GENAU DESWEGEN sogar.
    "Du sollst es besser haben".

    Und ich gebe zu, das Bewusstsein darüber, was es bei mir ausgelöst / angerichtet hat, ist erst vor 1-2 Jahren entfacht und es tut immer noch weh (also mir war schon immer klar, dass meine Eltern, insbesondere meine Mutter - aufgrund ihrer eigenen sehr schlechten Bildungsbiografie und Jobs - einen Knall diesbezüglich haben, aber als sehr gute Schülerin habe ich halt damit gelebt. Erst vor Kurzem ist mir klar geworden, dass wir ein absolutes Muster von nicht bedingungsloser Liebe gelebt haben und weiterhin leben und ich mir sehr schwer tue, mich zu lösen und mein Leben fast ausschließlich nach dem Leistungsprinzip lebe. Allerdings interessanterweise fast nur bei mir, bei meinen Erwartungen an den Anderen konnte ich mich schon vor langer Zeit lösen...)

  • Schade, dass es keinen Umarm-Smiley oder Trostsmiley in den Reaktionen gibt.


    *mal knuddel*


    Das Bewusstwerden ist das erste - und der Lösungsprozess nicht immer leicht, aber schaffbar.

    Vor allem ist es wichtig, sich unabhängig vom Elternhaus zu lösen (also nicht zu hoffen und zu erwarten, dass die Eltern sofort und gänzlich den Weg mitgehen).

  • Wie schön, dass du diese schon lange haben darfst, auch wenn du sie sicher schwierigeren Umständen verdankst

    Hmm… schwierige Umstände… retrospektiv gesehen, ja, vielleicht… als Kind kamen mir die Umstände nicht so schwierig vor, das muss ich fairerweise sagen. Wir wohnten in einem sehr industriell geprägten Stadtteil (ist er inzwischen kaum noch) und alle anderen, die ebenfalls dort wohnten, waren so wie wir - Arbeiterfamilien die, wie man heute sagen würde, eher bildungsfern waren. Kontakt zu Familien die wohlhabend oder gar vermögend waren, hatte ich keinen. Selbst Familien der oberen Mittelschicht lebten woanders. Allerdings muss ich sagen, dass es mir als Kind nie so vorkam, als würde mir etwas fehlen - ich hatte alles was ich brauchte, aber vor allem hatte ich auch keine grossen Ansprüche. Was ich aber tatsächlich hatte, war Interesse für „klassische“ Bildung - mein erstes „richtiges“ Buch war Schwabs Sagen des klassischen Altertums 😂 Woher ich das hatte, ist für mich immer noch ein Mysterium - Rollenvorbilder hatte ich diesbezüglich jedenfalls keine.

  • chilipaprika: Das kann ich gut nachvollziehen.

    Wollten sie für dich "etwas Besseres" als sie damals erlebt haben?

    Nein, eher andersherum. Ich war nicht so gut wie sie (angeblich) und musste besser werden. Allerdings betraf das nur die Fächer, die sie für wichtig hielten, nicht die, in denen ich gut war.


    Ich bin da als Lehrerin-Mutter daher besonders vorsichtig bei meinen Kindern. Mein großes Kind macht sich leider selbst Stress (trotz sehr guten Noten), da muss ich eher beschwichtigend wirken und schauen, dass die Noten nicht so wichtig genommen werden.

  • Bei mir hat es weniger mit dem Beruf der Eltern selbst zu tun, vielleicht mit dem sozialen Status, sicher aber mit dem, was in der Erziehung vorgelebt und auch angesprochen wurde.

    Dazu gehören Interesse zeigen, sich zu informieren und auch Sätze wie „Was du weißt, kann dir keiner nehmen.“, gepaart damit, mit wenigem Geld auszukommen und auf Statussymbole wenig zu geben. Mich beeindruckt da eher Understatement als Protzerei.

  • Oh, ich kann schon auch aus der heutigen Perspektive noch sagen, dass ich mindestens die ersten 14 Jahre definitiv nicht schön aufgewachsen bin. Über Einzelheiten schreibe ich hier ausnahmsweise nicht* ;) Bei allem Übel hatte ich von zu Hause aber nie den Druck, irgendwas besonders gut zu müssen. Das Motto war immer, Hauptsache das Kind tut irgendwas. Irgendwann hat Mama dann auch eingesehen, dass Kind sowieso das macht, was ihm passt und das offensichtlich so schlecht auch gar nicht ist. Als meine Mama gestorben war hat mich am meisten geärgert, dass es uns nie gelungen ist, sie aus ihrem verdammten Tran einfach mal rauszubekommen. Sie hat ihr ganzes Leben lang versucht immer für alle anderen alles gut zu machen und sich selbst darüber leider vergessen.


