BGH-Urteil - eure Meinung?

  • @fossi74: Du zitierst den 323c für Personen mit Garantenstellung, wirklich? Der gilt auch für jeden Mitschüler oder Rentner, der zufällig den Schulhof passiert. Ein Polizist im Dienst, der bei einer Messerstecherei einfach vorbeigeht, macht sich nicht nach §323c strafbar, das tritt hinter §13 in Verbindung mit §212 StGB zurück. Aber das weiß ein Ll.B. sicherlich, "Einführung ins Strafrecht" ist eigentlich an jeder Universität im ersten Semester... :P
    @Krabappel: Erzieher haben auch eine Garantenstellung, genauso wie Trainer und Gruppenleiter. Aus dem Grund musst du bei jeder Verlängerung des ÜL/Trainerscheins ja den aktuellen Erste-Hilfe-Nachweis erbringen.

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    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • @fossi74: Du zitierst den 323c für Personen mit Garantenstellung, wirklich? Der gilt auch für jeden Mitschüler oder Rentner, der zufällig den Schulhof passiert. Ein Polizist im Dienst, der bei einer Messerstecherei einfach vorbeigeht, macht sich nicht nach §323c strafbar, das tritt hinter §13 in Verbindung mit §212 StGB zurück. Aber das weiß ein Ll.B. sicherlich, "Einführung ins Strafrecht" ist eigentlich an jeder Universität im ersten Semester... :P
    @Krabappel: Erzieher haben auch eine Garantenstellung, genauso wie Trainer und Gruppenleiter. Aus dem Grund musst du bei jeder Verlängerung des ÜL/Trainerscheins ja den aktuellen Erste-Hilfe-Nachweis erbringen.

    So, lieber Kollege, vielleicht haben wir uns jetzt mal genug belöffelt (ist ja noch gar nicht Ostern) und können auf die Sachebene zurückkehren.


    Das, was Du jetzt schon zum zweiten Mal in diesem Thread vorführst, nennt der Jurist "Sachverhaltsquetsche". Ein sicherer Punktekiller in Klausuren.
    Es erschließt sich hier nicht, wie Du von einem Polizisten, der in eine Messerstecherei nicht aktiv eingreift, auf einen Polizisten schließt, der überhaupt nichts tut und einfach vorbeigeht. Ebenso wie Du weiter oben von einer Lehrerin, die in eine Prügelei nicht aktiv eingreift, plötzlich auf eine Lehrerin gekommen bist, die überhaupt nichts tut.


    Der Wortlaut des § 323c StGB ist doch ganz eindeutig: Du bist zu der Hilfe verpflichtet, die Dir (aufgrund der Umstände) zumutbar ist. Ein Polizist, der im Dienst (also bewaffnet und normalerweise nicht allein) Zeuge einer Messerstecherei wird, ist selbstverständlich dazu verpflichtet, den Angreifer mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu stoppen. Die von mir angeführte zierliche Kollegin ist selbstverständlich (und zwar nicht erst aus ihrer Garantenstellung heraus) dazu verpflichtet, das ihr Zumutbare zu unternehmen. Beide sind aber nicht per Gesetz dazu verpflichtet, ihre Gesundheit oder ihr Leben zu riskieren.


    Das schreibst Du doch übrigens auch selbst - ich weiß also gar nicht, warum Du mich so angehst:


    Wichtig: Während einer Schulwanderung fällt ein Schüler in einen Fluss und treibt in ein Stauwehr, du bist ausgebildeter Rettungsschwimmer und rufst die 112, das Kind ertrinkt. Rechtlich sauber, du musst nicht dein Leben riskieren.

