Gesellschaftswissenschaftliches Lehramt noch ratsam?

  • Hallo zunächst einmal! Ich komme aus Niedersachsen und wollte gerne zum Sommersemester mit einem Lehramtsstudium beginnen. Meine Noten waren auch soweit so gut, dass ich an ein paar Unis in NRW, die das zum Sommersemester anbieten, auch schon Zusagen habe. Ich interessiere mich aber vor allem für Deutsch/Geschichte, was ja sozusagen der Klassiker unter den wenig gefragten Fächern zu sein scheint. Ich hatte im LK in diesen Fächern konstant 13-15 Punkte, ein ziemlich gutes Allgemeinwissen und habe auch mit meinen Lehrern dieser Fächer geredet, die mir einen guten Studienabschluss zutrauen. Die sagten auch, dass Einstellungen heute in Deutsch/Geschichte leichter sind als noch vor 20 Jahren.


    Allerdings lese ich dann zum Beispiel Horrorzahlen aus Bayern, nach denen nur ca. 2-6% der DE/GE-Lehrer jedes Jahr angestellt werden. Ohne unbescheiden wirken zu wollen, ich traue mir einen sehr guten Schnitt zu - aber einen so guten Schnitt? Und vor allem: Was passiert mit den anderen 95%, weichen die auf andere Bundesländer, Schulformen etc. aus oder stehen die am Ende perspektivlos da. Ich habe aus meinem Umfeld noch nie wirklich von dauerarbeitslosen Lehrern gehört, aber gibt es das? Ich hatte jetzt auch schon überlegt, ob ich nicht statt Geschichte Kunst nehme, da ich immer gut darin war und die Einstellungschancen dort besser sind. Einerseits wäre Lehramt für mich ein Traum, andererseits verunsichern mich die oben genannten Zahlen.


    Bevor ich einem der Angebote zusage, möchte ich doch wissen, ob man nicht nach sieben Jahren dann auf der Straße landet. Natürlich ist heute schwer zu sagen, was in sieben Jahren ist (wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass auf einmal Deutsch als Fremdsprache gesucht wird). Aber dennoch meine Frage: Kann man da (tendenziell) noch zum Lehramtsstudium in den Geisteswissenschaften raten? Danke schonmal.

  • Allerdings lese ich dann zum Beispiel Horrorzahlen aus Bayern, nach denen nur ca. 2-6% der DE/GE-Lehrer jedes Jahr angestellt werden. Ohne unbescheiden wirken zu wollen, ich traue mir einen sehr guten Schnitt zu - aber einen so guten Schnitt?

    Was willst du bei diesen Einstellungschancen noch nachdenken? Und denke daran: Deine "sehr guten" Noten aus der Schule sagen ÜBERHAUPT NICHTS aus über deine zukünftigen Noten, da du im Studium und im Referendariat gegen Leute konkurrierst, die mindestens so gut und so motiviert sind wie du selbst. Kein Vergleich mit deinen mehr oder weniger motivierten und begabten Mitschülern...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Als ich anfing zu studieren (M/E) sagte man mir, "Mensch, also mit Mathe werden sich ja die Schulen förmlich um dich reißen!" Ja, Pustekuchen... Ich unterrichte 17 Std. Englisch und nur noch 8 Stunden Mathe... Wird nicht mehr gebraucht...


    Fazit: Ich würde mich nicht danach richten, was JETZT denn gebraucht wird und was nicht. Bis du in 7+ Jahren "ausgelernt" hast, sieht es vielleicht schon wieder ganz anders aus.


    Bei der Sache mit den Noten muss ich meinem Vorschreiber zustimmen... In der Schule hatte ich immer 13-15NP in Mathe und Englisch. An der Uni war ich in Englisch eher im Mittelfeld und in Mathe immer gerade so noch bestanden. Und ich war jetzt nicht faul oder so. Im Gegenteil. Es sind halt einfach andere Anforderungen.

  • Deutsch ist einfach ein Hauptfach, wird total viel unterrichtet an jeder Schulform (auch wenn es eine Menge Leute studieren). Mit Geschichte zusammen ist es sicherlich auch auf längere Sicht nicht so die Traumkombi für das Gros der einstellenden Schulleiter, wie wäre es mit Sozialwissenschaften? (an einigen Unis wie Bielefeld konnte man das auch quasi als halbes Geschichtsstudium anlegen, da jene Fakultät beteiligt war/ist an dem Lehramtsfach). Sowi hat auch den Vorteil, dass es Wirtschaftsanteile hat und man relativ flexibel (auch z.B. an Berufsschulen) einsetzbar ist.


    Aber wenn Geschichte DEIN Fach ist....

