Lehrer in der heutigen Zeit - würdet ihr es wieder studieren?

  • Bestohlen und belästigt wurde ich noch nicht. Belogen- jein, zählt "Hausaufgaben vergessen", "ich habe nichts getrunken", "zu Hause gibts keine Probleme", "das war ich nicht" etc. dazu?


    Aber beleidigt werden kam schon vor. Erst einmal wirklich übergriffig von einem sehr schwierigen Jugendlichen. Und einmal zischte jemand vor Wut "Fotze". Aber das sind solche Kids, die sich zu Hause mit ihren Eltern prügeln, nicht wirklich repräsentativ.

  • Man muss das jetzt auch nicht überbewerten. Aber kannst du dir sicher sein, es jedesmal gemerkt zu haben, ob du nicht beleidigt oder belogen wurdest?

    das ist doch Schwachsinn. Du kannst dir auch nicht sicher sein, dass du noch nie betrogen wurdest. Trotzdem behauptest du nicht, dass alle Menschen betrügen und dass das dazugehöre.

  • Also würdet ihr mir raten nur Lehrer zu werden, wenn man komplett hinter Kindern steht und enorm belastungsfähig ist?

    Belastungsfähig halte ich für extrem wichtig.
    "Hinter den Kindern stehen" heißt was für dich? Du hast einen Bildungs- und Erziehungsauftrag als Lehrer und bist den ganzen Tag von Jugendlichen umgeben. Da sollten dir dieselben nicht egal sein. Ist irgendwie logisch.

  • ob man sich beleidigt fühlt oder nicht, liegt ja zu einem guten teil auch an einem selbst. so gut wie immer ist die rolle, nicht man selbst gemeint. wenn es um sowas wie "fett" geht, dann geht es eher nicht um dich, sondern vermutlich um die unserer gesellschaft weit verbreitete stereotype ablehnung von adipösen leuten (stereotyp: faul, maßlos, ungepflegt...). das kind reproduziert diese stereotype. da kannste dann mal drüber reden, wenn du magst, oder einfach nen doofen spruch zurückdücken, oder was auch immer. beleigt sein musste eigentlich nicht. gefühl registrieren, weiter machen.

  • "Hinter den Kindern stehen" heißt was für dich? Du hast einen Bildungs- und Erziehungsauftrag als Lehrer und bist den ganzen Tag von Jugendlichen umgeben. Da sollten dir dieselben nicht egal sein. Ist irgendwie logisch.

    Ist das eine gute Entwicklung, der Lehrer als erweiteter Familienbegriff? Früher waren die Schüler nur eine Zeile im Notenbuch des Lehrers, fand ich sogar als Schüler damals gar nicht schlecht. Die Lehrer diskutierten nur über "versetzt" bzw. "nicht versetzt". Eine Haltung zu den Schülern darüber hinaus wurde von keiner Seite erwartet.

  • ernsthaft? ein lehrer, der so denkt, ist mindestens unprofessionell. beziehuungsarbeit ist kernbestandteil eines jeden sozialen berufes, besonders wenn es um kinder oder jugendliche geht. wenn du ernsthaft so arbeiten wilslt, geh bitte in die erwachsenenbildung, und auch da isses nicht optimal, was lernerfolg oder einfach dienstleistungsqualität angeht, falls du den menschlichen faktor wirklich raushaben und nur von erwerbsarbeit reden willst. menschen sind soziale tiere.

  • Ist das eine gute Entwicklung, der Lehrer als erweiteter Familienbegriff? Früher waren die Schüler nur eine Zeile im Notenbuch des Lehrers, fand ich sogar als Schüler damals gar nicht schlecht. Die Lehrer diskutierten nur über "versetzt" bzw. "nicht versetzt". Eine Haltung zu den Schülern darüber hinaus wurde von keiner Seite erwartet.

    Die Wahrheit sollte in der Mitte liegen, denke ich. Mehr als nur ein Eintrag im Notenbuch, aber (deutlich) weniger als Mutter- oder Vaterersatz.

  • es war auch nie so, dass der lehrer keinen menschlichen bezug zum schüler hatte.


    die vielen geschichten und filme über lehrer bilden das ganz anders ab.


    es gibt heute sogar einen Begriff dafür, LSV.


    wenn du mit menschen arbeitest, ist das herz immer dabei. wer keine menschen nah erleben möchte, wird nicht lehrer.

    Ich kann nur für Brandenburg und Berlin Sek 1 sprechen.

