Ausbildungsnachweis (Berichtsheft) in der Berufsausbildung - „Warum“ eigentlich?

  • Ich habe mir mal ernsthaft Gedanken um das Thema Berichtsheft gemacht und habe mich wirklich gefragt: „Warum muss man eigentlich diese Berichtshefte schreiben?“


    Ok, da gibt es zum einen natürlich die gesetzliche Forderung in Form des BBiG. Aber wenn man diese mal außer Acht lässt (zumal sich Gesetzte und Verordnungen Ja anscheinend ziemlich schnell ändern lassen s. Corona), sehe ich keine sinnvolle, pädagogische und für die Entwicklung des Azubis herausragende förderliche Begründung, wieso dieser während der Ausbildung ein Berichtsheft führen muss, in dem er aufführt, welche Tätigkeiten er den ganzen Tag verrichtet hat. Welchen Nachhaltigen Nutzen soll das ganze denn haben? Damit man sich eine Dokumentation seiner Ausbildung als Poesiealbum Zu Hause ins Regal stellen und beim Vorbeigehen jedes mal in einem Anfall voller Nostalgie erstarren kann? Sorry, aber ich kenne keinen der so etwas macht. Im Gegenteil, wenn ich bei meinen Freunden das Thema anspreche kommen fast ausnahmslos sinngemäß folgende Sätze:“ Was? Berichtsheft? Paahh...Ich war froh als ich das Ding im hohen Bogen in die Mülltonne pfeffern konnte und habe mit Genugtuung zugesehen wie die Müllabfuhr es mit todbringender Sicherheit in die Mülldeponie befördert...Kann sich ja dort nochmal Jemand die Mühe machen und es sich durchlesen, wenn es denjenigen so brennend interessiert was ein IT-Techniker macht:D“.


    Zum anderen scheinen Berufsausbildungsverhältnisse das einzige Konstrukt zu sein, in denen so etwas gefordert wird...Warum eigentlich? Warum nicht auch die Schüler ab der 7. oder 8. Klasse dazu „verdonnern“? Einige schreien ja lauthals: „Mehr Disziplin! Und noch mehr! Und noch mehr!“ Also, Bitteschön. Hier ist die Lösung: Wenn Berichtsheft schreiben keine Disziplin einfordert, dann weiß ich auch nicht mehr. Wieso nicht auch die Gymnasiasten und sonstigen Abiturieneten? Es wäre doch wohl mehr als sinnvoll, wenn man kurz vorm Abitur die selbstgefertigten Aufzeichnungen, über das was man diese und jene Stunde durchgenommen hat Nochmal zu Rate ziehen könnte...Wäre bestimmt zielführender als so manch ausgeteiltes Merk-bzw. Arbeitsblatt.


    Aber es ist nicht vorgeschrieben für Schüler bzw. für Abiturienten, trotz dieser „höherwertigen Ausbildung“ ( so ist es ja in der größten Masse Zumindest beim Abitur gesehen) scheint man von den Schülern nicht einzufordern, sich mit dem Unterrichtsstoff Nochmals kritisch, reflektiert auseinander zu setzten in Form des Niederschreibens, obwohl dies eine sehr gute Methode ist um Dinge im Gedächtnis zu festigen und im Gehirn miteinander zu verknüpfen...mhh...trotz dessen scheint es in der schulischen Bildungslandschaft kaum Beachtung zu finden...obgleich die Gymnasien die Schüler auf die spätere Ausführung hochqualifizierter, hochverantwortungsvoller Jobs vorbereiten sollen, die nach dem Studium oder sofort danach ergriffen werden...aber für diese Sachen scheint das Berichtsheft kein Kriterium zu sein...da drängt sich mir die Frage auf: Warum dann in der Berufsausbildung und warum nur in der dualen? Soweit ich weiß ist es auch in der rein schulischen Berufsausbildung ( also Erzieher, Rettungsassistenten, etc.) nicht vorgeschrieben einen solchen „Ausbildungsnachweis“ zu führen (Korrigiert mich bitte wenn ich falsch liege).


