Faktorisierung. Was haltet ihr davon?

  • Man braucht im Grunde wirklich eine Arbeitszeiterfassung, das Problem was ich dabei sehe ist einfach, dass der Dienstherr dann auch sagen kann: "Von einem durchschnittlichen Kollegen im Fach Mathematik erwarten wir, dass er eine Arbeit der Jahrgangsstufe 8 in 6:40 korrigiert hat" und das ist einfach Unfug, das hängt ja auch ganz massiv davon ab welches Thema behandelt wird, wie lang die Klassenarbeit war, ob ich bei den Aufgaben direkt auf Korrekturfreundlichkeit geachtet habe und dann sind die sehr gewissenhaften Kollegen noch mehr gekniffen. Ich korrigiere keine Arbeit zweimal, falls ich mal was zu Ungunsten der Schüler übersehe, sprechen die mich bestimmt an und dann gebe ich gerne auch die fehlenden Punkte. Man kann da sicher gewissenhafter vorgehen, dann braucht man aber halt einfach länger.

    Ich las damals beim Hamburger Modell, dass für eine Englischarbeit Klasse 8 (?) 8 Minuten vorgesehen seien, wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe. Ich erinnere mich auch noch an die Diskussion im baden-württembergischen Lehrerzimmer, die Kollegen meinten, solange benötigen sie für das Aufschlagen des Heftes und eintragen der Note/Kommentar.

    Bei mir sieht es in Mathe nicht viel anders aus, auch weil ich noch immer zusätzlich die mündliche Note mitteile. Korrigieren könnte ich nur noch Endergebnisse, keine Rechenwege, kein falscher Gebrauch des Istgleichzeichen, keine Positivkorrektur usw. Aber vielleicht ist genau das erwünscht? (Siehe Vera 8 usw.)

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  • Also für eine Korrektur einer Klassenarbeit Klasse 8, geschrieben in 45 Minuten, finde ich 8 Minuten eher noch lang. Über die mündliche Note nachzudenken ist ja nun nicht Teil dieser Arbeitszeit.

    Es ging auch um Notation der Noten, kurze Begründung, aufschlagen des Heftes. Nicht nur Korrektur (es ging ursprünglich um englisch). Ich konnte es nur nachvollziehen. In Geometrie muss ich messen, Konstruktionsbeschreibungen lesen, Rechnungen in Linearen Gleichungssysteme nachvollziehen usw. (Themen in Klasse 8). Natürlich bin ich schneller, wenn ich nur die Lösungen ansehe. Immerhin schreiben die Schüler mehrere Seiten.

    Ergänzung, in Klasse 8 werden bei und mindestens 60 Minuten (bis 90 Minuten) geschrieben.

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  • Aber das ist auch in allen anderen Berufen so, es gibt effektiv arbeitende Kollegen und weniger effektiv arbeitende. Es gibt gute und Minderleister und es gibt welche, die sich einfach einen faulen Lenz machen. Mir macht mein Unterricht Spaß, für die anderen bin ich nicht verantwortlich (und ich denke, eine SL kennt ihr Kollegium).

    Das ist genau mein Punkt. Ich lehne diese Haltung ab, die bei Lehrern häufig kommt, dass Arbeitszeiterfassung, Faktorisierung oder andere Modelle bei uns nicht gehen würden, weil unser Job halt ach-so speziell ist. Ist er nicht.

    Aber natürlich müsste eine Faktorisierung ehrlich, gründlich und auf Basis einer fundierten Arbeitszeiterfassung erfolgen. Dann würde auch die Belasutung durch Sportuntericht, durch Experimentaufbau, durch muskikalische Begleitung von Veranstaltungen etc. berücksichtig.
    Ich verstehe Kollegen, die daran zweifeln, dass das so erfolgen würde.

    Ich bin also der Meinung, dass eine Faktorisierung theoretisch auf jeden Fall möglich wäre, teile aber die Meinung, dass der Dienstherr diese niemals korrekt durchführen würde.

