Wie mit Kollegen umgehen, die SoS auf Biegen und Brechen durchkriegen wollen?

  • Es soll das ZIEL sein, dass möglichst alle möglichst alles verstehen

    Das ist nicht das Ziel, nein. Dann ist das Niveau nicht angemessen. 1. sind nur etwa 80 - 90 % der Schüler*innen, die aus der Sek I zu uns kommen, überhaupt fürs Gym bzw die Fachmittelschule geeignet, 10 - 20 % gehen dann halt wieder. 2. setze ich für eine 6 üblicherweise bei 90 % der Gesamtpunktzahl einer Prüfung an und mit etwa 55 % ist eine 4.0 erreicht und das ist genügend. Natürlich versteht nicht jeder alles, es sind ja nicht alle gleich intelligent. Ich verstehe auch nicht alles, was ich an der Uni so lernen könnte und ich bin jetzt schon nicht ganz auf den Kopf gefallen.

  • Und doch, Selektion ist unsere Aufgabe als Lehrkräfte. Das wird besonders im berufsbildenden Bereich deutlich. Lehrkräfte entscheiden hier bisweilen, wer später verletzte Menschen versorgen, Trinkwasser kontrollieren, mit Starkstrom hantieren darf. Hier geht es darum, unsere Sicherheit und unser Leben vor Menschen zu schützen, die bestimmte Kompetenzen nicht aufweisen. Diese dürfen nicht bescheinigt bekommen, dass sie für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten qualifiziert sind.

    Ehrlicherweise ist der potentielle Schaden einer Fehldiagnostik im Primar- oder Sekundärbereich geringer, aber dennoch eine berechtigte, unterschwellige Frage: Habe ich meinen Job erst dann (gut) erfüllt, wenn jeder Schüler (m/w/d) des 12er Mathe-Grundkurses lineare Gleichungssysteme lösen kann? Die Antwort leitet sich aus einer Folgefrage ab, nämlich, wem schulde ich überhaupt meine Arbeitsleistung? Ist es das Land oder der Schüler? In einem privat(wirtschaftlich)en Setting bezahlt mich ein Schüler, dass ich ihm eine Fremdsprache oder ein Musikinstrument beibringe. Zwar muss auch hier der Schüler kooperieren, da ich niemandem, der sich mit Händen und Füßen wehrt, realistisch etwas beibringen kann, aber die Bringschuld liegt schon irgendwo bei mir, da, wenn der Schüler das Gefühl hat, dass er bei mir nichts lernt, die Unterrichtsstunden abbricht und zum Konkurrenzanbieter wechselt.

    Im öffentlichen Dienst bin ich wiederum nicht dem Schüler, sondern dem Land gegenüber in der Bringschuld. Das Land bezahlt mich dafür, dass ich die Inhalte und Methodiken, die das Land für wichtig erachtet, vermittle und im Anschluss überprüfe, ob die Schüler die Kompetenzen tatsächlich erworben haben. Wie vermittle ich wiederum? Ich vermittle die Inhalte so, dass ich Mindestkompetenzen (Note 4 / 5 Punkte) auf Basis des letzten Schuljahres als bekannt voraussetze und dann die vorgeschriebenen Inhalte und Methodiken so aufbereite, dass entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Schul- oder Kursform jeder Schüler in die Lage versetzt wird, bei einer Leistungsüberprüfung Note 1 oder 15 Punkte zu erreichen. Bedeutet: Ich muss mir dann etwas vorwerfen, wenn ich Inhalte und Methodiken, die das Curriculum bzw. der Lehrplan vorsieht, nicht vermittle oder wenn mein Unterricht so konzipiert ist, dass es praktisch gar nicht möglich ist, in der Prüfungssituation die volle Punktzahl zu erreichen.

