Religion als Fach in der Schule

  • Hallo!


    mir wurde immer wieder gesagt, man könne Schulgottesdienste nicht als religiöse / kirchliche Eingriffe in die neutrale Schulwelt sehen, da es schliesslich nicht konfessionsgebunden sei und ökumenisch sei.
    Dass die Ökumene allerdings nur die christlichen Konfessionen vereint und nicht die anderen Religionen, die unsere SchülerInnen nun mal haben, scheint in die christlichen Köpfe der Verantwortlichen nicht zu wollen.


    Chili


    Die andersgläubigen Kinder bleiben dann in der Schule und haben Philosophie-Unterricht, was auch nicht so fair ist, da sie ausgeschlossen sind. Außerdem sind viel Kinder wahrschinlich nicht religiös oder wissen es selber nicht, sollen aber trotzdme mit in den Gottesdienst gehen.

  • Schulgottesdienst - das Stichwort wollte ich auch gerade nach einer Lesepause dieses Threads einbringen.


    In der regionalen Presse bei uns gab es gerade Berichte über die Einschulung der neues 1. Klässler im August. Im Rahmen dieses Artikel viel in den Aussagen von 4 von 5 Schulleitern das Stichwort "Einschulungsgottesdienst". Wohlgemerkt handelt es sich bei allen der genannten Grundschulen nicht um konfessionell gebundene Institutionen.


    Ich persönlich werde da gerade echt sauer. Was bitte soll das denn? Seit wann gibt es Einschulungsgottesdienste in normalen staatlichen Schulen? OK, bei der Einschulung des sehr katholischen Patenkindes meines Freundes in einer sehr katholischen Gegend im Nordwesten an einer katholischen Grundschule erscheint mir ein Einschulungsgottestdienst normal. Aber sonst? Ist das jetzt üblich? Und: Ökumene hin oder her - was machen in der Zeit die nicht-christlichen Kinder?


    Und wieso Schulgottesdienst? Ist das ebenfalls üblich an staatlichen Schulen? Ich kenne das auch meiner Schulzeit gar nicht und ebenso wenig aus der Ref-Zeit und von meiner jetztigen Schule.


    Hat die Kirche hier mal wieder einen Weg gefunden einen Fuß in die Tür zu bekommen? Kann mich da mal jemand aufklären?


    Grüße vom
    Raket-O-Katz

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    @ Suiram:


    nein, die nicht-christlichen Kinder (und alle restlichen christlichen Kinder, die gerne ausschlafen) kommen am Tag des Schulgottesdiensts erst zur 2. Stunde. Philosophie hatten sie während der Reli-Stunden. oder auch nicht, weil nicht genug Lehrer, also Deutsch-Förderunterricht. Weil nicht-christliche Kinder eben Deutsch-Mängel haben..


    Raket-O-Katz:


    ja, das habe ich auch vor ein paar Monaten mitgekriegt. Ich bin "Grenzgängerin". In NRW an der Schule erlebt und immer öfters in Niedersachsen davon gehört. und ich muss echt überlegen, was ich bei meinem Kind machen würde. Ich bin überzeugte, fast fundamentalistische Laizistin, würde aber meinem Kind doch nicht die Einschulungsfeier vermiesen. Was macht man da?
    und wer stellt sich auf die Seite der Muslime (als größte religiöse Minderheit)? Wer sorgt dafür, dass sie eben auch einen gerechten Platz an der Schule haben?
    Christliche Kollegen meckern, dass die muslimischen Kids 2 freie Tage im Jahr bekommen können (Opferfest und Zuckerfest auf Antrag), würden am liebsten fast die Klassenarbeit auf den Tag legen, damit die Kids kommen _müssen_, merken aber nicht, wie selbstverständlich der Christentum in der Schule alles bestimmt.


    laizistische Grüße,
    die christliche Chili

  • Hat die Kirche hier mal wieder einen Weg gefunden einen Fuß in die Tür zu bekommen? Kann mich da mal jemand aufklären?