    Sehr übersichtlich ist der gesamte Zusammenhang übrigens hier dargestellt, ich zitiere nur die entscheidende Passage:

    Neben den üblichen Grundsätzen ist hier an einen besonderen Entschuldigungsgrund zu denken. Gemeint ist die Unzumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens. So kann etwa von dem Täter [hier: derjenige, der nicht eingegriffen hat, Fossi] nie erwartet werden, dass er die Handlungspflicht erfüllt und sich dadurch einer konkreten Lebensgefahr oder konkret drohenden Verletzungsgefahren aussetzt. Dies gilt auch für die Berufsangehörigen von Feuerwehr und Polizei. Allgemein formuliert wäre die Unzumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens dann zu bejahen, sofern der Garant durch diese Handlung eigene billigenswerte Interessen in erheblichem Umfang gefährden würde und das Gewicht der eigenen Interessen bei objektiver Betrachtung mindestens dem Gewicht der verletzten Interessen entspricht, wobei dies durch Abwägung im Einzelfall festgestellt werden muss. Ein beliebtes Beispiel ist die drohende Strafverfolgung im Falle des Tätigwerdens. Wenn ein Autofahrer alkoholisiert einen Passanten anfährt, kann sich dieser natürlich nicht auf billigenswerte Interessen berufen, sofern auf der anderen Seite das Rechtsgut Gesundheit des Passanten zur Debatte steht.

    Mit dem § 212 StGB hat das alles erstmal nichts zu tun. Der ist bei allen unseren Besispielen (Schulhofprügelei, Messerstecherei, Schüler fällt in Fluss) noch weit weg. Schönes Beispiel dazu: Schüler stirbt, Lehrer schuld? - Der dazugehörige Sachverhalt steht hier.


    Ach so, eines noch - das hier, lieber Valerianus,

    So ein gequirlter Kack. Und wie immer in solchen Fällen vollkommen unbelegt einfach mal dahergequarkt.

    bezog sich auf die von Dir zitierte Seite, nicht auf die Tatsache, dass Du sie zitiert hast. Hätte ich vielleicht gleich sagen sollen... sorry.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

    Einmal editiert, zuletzt von fossi74 ()

    • Offizieller Beitrag

    Und ich hebe mal wieder den Moderationsfinger zur üblichen Mahnung (und verkneife mir jeden Gedanken zum Thema 'Männer in tiefer gelegten Autos lassen den Motor aufheulen'. Jedenfalls versuch ich's. Ernsthaft.)

  • Und ich hebe mal wieder den Moderationsfinger zur üblichen Mahnung

    Weißt Du, Meike, ich kann von Lehrern (und anderen) präsentiertes juristisches Halbwissen nicht mehr ab. Ich ertrage sie einfach nicht mehr, diese ständige Melange aus (exemplarisch) "Ich lasse die Eltern mal unterschreiben, dass ich ihre Kinder nicht beaufsichtigen muss", "Wir stehen alle ständig mit einem Bein im Knast" und "Wenn die Eltern wegen einer Note klagen, werde ich rausgeschmissen und bekomme keine Pension. Und der Schäff ist böse mit mir und dieses sinnlose In-den-Raum-werfen irgendwelcher juristischer Fachbegriffe, die man mal von irgendeinem "Fortbildner" gehört hat.


    Ganz zu schweigen von den Leuten, die vom Beamtenrecht und -status keine Ahnung haben. Anekdötle: Eine Kollegin in meinem Umfeld hat sich kürzlich hier in B-W auf eine A 14-Stelle beworben. Die hat sie nicht bekommen, und wisst Ihr warum? WEIL SIE SCHON SEIT JAHREN A 14 WAR. Hatte sie nicht mehr auf dem Schirm, dieses ganze Paragraphengedöns ist ja so gar nicht ihre Welt. Ich meine, es ist ja sympathisch, dass in B-W, anders als z. B. in Bayern, auf diese Titelchen so gar kein Wert gelegt wird, aber nicht mehr zu wissen, ob man StR oder OStR ist ... ohne Worte.

    und verkneife mir jeden Gedanken zum Thema 'Männer in tiefer gelegten Autos lassen den Motor aufheulen'

    Keine Angst, hab ich nicht nötig. Bei mir hebt sich durchaus noch was anderes als die Tachonadel. Ich werf einfach den Schönfelder in die richtige Richtung und gut ist. Und mein letzter Post war eigentlich auch eher versöhnlich, wenn ich mich da nicht schon wieder ganz arg täusche.