    Man kann es so ausdrücken: Ich mache allen Schülern ein Lernangebot, sodass alle staatlichen Anforderungen erfüllt sind. Nutzen Schüler dieses Angebot, attestiere ich ihnen das (gerne). Nutzen sie es wiederum nicht, muss ich das auch attestieren. Und klar, damit entscheide ich letztendlich auch darüber, wer welchen Schulabschluss erhält oder eben nicht.

  • Ich halte das, was LegoHeld schreibt, nicht für übertrieben.

    Ich halte es auch nicht für übertrieben. Sogar in der GS gibt es SLen, die einen anweisen, im Hauptfach doch noch die 4 zu geben, damit man ohne Ärger den Schüler einfach in die weiterführende Schule weiterschieben kann. Aus Bequemlichkeit oder weil es heißt, das (wiederholen) bringt soweiso nichts.

    Ist vmtl. nicht ganz vergleichbar, aber ich kann mir gut vorstellen, wie es in höheren Klassen laufen kann.

  • Auch an meinem alten Gymnasium wäre die Oberstufe bei realistischer Notengebung locker um ein Drittel kleiner gewesen. Das ist eben das Ergebnis, wenn man nach Elternwille aufnehmen muss, nach der Erprobungsstufe kaum nennenswert Abschulungen stattfinden (dürfen) und in den Folgejahren die Prämisse ist (bzw. immer wieder eindrücklich an unsere Verantwortung für den Lebensweg der Schüler appelliert wird), dass wir ja wohl niemanden ohne Schulabschluss entlassen wollen.. also doch wenigstens bitte irgendwie über den mittleren Schulabschluss schieben.. auf diese Weise landen dann Schüler in der Oberstufe, die mit realistischer Notengebung eigentlich seit Klasse 7 in keinem Jahr die Versetzung bekommen hätten dürfen. Ich glaube nicht, dass es an den Nachbarschulen anders lief.

    Anderes Bundesland, gleiches Spiel. Manchmal schaue ich mir in der Zeitung die Fotos des Abijahrgangs an und ab und an muss ich mich doch sehr wundern. Aber es sei jedem gegönnt.

  • Ich halte es auch nicht für übertrieben. Sogar in der GS gibt es SLen, die einen anweisen, im Hauptfach doch noch die 4 zu geben, damit man ohne Ärger den Schüler einfach in die weiterführende Schule weiterschieben kann. Aus Bequemlichkeit oder weil es heißt, das (wiederholen) bringt soweiso nichts.

    Ist vmtl. nicht ganz vergleichbar, aber ich kann mir gut vorstellen, wie es in höheren Klassen laufen kann.

    Wiederholung bringt später noch weniger, die Lücken werden größer.

    (Ich denke dies oft bei unseren Sechtsklässler. In Mathe 5 dank Bruchrechnung können sie es noch mit einer 3 in Deutsch ausgleichen, in Klasse 8 oder 9 kommt eine weitere 5 in Physik oder 2. Fremdsprache dazu und es gibt keine 2 "gleichwertige" Zweier zum Ausgleich, eine Wiederholung bringt in Mathe nichts mehr, sie bleiben oft zweimal sitzen, wenn die 2. Fünf auch "gefestigt" ist und stehen ohne Schulabschluss da. Wir bemühen uns, wenn dies bei Wiederholung absehbar ist, um externe Prüfung. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand erst in der Mittelstufe überraschend in Mathe schwach wurde wie neulich eine Grundschulkollegin im anderen Thread vermutete. Wiederholung in Klasse 5 oder 6 und gute Nachhilfe kann dagegen helfen. )

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Ich habe noch nie erlebt, dass jemand erst in der Mittelstufe überraschend in Mathe schwach wurde

    Natürlich ist das nicht so. Rumgedreht gibt's das schon. Aber auch nicht in dem Sinne, dass jemand, der mit 15 nicht Bruchrechnen kann mit 18 plötzlich Einstein ist.

