Prof. Krötz und das Schulsystem der Schweiz

  • Nochmal: Egal, was wir beide über unser Profil hier noch zu bieten haben, fände ich es nett, uns gegenseitig nicht direkt das Wort zu verbieten. Du hast gemerkt, ich kann die Primarstufen-Karte spielen, du die (vermeintliche?) Mathe-Karte. Bringt uns beiden nix. Also warum nicht mal entspannen und dann nochmal schauen, wie wir diskutieren können.

    wie gesagt, gehe ich mit, auch mit realer Mathe-Karte...

  • Die Abiturienten wissen heute nicht weniger als frühere Generationen. Sicherlich könnten sie die Abituraufgaben von vor 30 Jahren nicht lösen, umgekehrt wäre das aber auch so.


    Das ist halt kompletter Quatsch.

  • Noch kurz zum Vergleich mit der Schweiz überhaupt - er ist grundsätzlich in gewisser Weise "unfair". Gymnasien in der Schweiz haben das Recht der Hausmatura und damit haben die Lehrpersonen die Möglichkeit, ihr eigenes Curriculum zusammenzustellen und in der Matura auch zu prüfen (übrigens, noch nebenbei - die Sek I wird in der Schweiz ohne Abschlussprüfung beendet). Klar, es wurden überkantonale Standards festgelegt und diese finden sich auch in den Unterrichtsplänen der Gymnasien wieder. Allerdings sind diese Lernziele oftmals nur stichwortartig ausformuliert und lassen den Lehrpersonen grosse Freiräume in der Ausgestaltung ihres Unterrichts. Besonders gilt das für die Schwerpunkt- und Ergänzungsfächer. Ob jetzt die Berechnung von Fourierkoeffizienten (wie in der Beispielprüfung im Video) auf dieser Stufe pädagogisch besonders wertvoll ist, darüber kann man diskutieren.

    Gut finde ich bei Krötz grundsätzlich schon die Idee, das fachliche Niveau hochhalten zu wollen. Was ich bei ihm aber vermisse, sind brauchbare und zeitgemässe Lösungsvorschläge. Leider ist die Quintessenz bei ihm oft "früher war alles besser, besonders in Bayern", von seinen (von mir bereits erwähnten) nicht zielführenden Kulturkampfparolen mal ganz abgesehen.

    Was ich mir bei ihm (oder in vergleichbaren Diskussionen) wünschen würde, wäre mal die Bereitschaft zum "Out-of-the-Box-Thinking" - unter Berücksichtigung der Realität in den Schulen, selbstverständlich. Was Mathe angeht, da könnte man von mir aus (auch in der Schweiz ;)) gerne mal heilige Kühe schlachten und sich (zum Beispiel) überlegen, was in einer gymnasialen Oberstufe kanonisch sein sollte - ist der Dreiklang von Analysis, Vektorgeometrie und Stochastik wirklich das Mass aller Dinge?

  • ...Leider ist die Quintessenz bei ihm oft "früher war alles besser, besonders in Bayern", von seinen (von mir bereits erwähnten) nicht zielführenden Kulturkampfparolen mal ganz abgesehen...

    Danke.

    Zur Didaktik würde ich mir wünschen: Schulbücher/Arbeitshefte durch unterrichtende Lehrkräfte mit mindestens 5 Jahren Berufserfahrung, Professor*innen für die jeweilige Fachdidaktik und jemand von Kultus/Lehrplankommission müssen einbezogen werden.

    Nicht einbezogen werden müssen m.E. Mathematikprofessoren, Zahnärztinnen und Dachdecker, Schule muss nicht auf jeden Spezialfall vorbereiten.

    Unsere Lehrpläne wurden vor ein paar Jahren dergestalt geändert, dass man überall die Begriffe "nachhaltig", "demokratisch" und "Medienkompetenz" einfügen sollte. Wäre auch mal eine Idee, gelegentlich über ernsthafte Änderungen nachzudenken und zwar im Austausch der Bundesländer, die sich das, was funktioniert, voneinander abgucken dürfen.

