Zuckerfest und co feiern?

  • Habe ich noch nirgends erlebt.

    Ersatzunterricht ist es sowieso nur in der Hälfte der Bundesländer. Teilweise ist es eine Wahlalternative zum Religionsunterricht, teilweise sogar ein Pflichtfach (Berlin, Brandenburg).

    Aus meiner eigenen Schulzeit kenne ich es nicht anders, an meiner jetzigen Schule unterrichtet ein Kollege in der GO 3 Stunden Religion und 3 Stunden Philosophie, der Unterricht kann also nicht mal parallel stattfinden. Religion ist mitten am Tag, Philosophie in den Randstunden. Die Schüler, die Philosophie belegen, haben also tagsüber Freistunde und nachmittags Unterricht, wenn die, die Religion belegt haben, bereits nach Hause düsen.

    Im Ref war ich aber auch an einer Schule mit ausgebildeten Philosophie-Lehrkräften.

  • Aus meiner eigenen Schulzeit kenne ich es nicht anders, an meiner jetzigen Schule unterrichtet ein Kollege in der GO 3 Stunden Religion und 3 Stunden Philosophie, der Unterricht kann also nicht mal parallel stattfinden. Religion ist mitten am Tag, Philosophie in den Randstunden. Die Schüler, die Philosophie belegen, haben also tagsüber Freistunde und nachmittags Unterricht, wenn die, die Religion belegt haben, bereits nach Hause düsen.

    Du schließt hier von einer subjektiven und wohl sehr negativen Erfahrung auf etwas, was mit der heutigen schulischen Realität in den allermeisten Schulen nicht mehr viel zu tun hat. Werte und Normen ist bei uns gleichwertiges Wahlpflichtfach zu Religion, bis hin zum Prüfungsfach im Abitur, beides liegt parallel im Band und wird von jeweils dafür ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet. Bei uns belegen mehr als 50% der Schüler WuN.

    Weder Religion noch das Ersatzfach werden inhaltlich von Kirchen oder Verbänden gesteuert, sondern vom Gesetzgeber, beim Religionsunterricht gibt es lediglich den leidigen Kirchenstaatsvertrag, der den staatlichen Spielraum einengt. Das ist aber ziemlich nebensächlich in Bezug auf die Inhalte, problematisch ist die notwendige kirchliche Lehrerlaubnis, und dass Religion dadurch bei uns durchgängig zweistündig in der Stundentafel sein muss, während andere Kurzfächer in mehreren Schuljahren nur epochal unterrichtet werden. Wenn neue Fächer wie Informatik oder Berufsorientierung Stunden kriegen sollen, geht es als immer stärker zu lasten anderer.

  • Weder Religion noch das Ersatzfach werden inhaltlich von Kirchen oder Verbänden gesteuert, sondern vom Gesetzgeber, beim Religionsunterricht gibt es lediglich den leidigen Kirchenstaatsvertrag, der den staatlichen Spielraum einengt. Das ist aber ziemlich nebensächlich in Bezug auf die Inhalte, problematisch ist die notwendige kirchliche Lehrerlaubnis, und dass Religion dadurch bei uns durchgängig zweistündig in der Stundentafel sein muss, während andere Kurzfächer in mehreren Schuljahren nur epochal unterrichtet werden. Wenn neue Fächer wie Informatik oder Berufsorientierung Stunden kriegen sollen, geht es als immer stärker zu lasten anderer.

    Die Grundlage dafür ist aber das Grundgesetz, dass den Religionsunterricht zwar unter die Aufsicht des Staates stellt, aber ihn auch unter die Grundsätze der Glaubensgemeinschaft ordnet.

    Ich halte den konfessionellen Religionsunterricht grundsätzlich für erhaltenswert. Das Problem ergibt sich erst, wenn der Nichtteilnahme punitiv begegnet wird. Das kann über den Lehrplan des Ersatzfaches geschehen, über strukturelle Benachteiligungen im Unterricht, über minderwertige Ausbildung der Lehrkräfte des Ersatzfaches oder durch die Erschwerung der Nichtteilnahme. Und all das kommt vor. Hoffentlich nicht flächendeckend, aber doch immer mal wieder. Von Einzelfällen mag ich da nicht sprechen.