  • Ich habe den Rechner noch mal rausgesucht, falls jemand für sich persönlich mal prüfen möchte, wie er in einem Faktorisierungsmodell fahren würde:

    https://www.gew-hamburg.de/themen/arbeits…rer-arbeitszeit

    (Gemeint ist die Excel-Datei, erster Punkt unter "GEW-Personalräte informieren".)

    Die Zahlen sind meines Wissens nicht exakt festgelegt und können zwischen einzelnen Schulen leicht schwanken, mit meiner aktuellen Stunden- und Aufgabenteilung wäre ich bei dem Modell geringfügig im Plus.

  • Ich hab für Englisch Mittelstufe bei der Korrektur meist so 20 Minuten gebraucht. Wenn jemand irgendwo 8 Minuten veranschlagen würde, würde ich das vermutlich schaffen - dann halt ohne Positivkorrektur und Kommentar - und auch so machen. Motzt jemand, kann man ja auf die 8 Minuten verweisen.

  • Ich hab für Englisch Mittelstufe bei der Korrektur meist so 20 Minuten gebraucht. Wenn jemand irgendwo 8 Minuten veranschlagen würde, würde ich das vermutlich schaffen - dann halt ohne Positivkorrektur und Kommentar - und auch so machen. Motzt jemand, kann man ja auf die 8 Minuten verweisen.

    Du weißt so gut wie ich, dass die meisten Lehrkräfte dann aber trotzdem einfach weiter 20 Minuten korrigieren würden und die Zeit gar nicht aufschreiben.

  • Das ist ja dann persönliches Pech 😄 Mir würde eine irgendwo festgeschriebe Zahl tatsächlich helfen, weil "schlampiges" Korrigieren damit ja quasi offiziell eingefordert wird und man Beschwerden auch entsprechend zurückweisen kann.

  • dann halt ohne Positivkorrektur und Kommentar

    Mache ich jetzt in Englisch schon so, in Mittel- und Oberstufe zumindest.

    In Deutsch auch ohne Positivkorrektur, hier ist der Kommentar in Bayern leider verpflichtend. Der würde dann noch sehr viel mehr stichpunktartig ausfallen als jetzt schon.

  • Ich korrigiere meinen aktuellen LK Stapel auch mal testweise ohne alles. Wenn jemand nachfragt, liefer ich halt ggf. nach, aber erwarte ich eher nicht. Es ist absurd, wie viel Zeit man damit einspart.

    Zufrieden bin ich damit trotzdem nicht, denn so sollte es meines Erachtens eigentlich nicht aussehen.

    Stünde irgendwo eine veranschlagte Minutenzahl, hätte ich das schlechte Gefühl definitiv nicht mehr.

  • Stünde irgendwo eine veranschlagte Minutenzahl, hätte ich das schlechte Gefühl definitiv nicht mehr.

    Das sehe ich auch so. Wenn mir jemand mitteilen würde, ich hätte für die Korrekturen nur 8min Zeit pro Arbeit, dann sehen meine Arbeiten halt auch so aus, dass sie in 8min korrigierbar sind. Oh wartet....das tun sie (zumindest teilweise in der Mittelstufe) ;)

  • Zufrieden bin ich damit trotzdem nicht, denn so sollte es meines Erachtens eigentlich nicht aussehen.

    Hast du denn das Gefühl, dass deine ausführlichere Korrektur für die Schüler einen tatsächlichen, praktischen Mehrwert hat? Oder ist das nur so ein diffuses Selbstverpflichtungsgefühl?

    Ich bin inzwischen dazu übergegangen, den Schülern als Ersatz Einzelgespräche über ihre Klausur anzubieten, für die wir einen Termin vereinbaren. Nicht zwischen Tür und Angel.

    Manche nehmen das tatsächlich in Anspruch. Die Gespräche können dann auch schon mal 30-45min dauern, aber ich halte diese Zeit für sinnvoller investiert, erstens, weil sie meiner Ansicht nach im Gegenszug zu knappen Kommentaren wirklich was bringen, ich zweitens meine Zeit für die verwende, die die Hilfe auch aktiv wollen, und nicht für die, denen es sowieso egal ist, und ich drittens die Gespräche angenehmer finde als das dröge Korrigieren, das durch die Kommentare und Positivkorrktur nochmal mehr in die Länge gezogen wird.