  • Ist das eine gute Entwicklung, der Lehrer als erweiteter Familienbegriff? Früher waren die Schüler nur eine Zeile im Notenbuch des Lehrers, fand ich sogar als Schüler damals gar nicht schlecht. Die Lehrer diskutierten nur über "versetzt" bzw. "nicht versetzt". Eine Haltung zu den Schülern darüber hinaus wurde von keiner Seite erwartet.

    Wo steht da was von Familie? Ich schrieb Erziehungsauftrag. Lies dir die ersten beiden Paragraphen deines Schulgesetzes durch, dann weißt du, was du mit deinem Arbeitsvertrag unterschrieben hast.

  • Wo steht da was von Familie? Ich schrieb Erziehungsauftrag. Lies dir die ersten beiden Paragraphen deines Schulgesetzes durch, dann weißt du, was du mit deinem Arbeitsvertrag unterschrieben hast.

    Deswegen hatte ich ja ein Fragezeichen dazugesetzt und wollte natürlich auch etwas überspitzt formulieren.

  • Also würdet ihr mir raten nur Lehrer zu werden, wenn man komplett hinter Kindern steht und enorm belastungsfähig ist?

    Mach doch einfach wirklich ein Praktikum. Ich werde ab Oktober mit dem Studieren (Lehramt) anfangen, obwohl ich mir auch nicht zu 100pro sicher war/bin. Natürlich hört man die ganzen, abschreckenden Geschichten etc, aber trotzdem bringen dir eine Millionen positive Erfahrungsberichte nicht, wenn du nicht selbst in der Situation bist.


    Ich persönlich habe beschlossen, ein Praktikum vor meinem Studium zu machen, damit ich jetzt schon anfange, Praxiserfahrung zu sammeln/die Arbeit zu sehen. Lieber früh merken, was Sache ist, als später in 20 Jahren. Und schau, innerhalb einer Woche ohne Bewerbung habe ich einen Platz für September bekommen. Das kannst du auch.


    Nicht viel nachdenken, einfach machen.

  • Also würdet ihr mir raten nur Lehrer zu werden, wenn man komplett hinter Kindern steht und enorm belastungsfähig ist?


    Mich würde auch interessieren, wie ihr zu Gemeinschaftsschule steht? An sich ist das ja nochmals ein erheblicher Aufwandszuschlag? (wenn man auf drei Niveaustufen Unterricht vorbereiten muss).


    Gibts auch gute Bücher, aus welchen man Unterrichtsmaterial auch mal entnehmen kann? Gerade in Mathematik müsste es sich doch anbieten

    Ein erheblicher Zusatzaufwand sicher nicht, auch an "klassischen" Schulformen kommt man m.E. nicht um Binnendifferenzierung im Unterricht herum.

  • Ich würde es höchstwahrscheinlich nicht mehr machen.


    Damit mich niemand falsch versteht: Das Unterrichten und der Kontakt zu den Schülern machen mir großen Spaß.


    Aber wenn ich an systembedingte Beschränkungen, eine horrende Bildungspolitik und damit verbundenes Weiterwurschteln, eine nicht leistungsgerechte Bezahlung, kaum Karrieremöglichkeiten und keine beruflichen Herausforderungen denke, stelle ich mir andere Berufe deutlich attraktiver vor.


    Beide Seiten gleichen sich dann wieder aus, sodass ich recht zufrieden bin. Im nächsten Leben würde ich wahrscheinlich Medizin oder Jus studieren, da das einfach "brauchbarer" ist.

  • Zwingt dich doch keiner einen anderen Beruf anzunehmen.


    Mal im Ernst; ein verbeamtet Lehrer mit A13+ erhält ein gutes Gehalt. Dazu nicht wenige Ferien (außer man hat sehr korrekturintensive Fächer) und eine gute Altersvorsorge. Und ist unkündbar


    Beschissene Rahmenbedingungen haben wir nun wirklich keine. Sicherlich verbesserungswürdig (gut, Inklusion tangiert mich kaum) aber die hast du auch in anderen Jobs.


    So schlimm geht es uns gar nicht.

  • @Yummi
    Sicher richtig. Uns geht es nicht schlecht, und für unsere Jobsicherheit werden wir auch zu Recht beneidet.