  • Die Abiturienten wissen heute nicht weniger als frühere Generationen. Sicherlich könnten sie die Abituraufgaben von vor 30 Jahren nicht lösen, umgekehrt wäre das aber auch so.


    Das ist halt kompletter Quatsch.

    Mag sein, lässt sich aus deinem verkürzten Beitrag nicht ableiten.

    Das Zitat geht übrigens noch weiter:

    "Die Schulen bereiten inhaltlich unterschiedlich intensiv auf das Studium vor. Darüber zu schimpfen ändert nichts. Die Abiturienten wissen heute nicht weniger als frühere Generationen. Sicherlich könnten sie die Abituraufgaben von vor 30 Jahren nicht lösen, umgekehrt wäre das aber auch so. Wissen verlagert und verändert sich. Das eigentliche Problem für viele Erstsemester - selbst für gute Schüler - ist die Umstellung auf die Freiheit des Studentendaseins: Sie sind überfordert, rasseln durch Prüfungen, verlieren Selbstvertrauen - und brechen schließlich frustriert ab."

    Mich würde interessieren, woran er diese Änderung festmacht, Studentendasein dürfte sich doch nicht so geändert haben? Und ich hätte vermutet, dass SuS früher weniger frei waren.

  • Wenn ich an meine Oberstufenzeit zurückdenke, dann war die erheblich eigenverantwortlicher gestaltet, als das, was ich heute sehe (und selbst mache). Wir haben keinen Methodenleitfaden bekommen, keine Probeklausuren, keine Themenzusammenfassungen, Extraübungsaufgsben, keine xfachen Nachfragen und zweiten Chancen bei verpassten Abgabedeadlines usw.. Heute ist Oberstufe schon sehr viel serviceorientierter. Dass der Eine oder Andere auf die Nase fällt, wenn das an der Uni plötzlich wegbricht, wundert mich nicht.

  • Mag sein, lässt sich aus deinem verkürzten Beitrag nicht ableiten.

    Das Zitat geht übrigens noch weiter:

    "Die Schulen bereiten inhaltlich unterschiedlich intensiv auf das Studium vor. Darüber zu schimpfen ändert nichts. Die Abiturienten wissen heute nicht weniger als frühere Generationen. Sicherlich könnten sie die Abituraufgaben von vor 30 Jahren nicht lösen, umgekehrt wäre das aber auch so. Wissen verlagert und verändert sich. Das eigentliche Problem für viele Erstsemester - selbst für gute Schüler - ist die Umstellung auf die Freiheit des Studentendaseins: Sie sind überfordert, rasseln durch Prüfungen, verlieren Selbstvertrauen - und brechen schließlich frustriert ab."

    Mich würde interessieren, woran er diese Änderung festmacht, Studentendasein dürfte sich doch nicht so geändert haben? Und ich hätte vermutet, dass SuS früher weniger frei waren.

    Die Abiturienten heute wissen einfach viel weniger, das ist ein Fakt!

    Wenn hier jemand verwirrt ist, dann dieser Professor. Jedoch ist Krötz auch, ich sag mal unglücklich unterwegs.

  • Mich würde interessieren, woran er diese Änderung festmacht, Studentendasein dürfte sich doch nicht so geändert haben? Und ich hätte vermutet, dass SuS früher weniger frei waren.

    Was er in dem Artikel nicht erwähnt, ist, dass speziell in der Mathematik an der Uni der Abstraktionsgrad viel höher ist als in der Schulmathematik. Der Fokus ist ein völlig anderer, Beweisführung, statt Anwendung der Mathematik. Diese Umstellung erfordert schon ein großes Maß an selbstständigen Lernen und vielleicht sind auch viele enttäuscht, da sie was anderes erwartet haben.

    Mich wundern etwas die hohen Zahlen in dem Artikel. Die Abbrecherquote war über viele Jahre immer so um die 40-50% im Fach Mathematik.

  • Der Fokus ist ein völlig anderer, Beweisführung, statt Anwendung der Mathematik. Diese Umstellung erfordert schon ein großes Maß an selbstständigen Lernen und vielleicht sind auch viele enttäuscht, da sie was anderes erwartet haben.