    Selbst wenn ich Netto damit auf mehr Arbeitszeit käme (was ich nicht glaube), trägt diese Variante sehr zu meiner Berufszufriedenheit bei.

  • Mein Mathekollege pflegt immer zu sagen, dass Mathe gerade deshalb ja eigentlich eine Geisteswissenschaft sei. :D

    Die Mathematik ist tatsächlich weder das eine noch das andere. Man kann sie nicht den klassischen Geisteswissenschaften zuordnen, eine Naturwissenschaft ist sie aber auch ganz eindeutig nicht, da sie völlig unabhängig von der Natur existiert. Sie ist nur zufällig gut dazu geeignet, die Natur zu beschreiben, das ist aber nicht ihr Selbstzweck.

  • Naja, Faktorisierung bedeutet nicht, dass jede Arbeit nur genau so viel Zeit in Anspruch nehmen darf, wie veranschlagt.
    Da wird sicherlich von den Lehrkräften erwartet werden, dass sie das mit an anderer Stelle nicht ausgeschöpftem Zeitbudget in der konkreten Tätigkeit oder in Ganzjahreshinsicht kompensieren.

    Eine anständige Faktorisierung ist auch nicht bloß auf eine unterschiedliche Veranschlagung der Arbeitszeit je Fach und/oder Jahrgangsstufe zu reduzieren, sondern listet erstmal alle Aufgaben, die aus Sicht des Dienstherren zum Tätigkeitsbereich gehören und stellt hierfür ein Zeitbudget zur Verfügung.

    Ich bin daher grundsätzlich für transparente Faktorisierung - nicht nur als Abrechnungsmodell, sondern vor allem als Rechenmodell, ob z. B. die in BW veranschlagten 1804 Stunden für die vorgesehene Tätigkeitsumfänge überhaupt angemessen sind.
    Macht ja jeder Handwerksbetrieb auch, bevor dieser seine Leute auf eine Baustelle schickt.

    Wir (und das schreibe ich jetzt als "Vertreter" des Dienstherren gegenüber dem Kollegium) stochern da erheblich im Nebel. Nach dem Motto: Wird schon passen, weil es ja passen muss.

    Aus meiner Sicht hätte eine umfängliche Faktorisierung zwei Vorteile:
    Lehrkräfte könnten einer Entgrenzung ihrer Arbeitszeit wirksamer entgegentreten und Schulleitung könnten gleichzeitig klarer kommunizieren, welche Tätigkeiten denn vom einzelnen Kollegen im Rahmen seiner Dienstpflicht zu erwarten sind.

    Wenn es bei der Faktorisierung letztlich nur um ein pauschales "Englisch braucht mehr Zeit als Sport" geht, dann sollte man es lieber lassen.


    Dieses Thema ist insgesamt sehr bundeslandspezifisch, aber wen es in oder für BW interessiert, dem kann ich nur die Lektüre der Artikel von Johannes Baumann empfehlen. Er hat an seiner Schule ein ähnliches Modell erprobt, in verschiedenen Kommissionen für das Land in diesem Themenbereich gearbeitet und ist aber leider m Endeffekt aus meiner Perspektive gescheitert - und schreibt recht eindrücklich über diesen zähen Prozess.

  • Fairerweise wussten auch die Lehramtsstudenten im Fach Mathe recht zügig, bei welchem Dozenten die Vorlesungen am ehesten noch schaffbar sind. :D

    Wobei das an meiner Hochschule nicht an den Klausuren lag. Fachwissenschaft wurde dort von zwei Professoren gelehrt. Der erste war Dozent, der zweite Didaktiker. Die Inhalte waren dieselben ;)

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  • Hast du denn das Gefühl, dass deine ausführlichere Korrektur für die Schüler einen tatsächlichen, praktischen Mehrwert hat? Oder ist das nur so ein diffuses Selbstverpflichtungsgefühl?

    Ich bin inzwischen dazu übergegangen, den Schülern als Ersatz Einzelgespräche über ihre Klausur anzubieten, für die wir einen Termin vereinbaren. Nicht zwischen Tür und Angel.

