Hallo,
ich bin neu hier und wollte mal eure Einschätzung hören. Ich bin jetzt seit einigen Jahren Grundschullehrerin und habe vor etwa 8Jahren auch das Fach Musik studiert. Schon früh habe ich viel auch als junge Erwachsene/Jugendliche auf Freizeiten mit Kindern auf Gitarre gesungen und habe eine riesige Auswahl an Liedern: Bewegungslieder wie Tanzalarm, Fliegerlied usw... kindergerechte Volkslieder, Zukowski, aber auch lustigere modernere Kinderlieder und Mitmachrhythmen usw... Ich habe es eigentlich immer geschaft, die Kinder zum Singen und Tanzen zu begeistern.
Seit etwa Ende der Coronazeit beobachte ich allerdings bei uns eine beunruhigende Entwicklung im Musikunterricht und fast ausschließlich in Klasse 1. Am Anfang schob ich es auf die einzelne Klasse, aber langsam erkenne ich Muster. Ich weiß nicht, ob ihr diese auch so erlebt und wie ihr damit umgeht. Ich bin langsam damit überfordert und habe das Gefühl, dass der Imput vom Studium überhaupt nicht mehr auf die Kinder in Klasse 1 passt.
Auf der einen Seite bringen die Kinder immer weniger musikalische Früherziehung mit: Rhytmus halten klappt selten, Töne treffen auch. Überhaupt wird bei vielen Kindern wenig daheim gesungen oder Musik gehört. Auch Lesen und Schreiben funktioniert erst ab Juni einigermaßen.
Zeitgleich wollen die Erstklässler (vor allem die Jungs!) keine 'Kinderlieder' und Volkslieder mehr singen oder zu kindgerechten Liedern tanzen und Rhytmen sprechen. Es gibt nur wenige 1. Klassen als Ausnahme. Fast alle fordern das Singen von Liedern aus dem Radio/Youtube und die Mädchen wollen immer YouTube / TikTok Tänze tanzen (wie Barbaras Rhabarberbar, APT usw) Und das als Erstklässler! Wenn ich versuche, die Kinder mit altersgerechten Liedern zu bespaßen, verweigern viele komplett oder machen nur Quatsch! Meistens bin ich dann die Einzige, die singt. Ich habe mich schon einmal breitschlagen lassen, mit den Kindern einmal Major Tom zu singen, damit die Kinder überhaupt mal singen - aber wie erwartet, war das Lied für ihren Tonumfang viel zu schwer und textlastig und der Refrain galt mehr einem Gröhlen. Etwas einfachere - für Kinder konzipierte Tänze kriegen viele auch schon nicht hin. Auch einzelne thematische Inhaltsvorschläge aus dem Lehrplan werden von den Kindern als "Baby" und "Kindergartenlieder" abgestempelt.
Die Unterrrichtsstunden mit Instrumenten klappen in der Regel ganz gut und die Motivation ist hoch. Aber ich kann ja das Singen und Tanzen nicht komplett aus Klasse 1 ausklammern oder die Kinder dauerhaft überfordern. Klar kann ich die harte Keule auspacken und die Kinder zwingen zu singen und mit Strafen gegen den Quatsch vorgehen, aber das ist auch nicht die Art, wie ich Musik unterrichten will und langfristig bringt es nichts. Und erstaunlicherweise nimmt die Verweigerungshaltung mit Mitte Klasse 2 (mit der gleichen Klasse) wieder häufig ab und altersgerechte Rhythmen, Lieder und Tänze kommen wieder besser an. Für mich macht der Musikunterricht in Klasse 1 so kaum mehr Spaß.
Daher meine Frage: Erlebt ihr sowas auch? Wie geht ihr damit um? Habt ihr konkrete Umsetzungsvorschläge? Oder wirklich gute Schulungen, die ihr empfehlen könnt?
Liebe Grüße und danke für euren Input