    Ja, natürlich haben sie den Fuß da reinbekommen. Das hat schon seinen Grund, dass der Religionsunterricht am stärksten in den Grundschulen verankert ist, wo die intellektuell Durchdringungskraft der Kinder am geringsten, die Autoriätshörigkeit am höchsten ist. Die staatliche Grundschule, an der ich war, war de fakto eine katholische Grundschule - mit direkter Überleitung vom katholischen Kindergarten, der von einer Nonne im Tschador Habit, beherrscht wurde.


    Nele

  • Zitat

    Was macht man da?


    Mach mit deinen Kindern einen Gottesdienst als Pastafari. Spaghetti mit Tomatensoße kommen bei Kindern doch immer gut an. :-)))))))


    Für Lehrer auch zu empfehlen die Copymisten. 8)


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

    • Offizieller Beitrag

    Hier in RLP ist es auch absolut üblich, dass Gottesdienste für die ganze Schule stattfinden. Anfangs hab ich mich darüber aufgeregt, jetzt nicht mehr so sehr.
    Und das aus folgenden Gründen:
    - die Indoktrination funktioniert m.E. nur richtig wirkungsvoll bei Kindern, die aus einem entsprechenden Elternhaus kommen und den Kram auch nach der Schule eingetrichtert bekommen,
    - der christliche Glaube und damit auch die Kirche gehören für mich auch mit zu unserer Kultur. Insofern sehe ich kein Problem darin, wenn auch Moslems die Kirche besuchen. Im Gegenteil: gerade "Andersgläubige" sollten sich doch auch mit einem ihnen fremden Glauben auseinandersetzen; bei Atheisten hät ich da eher Skrupel. ;)
    Gezwungen wird natürlich niemand. Es gibt immer die Möglichkeit in anderen Klasse zu bleiben, wenn die eigene Klasse die Kirche besucht.


    I

  • Einschulungsgottesdienst gibt es bei uns auch, allerdings läuft dieser auf freiwilliger Basis ab. Trotzdem ist die Kirche immer rappelvoll. Es gibt also noch genügend Eltern, die noch Wert darauf legen.
    Ähnlich verhält es sich mit dem Abschlussgottesdienst nach der 10. Klasse bzw. nach dem Abitur. Hier wird jeweils der Jahrgang im Vorfeld gefragt, ob ein Gottesdienst gewünscht ist. Bisher hat sich noch jeder Jahrgang dafür entschieden. Und auch diese Gottesdienste sind rappelvoll.
    Man kann natürlich niemanden zum Gottesdienstbesuch zwingen, aber ich finde es schön, wenn es dieses Angebot gibt. Ich lese ständig Argumente, dass Kirche in der Schule nichts zu suchen hat. Das möchte ich gerade mal beiseite schieben...
    Ich finde es gut, wenn es das Angebot eines Gottesdienstes zum Schulanfang und zum Abschluss gibt. Viele Menschen legen Wert darauf und es würde ihnen auch wirklich fehlen. Wichtige Lebensabschnitte werden immernoch bei sehr vielen Menschen in der Kirche gefeiert, auch wenn der Glaube im Alltag häufig wenig Raum einnimmt. Zum Lebensanfang gibt es die Taufe, zum Eintritt ins Erwachsenenleben die Firmung oder Konfirmation. Zur Hochzeit die kirchliche Eheschließung, am Ende des Lebens die Krankensalbung und ganz zum Schluss eine Beerdigung unter Beteiligung eines Pfarrers. Der Schulanfang und auch der Schulabschluss sind ebenfalls wichtige Lebensabschnitte und da finde ich das Angebot eines Gottesdienstes durchaus gerechtfertigt.

