Sollte man - wenn man Lehramt studiert - schon vor Beginn des Studiums einen Lehrer-Charakter haben?

  • Ich habe in den letzten 12 Jahren, also seit ich unterrichte eine (i. W.: eine) Unter- bzw. Mittelstufenklasse mit 35 Insassen gehabt, deren Namen ich vollständig konnte. Die hatte ich in beiden (Neben-) Fächern. Ansonsten entfallen mir spätestens in den Ferien wieder einige Namen. Bei kleineren Oberstufenkursen geht es besser.

    Meine Lösung: Sitzpläne und auf feste Sitzordnung bestehen und sich nach jeder Stunde (spätestens am Nachmittag) Notizen zur sonstigen Mitarbeit machen.

    In den UBs war es auch kein Problem, vor dem Aufrufen kurz auf den Sitzplan zu schielen oder auch eine Person dranzunehmen, indem man sie auffordernd ansah.

  • Ist aber schon krass, wir haben wahrscheinlich an der ganzen Schule so viele Kinder, wie ihr in euren Einstundenfächern pro SJ... Wie viele Namen müsst ihr im Schnitt pro Jahr "anwenden"?

    • Offizieller Beitrag

    Mit "nur" 6 Lerngruppen, was bei VZ-Lehrer**innen echt wenig ist, kam ich in einem Jahr auf fast 150 SuS.
    Ich brauche (trotz 4stündiger Fächer) bis zu den Herbstferien in großen Klassen, nach den Herbstferien stocke ich wieder.
    Aber: Ich habe auch SuS, die ich zum Teil 5-6 Jahre im Unterricht (vielleicht ein Jahr Unterbrechung) hatte, Namensdreher, die mir so peinlich sind... Ich weiß ganz genau, dass Maria einen älteren Bruder (nicht auf der Schule) hat, ihre Eltern geschieden sind, sie einen Hasen hat, sie reitet und tanzt, liebt Mathe und singen, überall tolle Noten schreibt, usw... Ich weiß genau, dass Stefanie neben ihr zwei kleine Schwester hat, wo sie wohnt, sie schwimmt und einen Hund hat, ich weiß, dass sie bei mir nie ganz genial sein wird, aber eine der nettesten Schler*innen ist, so bemüht und sozial und die beste Freundin von Maria ist. Aber wenn ich eine aufrufe, dann 50:50 mit dem falschen Vornamen. Deren Fehler: nebeneinander sitzen und beide blond. Wow... und wenn der Namensdreher drin ist, ist er drin. In der selben Lerngruppe dasselbe bei zwei Jungs.
    Wenn ich dann eine einstündige "Lernzeit" habe und dann nichts über das Kind weiß... dann gebe ich auf und verlange Namensschilder und einen festen Sitzplan. Ich kann nämlich spätestens nach 3 Wochen den Sitzplan auswendig in jeder Klasse. Ob das jeweilige Kind eine Brille trägt, oder das Kind auf dem Schulhof erkennen? Fehlanzeige... aber wenn ich die kritische Phase der Herbstferien überstanden habe, ist alles gut.

  • Ist aber schon krass, wir haben wahrscheinlich an der ganzen Schule so viele Kinder, wie ihr in euren Einstundenfächern pro SJ... Wie viele Namen müsst ihr im Schnitt pro Jahr "anwenden"?

    150-200 (halbe Stelle = weniger Klassen)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Eventuell habe ich das hier schon mal geschrieben, aber egal:


    In meiner BdU Klasse in der damaligen 11 waren drei blonde Mädchen, die in der ersten Reihe nebeneinander saßen. Sie hießen: Sarah, Lara und Clara. Die durften sich bei mir unter gar keinen Umständen umsetzten. Wenn ich eine Klasse nur einstündig habe, bin ich schon gut, wenn ich Weihnachten die meisten Namen weiß. Doof ist, dass das in der Unterstufe ist und die Klassenlehrer:innen irgendwie alle zwei Wochen die Sitzordnung ändern. Aber der Klasse, bei der das im Momen so ist, habe ich schon angekündigt, dass es im nächsten SJ eine spezielle Sitzordnung für mein Fach geben wird und die auch nicht geändert werden darf.


    Ansonsten ist eine Meldekette auch immer ganz gut. Da rufen sich die SuS gegenseitig auf (man braucht nur einen Namen) und kann nochmal mitgucken, wer wer ist.

    • Offizieller Beitrag

    (wieder) entdeckte Super-Fähigkeit:
    Ich glaube, ich hätte bei den Sitzplänen der letzten 8 Jahren eine mindestens 50% Erfolgsquote. Bei ca. 6 Lerngruppen pro Jahr.