  • Ich habe Pädagogik studiert, obwohl damals prophezeit wurde, dass das Fach abgeschafft wird und der Bedarf ja auch sehr gering sei.
    Ich habe im Jahr zwischen 0 und 15 Stunden Päda gehabt.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Deutsch und Geschichte war noch nie eine begehrte Kombi, und das seit den späten 70er Jahren.
    Und in Bayern ist das Gymnasium im Moment so gut wie komplett zu, auch für Mathematiker. Das kann sich zwar ändern, aber mit D/Ge wirst du immer schlechte Chancen haben, einfach, weil es immer noch sehr viele Leute studieren.


    Wie wäre es mit einem dritten Fach? Vll einem aus einem anderen Bereich, eine Naturwissenschaft? Kunst? Musik?

  • Und in Bayern ist das Gymnasium im Moment so gut wie komplett zu, auch für Mathematiker. Das kann sich zwar ändern, aber mit D/Ge wirst du immer schlechte Chancen haben, einfach, weil es immer noch sehr viele Leute studieren.


    Wie wäre es mit einem dritten Fach? Vll einem aus einem anderen Bereich, eine Naturwissenschaft? Kunst? Musik?

    Danke schon einmal für die Antworten.


    Nun, ich hatte jetzt nur die Zahlen aus Bayern gesehen, die hier in einigen Archiven rumgegeistert sind. Ich komme aus Niedersachsen, wo laut Kultusministerium "allgemein gute Einstellungschanchen" herrschen (http://www.mk.niedersachsen.de…raucht-das-land-6374.html). Das klingt deutlich besser, mir aber auch auch etwas zu schwammig. Und Geschichte und Deutsch werden wahrscheinlich auch in Niedersachsen nicht zu den gesuchten Fächern gehören, selbst wenn die Lage hier besser zu sein scheint.


    In Naturwissenschaften war ich ordentlich, würde mir aber nicht ein Studium zutrauen, da das Level dann doch etwas höher liegt. In Kunst bin ich bis zu einem gewissen Umfang talentiert und war auch immer recht gut, hatte das in der Oberstufe aber nur als Abdecker-Fach. Geht es denn so einfach, ein drittes Fach zu nehmen?

  • Hallo FeBe,


    zum einen gibt es Bundesländer, die Gemeinschaftskunde zum verpflichtenden Schulfach für jede Klasse erkoren haben (Verfassungsrang!).
    Darüber hinaus gibt es neben den allgemeinbildenden Schulen auch noch die beruflichen Schulen, in denen hier in BAWÜ alle Klassen G/GK haben - man braucht eine ganze Menge Kollegen, die das unterrichten.


    Wenn du u.U. örtlich flexibel bist und auch in der Schulform sehe ich überhaupt kein Problem darin, D/G zu studieren. Ein drittes Fach ist sicher eine gute Überlegung, aber kein Muss.
    Ich würde meine Fächer nach wie vor studieren. Eine Jobgarantie gibt es in fast keinem Studienfach, das hat mich auch nie interessiert.


    Ich empfehle frühe freiwillige Praktika in mehreren Schulformen.

  • willst du denn primär lehrer werden oder primär was aus den genannten fächern studieren? je nachdem gibt es eine menge alternativen.


    falls es wirklich genau dieses lehramt sein soll: mach einfach mal. ein paar kommen immer unter, und wenn du während des studiums bereits auch im verlags-, kultur-, pr- usw. bereich arbeitest (werkstudent, praktika...), dann hast du notfalls auch eine alternative zum lehramt, falls das nicht klappt, wenigstens bei vertieftem studium (also la gym).


    man ist meist gut in dem, was man gerne macht, und umgekehrt.


    (zum mutmachen: die einzigen beiden einstellungen aus dem hauseigenen seminar zum februartermin waren hier gerade d-kombis. wird schon!)

  • Wenn du Deutsch und Geschichte auf Lehramt studieren willst, weil das deine Fächer sind, du ein hohes fachliches Interesse in dem Bereich hast und diese Inhalte anderen vermitteln willst, dann mach das.
    Es ist ja nicht so, dass es da keine Stellen gibt. Deutsch ist, wie andere schon schrieben, eines der am meisten unterrichteten Fächer mit entsprechend hohem Stellenbedarf. Sehr gute Leute werden da immer eine Stelle finden. Man muss aber ganz klar sagen, dass die Note und der persönliche Eindruck im Ref da relativ wichtig werden können.


    Wenn es noch andere Fächer gibt, für die du dich gleich viel interessierst, dann würde ich persönlich einen Blick auf die Stellenprognose werfen und die mit in die Entscheidung einfließen lassen.