  • Wo steht das? Laut UKBW (Unfallkasse Baden-Württemberg) ist das eine "Soll"-Vorschrift.Siehe auch die einschlägige GUV-SI 8065

    Zitat

    "Formulierung "soll":
    (...) Diese Formulierung steht zwischen dem "kann" (Ermessen) und dem "muss" (gebundene Entscheidung ohne Spielraum). Sie bedeutet im Regelfall ein Muss, wobei in begründeten Ausnahmen auch davon abgewichen werden kann. Die Formulierung "soll" gibt also ein Regel-Ausnahme-Verhältnis an." (S.13, Hervorhebung CDL)

    Also ja, es ist eine Sollvorschrift. Aber ich sehe jetzt keinen begründeten Ausnahmefall der dazu führen könnte, dass Sportlehrer (oder auch andere Fachlehrer bei Bedarf) davon abweichen können sollten, auch wenn das die Formulierung prinzipiell zulassen würde. Vielleicht kennst du dank entsprechender Berufserfahrung ja konkrete Fälle bei denen davon abgewichen wurde, wenn ja fände ich die Begründung sehr spannend. :)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Zitat von CDL

    Sportlehrer müssen das in BaWü in bestimmten Abständen auffrischen, bei meinen Fächern ist eine weitere Auffrischung nicht zwingend vorgeschrieben, wenngleich natürlich sinnvoll und empfohlen.


    Zitat von CDL

    Also ja, es ist eine Sollvorschrift. Aber ich sehe jetzt keinen begründeten Ausnahmefall


    Du hast behauptet, dass es bei Sportlehrer ein "muss" wäre. Diesem habe ich widersprochen. Mehr nicht. Dieses "Soll" bezieht sich dann nämlich auch auf fast alle anderen Lehrkräfte:


    "Es ist anzustreben, dass Lehrkräfte, die bei schulischen Veranstaltungen in Situationen gelangen können, die Hilfeleistungen erfordern (z. B. Klassenfahrten, Besichtigungen) adäquat ausgebildet sind."
    Da sehe ich auch keine großen Ausnahmefälle, die nicht unter diese Regelung fallen könnten.


    Ich bin fein raus, ich bekomme meine regelmäßigen Fortbildungen als betrieblicher Ersthelfer bezahlt - das Problem für alle anderen Kollegen ist jedoch, dass sie diesen selbst zahlen müssen und außerhalb der Unterrichtszeit machen müssen. Daran scheitert es z.B. bei uns und in den mir bekannten Kollegien im Sprengel.

  • Zurück zum eigentlichen Thema:



    Das, was ich in der Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil gelesen habe, begrüße ich total:


    Die Lehrer haben fahrlässig falsch gehandelt, das Land kann dafür haftbar gemacht werden. Ob das in diesem konkreten Fall auch tatsächlich passiert, muss nun noch das Gericht, an das die Sache zurückging, entscheiden.
    Hoffentlich sorgt dieses Urteil dafür, dass die Lehrer in allen Bundesländern besser ausgebildet werden und endlich ihre Kurse bezahlt kriegen.


    Dass dies dringend notwendig ist zeigen u.a. die Aussagen in diesem Thread zu HLW, AED, Pflastern, ...

    • Offizieller Beitrag

    Weißt Du, Meike, ich kann von Lehrern (und anderen) präsentiertes juristisches Halbwissen nicht mehr ab. Ich ertrage sie einfach nicht mehr, diese ständige Melange (...) Hatte sie nicht mehr auf dem Schirm, dieses ganze Paragraphengedöns ist ja so gar nicht ihre Welt.