  • leidigen Kirchenstaatsvertrag, der den staatlichen Spielraum einengt. Das ist aber ziemlich nebensächlich in Bezug auf die Inhalte

    Die Verfassung räumt den Religionsgemeinschaften das Recht ein, die jeweilige Fiktion als Realität auszugeben. Das ist schon ein erheblicher Zugriff auf unterrichtlich Inhalte, die in normalen Unterricht in Übereinstimmung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen.

    „Fakten haben keine Lobby.“

    (Sarah Bosetti)

  • Als Lehrer für Ethik und Philosophie möchte ich einige Worte zum Thema „Religion als Bildungsplaneinheit im Ethikunterricht“ sagen. Ich sehe mehrere Gründe, warum religionswissenschaftliche und auch theologische Themen ihren festen Platz im Ethikunterricht haben sollten.

    1. In einer pluralistischen Gesellschaft, ja in einer pluralistischen Welt, benötigen wir einen moralischen Grundkonsens, eine Art Minimalmoral, um friedlich koexistieren zu können. Dazu gehört die Fähigkeit, den Anderen zu verstehen und zu tolerieren. Tolerieren bedeutet dabei bewusst nicht uneingeschränkte Akzeptanz, sondern das Aushalten und Dulden von Überzeugungen, die man selbst nicht teilt. Diese Unterscheidung ist für ein reflektiertes Zusammenleben zentral. Der Ethikunterricht kann einen wichtigen Beitrag leisten, indem er religiöse und weltanschauliche Positionen sichtbar macht, vergleichbar macht und in einen rationalen Dialog überführt. Nur wer die moralischen Quellen und Begründungen des Anderen kennt, kann begründet widersprechen, Grenzen setzen und dennoch respektvoll miteinander umgehen.
    2. Die philosophische Ethik hat die Aufgabe, Moral zu beschreiben, zu begründen und zu kritisieren. Moral bezeichnet dabei die praktischen Regeln, Normen und Werte einer Gesellschaft oder einer einzelnen Person. Die Ethik reflektiert diese oftmals unbegründeten Moralvorstellungen. Da viele Menschen ihre Normen aus religiösen Überzeugungen ableiten, ist es unabdingbar, sich mit religiösen Moralvorstellungen auseinanderzusetzen, insbesondere mit ihren konkreten Inhalten und ihrer historischen Entwicklung. Autoren wie Kant haben ihre ethischen Begründungen nicht im luftleeren Raum entwickelt, sondern stets im Kontext theologischer Ethik und häufig auch in bewusster Abgrenzung zu ihr.
    3. Die Religionsphilosophie ist ein Teilgebiet der Philosophie und untersucht zentrale Begriffe und Themen religiöser Traditionen. In diesem Zusammenhang beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler nicht nur mit ethischen Fragen, sondern auch mit Sinnfragen sowie mit der möglichen Sinnlosigkeit des Lebens. Dabei wird auch die Gottesfrage thematisiert, jedoch auf eine unvoreingenommene und reflektierende Weise. In der Oberstufe lesen wir sowohl theologische als auch religionskritische Texte und setzen uns mit dem Dialog zwischen unterschiedlichen Denkschulen auseinander. Hier spielen die großen Religionskritiker eine zentrale Rolle, darunter Feuerbach, Marx, Nietzsche, Freud und Sartre. All diese Autoren haben sich intensiv mit religiösen Dogmen beschäftigt, da nur auf dieser Grundlage eine fundierte Kritik möglich ist. Die meisten Schülerinnen und Schüler empfinden diese Bildungsplaneinheit als besonders spannend, sowohl religiöse als auch unreligiöse.
    4. Religion kann unter bestimmten Umständen hochgefährlich werden. Unreflektierte Dogmen und moralische Absolutheitsansprüche können zu Fundamentalismus und Extremismus führen. Wie sollen Schülerinnen und Schüler diese Gefahren erkennen und verstehen, ohne sich mit theologischen Begründungen und religiösen Weltansichten auseinanderzusetzen? Ich spreche hier bewusst von theologischen und nicht nur von religionswissenschaftlichen Perspektiven, da gerade die oftmals unkritische Innensicht religiöser Überzeugungen Risiken birgt, die gemeinsam reflektiert werden müssen.
    5. Religiöse Symbolik begegnet uns in vielen Lebensbereichen, insbesondere in Kunst und Literatur. Wenn Schülerinnen und Schüler ein angemessenes Maß an Medienkompetenz entwickeln sollen, gehört ein grundlegendes Wissen über religiöse Mythen, Symbole und historische Hintergründe zwingend dazu.
  • Welche Probleme gibt es denn damit?