    Aber wenn man das Große Ganze betrachtet, sind die Rahmenbedingungen für Unterricht einfach nicht gut. Man hat ständig vor Augen, was alles möglich wäre, wenn nur die personellen, räumlichen und strukturellen Bedingungen besser wären. Individuelle Förderung könnte so viel bringen, wenn man deutlich kleinere Kurse und Fördergruppen hätte, wenn man mehr Zeit für den einzelnen Schüler, mehr Differenzierungsräume und öfter Doppelbesetzung hätte, wenn es Texte auf mind. drei sprachlichen Niveaus aber mit gleichem Inhalt gäbe, wenn man weniger Verwaltungskram und Konferenzen hätte, und in dieser Zeit mal Produkte von Schülern lesen und korrigieren könnte, die keine Tests und Klassenarbeiten sind, wenn ich mehr Zeit oder weniger Themen im Lehrplan hätte, und und und.
    Das alles kann schon sehr belastend sein, und führt bei einigen dazu, dass man das Unmögliche möglich machen will und sich selbst kaputt macht, oder irgendwann resigniert.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Nicht zu vergessen das Image, das der Lehrerberuf in diesem Land hat. Das kann ich zwar die meiste Zeit ausblenden, aber bin es trotzdem Leid, immer wieder Kommentare (wie: Ach du hast ja jetzt eh x Wochen Urlaub...) zu hören.


    Ich hab den Eindruck, der Lehrerjob ist ein sehr Vorurteil-behafteter und es nervt mich schon manchmal...


    Dennoch wäre es aus jetziger Sicht kein Grund, nicht nochmal Lehrerin zu werden. Ob in 2007 oder 2019 :-)

  • Wenn ich dann erzähle, was bei uns morgens teilweise "abgeht", dann ernte ich immer Kopfschütteln.
    Du bist doch an einer Grundschule, das kann doch gar nicht sein...
    Ich mag meinen Job, ich arbeite gerne mit Kinder zusammen, aber die Rahmenbedingungen nerven mich zur Zeit echt, siehe Jule Beitrag 76!!!

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Wenn ich mich recht entsinne (seh ich am Handy nicht), kommt Josh aus Österreich und darf sich zu Recht über schlechte Bezahlung ärgern. Ich meine, hierorts mal was von unter 2000 Netto gelesen zu haben. Immerhin Euro, nicht Schillinge...

  • Wie sieht es an den Sek1 Schulen aus? Mich schreckt ein bisschen die oftmals propagierten schrecklichen Bedingungen an Real- und Gemeinschaftsschulen ab. Sind die Schüler wirklich so schlimm? Bzw. die Umstände an deutschen Schulen? Würdet ihr rückblickend wieder dasselbe studieren, oder in einem ruhigen aber vllt. etwas langweiligeren Büro-Job verweilen?

    Guten Abend LehramtSek1,


    wahrscheinlich würde ich nicht wieder auf Lehramt studieren, sondern stattdessen mutig(er) sein und in meinem Erststudium promovieren bzw. den beschwerlichen Weg der wissenschaftlichen Laufbahn einschlagen (mein Intellekt liegt seit 1,5 Jahren dermaßen brach - damit hätte ich nicht gerechnet).


    Dabei macht mir die Arbeit mit den Schülern eigentlich meistens Spaß, wie bei vielen hier im Thread sind es aber die Rahmenbedingungen, die teilweise zum echten Problem werden. Ich habe phasenweise so viel zwischenmenschliche Liederlichkeit in meinem Referendariat erlebt, dass ich einfach nur noch raus wollte aus diesen extremen Abhängigkeiten und willkürlich anmutenden "Behandlungen" sogenannter Kollegen.


    "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" wird in der Lehrerausbildung zum Teil noch sehr wörtlich verstanden und damit muss/sollte man rechnen, wenn man sich für ein Lehramtsstudium entscheidet. Auch danach bist du in streng hierarchische Strukturen eingebettet, die wenig zeitgemäß und eher gestrig anmuten; doch darauf kann man sich einstellen und der Vorteil ist unbestreitbar, dass diese verhärtete Struktur ein hohes Maß an Sicherheit bietet, wenn man sich damit arrangiert.


    Ich betone das deshalb so deutlich, weil ich diesbezüglich völlig falsche Vorstellungen hatte und vermutlich bin ich da nicht allein.


    Ach so: Ich habe Lust auf Schule und ich langweile mich (hier sind noch Sommerferien) schon ohne Schultrubel. Ich zwinge mich gerade, nicht zu viel über Schule nachzudenken. Das ist auch ein Problem in dem Beruf, dass man eine Berufung daraus macht und es nicht mehr als normalen Job wahrnimmt. Burnout-Gefahr lässt grüßen!


    der Buntflieger

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