    Kenn ich. Ist - neben vielen berechtigten Anliegen - mein täglich Brot.
    Nur stehe ich da anders dazu bzw. reagiere (nicht) drauf. Sowas geht!
    Ich biete eine Einschätzung meinerseits an, und wenn man meint, man bräuchte die nicht oder wisse es ohnehin besser, wird die nächste mail / der nächste Anruf nicht mehr beantwortet. Dann möge man sich an die Rechtsstelle der eigenen Gewerkschaft wenden, sofern man eine hat, oder einen Anwalt für eine Erstberatung aufsuchen, 165 Euro, bitte, Danke. Einfach gehen lassen :)


    Was ich eher nicht versuche, auch und schon gar nicht bei realen Kollegen, ist eine Ja/Nein Diskussion. Oder "machen, dass ich Recht habe, dadurch, dass ich den Ton verschärfe". Hilft nicht. Nie. Und schon gar nicht, wenn einer oder zwei der beiden oder drei Beteiligten aus sportlichen Gründen immer Recht hat.


    Also, bitte. Peace.

  • @fossi74: Der BGH hat hier als Zivilsenat entschieden und eine eindeutige Amtspflichtverletzung gesehen, aber aus dem Urteil holen wir für die Strafrechtsdebatte nichts raus. Du hast mir ehrlich gesagt, aber immer noch nicht schlüssig dargelegt, wieso §13 StGB nicht greifen sollte. Lehrer sind definitiv Garanten durch ihre Stellung als Amtsträger. Auch die verlinkten Ausführung zum Polizisten halte ich für juristisch nicht weit genug ausgeführt. Ich nehme noch einmal das Beispiel des Rettungsschwimmers. Wenn ich privat jemanden in einem Fluss absaufen sehe, reicht ein Notruf, ich muss nicht rein springen. Wenn mir das bei einer Schulexkursion passiert, muss ich rein (Rettungsschwimmer), solange ich mich dabei nicht ziemlich sicher umbringe (z.B. an einem Stauwehr, o.ä.). Was die juristischen Ausführungen angeht, halte ich es eher hiermit (Unterkapitel Kausalität in Bezug auf dieses Posting & Unterkapitel Garantenstellung im allgemeinen).


    Ich kann leider keinen Studienabschluss in Jura anführen, aber ich bin in den letzten Jahren erfolgreich damit gewesen, in jedem Jahr mindestens eine juristische Fortbildung mit Schulbezug zu besuchen, weil ich deine (unausgesprochene) Meinung teile: Als Lehrer braucht man zumindest solide juristische Grundkenntnisse und wenn du mir den Teil mit §13 erklärst, wäre ich nicht sauer, dass ich Unrecht habe, sondern dankbar darüber was gelernt zu haben.


    @Meike.: Ich halte fossi für außerordentlich kompetent und die Diskussion für bereichernd. Ich kann nur seine Ausführungen, warum für Lehrer nur §323c und nicht §13 StGB gelten sollte, (eventuell auch: noch) nicht schlüssig nachvollziehen. ;)

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    2 Mal editiert, zuletzt von Valerianus ()

  • Du hast mir ehrlich gesagt, aber immer noch nicht schlüssig dargelegt, wieso §13 StGB nicht greifen sollte. Lehrer sind definitiv Garanten durch ihre Stellung als Amtsträger.

    § 13 StGB gilt durchaus - die Frage ist hier allerdings, wofür Lehrer als Garanten einstehen. Der Lehrer hat nämlich eine anders geartete Garantenstellung als z. B. der Polizist. Wir waren aber in der Tat vom Ausgangsfall des hessischen Schülers weggekommen, und ich hatte mich mehr auf die Frage bezogen, ob ein Lehrer körperlich in eine gewaltsame Auseinandersetzung unter Schülern eingreifen muss.