    Ich habe aktuell eine Schülerin in der 4. Klasse, die man nach der Primar mal ins Niveau E gesteckt hat, weil es in der Mathe nicht gelangt hat. Sie ist der Meinung, dass sei eine Fehleinschätzung, weil sie bei mir in den Naturwissenschaften 3 Jahre lang mit einer 5 durchgekommen ist. Ich habe sie aber drei Jahre lang darauf hingewiesen, dass ich die Schwäche im analytischen Denken sehr wohl bei entsprechenden Aufgaben sehe. Dann fing es an mit... Huch, ich habe Bauchschmerzen, ich kann nicht zur Prüfung kommen. Es war irgendwann sehr offensichtlich, dass sie sich nur mehr Zeit zum Lernen rausschinden will. Seit der 4. Klasse ist sie bei mir attestpflichtig und siehe da, im Abschlusszeugnis steht noch knapp eine 4.5. Die Biochemie am Ende hat sie fast noch auf eine 4.0 versenkt, da läuft halt alles zusammen. Und wenn man in der Mathe keine Ahnung vom Logarithmus hat, kann man auch keine Titrationskurven auswerten, schon gar nicht von Aminosäuren mit protolysefähigem Rest.

  • Wiederholung bringt später noch weniger, die Lücken werden größer.

    (Ich denke dies oft bei unseren Sechtsklässler. In Mathe 5 dank Bruchrechnung können sie es noch mit einer 3 in Deutsch ausgleichen, in Klasse 8 oder 9 kommt eine weitere 5 in Physik oder 2. Fremdsprache dazu und es gibt keine 2 "gleichwertige" Zweier zum Ausgleich, eine Wiederholung bringt in Mathe nichts mehr, sie bleiben oft zweimal sitzen, wenn die 2. Fünf auch "gefestigt" ist und stehen ohne Schulabschluss da. Wir bemühen uns, wenn dies bei Wiederholung absehbar ist, um externe Prüfung. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand erst in der Mittelstufe überraschend in Mathe schwach wurde wie neulich eine Grundschulkollegin im anderen Thread vermutete. Wiederholung in Klasse 5 oder 6 und gute Nachhilfe kann dagegen helfen. )

    In der Grundschule ist es bei manchen so, dass sie besser in einer Förderschule aufgehoben wären, aber wenn die Eltern nicht mitspielen, müssen wir die Kinder so mitziehen und kommen an unsere Grenzen. Manche Kinder sind so groß wie wir (Ausnahmen!!!) und laufen immer noch in der GS herum. Und ehrlich gesagt ist es auch für die Kinder doof. Wir hoffen immer, dass die Eltern die Werkrealschule wählen, denn da sind die Bedingungen zunächst in Klasse 5 besser, da sind viele auf ähnlichem Niveau, es gibt Fördergruppen und Hausaufgabenbegleitung, weil Ganztag, bis sich die Klassen dann im Laufe der nächsten Jahre immer mehr füllen.

  • In einem privat(wirtschaftlich)en Setting bezahlt mich ein Schüler, dass ich ihm eine Fremdsprache oder ein Musikinstrument beibringe

    An einer staatlichen Schule zahlen dich die Eltern mit ihren Steuergeldern. "Das Land" will an der Stelle überhaupt nichts von dir. Es gibt eine Laufbahnverordnung und Lehrpläne, das kommt alles nicht vom Himmel gefallen sondern wird bei uns zumindest in entsprechenden Arbeitsgruppen erarbeitet und am Ende dem Bildungsrat zur Verabschiedung vorgelegt. Die Noten- und Laufbahnverordnung definiert, wer zu uns ans Gymnasium und die Fachmittelschule übertritt und unter welchen Voraussetzungen die Abschlüsse gegeben werden. Verpflichtet bist du den Schüler*innen und deren Eltern. Diese "das Land" Denke ist schon arge Beamtenmentalität. "Dem Land" bist du an ganz anderen Stellen verpflichtet. Schau ins Personalrecht und deinen Arbeitsvertrag, da steht es drin, was "das Land" von dir will.

