Das Fach Gewi an der Grundschule - zu viel Stoff?

  • Ich würde gerne meine Meinung zum Fach "Gesellschaftswissenschaften" hier äußern und eure Meinung, als erfarener Lehkräfte kennenlernen.


    Ich komme selbst aus Polen wo ich Pädagogik studiert habe. Seit kurzem darf ich tatsächlich endlich an einer Schule unterrichten. Da es eine Förderschule ist ist der Leistungsdruck zum Glück nicht so hoch. Ist auch gut so für mich, für die Einstieg in den Lehrerberuf. Ich unterrichte Gesellschaftswissenschaften, Kunst und LER in der 5 Klasse.


    Nachdem ich mich mit dem Curriculum und den Stoffverteilungsplan für das Fach GEWI vertraut gemacht habe ist mir aufgefallen, dass die Kinder sehr viel Stoff im einem Schuljahr durcharbeiten müssen. An der Förderschule sind die Kinder noch um einiges langsamer als Kinder an Regelschulen. Allein das lesen von Texten daaaauuuert... was ich mir also für eine Unterrichtsstunde vorgenommen habe wird auf 3 Stunden ausgedähnt. Nun bin ich mir sicher, dass wir alle Themen gar nicht schaffen zu bearbeiten...es sei den ich mache es sehr oberflächlich.


    Es kann auch sein, dass meine Sichtweise dem Fakt veschuldet ist, dass ich im Januar angefangen habe und die Klasse bis zum dem Zeitpunkt nur einzelne Gewi Stunden überhaupt hatte.


    Wie ist es bei euch? Bearbeitet ihr manche Themen ausfühlicher als andere? Lasst ihr vielleicht sogar welche aus? Passiert es manchmal dass eich die Zeit fehlt für manche Themen
    ?

  • Ich unterrichte an einer Realschule, nicht an einer Förderschule, aber eben auch diverse Geselschaftswissenschaften. Leider ist die Stofffülle in Gemeinschaftskunde und Wirtschaft enorm im Vergleich zu der in den meisten Jahrgangsstufen lediglich einen vorgesehenen Unterrichtsstunde pro Woche. Themen einfach wegzulassen ist problematisch, weil der Bildungsplan schließlich verpflichtend ist und Themen der Folgejahre darauf aufbauen. Man kann aber ja selbst einerseits gewichten, wie tief man in manche Themenbereiche einsteigt und andererseits oftmals gemeinsam mit anderen Fächern (Geo, Geschichte, Reli/ Ethik, Deutsch v.a.) bestimmte Kompetenzen oder eben auch Wissensbereiche vertiefen.


    Ja, mir hat auch schon mal die Zeit z.B. in GK gefehlt für bestimmte Themen (krankheitsbedingt oder in der Coronazeit auch einfach aufgrund der Gesamtumstände während der Schulschließungen), die ich aber dann beispielsweise in Ethik bearbeiten lassen konnte, wo dasselbe Thema Teil des Bildungsplans war. Ein Blick auf Nachbarfächer und deren Bildungspläne hilft also enorm, um planen zu können mit den wenigen Stunden und den vielen Themen, damit man dennoch ausreichend vertiefen kann.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • An was für einer Förderschule arbeitest du denn? Welche (r) Förderschwerpunkt (e) in welchem Bundesland?

  • Ja, dann musst du halt kürzen und zusammenfassen.


    Das hilft Lernen-Kindern nicht, dass du den Text, den andere in einer Stunde bearbeiten würden, einfach auf drei Stunden ziehst.

    es eine Förderschule ist ist der Leistungsdruck zum Glück nicht so hoch. Ist auch gut so für mich, für die Einstieg in den Lehrerberuf.


    Alleine das Wort "Leistungsdruck" im Zusammenhang mit einer Förderschule Lernen zu nenen, ist schon etwas komisch. Ob das automatisch einen einfachen Einstieg in den Lehrerberuf bedeutet, wage ich zu bezweifeln.

  • Überleg dir vielleicht auch, ob du Texte kürzen / ändern (Satzbau, Satzlänge) oder vorentlasten musst, damit deine SuS diese besser erschließen können oder ob es manchmal auch ein gutes Explainity gibt anstelle der Lektüre. Wenn deine SuS prinzipiell dreimal so lange für Texte benötigen, wie von dir geplant, dann musst du einfach passend für deine SuS planen lernen. Förderunterricht zu leisten ohne das gelernt zu haben ist verdammt anspruchsvoll, vergiss und unterschätz das nicht.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    Überleg dir vielleicht auch, ob du Texte kürzen / ändern (Satzbau, Satzlänge) oder vorentlasten musst,

    Das ist IMHO der Punkt. Für die LE-Kinder braucht man bei den Texten eine entsprechende Differenzierung / Vereinfachung.

