Lehrer nicht mehr Beamte?

  • Das Lehrerdasein in F hat aber auch attraktive Seiten: keinerlei Vertretungen, keinerlei administrative Aufgaben, keine sozialpädagogischen Aufgaben. Und die Deputatsverpflichtung liegt unter der deutschen Arbeitszeit. Ich behaupte mal, der nominelle Stundenlohn unterscheidet sich nicht so sehr vom deutschen.

  • mmm...



    Selbst wenn ich davon ausgehe, dass die Lehrkräfte 35 Stunden die Woche arbeiten (was nicht sein kann, weil das Deputat sich nicht geändert hat, als Frankreich von 39/40 auf 35 Stunden gewechselt hat):
    Bei 2100 Euro netto (vor Lohnsteuer und (notwendiger!) Zusatzkrankenversicherung!) nach 10 Jahren oder 2286 Euro in den Monaten mit Unterricht (die "Indemnités"/ Entschädigungen werden als Zulage nur in den Schultagen bezahlt, nicht in den Schulferien...) komme ich bei 140 Stunden Arbeit im Monat auf grob 15 Euro Stundenlohn.
    Es kann sein, dass viele sich "wegen der Ferien" abfinden (ganz sicher!), aber viele machen den Job "trotz des Lohns". und darauf wollte ich hinaus. Deutschland hat noch viel Potenzial nach unten, bevor das Gros der Lehrkräfte ausbleibt (wenn es bundesweit einheitlich keine Verbeamtung mehr gäbe).

  • Es macht jedoch einen Unterschied, ob man in einem Land lebt, in dem Lehrkräfte schon immer schlecht bezahlt wurden, oder in einem Land, in dem sich die Bezahlung plötzlich und drastisch verschlechtert.
    Im ersten Fall ist die niedrige Vergütung für angehende Lehrkräfte eine bekannte Rahmenbedingung, die ihre Berufswahl von Anfang an beeinflusst.
    Im zweiten Fall jedoch entsteht ein negativer Schock: Wer ursprünglich mit besseren Arbeitsbedingungen gerechnet hat, wird sich möglicherweise umentscheiden und einen anderen Karriereweg einschlagen.

  • ... und dann?
    Ach bitte. seien wir realistisch. Die Hälfte der Lehramtsstudis (konservativ gesagt) studiert Lehramt und ihre Fächer, weil ihr nichts anderes eingefallen ist und Lehramt ein Job ist, den man kennt.
    Von den 50% gehen dann 10-15% Punkte weg? (insbesondere bei Mangelfächer, in denen woanders schon jetzt besser verdient werden KANN).

    Was kümmert es die Entscheidungsträger*innen?
    Dann gibt es noch größeren Mangel aber man hat Geld gespart und populistisch gepunktet.
    Ganz offensichtlich interessiert die Qualität unseres Schulsystems keinen Schwein.

  • Ich habe nicht behauptet, dass sich die Entscheidungsträger für die negativen Konsequenzen interessieren würden (auch wenn ich das in dieser Pauschalität nicht glauben möchte). Aber wenn ein Beruf plötzlich unattraktiver wird, liegt der Verdacht nahe, dass sich weniger Menschen für ihn interessieren werden als zuvor. Also ich wäre definitiv weg, wenn ich so wenig wie in Frankreich verdienen würde.

  • Die Deputatsverpflichtung in Frankreich liegt unter der in Deutschland. Und dann wird nur unterrichtet, es gibt keinerlei Nebenaufgaben. Die Lehrerin, bei der ich in Frankreich beim Austausch untergebracht war, hat 10 Jahre in Deutschland gelebt und meint, dass sie nicht mit mir tauschen möchte, obwohl wir mehr verdienen. Schau dir allein die Organisation des Austauschs an. Die französische Lehrerin hat den ganzen Orgakram dafür abgegeben. Bus etc. hat alles eine administrative Kraft organisiert, die für sowas angestellt ist. Wir holen drei Angebote an, schreiben unzählige E-Mails, müssen unsere SL nerven, die dann den Semon unterschreibt, holen das Geld bei den Schülern ein, rechnen die Fahrt ab, stellen zig Föderanträge bei Landkreis, Jugendwerk etc. Die französische Lehrerin überlegt sich allein ein Bespaßungsprogramm, alles andere wird erledigt. Bespaßungsprogramm kommt bei uns natürlich auch noch dazu.

