Sprache und Rassismus (ausgelagert aus "Toxische/rechte Atmosphäre...")

  • Einschub der Moderation: Der Anfang der Diskussion war hier: Toxische/Rechte Atmosphäre im Kollegium
    Ausgelagert, weil es in dem Thread offtopic war.
    Ende Einschub.
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    Rassismus ist übrigens keine Geschmacksfrage.

    Es ist schon eine Geschmacksfrage, wo Rassismus anfängt. Darum hatte ich das Beispiel mit den Negerküssen gebracht.


    Humor ist eigentlich auch immer Geschmacksache. Der eine findet einen Witz lustig, der andere findet ihn empörenswert.


    Für mich kommt es immer auf den Kontext und die Situation an. Unterhalten sich etwa zwei Kollegen im Lehrerzimmer unter vier Augen und ich schnappe im Vorbeigehen ein Wort wie "Ölaugen" auf, mische ich nicht in deren Gespräch ein.


    Kommt dagegen ein Kollege morgens ins Lehrerzimmer und lässt erstmal seinen Unmut über die "Scheiss Ölaugen" ab, wäre das für mich natürlich ein Grund zu widersprechen und den Kollegen zurechtzuweisen.


    Ich mache es generell so, dass ich Kollegen direkt darauf anspreche, wenn ich finde, dass ihre Wortwahl grob unangemessen ist.

  • Es gibt keine klare Grenze zwischen Rassismus und "Nicht-Rassismus", die Übergänge sind schleichend. Als Beispiel, es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die sich standhaft nicht in die Lage versetzen, nicht-deutsche Namen korrekt auszusprechen, obwohl man das in einigen Sprachen, wie Türkisch, sehr schnell, in anderen, wie Polnisch, ein bisschen weniger schnell lernen kann. Ich finde, da beginnt schon eine Missachtung, die einen ethnischen Einschlag hat.

  • Ich erwarte von den Schülern, dass sie Englischvokabeln in großer Zahl auswendig lernen, inklusive richtiger Aussprache. Natürlich setze ich mich auf den Hintern und lerne auch 12silbige indische Nachnamen so, dass sie sitzen und keiner Verballhornung gleichkommen, wenn ich sie laut spreche. Das ist das absolute Minimum. Mit Kollegen, die lange/seltene/komplexe Namen haben, macht man das ja auch. Außer, man ist der totale Stoffel.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • ich hoffe, das ist nicht auch zu OffTopic, aber kann mir jemand erklären, was "Ölaugen" sein sollen? Ich habe den Begriff hier zum ersten mal gelesen, und google spuckt nur "Beleidigung für Migranten" aus. Aber was ist bitte an deren Augen für rechte Hetzer potentiell ölig?

  • ich hoffe, das ist nicht auch zu OffTopic, aber kann mir jemand erklären, was "Ölaugen" sein sollen? Ich habe den Begriff hier zum ersten mal gelesen, und google spuckt nur "Beleidigung für Migranten" aus. Aber was ist bitte an deren Augen für rechte Hetzer potentiell ölig?

    Ich habe diesen Ausdruck auch nocht nie gehört oder gelesen.

  • Ich erwarte von den Schülern, dass sie Englischvokabeln in großer Zahl auswendig lernen, inklusive richtiger Aussprache. Natürlich setze ich mich auf den Hintern und lerne auch 12silbige indische Nachnamen so, dass sie sitzen und keiner Verballhornung gleichkommen, wenn ich sie laut spreche. Das ist das absolute Minimum. [...]

    Stimmt. Manchmal frage ich mich aber, ob es nicht auch Grenzen gibt. Wenn z.B. beide Eltern deutsch sind, das Kind in Englisch mangelhaft steht; Kind und Eltern (nur) deutsch sprechen, sie aber den Namen englisch statt deutsch ausgesprochen haben wollen.

  • "Negerküsse", "Mohrenköpfe" oder "Zigeunerschnitzel"

    Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich hoffnungslos naiv, aber bei allen drei Begriffen konnotiere ich immer noch viel eher eine Reminiszenz an die einst damit assoziierte Exotik (ähnlich wie bei "Kolonialwaren") als die den zugehörigen Menschengruppen zugeschriebene negative Eigenschaften.

  • Fossi, Ein Teil von mir tut das im Prinzip auch, aber ich habe eben erlebt, dass manche Menschen das anders sehen und aus Rücksicht auf ihre Gefühle bricht mir kein Zacken aus der Krone, wenn ich mich bemühe, sie nicht zu verwenden.

  • Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich hoffnungslos naiv, aber bei allen drei Begriffen konnotiere ich immer noch viel eher eine Reminiszenz an die einst damit assoziierte Exotik (ähnlich wie bei "Kolonialwaren") als die den zugehörigen Menschengruppen zugeschriebene negative Eigenschaften.