    Ich würde mich da Karl-Dieter anschließen: ob das wirklich einfacher ist, weiß ich nicht.

  • Das ist IMHO der Punkt. Für die LE-Kinder braucht man bei den Texten eine entsprechende Differenzierung / Vereinfachung.

    Ich würde mich da Karl-Dieter anschließen: ob das wirklich einfacher ist, weiß ich nicht.

    Ich hatte im Ausgangsbeitrag den Teil überlesen gehabt und das erst durch Karl- Dieters Antwort bewusst gelesen. Die inhaltliche Tiefe mag sich unterscheiden im Förderschulbereich, betrachtet man die Anforderungen die die Vorbereitung und erforderliche Differenzierung auch im laufenden Unterricht mit sich bringt wird es letztlich nur anders anspruchsvoll, aber nicht einfacher. Andernfalls würde es ja auch problemlos rund laufen bei der TE, wenn es so einfach wäre.

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  • Ich glaube ihr habt mich falsch verstanden.


    Ich habe natürlich Texte ausgesucht die dem Niveau der Schüler angepasst sind und nicht zu schwer. Ich habe aber in der 5 Klasse Kinder die einzelne Buchstaben in der Schreibtabelle suchen.

    Und ich habe Pädagogik studiert mir einem hohem Anteil an Sonderpädagogik. Also so total unerfahren bin ich da nicht. Ich habe aber eine 5 Klasse im 2 Halbjahr bekommen. Da muss ich die Kinder und deren Leistungssand erst Kennenlernen. Das passiert nicht von heute auf morgen.

    So langsam merke ich was ich den Schülern zumuten kann und was nicht. Ich sehe hier nichts außergewöhnliches.


    "Leistungsdruck" habe ich erwähnt im Hinblick auf die Schulleitung und Eltern. Ich habe jahrelang an Grundschulen gearbeitet und es ist nun Mal so, dass die Schulleitung einen Druck auf Lehrer aufbaut mit dem Soff rechtzeitig voranzukommen. Die Eltern sind auch meistens sehr hinterher und wollen, dass ihre Kinder die beste Leistung bringen.

    An meiner Schule meinte selbst der Schulleitung, dass ich mir keinen Druck machen soll und ich mich nicht ganz streng an den stoffverteilungsplan halten muss. Hier freuen wir uns manchmal wenn das Kind an dem Tag überhaupt Lust hat irgendwas im Unterricht zu machen.


    Ich hab in der Klasse einen Schüler der kein seit 3 Jahren kein Wort auf Deutsch gesagt hat. Ein Mädchen das gar keine Buchstaben erkennt. 2 Schüler die sehr langsam und mir viel Hilfe einen kurzen Text lesen können. Und die restlichen 2 bei denen es einigermaßen läuft. Die ganze Klasse hat Probleme mit der Addition im Zahlenraum bis 10.

    Sogar die Lehrer die jahrelang an der Schule arbeiten und diese Klasse länger kennen sagen, dass diese im Vergleich zu anderen eine sehr Leistungsschwache Klasse ist

  • Und ich meine einfacher für mich weil ich da für mich keinen Druck aufbaue, dass wenn ich vielleicht was nicht perfekt übermittle (ich bin nun Mal Berufsanfänger) dass die Kinder zB nicht an ihre gewünschte Oberschule kommen oder so. Bei den Kindern baue ich sowieso keinen Druck auf.


    Aber einfach ist es nicht. Die oben genannte Differenzierung ist enorm schwer. Ich merke, dass ich gerne mit den Kindern Sachen machen würde die in der Gruppe nicht möglich sind. Find ich sehr schade. Aber Förderschule ist auch nicht mein Ziel für die Zukunft.

  • Danke für deine Erläuterungen Candela. Das liest sich definitiv nach einer sehr leistungsschwachen Klasse. Wie viele SuS sind denn dann in einer Klasse bei euch?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Die Beschreibung klingt eher nach GE. Hast du den Eindruck, dass die Schüler (m/w/d) überhaupt kognitiv in der Lage sind, die curricularen Inhalte erwerben zu können?