    1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

    Die Formulierung ist - gelinde gesagt - verquast, weshalb der § 13 nicht gerade beliebt ist (weder bei Studenten noch bei Juristen). Zudem ist der Begriff der Garantenstellung gar nicht positiv normiert. Nochmal: Ja, Lehrer haben eine Garantenstellung. Dennoch: Wofür hätten die betreffenden Kollegen - um beim Wortlaut zu bleiben - hier garantieren sollen? Lehrer garantieren (=stehen rechtlich ein) dafür, ihre Schüler bestmöglich zu beaufsichtigen, sie keinen unnötigen Gefahren auszusetzen, ihnen keinen Unsinn beizubringen und noch einiges mehr. Im vorliegenden Fall haben die Kollegen wohl - so bitter das für den Schüler ist - rein rechtlich nichts falsch gemacht: Sie haben die Rettungsleitstelle angerufen und sie haben deren Anweisungen befolgt. Der Rest sind tragische Entwicklungen, die ein Rettungsprofi oder ein kaltblütigerer Ersthelfer vielleicht verhindert hätte, die man aber einem Laien nicht anlasten kann.

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  • Du hast behauptet, dass es bei Sportlehrer ein "muss" wäre. Diesem habe ich widersprochen. Mehr nicht. Dieses "Soll" bezieht sich dann nämlich auch auf fast alle anderen Lehrkräfte: (...)

    Mein Fehler, das war wirklich nicht rechtssauber formuliert. Danke für den Hinweis. :)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Zum Zeitpunkt des Unglücks waren Auffrischungskurse für Sportlehrer in Erster Hilfe in Hessen übrigens noch gar nicht verpflichtend. Nur mal so am Rande eurer Jura-Diskussion. Zum Glück wurden dahingehend die Verordnungen überarbeitet.


    Alle übrigen Lehrer müssen übrigens in Hessen auch heute noch nicht verpflichtend einen aktuellen EH-Kurs haben, es muss nur ein gewissen Prozentsatz des Kollegiums einen aktuellen EH-Kurs vorweisen können. (Sinnvoll ist das nicht!)

  • Interessanter Thread. Als juristischer Laie interpretiere ich die "Garantenstellung" so, dass man natürlich Schülern im Bedarfsfall helfen muss, aber doch nicht so, dass man die eigene Gesundheit oder gar das eigene Leben gefährdet. Das wird ja nicht einmal von Polizisten oder Feuerwehrleuten verlangt, die sich ja berufsmäßig mit Gefahrensituatioen beschäftigen und dafür ausgebildet sind. Warum also ausgerechnet sollte man das von Lehrkräften verlangen?


    Oder ist das nur wieder das allgegenwärtige "Helfersyndrom", dass Lehrkräfte dazu verleitet unter Nicht-Beachtung der eigenen legitimen Interessen anderen um jeden Preis zu helfen?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Interessanter Thread. Als juristischer Laie interpretiere ich die "Garantenstellung" so, dass man natürlich Schülern im Bedarfsfall helfen muss, aber doch nicht so, dass man die eigene Gesundheit oder gar das eigene Leben gefährdet. Das wird ja nicht einmal von Polizisten oder Feuerwehrleuten verlangt, die sich ja berufsmäßig mit Gefahrensituatioen beschäftigen und dafür ausgebildet sind. Warum also ausgerechnet sollte man das von Lehrkräften verlangen?


    Oder ist das nur wieder das allgegenwärtige "Helfersyndrom", dass Lehrkräfte dazu verleitet unter Nicht-Beachtung der eigenen legitimen Interessen anderen um jeden Preis zu helfen?


    Gruß !