    Ich finde das hat gar nichts mit Naivität zu tun, eher mit einer gewissen Unschuld derjenigen, die mit diesen Begriffen groß wurden, ohne sie selbst gesetzt zu haben. Ich kenne diese Begriffe auch aus meiner Jugend und nenne "Schaumküsse" bis heute im Kopf manchmal "Mohrenköpfe", weil das dort noch so verankert ist. Ich bin aber als empathischer Mensch dazu imstande zu verstehen und zu respektieren, dass diese Begrifflichkeiten angesichts ihrer ganz und gar nicht unschuldigen Genese verletzend sind oder sein können für Menschen dunklerer Hautfarbe oder für Sinti und Roma, mit ihrem sowieso sehr prekären gesellschaftlichen Status nicht nur hierzulande und verwende diese Begriffe deshalb nicht mehr aktiv. So wie ich mir auch aus meiner eigenen Betroffenheit heraus wünsche, dass meine Mitmenschen sensibel reagieren, wenn floskelhaft "Bist du behindert oder was!?" dafür verwendet wird menschliche Dummheit zu umschreiben, gebietet es der Respekt auch die Würde anderer Bevölkerungsgruppen zu achten und das beginnt nunmal immer und unausweichlich mit der Art und Weise, wie wir mittels Sprache Grenzen verschieben, uns unser vermeintliches Recht nehmen "doch mal sagen zu dürfen" und dadurch Grenzen des Sagbaren zu verschieben suchen oder eben auch, indem wir uns bewusst dafür entscheiden Respektlosigkeiten der Vergangenheit nicht weiterzuführen, weil wir verstanden haben, dass es sich um solche handelt und wir nicht bewusst die Gefühle von Mitmenschen verletzen wollen, wir ihre Würde achten wollen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • klar darf man das sagen. genau wie dein gegenüber dir dann sagen darf, dass du offenbar bestenfalls ein gedankenloser, egozentrischer depp, schlimmstenfalls ein nazi bist.


    ad mit rechten reden: meiner erfahrung nach sinnlos. ignorieren, isolieren, bei justiziablen fällen konsequentes eskalieren nach oben. im konkreten einzelfall immer und sofort deutliche gegenrede.
    etwa zehn prozent der bevölkerung in deutschland haben seit ende des zweiten weltkriegs (und wohl auch davor) immer geschlossene rechte weltbilder, seit plus/minus fünf jahren wird dergleichen auch wieder verstärkt öffentlich geäußert. da hilft nur geschlossene front zur abwehr.
    (die kampfrethorik ist bewusst gewählt, es geht da wirklich ans eingemachte, letztlich um den schutz unserer offenen gesellschaft. in halle sind schon wieder menschen opfer des rechten terrors geworden.)

  • klar darf man das sagen. genau wie dein gegenüber dir dann sagen darf, dass du offenbar bestenfalls ein gedankenloser, egozentrischer depp, schlimmstenfalls ein nazi bist.

    Ich würde dann doch ersteres bevorzugen, danke. Im Übrigen mag ich weder Schaumküsse noch Schnitzel mit Paprikasoße, insofern besteht wenig Gefahr, dass ich überhaupt in die Verlegenheit komme, mir auf der Suche nach unbelasteten Ausdrücken dafür einen abzubrechen.


    "Depp" ist übrigens eine justiziable Beleidigung. Nur so angemerkt.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • klar darf man das sagen. genau wie dein gegenüber dir dann sagen darf, dass du offenbar bestenfalls ein gedankenloser, egozentrischer depp, schlimmstenfalls ein nazi bist.

    Mir fällt dazu eine herrliche Anekdote ein:
    Zu meinem Geburtstag hatte ich meiner Klasse Mohrenköpfe ausgegeben. In meiner Klasse war damals auch ein somalischer Flüchtling. Eine Schülerin sagte das Wort Mohrenkopf und korrigierte sich direkt selbst: "Schokokuss. Mohrenkopf sagt man ja nicht." Da ich mir schon dachte, dass mein Schüler das nicht kennt, übernahm ich das Ruder. Ich erklärte dem Schüler, wo diese beiden Begriffe herkommen und weil man Neger und Mohr vor längerer Zeit auch als Beschimpfung verwendet hat, wurden irgendwann die offiziellen Namen geändert. Er quittierte das in seiner unnachahmlichen Art mit: "Ja und? Was hat das mit mir zu tun?"
    Stimmt, da hat er einfach Recht. Er lebt heute und nicht vor 50/100/... Jahren. Niemand hat ihn wegen seiner Hautfarbe beleidigt oder benutzt diese Begriffe in einer despektierlichen Weise. Wenn er Nigger genannt wird dann von seinen ebenfalls somalischen Freunden! Und natürlich meinen sie es nicht als Beleidigung.
    Lese ich den Begriff Zigeunerschnitzel, denke ich an ein leckeres Schnitzel mit pikanter Paprikasauce und nichts anderes. Wie man sich davon beleidigt fühlen kann, geht mir ab. Da muss man schon arg empfindlich sein. Fühlen sich dann Wiener, Jäger, Frankfurter, Holsteiner, Elsässer, Hawaiianer usw. (es gibt so viele Schnitzelsorten) auch von diesen Bezeichnungen beleidigt? Die Namensentstehung dieser Variationen entstand doch auch nicht anders.