    Also unterm Strich bin ich durchaus dafür, dass man diese Dinger, die man so hochtrabend „Ausbildungsnachweis“ nennt, abschafft. Lieber das Papier was dadurch eingespart wird und die Zeit ( und dies wird eine Menge Papier und Zeit sein die da frei werden) nutzen um darauf mehr alte Prüfungsaufgaben auszudrucken und in der mehr gewonnen Zeit, in der dieses schnöde, sinnlose schreiben von Sätzen wie „ Ich habe heute dieses und jenes gemacht“ entfällt, sich ganz und gar der Prüfungsvorbereitung zu widmen. Ich dachte eigentlich immer, dass es auch in der Berufsausbildung darum geht den jungen Menschen so viel wie möglich an Erfahrungen, an Persönlichkeitsentwicklung mitzugeben...oder...sollte ich mich täuschen?...Geht es vielleicht doch darum die jungen Menschen zu unmündigen Robotern zu machen die immer brav protokollieren: Das und das ist erledigt, das und das habe ich gemacht? Etwas mehr Niveau könnten wir uns doch auch mal in der Berufsausbildung leisten, oder?:).


    Also dann lasst mal hören was ihr dazu denkt. Ich wäre natürlich besonders daran interessiert was die Kollegen aus den allgemeinbildenden Schulen dazu sagen (also Haupt-, Realschulen, Gymnasien), aber auch ein paar Statements von den Lehrern aus dem Bereich der BK´s.


    In diesem Sinne: Schönen Abend allerseits.

  • „Warum muss man eigentlich diese Berichtshefte schreiben?“

    Hm. Ganz laienhafte Vermutung eines "Studierten", der nie eine Ausbildung absolviert hat: Vielleicht als Nachweis, dass alle von der Ausbildungsordnung geforderten Inhalte "dran" waren? Soll ja früher nicht wenige Azubis gegeben haben, deren "Ausbildung" sich hauptsächlich in Extrem-Leberkäsweckholing und Hofkehring erschöpft hat.

  • Hm. Ganz laienhafte Vermutung eines "Studierten", der nie eine Ausbildung absolviert hat: Vielleicht als Nachweis, dass alle von der Ausbildungsordnung geforderten Inhalte "dran" waren? Soll ja früher nicht wenige Azubis gegeben haben, deren "Ausbildung" sich hauptsächlich in Extrem-Leberkäsweckholing und Hofkehring erschöpft hat.

    So ist es. Wir machen im HWK-ausschuss auch DEUTLICH öfter Terz,weil sich mit dem Nachweis bestätigt, dass manche Betriebe mies ausbilden, als weil einem mal was fehlt.

  • Soweit ich weiß ist es auch in der rein schulischen Berufsausbildung ( also Erzieher, Rettungsassistenten, etc.) nicht vorgeschrieben einen solchen „Ausbildungsnachweis“ zu führen (Korrigiert mich bitte wenn ich falsch liege).

    Da werden Klassenbücher geführt, in denen alle Inhalte stehen, somit keine Notwendigkeit, dass die Schüler selbst eines führen.


    Beim Rest gilt, was @DpB sagt. Damit könnte man als Azubi auch gegen eine schlechte/mangelhafte Ausbildung vorgehen

  • So kenne ich es auch. Ein Bekannter von mir hat eine Ausbildung im Handwerk gemacht und das Berichtsheft war eher eine Absicherung für ihn, als alles andere. Er hat es nicht gerne geschrieben, aber es hatte den Effekt, dass er Aufzeichnungen darüber hatte, was er in der Ausbildung schon gemacht hatte. Und ja, er war mit dem Berichtsheft bei der HWK um sich zu beschweren. Es hat etwas genutzt.

  • ... Ich wäre natürlich besonders daran interessiert was die Kollegen aus den allgemeinbildenden Schulen dazu sagen (also Haupt-, Realschulen, Gymnasien),

    Woher sollten gerade die das beantworten können?