    "I propose we leave math to the machines and go play outside."
    (Calvin and Hobbes, Bill Waterson)

  • Wobei es immer witzig ist, wer alles so zu besonderen Gelegenheiten an einem Gottestdienst teilnimmt. Mal ehrlich, ich würde behaupten, dass gut 80% das nur machen, weil es eben "schon immer so war" oder "es einfach dazu gehört". Ein wenig Ehrlichkeit wäre doch angemessen. Warum stellen sich so wenige Menschen hin und geben ehrlich zu, dass sie mit dem Glauben im Alltag wenig anfangen können? Ich geh erst gar nicht zum Gottesdienst und wenn, dann nur, wenn mal eine Hochzeit ansteht und ich explizit eingeladen werde. Dann spreche ich auch kein Gebet mit etc. Die Problematik des Religionsunterrichts besteht doch darin, dass wir die Kinder praktisch dazu erziehen, Mitläufer zu sein und wenig zu hinterfragen. Sie gehen dann brav zum Gottesdienst, weil's eben so ist. :rolleyes: Wir sollten alle Kinder kritisch erziehen und alle Religionen gleich behandeln. Es ist schon eine Ungleichbehandlung, wenn man Andersgläubige anderweitig "aufbewahrt". Und wer unbedingt einen Einschulungsgottesdienst oder Abschulungsgottesdienst oder sonst etwas braucht, der soll dann bitte zur Kirche gehen und fragen, ob die das anbieten. In der Schule hat so was nichts verloren imho.

  • Bei uns bieten abwechselnd die evangelische und die katholische Gemeinde Einschulungsgottesdienste (gemeinsam für usnere und die Nachbargrundschule) an, zu denen Familien hingehen können, aber niemand muss.
    Die Einschulungsfeiern in den SChulen beginnen erst danacdh (um 10 Uhr), was ja kein Problem darstellt,d a der erste Schul"tag" mit kleiner Feier und einer Dreiviertelstunde UNterricht mehr als überschaubar ist!

  • Ich kannte Schulgottestdienste aus meinem Gymnasium (mit ca. 30% muslimischen Schülern) auch nicht und war etwas überrascht, als ich das nun an der Schule hörte, an er ich unterrichte.
    Wichtige Ereignisse können aber auch ohne Kirche gefeirt werden. Man kann z.B. statt Konformation eine Jugendweihe machen oder Abifeiern in anderen besonderen Gebäuden (Stadthalle, Villa... was es in der Stadt so gibt.). Das sind auch besondere Tage, ohne den Glanz und die Autorität der Kirche, die viele "ungläubige Christen" anscheinend mögen.

  • Bedenkt doch bitte, was Entchen in ihrem letzten Beitrag gesagt hat: Die Schulgottesdienste sind ein Angebot, ebenso wie der Reliunterricht. Wen das nicht interessiert, der hat in aller Regel die Möglichkeit, davon Abstand zu nehmen. Und die Nachfrage scheint da zu sein, so what? Welche Nachteile davon ausgehen können ist mir noch nicht mitgeteilt worden.
    Warum immer sagen, dass man den Angehörigen anderer Religionen die gleichen Angebote machen müsste? Vielleicht können ja vertretbare Angebote an muslimische Schülerinnen und Schüler gemacht werden, wenn der islamische Reliunterricht entsprechend ausgebaut ist.


    Bisher ist es aber nun mal so, dass die "religiöse Infrastruktur" bei den christlichen Kirchen am besten ist. Nicht nur, was die Gebäude und das Personal angeht, sondern auch bezüglich der Inhalte: Im Gegensatz zu den christlichen Kirchen haben die muslimischen Brüder und Schwestern sich noch nicht auf eine maßgebliche Vertretung und Ansprechpartner einigen können, sondern die islamischen Verbände und Interessensvertretungen sind sich untereinander nicht besonders wohl gesonnen... Wie will man da was aufbauen? Kann ja noch kommen, aber bisher ist es noch nicht so weit.


    Und noch zu Siobham: Ich hatte mir auch mal gedacht, dass diese Schulanfangs- und Abschlussgottesdienste alle ja irgendwas Scheinheiliges haben. Aber andererseits: Wenn die Schüler (und Eltern) ein Interesse daran haben, warum sollte es dann nicht gemacht werden? Der persönliche Glaube ist Privatsache, da kann man von niemandem erwarten, dass er sich auf den Marktplatz stellt und sich religiös exhibitioniert, mal übertrieben gesagt.