    Manche nehmen das tatsächlich in Anspruch. Die Gespräche können dann auch schon mal 30-45min dauern, aber ich halte diese Zeit für sinnvoller investiert, erstens, weil sie meiner Ansicht nach im Gegenszug zu knappen Kommentaren wirklich was bringen, ich zweitens meine Zeit für die verwende, die die Hilfe auch aktiv wollen, und nicht für die, denen es sowieso egal ist, und ich drittens die Gespräche angenehmer finde als das dröge Korrigieren, das durch die Kommentare und Positivkorrktur nochmal mehr in die Länge gezogen wird.

    Selbst wenn ich Netto damit auf mehr Arbeitszeit käme (was ich nicht glaube), trägt diese Variante sehr zu meiner Berufszufriedenheit bei.

    Wahrscheinlich ist es ein diffuses Selbstverpflichtungsgefühl. Ich neige dazu, neben der Positivkorrektur und sprachlichen Verbesserungsvorschlägen auch noch seitenweise Anmerkungen am Rand zu verfassen - in der Hoffnung, dass auch dem Schüler mal deutlich wird, dass/wieso etwas unlogisch, schlecht begründet, zusammenhanglos, etc. ist. Die wenigen Schüler, die sich wirklich mal intensiv damit auseinandergesetzt haben, haben rückgemeldet, dass ihnen das tatsächlich geholfen hat. Ehrlicherweise kann ich die nach +10 Berufsjahren aber an einer Hand abzählen. In meinen derzeitigen Kursen werden Klausuren regelmäßig gar nicht erst abgeholt und es ist wirklich Perlen vor die Säue.

    Gesprächsangebote finde ich super, allerdings muss ich ehrlich sagen, dass ich irre schnell vergesse, was ich in Klausuren lese. Sprich, ich weiß 2 Tage nach der Korrektur gar nicht mehr, wo Knackpunkte lagen🙈 Ich müsste mir also sowieso ausführliche Notizen während der Korrektur machen (und dann kann ich sie auch direkt auf den Klausurbogen schreiben) oder halt bei Gesprächsbedarf nochmal einsammeln und nachbereiten. Das ginge natürlich und klingt auch sinnvoll. Ist aber nur arbeitserleichternd, wenn es dann tatsächlich nur vereinzelt in Anspruch genommen wird 😊

  • Gesprächsangebote finde ich super, allerdings muss ich ehrlich sagen, dass ich irre schnell vergesse, was ich in Klausuren lese. Sprich, ich weiß 2 Tage nach der Korrektur gar nicht mehr, wo Knackpunkte lagen🙈 Ich müsste mir also sowieso ausführliche Notizen während der Korrektur machen (und dann kann ich sie auch direkt auf den Klausurbogen schreiben) oder halt bei Gesprächsbedarf nochmal einsammeln und nachbereiten.

    Meine persönliche Sichtweise ist die: In der Regel liegen Probleme verschiedener Gewichtung vor. Schwerwiegende Probleme kann ich schnell erkennen, wenn de Schüler die Klausur zum Gespräch mitbringt und ich konzentriert ein paar Minuten nochmal draufsehe. Und um die muss es ja in erster Linie gehen: Struktrierung von Texte und Argumenten, Präzisierung von Aussagen und Beispielen, missverstandene Aufgabenstellungen und Operatoren etc.

    Die differenzierteren Probleme kommen ja sowieso erst in einem nächsten Schritt. Wenn ein Schüler schon mal beim Gespräch bei mir war, achte ich bei der nächsten Klausur ein wenig genauer auf die Probleme, die wir bespochen haben und mache mir dann vielleicht (!) echt auch noch Notizen zu den kleineren Problemen.

    Grundsätzlich mache ich mir sonst keine Notizen. Ich lese auch Klausuren im Regelfall nur einmal (außer Abiklausuren), dann lege ich die Bewertung fest. Mehr und kann ich in der mir zur Verfügung stehenden Arbeitszeit nicht leisten. Das war in den ersten Dienstjahren sicherlich anders, aber inzwischen mache ich den Job seit 20 Jahren und verlasse mich hier auf meine Bewertungskompetenz.

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