  • Zitat

    Mal kurz gegoogelt:
    In Frankreich beträgt das übliche Lehrer-Deputat 18 Stunden pro Woche für "normale" Lehrer (professeurs certifiés) und 15 Stunden pro Woche für höhere Laufbahnbeamte ("agrégés"). Diese Stundenzahl ist die Grundlage der Lehrtätigkeit und variiert nicht wie in Deutschland nach Bundesland, sondern ist durch das französische Schulsystem und die verschiedenen Beamtenlaufbahnen festgelegt

    Zitat

    Zur Ferienstruktur:
    In Frankreich gibt es insgesamt etwa 16 Wochen Schulferien pro Jahr bei einem 36 Wochen langen Schuljahr, was einem der kürzesten Schuljahre der Welt entspricht, obwohl die Anzahl der Unterrichtsstunden pro Jahr über dem Durchschnitt liegt. Die Ferien umfassen zwei Monate Sommerferien, zwei Wochen um Allerheiligen, zwei Wochen um Weihnachten sowie je zwei Wochen Winterferien im Februar/März und Frühlingsferien im April/Mai, die je nach Schulzone (A, B, C) variieren

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Der ohnehin sehr sehr große Mangel in unseren beruflichen (technischen) Mangelfächern wäre ohne adäquate Bezahlung wahrscheinlich noch größer. Wie die adäquate Bezahlung gestaltet wäre (ob als Beamter oder als gut bezahlter Angestellter), wäre mir letztlich egal, ich hätte mir aber halt mit TVL als schlecht bezahlter Angestellter den Quereinstieg nicht leisten können. Das wäre ein finanzielles Desaster geworden.

    Als Beamter war ich etliche Jahre immer noch leicht hintendran, habe aber durch die Kinderzuschläge jetzt mehr, als es als Sachbearbeiter in der Industrie möglich gewesen wäre.

    Wenn ich jetzt sagen würde: Aber als AT könnte ich... ist das Blödsinn, denn AT ist da kein Vergleich, weil das 1. unbezahlte Überstunden bedeutet hätte und 2. ich es mit der Arbeit der A15er vergleichbar müsste, die auch echt übel rödeln müssen. Als normaler Lehrer ist für mich der Sachbearbeiter-Job die Referenz.

    Ergo: Als Beamter fühle ich mich angemessen bezahlt, dabei weder deutlich über- noch unterbezahlt.

    Von KuK, die als Angestellte im System sind, hört man immer mal wieder Wechselgedanken. Ob die das wirklich machen werden, ist die Frage. Man hört aber oft: Hätte ich das gewusst, hätte ich den QE nicht gemacht,

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Auch das Nebentätigkeitsrecht ist anders strukturiert (ebenfalls Google):
    "Dürfen Lehrkräfte in Frankreich eine Nebentätigkeit ausüben?"

    Zitat

    Ja, Lehrkräfte in Frankreich dürfen unter bestimmten Bedingungen eine Nebentätigkeit ausüben. Die Tätigkeit darf die Haupttätigkeit nicht negativ beeinflussen und keine Konkurrenz zum Arbeitgeber darstellen. Zudem müssen Lehrkräfte, die im öffentlichen Dienst arbeiten, meist eine Genehmigung einholen oder die Tätigkeit zumindest anzeigen, während für Angestellte die Anzeige der Nebenbeschäftigung ausreicht.