  • Alleine das Wort "Leistungsdruck" im Zusammenhang mit einer Förderschule Lernen zu nenen, ist schon etwas komisch.

    "Leistung" ist Definitionssache.
    "Leistung ... bezeichnet die in einer Zeitspanne umgesetzte Energie dividiert durch diese Zeitspanne"


    An der Förderschule hast du eine breit gefächerte "Klientel". An der Förderschule E, an der ich gearbeitet hatte, gab es auch die "L"-Stufe und wir haben immer wieder Schüler untereinander "ausgetauscht". Oft genug stammt die Verhaltens- oder Lernleistungsproblematik aus den Verhältnissen im Elternhaus - und nicht aus der kognitiven Leistungsfähigkeit. Hier zu fördern _ aber auch zu fordern - ist kein schlechter Ansatz.
    Kann man anekdotisch oder Beispiel gebend sehen: Ein Schüler wurde in der 7.Klasse aus der L-Stufe zu mir in die HS-Stufe umgesetzt. Er hat die HS-Abschlussprüfung mit einskomma absolviert und ist nun Marktleiter bei Media-Markt. Gemeinsam mit den Psychologen der Jugendhilfe konnten wir seinen Fokus von "rückwärts" auf "vorwärts" umstellen.

    Auch bei meiner Tätigkeit an der Förderschule in den letzten Jahren haben wir gemeinsam versucht, Schüler zum HS-Abschluss zu bringen. Auch hier: Geht nicht bei jedem, aber geht. Da muss jedoch an Leistungsbereitschaft und Zielfixierung gearbeitet werden.

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.

  • Gymshark, zu deiner Frage ob die Schüler kognitive in der Lage wären die Inhalte zu erwerben.

    Ich würde sagen 1 Kind definitiv nicht aber dieses Kind sollte meines Erachtens auch an eine Schule mit den Schwerpunkt GE.

    Eins sprachlich nicht und der Rest könnte wenn sie mitmachen würden...

    Die Schüler sind total unmotiviert und es ihnen eigentlich alles egal. Sie haben "kein Bock auf Schule" oder irgendwas. Sie haben keine Bücher zu Hause, es wird mit den Eltern nichts unternommen. Die Elternhäuser sind auch sehr schwierig und man kann nicht erwarten dass seitens der Eltern irgendeine Unterstützung kommt. Es ist schon ein Wunder wenn die Kinder alle Arbeitsmaterialien haben.


    Es gibt Stunden in denen Sie richtig gut arbeiten und da merkt man gleich dass da was "hängen bleibt". Meistens ist es aber eher ein Kampf damit sie überhaupt nach vorne gucken oder zuhören.

    Da muss man sich nicht wundern, dass sie nach ein paar Wochen Unterricht über Deutschland immer noch nicht wissen wie die Deutsche Hauptstadt heißt...(Kinder aus Brandenburg)

  • Puh, ich bin nicht aus dem Förderbereich, würde aber vorschlagen, die Erwartungen ganz niedrig zu halten und gleichzeitig ganz viel zu wiederholen. Versuche, ein paar wenige key facts rauszusuchen und diese immer und immer wiederholen zu lassen. Die Kinder brauchen eine Art Erfolgserlebnis und scheinbar ist das wohl gegeben, wenn sie nach zwei Wochen intensiven Übens wissen, dass Berlin die Hauptstadt Deutschlands ist.


    Weißt du, ob es schon Elterngespräche wegen dem vermuteten Förderbedarf GE bei dem einen Kind gab? Förderschulen GE haben ja noch einmal viel bessere Ressourcen und vor allem lebenspraktischen Unterricht.

  • Zumindest bei uns sind für den Förderbedarf Geistige Entwicklung vor allem die lebenspraktischen Fähigkeiten das entscheidende Kriterium. Lesen, schreiben, rechnen sind da eher untergeordnet. Den Förderschwerpunkt Lernen gibt es meines Wissens nach auch nur in Deutschland, nirgends sonst.

  • Mit der Mutter wurde schon oft gesprochen aber das ist ein sehr schwieriger Fall.


    Angeblich waren auch alle 3 älteren Geschwister an der Schule. Das Kind kommt oft erst zur 2 Stunde. Letztes Halbjahr hatte sie 30 unentschuldigte Fehltage. Es gibt einen Familienhelfer vom Jugendamt in der Familie. Den 4 schon, weil die anderen es wohl nicht ausgehalten haben.

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