    Ein erheblicher Teil der Garantenstellung liegt tatsächlich eher darin, dass nicht nur das aktive Eingreifen in Notlagen gefordert wird (wie von allen, siehe unterlassene Hilfeleistung), sondern dass vorab bereits geeignete Maßnahmen zu treffen sind, die Gefährdungen möglichst ausschließen. Einer der Klassiker der Literatur hierzu ist das Zelten mit Schülern direkt an der Abbruchkante eines Steinbruchs. EIne recht übersichtliche Zusammenfassung findet sich z.B. unter https://www.jura.uni-tuebingen…kte-garantenpflichten.pdf

  • § 13 StGB gilt durchaus - die Frage ist hier allerdings, wofür Lehrer als Garanten einstehen. Der Lehrer hat nämlich eine anders geartete Garantenstellung als z. B. der Polizist. Wir waren aber in der Tat vom Ausgangsfall des hessischen Schülers weggekommen, und ich hatte mich mehr auf die Frage bezogen, ob ein Lehrer körperlich in eine gewaltsame Auseinandersetzung unter Schülern eingreifen muss.

    Die Formulierung ist - gelinde gesagt - verquast, weshalb der § 13 nicht gerade beliebt ist (weder bei Studenten noch bei Juristen). Zudem ist der Begriff der Garantenstellung gar nicht positiv normiert. Nochmal: Ja, Lehrer haben eine Garantenstellung. Dennoch: Wofür hätten die betreffenden Kollegen - um beim Wortlaut zu bleiben - hier garantieren sollen? Lehrer garantieren (=stehen rechtlich ein) dafür, ihre Schüler bestmöglich zu beaufsichtigen, sie keinen unnötigen Gefahren auszusetzen, ihnen keinen Unsinn beizubringen und noch einiges mehr. Im vorliegenden Fall haben die Kollegen wohl - so bitter das für den Schüler ist - rein rechtlich nichts falsch gemacht: Sie haben die Rettungsleitstelle angerufen und sie haben deren Anweisungen befolgt. Der Rest sind tragische Entwicklungen, die ein Rettungsprofi oder ein kaltblütigerer Ersthelfer vielleicht verhindert hätte, die man aber einem Laien nicht anlasten kann.

    Der Lehrer ist in seiner Funktion als Aufsicht sicherlich auch Garant für die körperliche Unversehrtheit seiner Schutzbefohlenen. Im Beispiel der körperlichen Auseinandersetzung dürfte daher das Beispiel mit dem Stauwehr übertragbar sein. Die Gefahr, dass deine Kleidung kaputtgeht oder du nachher blaue Flecken oder Schrammen hast, wirst du eingehen müssen, die Gefahr, dass du nachher im Krankenhaus liegst eher nicht. Natürlich ist das eine Abwägung aus der persönlichen Situation heraus, aber so weit war ich weiter vorne doch auch schon. :)
    Im konkreten Fall hat der BGH ja gerade eine Amtspflichtverletzung festgestellt, d.h. das OLG darf jetzt einen Sachverständigen prüfen lassen, ob die Unterlassung der Lehrer zu der Schädigung geführt hat, was dann eine Haftung nach sich ziehen dürfte. Das heißt jetzt natürlich nicht, dass es sich um strafbar falsches Verhalten handelt, falsch war es aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.


    @Krabappel: Ohne Rettungsschwimmerschein musst du nicht, ohne verdammt gute Schwimmfähigkeit solltest du das auch nicht, ansonsten darf die DLRG da zwei Leute rausfischen...

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    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Meike.: Ich halte fossi für außerordentlich kompetent und die Diskussion für bereichernd. Ich kann nur seine Ausführungen, warum für Lehrer nur §323c und nicht §13 StGB gelten sollte, (eventuell auch: noch) nicht schlüssig nachvollziehen.