    Was zu beachten ist:

    • Nichtbeeinträchtigung der Haupttätigkeit: Die Nebentätigkeit darf nicht dazu führen, dass die Leistung als Lehrkraft nachlässt oder die Zeit für die Haupttätigkeit unzureichend wird.
    • Keine Konkurrenz: Die Nebentätigkeit darf nicht im direkten Wettbewerb mit der Tätigkeit des Arbeitgebers stehen.
    • Genehmigung oder Anzeige:
      • Verbeamtete Lehrkräfte: Müssen oft eine Genehmigung für die Ausübung einer Nebentätigkeit einholen.
      • Angestellte Lehrkräfte: Müssen die Nebenbeschäftigung rechtzeitig anzeigen, eine ausdrückliche Genehmigung ist jedoch nicht immer erforderlich.
    • Ausschließlichkeitsklauseln und Arbeitsverträge: Es sollte geprüft werden, ob der Arbeitsvertrag eine Klausel enthält, die eine Nebentätigkeit ausschließt.
    • Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten: Die Arbeitszeiten für beide Tätigkeiten müssen zusammen die geltenden Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten einhalten.

    Damit relativiert sich - in Verbindung mit der Unterrichtsverpflichtung - das geringere Gehalt von Lehrkräften in Frankreich.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
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  • In Frankreich beträgt eine Unterrichtsstunde 55 min. Eine französische Lehrkräfte verbringt bei einem 18 Stunden Deputat also 990 Minuten im Unterricht. Eine deutsche bei 25 Stunden 1125 min. An der Mittelschule bei 28 Stunden noch länger. Es gibt in Frankreich auch keine Aufsichten, weder auf dem Pausenhof noch bei Prüfungen. Mündliche Prüfungen werden, wenn ich das richtig verstanden habe, extra bezahlt.

  • In Frankreich beträgt eine Unterrichtsstunde 55 min. Eine französische Lehrkräfte verbringt bei einem 18 Stunden Deputat also 990 Minuten im Unterricht. Eine deutsche bei 25 Stunden 1125 min. An der Mittelschule bei 28 Stunden noch länger. Es gibt in Frankreich auch keine Aufsichten, weder auf dem Pausenhof noch bei Prüfungen. Mündliche Prüfungen werden, wenn ich das richtig verstanden habe, extra bezahlt.

    Im Prinzip richtig - weil jedoch jede Stunde auch vorbereitet werden muss, darf nicht nur die Präsenzzeit betrachtet werden. Bei uns in Ba-Wü wird eine UE offiziell mit 1,74 Zeitstunden (an der GHWRS) veranschlagt. Das war die Zeit, die bei meiner Tätigkeit im Schulamt pro "Anrechnungsstunde/UE mit 45 min)" abzudienen war - was 104 Minuten/UE ergibt. 27 UE Deputat entsprechen damit 2808 Minuten pro Woche. Lege ich denselben Faktor für Frankreich mit 18 UE zu Grunde, ergibt das 1872 min/Woche - das sind 2/3.

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  • dafür, dass hier ständig darauf gepocht wird "wir arbeiten 40/41 Stunden und die Aufgaben müssen passend gemacht werden", wird komisch verglichen.

    Dafür korrigieren französische Lehrkräfte wesentlich mehr (ich hatte in jedem Fach drei Arbeiten pro Trimester), haben mehr Konferenzen (Trimester)

    Aufsichten und Korrekturen von Abschlussprüfungen werden extra bezahlt, dafür wird man zum Beispiel 140km von seinem Arbeitsort entfernt geschickt (obwohl man selbst 50km weit weg wohnt), auf Fahrtkostenzuschüsse wartet man 10 Monate und man kriegt 1-5 Euro irgendwas pro Prüfug (auch Abitur). Korrigiert wird ausschließlich am Korrekturort (der NIE in der Nähe der Schule oder Wohnort sein darf, damit man - obwohl es schon anonymisiert ist - niemanden kennen kann).