    Wie das dann hinterher nach der Einstellung an der Schule aussieht, kann wieder anders sein. Es gibt z.B. Schulen die haben so viele Physiklehrer, dass einige kaum Physik unterrichten und andere Schulen haben keinen einzigen. Da kann es dir dann je nach Schulsituation durchaus so gehen, dass du primär ein Fach unterrichtest, obwohl dein Zweitfach landesweit ein Mangelfach ist.

  • Die sagten auch, dass Einstellungen heute in Deutsch/Geschichte leichter sind als noch vor 20 Jahren.

    Sagen wir mal so: Eine 86-Tonnen-Lok ist auch leichter als eine 92-Tonnen-Lok. Hier im Forum hat ein Kollege mal sehr überzeugend dargelegt, dass das Fach Geschichte ca. vierfach überversorgt ist. Daran würde ich mich orientieren. Auf saudämliches (oder gefährliches) Geschwätz von der Sorte "Du musst Deine Fächer lieben, dann klappts auch mit der Stelle" würde ich gar nichts geben. Ach so, und noch ein Tipp: Lehrer, die schon "drin" sind, haben zum einen meist wenig Ahnung von momentanen Berufschancen und verklären zum anderen gern die Zeit ihrer eigenen Einstellung ("Woah, was hatten wir es schwer..."). Auch darauf würde ich wenig geben. Die Chancen mit Deutsch/Geschichte waren wohl schon seit dem Krieg nicht mehr rosig, aber so mies wie momentan waren sie wohl kaum jemals.


    Ich würds lassen. Studier statt Geschichte lieber was ordentliches, BWL, Jura, Medizin oder so. Damit hast Du kaum schlechtere Einstellungschancen im Schuldienst als mit Geschichte, kannst Dir aber notfalls auf dem freien Markt ein paar Brosamen verdienen.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

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  • Naja, die Aussichten als BWL'er oder Jurist mit miesem Abschluss oder als abgebrochener Mediziner, weil es ein Notstudium war, sind auch nicht so prima. ;)

    Naja, mit den genannten Fächern kann man immer noch Unternehmensgründer, Abmahnanwalt oder Heilpraktiker werden.


    Aber als Lehrer? Vertreter für Schulbücher?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ah, zunächst einmal danke für die vielen Antworten. Das hilft mir sehr bei meiner Studienwahl, auch wenn die Meinungen und Ratschläge hier sehr divergieren.


    Aber als Lehrer? Vertreter für Schulbücher?

    Na, der Stellenmarkt ist wahrscheinlich eher klein. Allerdings habe ich auch noch keinen arbeitslosen Lehrer getroffen - nun gut, will vielleicht auch nicht jeder gleich zugeben.


    Darüber hinaus gibt es neben den allgemeinbildenden Schulen auch noch die beruflichen Schulen, in denen hier in BAWÜ alle Klassen G/GK haben - man braucht eine ganze Menge Kollegen, die das unterrichten.
    Wenn du u.U. örtlich flexibel bist und auch in der Schulform sehe ich überhaupt kein Problem darin, D/G zu studieren. Ein drittes Fach ist sicher eine gute Überlegung, aber kein Muss.
    Ich empfehle frühe freiwillige Praktika in mehreren Schulformen.

    Kann man denn also von Gymnasium auf Berufsschule einfach so wechseln? Entschuldigung wenn ich so viele Fragen habe, aber man sollte sich ja nicht blindlings in ein Studium stürzen.


    Wenn du Deutsch und Geschichte auf Lehramt studieren willst, weil das deine Fächer sind, du ein hohes fachliches Interesse in dem Bereich hast und diese Inhalte anderen vermitteln willst, dann mach das.
    Es ist ja nicht so, dass es da keine Stellen gibt. Deutsch ist, wie andere schon schrieben, eines der am meisten unterrichteten Fächer mit entsprechend hohem Stellenbedarf. Sehr gute Leute werden da immer eine Stelle finden. Man muss aber ganz klar sagen, dass die Note und der persönliche Eindruck im Ref da relativ wichtig werden können.

    Das trifft schon auf mich zu, ohne in Eigenlob verfallen zu wollen. Ich war in unserer Schulbibliothek immer ziemlich der einzige, der historische Werke oder Literaturklassiker ausgeliehen hat. Du hast Recht, es werden ja so viele Mathe- wie Deutschlehrer gebraucht. Studieren denn einfach mehr Leute Deutsch als Mathe? Zumindest habe ich von einer Lehramtsstudentin gehört, dass einige nur Deutsch wählen, weil sie von diesem Studienfach den geringsten Widerstand erwarten.

  • Danke für den Hinweis, ja - da ist mir ein Fehler unterlaufen (um 9:00 in einem Internetforum). Grundsätzlich habe ich aber keine Probleme mit der Rechtschreibung. Sie können ja noch nach weiteren Fehlern Ausschau halten.

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