  • Natürlich ist das nicht so. Rumgedreht gibt's das schon. Aber auch nicht in dem Sinne, dass jemand, der mit 15 nicht Bruchrechnen kann mit 18 plötzlich Einstein ist.

    Ich habe aktuell eine Schülerin in der 4. Klasse, die man nach der Primar mal ins Niveau E gesteckt hat, weil es in der Mathe nicht gelangt hat. Sie ist der Meinung, dass sei eine Fehleinschätzung, weil sie bei mir in den Naturwissenschaften 3 Jahre lang mit einer 5 durchgekommen ist. Ich habe sie aber drei Jahre lang darauf hingewiesen, dass ich die Schwäche im analytischen Denken sehr wohl bei entsprechenden Aufgaben sehe. Dann fing es an mit... Huch, ich habe Bauchschmerzen, ich kann nicht zur Prüfung kommen. Es war irgendwann sehr offensichtlich, dass sie sich nur mehr Zeit zum Lernen rausschinden will. Seit der 4. Klasse ist sie bei mir attestpflichtig und siehe da, im Abschlusszeugnis steht noch knapp eine 4.5. Die Biochemie am Ende hat sie fast noch auf eine 4.0 versenkt, da läuft halt alles zusammen. Und wenn man in der Mathe keine Ahnung vom Logarithmus hat, kann man auch keine Titrationskurven auswerten, schon gar nicht von Aminosäuren mit protolysefähigem Rest.

    Ich sage immer, im Chemie-Leistungskurs wird es nicht (bei uns) an der Mathe scheitern (im Gegensatz zu Physik oder Mathematik, manche Schwache wollen bei uns Mathematik im Leistungskurs wählen, weil alle Basiskursschüler bei uns in die mündliche Abiturprüfung müssen und sie davor noch mehr Angst haben). Außer Logarithmus kommt wenig "höhere Mathematik" vor und da hilft auch der Taschenrechner (und viele Übungen, die Aufgaben wiederholen sich, zudem gibt es viele andere Themen "ohne Mathe").

    Ja, ich schrieb, gute Nachhilfe, die die Ursache beseitigt (und nicht wie oft nur die aktuellen Hausaufgaben löst) kann helfen, um zumindest keine 5 mehr zu bekommen.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Ich habe allen Schülern immer eine 1,0 gegeben. Bei manchen hat es gewirkt.

    Die 1,0 bekamen sie am Beginn des Schuljahres mitgeteilt - und sollten sie über das Jahr verteidigen ;)

    Also ich würde den Schülern zu Beginn des Schuljahres eine 5 geben und sie aufforden die entsprechend zu verbessern bis zum Schuljahresende.

    Begründung: Zu Beginn des Schuljahres können die Schüler noch keine Leistung erbracht haben.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA (27. April 2025 21:44)

  • Das wird besonders im berufsbildenden Bereich deutlich. Lehrkräfte entscheiden hier bisweilen, wer später verletzte Menschen versorgen, Trinkwasser kontrollieren, mit Starkstrom hantieren darf.

    Na ja, darüber entscheiden aber nicht ausschließlich die Berufsschulen bzw. deren Lehrkräfte, denn die Abschlussprüfungen für die Azubis werden ja von den Kammern organisiert und durchgeführt und der praktische Teil der Berufsausbildung findet im Ausbildungsbetrieb statt.

    Die Ausbildung von Rettungssanitäter*innen (auf die spielst du doch mit "verletzte Menschen versorgen" an, oder?) erfolgt außerdem ja gar nicht an beruflichen Schulen sondern direkt bei Rettungsdiensten wie dem DRK, den "Johannitern", den "Maltesern" oder dem ASB.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Also ich würde den Schüler zu Beginn des Schuljahres eine 5 geben und sie aufforden die entsprechend zu verbessern bis zum Schuljahresende.