    *Ich glaube, den alkoholkranken Bruder hatte ich irgendwo schon mal erwähnt.

  • Vielleicht auch ein Folge meiner Herkunft: Mit Statussymbolen kann man mich nicht beeindrucken, was andere Menschen haben oder nicht haben ist mir völlig gleichgültig.

    Das geht mir ganz genauso und auch ich glaube, dass es bei mir ebenfalls mit der Herkunft gut erklärbar ist. Muss aber sagen, dass meine Eltern trotz "nicht-akademischen" Berufen immer geschaut haben, dass es uns Kindern an nichts mangelt (heißt, wir durften Instrumentalunterricht nehmen, in Vereine gehen und hatten saubere Klamotten und so weiter). Aber es wurde halt zum Beispiel nicht oft Urlaub gemacht und wenn, dann günstig, das Auto war kein Schickimicki-Schlitten und wir sind auch nicht ständig in Restaurants gegangen. Markenkram hatten wir auch nicht, aber das war mir sogar als Kind/Jugendliche schon sowas von komplett egal.

  • Schade, dass es keinen Umarm-Smiley oder Trostsmiley in den Reaktionen gibt.

    Bei den Smileys gibt es den. :troest::bussi::troest:

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich bin aus einer Arbeiterfamilie. Mein Vater war Maurer, meine Mutter hatte keinen Beruf. Als die Gespräche bezüglich der Grundschulempfehlung stattfanden, wollte mein Lehrer, dass ich auf die Realschule gehe. Da ich nur 1en und 2en hatte, sagte, meine Mutter, dass sie nur den Raum verlässt, wenn ich eine Gymnasialempfehlung habe. Ihre Worte: "Wenn der dumme Peter (Mutter Apothekerin) aufs Gymnasium kommt und meine Tochter nicht, stehe ich nicht vom Stuhl auf." Aufs Gymnasium kamen aus meiner Klasse folgende Kinder: P., Mutter Apothekerin, K, Vater Notar, D. Vater Lehrer, B., Vater reicher Geschäftsmann, L. Vater und Mutter Lehrer, S. Vater Zahnarzt, D. Vater Akademiker und ich, Vater Maurer (hat aber den Meister und später noch eine Zusatzausbildung, hat dann bei der Stadt gearbeitet). Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, dass ich aufs Gymnasium und später studieren durfte. Auch wenn ich den Baföghöchstsatz nehmen musste, Studienabschlussdarlehen und nur ein einziges Mal mit meinen Eltern und meinen beiden Geschwistern im Urlaub war.

    Bildung war meinen Eltern unendlich wichtig, aber sie sagten, dass wir es allein schaffen müssen und haben nichts geholfen. Nachhilfe war zu teuer. Meine Eltern hatten ein großes Haus gebaut und hatten eine Menge Schulden. Ich dachte aber als Kind immer, dass niemand merkt, dass wir wenig Geld haben. Aber meine alten Schulfreundinnen sagten mir kürzlich, dass sie das wussten. Das hat mich im Nachhinein schon traurig gemacht. :(


    Leider durfte ich als Kind nicht krank sein und wurde manchmal mit Fieber in die Schule geschickt. Auch heute noch bin ich sehr pflichtbewusst und gehe oft krank arbeiten, obwohl ich das nicht gut finde. Aber ich kann das nicht ablegen.


    Ich hatte keinen Notendruck. Versetzt zu werden war das Ziel. Allerdings tat es mir sehr weh, wenn mein Vater zu mir sagte: "Du gehst ja auch auf die höhere Töchterschule", wenn ich nicht seiner Meinung war. Als ein Mensch, der die Nazizeit erlebt hat und dadurch doch ziemlich "versaut" war, hätte er mich nicht auf ein Gymnasium schicken sollen, auf dem damals fast nur Lehrer aus der 68er Bewegung arbeiteten und uns einen ganz anderer Weltblick vermittelten. Ich habe mich oft mit meinem Vater angelegt, musste aber auch oft den Mund halten. Von daher habe ich nicht nur gute Gefühle.

Werbung