    Zum Beispiel die Tatsache, damit in das Privatlaben der unterrichtenden Lehrkräfte hineinwirken zu können, zum Beispiel durch den Entzug der Lehrerlaubnis bei einer Ehescheidung. Passiert heute zum Glück nur noch selten, ich persönlich halte aber bereits die grundsätzliche Möglichkeit für nicht akzeptabel.

  • Die Verfassung räumt den Religionsgemeinschaften das Recht ein, die jeweilige Fiktion als Realität auszugeben. Das ist schon ein erheblicher Zugriff auf unterrichtlich Inhalte, die in normalen Unterricht in Übereinstimmung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen.

    Keiner unserer Religionslehrkräfte verkauft den SuS die Inhalte der Bibel als Realität.
    Ein rückständiger, einer konservativen Kirche hörigen, Religionsunterricht mag mancherorts noch existieren, er ist aber nicht die Regel und ergibt sich schongar nicht zwingend aus den Staatsvertrag.

  • da gerade die oftmals unkritische Innensicht religiöser Überzeugungen Risiken birgt

    Eben. Mir kommt in den zitierten Plänen die deshalb notwendige kritische Auseinandersetzung zu kurz.

    Das Begehen religiöser Riten, darum ging es in diesem Thread, halte ich nicht für notwendig, um die moralische Sichtweiser bestimmter Glaubenssysteme zu verstehen. Im Gegenteil befürchte ich, dass die kritische Distanz sich verringert. Ich kann z. B. am Opferfest nichts erbauliches finden, wenn ich nicht aus dem Kopf kriege, dass ein Mensch bereit war, auf simple Weisung ein Kind zu töten. Ich finde auch Ostern eklig. Dass ein Mensch öffentlich zu Tode gefoltert werden muss, damit Vergebung möglich ist, halte ich für ethisch absurd. Und an Weihnacht stört mich, dass nicht dokumentiert ist, dass der Beischlaf zwischen Maria und dem heiligen Geist einvernehmlich war. Nur ja heißt ja.

    So haben alle diese Feste in der Darstellung der Religionen selbst zumindest etwas Ekliges, vermutlich sogar etwas Unethisches. Man kann so etwas mit einem leckeren Essen oder einem besinnlichen Festakt übertünchen. Aber das möchte ich nicht als Unterrichtsinhalt haben.

    Ich sehe auch keinen Anlass derartige Riten als außerunterrichtliche Veranstaltungen an der Schule durchzuführen. Die Kinder können in ihren Familien und Religionsgemeinschaften feiern oder es bleiben lassen. Ich wüsste nicht, warum Schulen hier ein Zusatzangebot machen sollten.

    „Fakten haben keine Lobby.“

    (Sarah Bosetti)

  • Keiner unserer Religionslehrkräfte verkauft den SuS die Inhalte der Bibel als Realität.

    Sie erzählen, dass ihre Göttin nur eine Fiktion ist? Prima, dann kann man sich den Rest getrost sparen.

    ergibt sich schongar nicht zwingend aus den Staatsvertrag.