    Begründung: Zu Beginn des Schuljahres können die Schüler noch keine Leistung erbracht haben.

    Damit signalisierst du den Schülern: Ihr seid doof und könnt ja nix.
    Ich habe - wie sich das gehört - den Schülern jedes Jahr die Chance auf einen Neustart eingeräumt.
    Einen Schüler hatte ich in der 7.Klasse aus der Lernförderungs-Stufe übernommen.
    Seinen Hauptschulabschluss hat er dann bei mir mit 1,5 abgelegt.
    In den 3 Jahren hat er kapiert, dass er nicht zurück auf sein kaputtes Elternhaus mit saufenden und schlagenden Eltern zu schauen habe, sondern auf sich selbst. Hat funktioniert und den Knoten gelöst.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Ich bezog mich hier auch auf medizinische Fachangestellte, Pflegefachkräfte oder operationstechnische Assistenten. Im erweiterten Gesundheitsversorgungssinn könnte man auch noch pharmazeutisch-technische Assistenten hinzuzählen.

  • Deren praktische Ausbildung findet erst recht nicht an der Berufsschule statt. Man müsste halt wissen, was an welcher Schulform überhaupt unterrichtet wird, gell.

  • Damit signalisierst du den Schülern: Ihr seid doof und könnt ja nix.

    (durchgestrichen von mir)

    Das ist korrekt (ohne das "doof"), sonst müssten sie ja nicht in den Unterricht. Das "nix" ist natürlich stark übertrieben, sie i.d.R. das nicht, was im aktuellen Schuljahr behandelt wird. Deshalb haben sie ja zu Beginn des Schuljahres auch noch keine Leistung erbracht.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Deren praktische Ausbildung findet erst recht nicht an der Berufsschule statt.

    Was Gymshark schreibt stimmt aber durchaus in seinem Kern. Zwar werden die Prüfungen von verschiedenen Kammern organisiert, aber dort sitzen auch Lehrkräfte im Prüfungsausschuss und die entscheiden sehr wohl, wer am Ende in verschiedensten Berufen auf Menschen losgelassen wird.

    Ich gehe hier auch vollkommen mit, wenn es darum geht Personen zu stoppen, die später eine Gefahr darstellen und winke nicht wahllos alles durch, nur damit es sich in irgendeiner Statistik oder einem Zeitungsartikel gut liest.

    Gerade bei den Elektrikern stoppen wir bspw. jeden, bei dem wir der Meinung sind, dass er/sie danach sich und andere gefährden würde. Wer also im dritten Ausbildungsjahr zeigt, dass er nicht gefahrlos eine Steckdose wechseln kann oder die Grundprinzipien der Arbeitssicherheit beherrscht fällt durch. Da kann man definitiv auch nicht mehr mit "ach der Junge ist gerade in einer schwierigen Phase" argumentieren. Niemand möchte die Situation erleben, dass Menschen sterben oder zu schaden kommen weil Personen durchgezogen wurden, die nichts an dem jeweiligen Punkt verloren haben.

    Interessanterweise haben meine Arbeitgeber und Arbeitnehmerkollegen im Ausschuss eine noch härtere Meinung als ich und was das niveaulose Abitur und co. angeht, sehen diese das ausnahmslos alle ähnlich. Der Schulabschluss (auch unserer) wird bei vielen Betrieben nicht mehr anerkannt und diese setzen dann (zumindest in meinem Beruf) auf separate Einstellungstests. Das war früher nicht so.

  • Das ist natürlich jetzt auch nur anekdotisch, aber vielleicht ist es für den ein oder anderen hier interessant: Ich arbeite an einem beruflichen Gymnasium und seit der Pandemie hat sich die Situation merklich verändert.