    ... wenn ich bei meinen Freunden das Thema anspreche kommen fast ausnahmslos sinngemäß folgende Sätze:“ Was? Berichtsheft? Paahh...Ich war froh als ich das Ding im hohen Bogen in die Mülltonne pfeffern konnte...

    Deine Freunde in der Ausbildung?

    Es wäre doch wohl mehr als sinnvoll, wenn man kurz vorm Abitur die selbstgefertigten Aufzeichnungen, über das was man diese und jene Stunde durchgenommen hat Nochmal zu Rate ziehen könnte...

    Nennt sich Hefteintrag und existiert bereits.


    ...scheint man von den Schülern nicht einzufordern, sich mit dem Unterrichtsstoff Nochmals kritisch, reflektiert auseinander zu setzten in Form des Niederschreibens, ...

    Doch, nennt sich Hausaufgaben oder auch Lerntagebuch.

    ...

    Aber es ist nicht vorgeschrieben für Schüler bzw. für Abiturienten, trotz dieser „höherwertigen Ausbildung“...

    Ganz generell: das Abi wird auch als allgemeine Hochschulreife bezeichnet. Ich würde nicht nur davon ausgehen sondern auch hoffen, dass der Abiturient was anderes kann als der Elektriker, der an meinem Herd rumfummelt.

  • Doch, nennt sich Hausaufgaben oder auch Lerntagebuch.

    Bei uns müssen auch in einigen Vollzeit-Klassen die SuS ein Lerntagebuch führen. Ansonsten kann man die Unterrichtsinhalte, die im (berufsschulischen wie auch vollzeitschulischen) Unterricht vermittelt wurden, dem Klassenbuch entnehmen.


    Im Übrigen kann ich @DpB , Kiggie und fossi74 nur zustimmen: Das Berichtsheft dient der/dem Azubi als Nachweis über die Ausbildungsinhalte im praktischen (=betrieblichen) Teil ihrer/seiner dualen Ausbildung.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich gebe zu, mich hat das Berichtsheft während der Ausbildung auch genervt. Aber im Nachhinein ist es amüsant, wenn ich daran zurückdenke. Die erste Zeit hatte ich die Blätter von Hand ausgefüllt, dann habe ich mir eine elektrische Schreibmaschine gekauft. Kommentar eines älteren Kollegen aus meinem Ausbildungsbetrieb (Mitte 90er): „Eine Schreibmaschine kann man immer brauchen, das ist eine Anschaffung fürs Leben“. 😂😂

  • Das weckt leidliche Erinnerungen.


    Ich habe seinerzeit in meinem früheren Leben eine Ausbildung in der Verwaltung gemacht. Dabei musste man alle drei Monate die Behörde wechseln und somit verschiedene Stellen durchlaufen. Begrüßt wurde ich stets mit dem Ausruf "Oh, wir haben ganz viel Ablage, die abgeheftet werden muss." Und das war dann auch mein drei Jahre langer Arbeitsalltag (mit eher wenigen Ausnahmen). Dementsprechend sahen dann auch die Einträge im Berichtsheft aus. Viel rein geschrieben habe ich nicht, weil ich mir mit der Zeit selbst blöd vorkam, wöchentlich dasselbe einzutragen.

    Der Inhalt des Berichtsheftes ist dann von den Verantwortlichen in der Ausbildungsleitung auch kritisiert worden, was aber nicht hieß, dass das auf die Aufgabenstellungen zurück gespiegelt wurde ( ... ) :autsch:

    (Vielmehr wurde erwartet, dass ich die Ablage kreativ vielfältig umschreibe.)


    Also ja, war in meiner Erfahrung völlig unnütz.

  • Na ja, zu meiner Zeit gab es noch die Unterscheidung zu Wochen- und Tagesberichten. Im Handwerk musste man Tagesberichte schreiben, während im kaufmännischen Bereich waren es glücklicherweise nur Wochenberichte.

    Und da ich damals so fleißig war, durfte ich vor der Zwischenprüfung 4 Monate nachtragen....das war auch Mist.