    Lasst doch einfach diese unverbindlichen Angebote bestehen, erfreut Euch an der Vielfalt und grämt Euch nicht darüber, dass andere Leute anders denken als Ihr. Sorry, aber manchmal hat man wirklich den Eindruck, dass diejenigen, die sich für besonders tolerant halten, am wenigsten tolerant sind...
    Und, ehe wieder das finanzielle Argument kommt: Kirchenraum und evtl. Personal wird von den Kirchen für schulische Gottesdienste kostenfrei zur Verfügung gestellt.


    Hamilkar.

    • Offizieller Beitrag

    die Kirche mag das Personal kostenfrei stellen, aber es gehen eine Menge A13-Stunden (ja auch Angestellte, aber auch A14 und A15) verloren. Meine Kids hätten eher was vom Französisch-Unterricht gehabt als vom Ausschlafen..
    Denn Angebote wären es, wenn es nachmittags nach der Schule wäre und nicht _während_ meines Unterrichts mit einer Einladung zum Gottesdienst.

  • Naja, chilipaprika,


    Dein letzter Einwand ist nicht richtig insofern, als die Lehrkräfte, die Werte & Normen sowie Philosphie unterrichten, ja das gleiche Gehalt bekommen wie wir Relilehrer.


    Aber ein bisschen teurer ist das natürlich trotzdem, das ist schon richtig. Wenn ich mal von meiner Schule mit durchschnittlich vier Klassen pro Jahrgang ausgehe, wären das bei "nur" Werte und Normen pro Jahrgang acht Lehrerstunden. Aber noch zusammen mit ev. sowie kath. Reli kommen wir auf 10 Lehrerstunden. Hochgerechnet auf die Schule (acht Jahrgänge) ergibt das rechnerisch 16 Stunden mehr, als wenn es ausschließlich Alternativunterricht (W&N, Philosphie) geben würde. Das ist nicht mal eine volle Lehrerstelle.


    Ich vermag nicht abzuschätzen, ob das 'eine Menge' ist, wie Du sagst, aber in Anbetracht der Vorteile, die das Anbot von Reliunterricht ja nun mal hat, würde ich sagen, dass das zu verkraften ist.


    Hamilkar

    • Offizieller Beitrag

    Hamilkar: ich glaube, chili bezog sich mehr auf die Verschwendung bzgl. der Schulmesse (wegen der teuer bezahlter Unterricht ausfällt).
    Der mit dem Kostenaufrechnen für die Reli-Lehrer bin ich. ;)


    kl. gr. frosch

  • Was ist denn das hier für eine atheistische und antichristliche Lehrerschaft?!


    Ich möchte nur einmal das Schulgesetz Baden-Württembergs zitieren:


    Zitat

    2) Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Über die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler

    in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zur Achtung der Würde und der Überzeugung anderer, zu Leistungswillen und Eigenverantwortung sowie zu sozialer Bewährung zu erziehen und in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern


    http://www.landesrecht-bw.de/j…=S&toc.poskey=#focuspoint
    (Hervorhebung von mir)


    Das gilt für alle Lehrer!

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Was ist denn das hier für eine atheistische und antichristliche Lehrerschaft?!


    Müsste man sich dafür schämen?


    Das von dir zitierte Schulgesetz widerspricht damit aber übrigens der staatlichen, weltanschaulichen Neutralitätspflicht.


    Und es kann gar nicht für alle Lehrer gelten, denn da gibt es noch denArtikel 140 des GG:

    Zitat


    Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.


    Diese "kirchlichen Handlungen" würde ich nicht nur auf einen Gottesdienst beziehen, sondern auch auf andere kirchlich-religiösen Handlungen und Orientierungen.


    Sowie grundsätzlich dem Artikel 4:

    Zitat


    Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.


    Man kann also niemanden, auch keinen Lehrer, dazu zwingen, gegen sein Willen ein religiöses oder weltanschauliches "Bekenntnis" anzunehmen.

    kl. gr. Frosch

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