    Die SuS kommen immer noch mit guten bis sehr guten Noten aus der Realschule und in der Eingangsklasse läuft es in der Regel noch gut. Klar, der Niveauanstieg ist da und viele merken das auch, was in den ersten Monaten zu ein paar Notenabfällen führt – aber in der Eingangsklasse ist das noch völlig normal und nicht weiter problematisch, da viele sich erst an das Gymnasium gewöhnen müssen.

    Das eigentliche Problem zeigt sich erst in den Jahrgangsstufen. Da kommen dann plötzlich die ganzen Lücken richtig zum Vorschein und wir verlieren fast die Hälfte eines Jahrgangs. Von vier Klassen, die wir zu Beginn hatten, sind zum Ende hin nur noch zwei übrig.

    Die Gründe dafür sind vielseitig, aber meiner Beobachtung nach hat das wenig mit der Intelligenz der Schüler zu tun. Vielmehr kommen viele mit dem Druck nicht klar. Sei es aufgrund von Lücken (die teilweise pandemiebedingt sind), psychischen Belastungen, fehlender Motivation, Prokrastination oder einfach, weil sie das Abitur nur anstreben, weil sie nicht wussten, was sie sonst machen sollen, aber nicht wirklich dahinterstehen.

    Ich sage nicht, dass alle meine Schüler super schlau sind, aber auf den Kopf gefallen sind sie auch nicht. Die, die scheitern, tun dies aber meist aus den genannten Gründen und nicht, weil sie grundsätzlich weniger fähig wären. Viele interessieren sich auch einfach nicht für die Inhalte der Oberstufe, auch wenn sie prinzipiell fähig wären, zumindest eine befriedigende Note zu schreiben, wenn sie denn lernen würden. Es ist diese Orientierungslosigkeit, die dazu führt, dass sie scheitern. Verschenkte Noten gibt es bei uns an der Schule (zum Glück) keine. Wer sich nicht anstrengt, schafft es in der Regel auch nicht.

  • Wir müssten gesellschaftlich wieder davon weg, dass Absolventen des mittleren Lehrgangs (z.B. Realschule) nur aus dem Grund heraus in die gymnasiale Oberstufe wechseln, weil sie halt schon im System "Schule" drin sind und sonst nicht wissen, was sie machen sollen.

    Wie du schon schreibst, diejenigen, die sich mit den Inhalten der Oberstufe identifizieren oder einen konkreten beruflichen Plan haben, das ist eine ganz andere Geschichte.

    Ansonsten gibt es ja genug berufliche Möglichkeiten nach einem erfolgreichen mittleren Schulabschluss, sodass es nicht auf Zwang das Gymnasium sein muss. Im schlechtesten Fall hängen noch eher Schüler jahrelang im System "Schule" fest, obwohl sie diese Zeit hätten sinnvoller nutzen können.

  • Was Gymshark schreibt stimmt aber durchaus in seinem Kern. Zwar werden die Prüfungen von verschiedenen Kammern organisiert, aber dort sitzen auch Lehrkräfte im Prüfungsausschuss und die entscheiden sehr wohl, wer am Ende in verschiedensten Berufen auf Menschen losgelassen wird.

    Ja, in den Prüfungsausschüssen sitzen auch Lehrkräfte, aber nicht nur diese. Also entscheiden sie zwar mit, aber nicht ausschließlich sie. (Und genau das schrieb ich oben auch.)

    Gerade bei den Elektrikern stoppen wir bspw. jeden, bei dem wir der Meinung sind, dass er/sie danach sich und andere gefährden würde. Wer also im dritten Ausbildungsjahr zeigt, dass er nicht gefahrlos eine Steckdose wechseln kann oder die Grundprinzipien der Arbeitssicherheit beherrscht fällt durch.

    Wie schafft es ein solcher Azubi denn bis ins dritte Ausbildungsjahr? Ich würde mal behaupten, dass "unsere" Azubis aus Mangel an solchen Kompetenzen bereits in der Zwischenprüfung scheitern würden.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

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