    Das wäre meiner Ansicht nach ein sinnvoller Ansatzpunkt für eine weiterführende Diskussion: Was könnte von Seiten der Schule getan werden, um diese Umstellung zwischen Schule und Uni etwas leichter zu gestalten? Klar, es studiert nur ein Bruchteil später Mathematik, aber zum Beispiel eine systematische Einführung in Beweise und Beweistechniken fände ich auch unter einem Allgemeinbildungaspekt nicht verkehrt. Das Konzept eines logisch stichhaltigen Beweises verstanden zu haben, hat m. E. durchaus einen über die Mathematik hinausgehenden Mehrwert. Dafür könnte man gerne etwas Vektorgeometrie kürzen :P

  • Das wäre meiner Ansicht nach ein sinnvoller Ansatzpunkt für eine weiterführende Diskussion: Was könnte von Seiten der Schule getan werden, um diese Umstellung zwischen Schule und Uni etwas leichter zu gestalten? Klar, es studiert nur ein Bruchteil später Mathematik, aber zum Beispiel eine systematische Einführung in Beweise und Beweistechniken fände ich auch unter einem Allgemeinbildungaspekt nicht verkehrt. Das Konzept eines logisch stichhaltigen Beweises verstanden zu haben, hat m. E. durchaus einen über die Mathematik hinausgehenden Mehrwert. Dafür könnte man gerne etwas Vektorgeometrie kürzen :P

    Die Untersuchung von Ebenen und Geraden im Raum halte ich auch für völligen Unsinn. Das habe ich in der Schule gemacht, danach nie wieder, um es dann wieder zu unterrichten. :D

  • Klar, es studiert nur ein Bruchteil später Mathematik, aber zum Beispiel eine systematische Einführung in Beweise und Beweistechniken fände ich auch unter einem Allgemeinbildungaspekt nicht verkehrt. Das Konzept eines logisch stichhaltigen Beweises verstanden zu haben, hat m. E. durchaus einen über die Mathematik hinausgehenden Mehrwert. Dafür könnte man gerne etwas Vektorgeometrie kürzen :P

    Eine der Aufgaben der Sek II ist ja die Wissenschaftspropädeutik und aus Sicht der Fachdisziplin Mathematik kann man die Auseinandersetzung mit elementaren Beweistechniken durchaus dazuzählen.

    Analysis ist so essentiell für den Fachgegenstand Mathematik - da würde ich nichts kürzen. Auch Stochastik hat ja durchaus seine Bedeutung und auch hohe Alltagsrelevanz.

    Ob jetzt analytische Geometrie unbedingt benötigt wird, darüber lässt sich sicher streiten. Zahlentheorie, Numerik oder Graphentheorie wären sicher auch keine schlechte Ergänzung für das Sek II-Curriculum. Am Ende ist die entscheidende Frage: Welche Inhalte sind so essentiell, dass sie jeder Absolvent (m/w/d) der allgemeinen Hochdchulreife im Rahmen seiner schulischen Ausbildung kennengelernt haben sollte, und bei welchen reicht es, wenn eine kleine Gruppe fachlich besonders Interessierter sich im Rahmen eines Hochschulstudiums mit diesen auseinandersetzt?

  • Den Aspekt Vektorgeometrie könnte man am besten gleich in Lineare Algebra abändern und Anfang der Q3 (Kl. 12) mit Gruppen beginnen. Dann hat man jedoch auch gleich einen sehr ordentlichen Abstraktionsgrad.

  • ...

    Mich wundern etwas die hohen Zahlen in dem Artikel. Die Abbrecherquote war über viele Jahre immer so um die 40-50% im Fach Mathematik.

    Eben, der wesentlich höhere Abstraktionsgrad dürfte doch derselbe wie vor 30 Jahren sein. Ich bezweifle, dass reihenweise Studis abbrechen, weil sie weniger Beweisführung hatten "als früher" und deswegen schlechter vorbereitet sind. Sagen nicht von jeher alle, die Mathe studiert haben, dass der erarbeitete Schulstoff an der Uni kein halbes Jahr weit reicht?