    Es gibt in Frankreich kein "Ups, ich habe nicht genug Stunden für dich, dann mach Förder", sondern: sehr viele Lehrkräfte sind auf 2 oder gar 3 Schulen verteilt. Auf dem Land: gerne mit 30km dazwischen. Fahrtkostenzuschüsse: irgendwann in 10 Monaten, Zeitanrechnung: nada.
    Immer der schulinterne Jüngste ist mit der Teilabordnung dran, egal, wie weit er wohnt und wieviele Kinder er hat (was in Frankreich eh keine*n interessiert, es ist deine Privatsache, Zugeständnis ist nur der Mittwoch frei)

    Frankreich hat für feste Stellen im Staatsdienst nur die nationale Verteilung. Also 90% der Liste wird erstmal durch das Land umverteilt und sehr sehr sehr viele werden erstmal 10 Jahre und mehr in der Pariser Gegend verbringen. Familienstand und Co interessieren keine*n. Um versetzt zu werden, braucht man Punkte. Die sammelt man mit dem Alter und geografischer Herkunft, sehr wenig für Familie. Wenn man seine Punkte für eine Versetzung eingelöst hat (falls es Plätze gab), nur um aus der Pariser Gegend wegzukommen, ist man wieder bei 0 und sicher nicht schon in seiner Zielregion.

    So.. ich will nicht sagen "denen geht es super schlecht" aber das Lohnniveau abtun mit "sie machen viel weniger" ist echt ... interessant.

    und trotzdem... gibt es noch genug Dumme, die den Job machen. Allerdings mittlerweile ganz viele "Quereinsteiger", die die Prüfung nicht ablegen (um eben nicht in die Pariser Gegend zu kommen) und jedes Jahr aufs Neue bangen, eine Stelle zu bekommen und die Schule zu wechseln.

    Unser Job hat auch unglaublich an Kaufkraft verloren. aber wenn alles nach und nach gemacht wird, sind wir wie die Frösche im warmen Wasser... und werden gekocht.

  • Ja, so gesehen wird die Differenz noch größer. An französischen Schulen arbeitet praktisch niemand Teilzeit. Mag einer besseren Kinderbetreuung geschuldet sein oder auch der Tatsache, dass man dort ein volles Lehrerdasein schafft, weil man nur Unterricht hat. Ich bin ehrlich, ich würde Vollzeit angesichts der ganzen Nebentätigkeiten nicht packen. In Frankreich macht auch niemand Projekte und Aktivitäten neben dem Unterricht. Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt's dafür auch wieder extra Personal.

  • Im Prinzip richtig - weil jedoch jede Stunde auch vorbereitet werden muss, darf nicht nur die Präsenzzeit betrachtet werden. Bei uns in Ba-Wü wird eine UE offiziell mit 1,74 Zeitstunden (an der GHWRS) veranschlagt. Das war die Zeit, die bei meiner Tätigkeit im Schulamt pro "Anrechnungsstunde/UE mit 45 min)" abzudienen war - was 104 Minuten/UE ergibt. 27 UE Deputat entsprechen damit 2808 Minuten pro Woche. Lege ich denselben Faktor für Frankreich mit 18 UE zu Grunde, ergibt das 1872 min/Woche - das sind 2/3.

    Das heißt: die 45Minuten-BaWüStunde ist 1,74 Zeitstunden wert, die 55-Minuten-französische-Stunde ist 1,74 Zeitstunden wert?
    Interessante Grundlage für eine Diskussion...

  • Warum sollte man nicht den Aufwand fürs Geld gegenrechnen? Das hat meine französische Kollegin doch gerade gemacht und für sich bei Kenntnis beider Systeme beschlossen, dass sie nicht mit Deutschland tauschen möchte. In Bayern ist es an kleinen Schulen mittlerweile auch oft so, dass man an zwei Standorten eingesetzt wird. Ich selbst war auch schon an zwei andere Schulen abgeordnet. Mit 25 km dazwischen. Und Berufsanfänger landen in München und versuchen dann jahrelang vergeblich sich nach Oberfranken versetzen zu lassen.

  • An der französischen Schule, die mit uns den Austausch macht, gibt es eine Bibliothekarin, die Leseabende und Ähnliches organisiert. Das meine ich mit Projekten. Und Austausch etc. halte ich für entspannt, wenn der ganze Orgakram übernommen wird.

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