  • Lese ich den Begriff Zigeunerschnitzel, denke ich an ein leckeres Schnitzel mit pikanter Paprikasauce und nichts anderes. Wie man sich davon beleidigt fühlen kann, geht mir ab. Da muss man schon arg empfindlich sein. Fühlen sich dann Wiener, Jäger, Frankfurter, Holsteiner, Elsässer, Hawaiianer usw. (es gibt so viele Schnitzelsorten) auch von diesen Bezeichnungen beleidigt? Die Namensentstehung dieser Variationen entstand doch auch nicht anders.

    Ich hatte genau dazu gestern schon geschrieben, leider ist der Post mit den anderen verschwunden. Deshalb in Kurzform:
    Als Mitglieder einer Gruppe, die aufgrund ihrer Herkunft niemals Diskriminierung erleiden musste, überlasse ich es gerne denjenigen, die Diskriminierung erfahren mussten, zu entscheiden, welche Begriffe inakzeptabel sind oder nicht.

  • Naja ... "Zigeuner" ist eine durchaus problematische Bezeichnung für eine Bevölkerungsgruppe ... Wiener, Jäger, Frankfurter sind nicht beleidigend. Wie würden denn Norddeutsche als Gruppe zu einem "Fischkopfschnitzel" stehen?

  • Das ist aber genau der Punkt ... wenn es dafür schon eine Bezeichnung gibt, wie fühlt es sich dann an, wenn es jemand mit einem Ausdruck belegt, den man in Bezug auf sich selbst evtl. nicht gern hört? Aber ich denke, Du wusstest auch schon vorher, was ich meinte ;)

  • wenn mir jemand sagen würde, dass ich ein gedankenloser, egozentrischer depp bin, dann würde ich mir gedanken machen, warum die person das wohl sagt, was ich verletzendes geäußert habe (vor allem, wenn das jemand mir rückmeldet, der sonst sowas nicht sagt und nicht stänkert), um so eine reaktion zu provozieren. andere würden das gegenüber anzeigen. kann man beides machen.


    oder halt einfach keine begriffe nutzen, die eine diskriminierende semantik transportieren, auch wenn du individuell das vielleicht ganz anders meinst. die semantik deiner aussagen steht nicht in deiner oder meiner oder wessen gewalt auch immer, sie ensteht systemisch, durch wiederholten gebrauch, der sich immer wieder wiederholt. da eine weitere wiederholung eines in der vergangenheit diskriminierenden sprachgebrauchs draufzusetzen erscheint ziemlich - bestenfalls - dumm und deppert und egozentrisch ("mir egal, ob das zu rassistischen praktiken beiträgt, ich werde ja nicht diskriminiert, ich bin weiß und mehrheistgesellschaft"), schlimmstenfalls sagt man sowas, weil man halt ein nazi ist.


    "depp" ist übrigens in bayern eine ziemlich freundliche bezeichnung, das sagt der trainer zu seinem sportler, der kumpel zu seinem besten freund, die braut zu ihrer brautjunger ("a geh her, du depp, was hastn da schoa wieda gmacht..."). ach, war trotzdem beleidigend? ja nun, so war es doch gar nicht gemeint...

  • Ich hatte genau dazu gestern schon geschrieben, leider ist der Post mit den anderen verschwunden. Deshalb in Kurzform:Als Mitglieder einer Gruppe, die aufgrund ihrer Herkunft niemals Diskriminierung erleiden musste, überlasse ich es gerne denjenigen, die Diskriminierung erfahren mussten, zu entscheiden, welche Begriffe inakzeptabel sind oder nicht.

    Wenn "Betroffene" diesen Begriffen aisgesetzt sind und damit in konkreten Fall ein Problem haben, dann ist die Wahl eines anderen Begriffes sicher nicht falsch. Aber vorauseilender Gehorsam und die Ansichten grundsätzlich empörter "Inreressenvertreter" sind keine Grundlage für eine Verhaltensänderung.


    Ein schwarzer Freund hat sich auch mal darüber halb kaputt gelacht, dass sich einer seiner schwarzen Freunde rassistish beleidigt gefühlt hat, als er mit seiner 15cm kleineren, sehr weißen, sehr blonden Freundin Händchen haltend durch die Gegend gelaufen ist und das Paar häufig angeschaut (nicht angesprochen oder beleidigt) wurde. Dieses grundsätzliche Beleidigtsein und sich angegeriffen Fühlen ist wirklich anstrengend und eine geschickte Ablenkung von echten Problemen.


    Ich werde aufgrund meiner Optik (dunkle Haare, dunkle Augen, relativ starker, dunkler Bartwuchs) und meines Nachnamens (der nicht Schmidt lautet) auch öfter mal als Mensch mit Migrationshintergrund wahrgenommen. So what? Einfach mal entspannen.

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