    Vielleicht schreiben sich ja mehr Leute für Mathe ein, weil sie falsche Vorstellungen vom Schwierigkeitsgrad haben durch den zu leichten Unterricht im LK heute...

  • Vielleicht schreiben sich ja mehr Leute für Mathe ein, weil sie falsche Vorstellungen vom Schwierigkeitsgrad haben durch den zu leichten Unterricht im LK heute...

    Im LK kann man immerhin noch mit halbwegs Motivation rechnen. Grundkurse sind teils wirklich abenteuerlich zu unterrichten. Aber so oder so - im LK kann man auch ein paar Inhalte durchnehmen, die nicht auf dem Lehrplan stehen. Ich denke da beispielweise an Folgen und Reihen (inkl. Vollständiger Induktion) in Q1, Differenzialgleichungen und erweiterte Integrationsmethoden in Q2, ein wenig Lineare Algebra in Q3 und die Q4 ist so kurz, da schafft man nur den Stochastikanteil und Abi-Vorbereitung.

    Selten habe ich Kollegen gesehen, die im LK nicht noch ein ganz kleines bisschen über den Rahmenplan hinausgehen.

  • Mich wundern etwas die hohen Zahlen in dem Artikel. Die Abbrecherquote war über viele Jahre immer so um die 40-50% im Fach Mathematik.

    Habe jetzt die Zahlen nicht recherchiert, aber mich wundert das auch. So richtig erklären kann ich mir das nicht … wie schon diskutiert, den Mismatch zwischen Schul- und Unimathematik gab es schon immer. Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass mehr Studierende falsche Vorstellungen von dem Fach haben als früher … was irgendwie paradox ist, stehen doch heutigen Studierenden mehr Informationen zur Verfügung als jeder anderen Generation. Für Fächer wie Mathematik und Physik braucht es vor allem Interesse und den Willen, durchzuhalten auch wenn man eine zeitlang komplett gar nicht versteht… hm, vielleicht liegt es auch daran, in einer Zeit, in der „instant gratification“ die Norm ist.

    Ich selbst hatte „nur“ Grundkurs in Mathe, aber zugegeben, nachdem ich das Abi für Nichtschüler gemacht habe, war ich es gewohnt, mir alles selbst zu erarbeiten - von daher kann ich nicht sagen, ob „zu leichte“ Kurse an der Schule damit zusammenhängen. Ich bezweifle das, ehrlich gesagt.

  • Also meine Schüler lernen dank NRW Lehrplan schon etwas weniger als ich mit Abi 2010 in RLP, der Unterschied ist aber jetzt auch nicht so eklatant, dass es für den Einstieg ins Mathematikstudium einen großen Unterschied machen würde. Ob man jetzt noch ein paar Funktuonstypen mehr oder weniger untersucht hat oder die Polynomdivison mal gemacht hat, ändert daran ja nicht wirklich viel.

    So formal wie an der Uni, lässt es sich seit Jahrzehnten nicht arbeiten. Wenn statt 50% mal 10% des Jahrgangs Abitur machen würden, könnte man über sowas reden.

  • Was er in dem Artikel nicht erwähnt, ist, dass speziell in der Mathematik an der Uni der Abstraktionsgrad viel höher ist als in der Schulmathematik. Der Fokus ist ein völlig anderer, Beweisführung, statt Anwendung der Mathematik.

    Nicht nur das, in dem Artikel werden auch unterschiedliche Dinge gemischt.

    Das Schulfach Mathematik ist aufgrund der anderen Herangehensweise mehr oder weniger irrelevant für ein Mathematikstudium. Die Studenten brechen das Mathematikstudium nicht ab, weil sie schlechten Matheunterricht gehabt haben...

    Katastrophal ist das Versagen der Schulmathematik hingegen für alle Fächer die angewandte Mathematik als Hilfsmittel benutzen: Maschinenbau, Physik, Chemie, etc. Da setzen die Mathevorlesungen eigentlich schon ein sicheres Beherrschen des Schulstoffs voraus. Das matched schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb gibt es ja auch seit quasi einem halben Jahrhundert Mathevorkurse.

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