    Na, ist doch wunderbar!
    Dann kann man sich Folgendes und tonal ähnlich Gelagertes ja in Zukunft dauerhaft sparen:


    fossi74: Ich ignoriere mal deinen grenzwertigen Tonfall und mache die juristische Anfängerausklärung für Schulleiter:


    Aber das weiß ein Ll.B. sicherlich, "Einführung ins Strafrecht" ist eigentlich an jeder Universität im ersten Semester :P

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Im konkreten Fall hat der BGH ja gerade eine Amtspflichtverletzung festgestellt, d.h. das OLG darf jetzt einen Sachverständigen prüfen lassen, ob die Unterlassung der Lehrer zu der Schädigung geführt hat, was dann eine Haftung nach sich ziehen dürfte. Das heißt jetzt natürlich nicht, dass es sich um strafbar falsches Verhalten handelt, falsch war es aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.

    Im Endeffekt wird es sich - wie so oft - um eine Regelungslücke handeln, die letztendlich vom BVerfG geschlossen werden muss. Ich habe bis jetzt (allerdings auch durch Zeitmangel bedingt) noch keine obergerichtlichen Entscheidungen zum Thema "Garantenpflicht von Lehrkräften" gefunden; die Frage ist aber zu interessant, um sie fallenzulassen. Ich werde dieser Tage mal schauen, ob und was die einschlägigen Kommentare zu dem Thema sagen.


    Der Lehrer ist in seiner Funktion als Aufsicht sicherlich auch Garant für die körperliche Unversehrtheit seiner Schutzbefohlenen.

    Ja - aber in erster Linie dadurch, dass er für eine möglichst sichere Umgebung sorgt. Schüler an der Stange bis zur Hallendecke klettern zu lassen (ob man das überhaupt noch darf?), ohne Matten unterzulegen, wäre mit ziemlicher Sicherheit ein Verstoß gegen die Garantenpflicht. Das kann auch ganz andere Dimensionen annehmen, z. B. die Einfriedung des Pausenhofs, wenn bekannt ist, dass regelmäßig schulfremde Personen dort dealen oder sonstwie Ärger machen (Garantenstellung dann natürlich nicht für den einzelnen Lehrer, sondern den Schulleiter, der sich wiederum an den Schulträger halten muss). Ob mangelhafte (wenn sie es denn war!) Erste Hilfe auch dazu zählt, wird sich ja im weiteren Verlauf des Prozesses zeigen.


    Ansonsten gilt auch in dem Fall, in dem der Lehrer vor der Frage steht, ob er in den Fluss springen soll oder nicht, die Norm des § 323c StGB - Du musst tun, was Dir den Umständen nach zuzumuten ist. Dem Rettungsschwimmer ist es zuzumuten, in den Fluss zu springen (aber nicht 10 m vor dem Stauwehr), dem Laienschwimmer eher nicht.
    Ich kenne übrigens (persönlich) den Fall eines Rettungsschwimmers, gegen den mal wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt wurde, weil er einer Frau nicht nachgesprungen ist, die sich in Suizidabsicht in den Fluss gestürzt hatte. Das Verfahren wurde schnell eingestellt: Er hatte nämlich zwei Kleinkinder dabei, die er nicht unbeaufsichtigt am Flussufer lassen konnte.


    Jetzt habe ich gerade noch eine schöne Darstellung der Garantenpflicht gefunden, auch mit schönem Fallbeispiel. Siehe vor allem den Abschnitt "Garant und Qualifikation".


    Eines noch - unjuristisch, aber vielleicht angebracht: Wie beschissen die Situation natürlich für alle Beteiligten ist, sollte man nicht außer acht lassen - für den Schüler, der jetzt wohl ein Pflegefall ist, für dessen Eltern und für die beteiligten Lehrkräfte, die sich wahrscheinlich schwerste Vorwürfe machen und zusätzlich noch als ignorante Trottel dastehen, die nichts von Erster Hilfe verstehen.

  • Jetzt habe ich gerade noch eine schöne Darstellung der Garantenpflicht gefunden, auch mit schönem Fallbeispiel. Siehe vor allem den Abschnitt "Garant und Qualifikation".

    Und wer kann jetzt, in Panik geraten, die dort beschriebenen Abwägungen fach- und sachgerecht treffen?


    Ansonsten ein sehr interessanter Text.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

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