    Zu dem sagte ich nichts. Allerdings zur Verfassung, die den Kirchen das Recht einräumt, ihre Fiktion als real darzustellen.

    „Fakten haben keine Lobby.“

    (Sarah Bosetti)

  • Möglich. Etwas kritische Distanz wäre aber hilfreich. Die Reproduktion der religiösen Innenansichten hilft nämlich wenig. Man muss sich schon die Mühe machen zu erkennen, dass ethisches Handeln aus der Übernahme der Verantwortung für das eigene Handeln entsteht. Das Befolgen religiöser Regeln ist so ziemlich das Gegenteil davon.

    Die kritische Distanz ist im Ethik-Unterricht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben, keine Sorge.

  • Keiner unserer Religionslehrkräfte verkauft den SuS die Inhalte der Bibel als Realität.
    Ein rückständiger, einer konservativen Kirche hörigen, Religionsunterricht mag mancherorts noch existieren, er ist aber nicht die Regel und ergibt sich schongar nicht zwingend aus den Staatsvertrag.

    Was ist mit der evangelischen Vokation (s. auch hier), dem Art. 7 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen (Konkordat ND)
    vom 01.07.1965, oder künftg Art. 3 und 5 der Vereinbarung der (Erz)Bistümer und evangelischen (Landes)Kirchen in Niedersachsen über die Einführung eines gemeinsam verantworteten Faches Christliche Religion nach evangelischen und katholischen Grundsätzen anstelle der Fächer Evangelische Religion und Katholische Religion?

    "Ich mag Kuchen!" (Johnny Bravo)

    "The fact that an opinion has been widely held is no evidence whatever that it is not utterly absurd; indeed in view of the silliness of the majority of mankind, a widespread belief is more likely to be foolish than sensible" (Bertrand Russell).

    "Pourquoi suit-on la pluralité? Est-ce qu'elle a plus de raison? Non, mais plus de force" (Blaise Pascal).

    Einmal editiert, zuletzt von PaPo (29. Dezember 2025 15:55)

  • Die Verantwortung für den Unterricht sollte in jedem Fall der Staat haben. Dass man diese Privileg beim Religionsunterricht verschenkt hat, bedeutet nicht, dass bei richtigem Unterricht auch Hinz und Kunz die Verantwortung übernehmen sollten.

    Wenn der Staat es denn gut macht. Beim Überfliegen der Lehrpläne und Rahmenbedingungen der Ersatzfächer habe ich daran aber meine Zweifel.

  • Die Zusammenlegung vom katholischen und evangelischem Religionsunterricht in Niedersachsen ist für mich ein Paradebeispiel für das, was ich meine. Die macht "vor Ort" überhaupt kein Problem, bei uns hatten die Konfessionen schon lange eine gemeinsame Fachgruppenleitung und der Wechsel lief völlig geräuschlos und wird von den betroffenen begrüßt, weil es wenger Probleme durch sehr kleine oder große Gruppen oder Zusammensetzung aus sehr vielen Klassen gibt. Gleichzeitig gibt es absurde Regelungen von außen, bei denen die Kirchen irgendwie ihre Finger mit im Spiel hatten und sich bemüßigt fühlten, überflüssigen formalen Bullshit mit in die Zusammenlegung einbringen zu müssen. Bei uns werden jetzt alle SuS gleich unterrichtet, es muss aber eine Bemerkung auf dem Zeugnis stehen, ob der Unterricht bei einer Lehrkraft mit katholischer oder evangelischer Konfession stattgefunden hat, so dass die Klassenlehrkraft alle 30 Zeugnisse durchgehen und die passende individuelle Bemerkung setzen muss.

    Sie erzählen, dass ihre Göttin nur eine Fiktion ist?

    Die mir näher bekannten Lehrkräfte erzählen überhaupt nichts dazu, ob ein Gott oder eine Göttin real oder Fiktion ist, man kann problemlos auch als bekennender Atheist am Religionsunterricht teilnehmen und trotzdem ein Abitur mit 15 Punkten machen.

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