  • Ja, das kreative Umschreiben der Ablage kenne ich auch 😂 Ich wusste ja, was ich laut Ausbildungsplan hätte lernen sollen, also habe ich es auch reingeschrieben. Der zuständige Abteilungsleiter hat es dann unterschrieben 😂 Es gab ja schon auch Lehrgespräche dazu... aber praktisch angewendet habe ich vieles nicht. Da war die Ablage wichtiger.

  • ich hab das Berichtsheft an Computer geschrieben und jede Woche die Reihenfolge geändert.

    So hatte ich einen sehr abwechslungsreichen Arbeitsalltag:

    Woche 1 erst Überweisungen von Kunden entgegen genommen und danach beim Befüllen des Geldautomaten geholfen

    Woche 2 beim Befüllen des Geldautomaten geholfen und danach Überweisungen von Kunden entgegengenommen :autsch:

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Das klingt furchtbar, ich dachte, es werden überall gute Azubis gesucht? Dass man nicht jeden Tag unendlich Zeit hat ist ja klar, aber was ihr beschreibt, finde ich echt traurig.

  • Nun ja, in meinem Fall ist das fast 30 Jahre her. Die massiven Ablagearbeiten dürften sich im fortgeschrittenen Computerzeitalter nun mittlerweile überwiegend erledigt haben. Fragt sich dann allerdings, womit die Auszubildenden heutzutage beschäftigt werden :zahnluecke:

  • naja, in einem durchschnittlichen Ausbildungsberuf macht man, auch wenn man fertig ist, eben regelmäßig wiederkehrende Aufgaben.

    Die Kunden erwarten nun mal z.B. bei einer Bank, dass der Geldautomat regelmäßig befüllt wird. Was soll man da tagtäglich spannendes erleben?

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Es heißt ja nicht umsonst Übung macht den Meister (oder eben Gesellen/Facharbeiter). Ich habe auch sehr oft wiederkehrende Arbeiten gehabt. Das ist aber doch auch als Lehrkraft nicht furchtbar viel anders. Manche Sachen sind nach dem ersten Mal langweilig, manche bleiben auch bei mehreren Wiederholungen interessant.

  • naja, in einem durchschnittlichen Ausbildungsberuf macht man, auch wenn man fertig ist, eben regelmäßig wiederkehrende Aufgaben.

    Die Kunden erwarten nun mal z.B. bei einer Bank, dass der Geldautomat regelmäßig befüllt wird. Was soll man da tagtäglich spannendes erleben?

    Nichts. Das trifft auch auf die meisten Bankangestellten zu - unter anderem deshalb ist mir die Entscheidung für ein Studium sehr leicht gefallen 😉

  • naja, in einem durchschnittlichen Ausbildungsberuf macht man, auch wenn man fertig ist, eben regelmäßig wiederkehrende Aufgaben.

    Die Kunden erwarten nun mal z.B. bei einer Bank, dass der Geldautomat regelmäßig befüllt wird. Was soll man da tagtäglich spannendes erleben?

    Ein Ausbildungsbetrieb verpflichtet sich aber, in der Ausbildung alle (EDIT) für das bestehen (EDIT ENDE) wesentlichen Inhalte zu vermitteln, sonst darf er nicht ausbilden. Ob die danach (!) in diesem Betrieb noch gebraucht werden, ist für die Zeit der Ausbildung irrelevant.

    Notfalls muss der Ausbildende Alternativen suchen (bei uns wird einiges durch die ÜBA aufgefange. Den azubi an andere Betriebe "ausleihen" bzw mit einem anderen tauschen wäre auch ne Möglichkeit.)


    Wir hatten schon mehrere Fälle, bei denen im Berichtsheft ein halbes Jahr lang sowas stand wie "Schlitze Fräsen, Kabelkanal montieren, Steckdosen anschließen" stand.


    Diesen Betrieben treten wir gehörig auf die Füße. Unsere Kammer ist da zum Glück ziemlich rigoros,und von mindestens zweien weiß ich, dass ihnen die Ausbildungserlaubnis entzogen wurde.

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