    (aber ich kann auch Sitz- und Stundenpläne meiner Schulzeit (länger als 8 Jahre her) )


    Fazit: man braucht keine Gesichter erkennen: Blinde "hören" besser, Tauben "sehen" besser, jede*r* schafft es, jedem/jeder SuS die Rückmeldung und Förderung zu geben, die er/sie verdient.

    *selbst Armin Laschet den Studis, die NICHT da waren. Haha :D

  • das Gute ist: oft behält man Klassen über mehrere Jahre ...
    und wie CDL sagte: die "besonderen" Kids kennt man auch, wenn man sie nie im Unterricht hatte :D

    Stimmt beides. ^^ Die ganz "besonderen" SuS kennen mich nach einem Schuljahr aber auch schon weitestgehend namentlich, selbst wenn sie mich noch nie im Unterricht hatten- meinen "besonderen Termine" für spezielle Gespräche und Aufgaben eilt ein gewisser Ruf voraus. :teufel: Die will niemand freiwillig zweimal erleben (unangenehme Randzeiten ...). Außer vielleicht dem Hasen, der diese Woche nachsitzen musste. Die ist mir heulend zusammengebrochen, nachdem wir im Unterricht davor einen Film gesehen haben, der sie tief berührt hatte und hat mir anvertraut, wie schlecht es ihr eigentlich gerade geht. Nach einem langen Gespräch, viel Zuhören und dem Hinzuziehen der Schulsozialarbeiterin durfte sie dann letztlich früher gehen als ursprünglich geplant (der Hase war emotional komplett durch). Seitdem ist das "ultracoole" (total sensible und verletzliche) Mädel sehr freundlich, wenn sie mir begegnet und handzahm.:top:

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • (...)

    Ansonsten ist eine Meldekette auch immer ganz gut. Da rufen sich die SuS gegenseitig auf (man braucht nur einen Namen) und kann nochmal mitgucken, wer wer ist.

    Ja, damit arbeite ich auch prinzipiell nach allen Ferien, damit mir die Namen wieder geläufig werden, die ich erfolgreich verdrängen konnte. Zu Schuljahresbeginn habe ich außerdem immer kleine Zettel mit allen Namen- je ein Stapel pro Klasse/Lerngruppe. Die rufe ich auf und sehe einerseits an den bereits abgelegten Karten, wer etwas zum Unterricht beigetragen hat konstruktiv und andererseits wiederhole ich so direkt die Namen gerade auch der sonst unauffälligen, stillen SuS. Etwa 80% der Namen bekomme ich so meist bis zu den Herbstferien rein ins aktive Namensgedächtnis samt gespeichertem Gesicht zum Namen. Dieses Jahr treiben mich die restlichen 20% durch Corona in den Wahnsinn (ich erkenne die Stimmen einwandfrei- super, wenn man an die Tafel gedreht ist und die meinen, man wüsste nicht, wer grad pfeift/quatscht/... -, aber nicht die Gesichter ohne Maske).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Mit "nur" 6 Lerngruppen, was bei VZ-Lehrer**innen echt wenig ist, kam ich in einem Jahr auf fast 150 SuS.
    Ich brauche (trotz 4stündiger Fächer) bis zu den Herbstferien in großen Klassen, nach den Herbstferien stocke ich wieder.
    Aber: Ich habe auch SuS, die ich zum Teil 5-6 Jahre im Unterricht (vielleicht ein Jahr Unterbrechung) hatte, Namensdreher, die mir so peinlich sind... Ich weiß ganz genau, dass Maria einen älteren Bruder (nicht auf der Schule) hat, ihre Eltern geschieden sind, sie einen Hasen hat, sie reitet und tanzt, liebt Mathe und singen, überall tolle Noten schreibt, usw... Ich weiß genau, dass Stefanie neben ihr zwei kleine Schwester hat, wo sie wohnt, sie schwimmt und einen Hund hat, ich weiß, dass sie bei mir nie ganz genial sein wird, aber eine der nettesten Schler*innen ist, so bemüht und sozial und die beste Freundin von Maria ist. Aber wenn ich eine aufrufe, dann 50:50 mit dem falschen Vornamen. Deren Fehler: nebeneinander sitzen und beide blond. Wow... und wenn der Namensdreher drin ist, ist er drin. In der selben Lerngruppe dasselbe bei zwei Jungs.
    Wenn ich dann eine einstündige "Lernzeit" habe und dann nichts über das Kind weiß... dann gebe ich auf und verlange Namensschilder und einen festen Sitzplan. Ich kann nämlich spätestens nach 3 Wochen den Sitzplan auswendig in jeder Klasse. Ob das jeweilige Kind eine Brille trägt, oder das Kind auf dem Schulhof erkennen? Fehlanzeige... aber wenn ich die kritische Phase der Herbstferien überstanden habe, ist alles gut.

    Danke, danke, danke, danke! :)


    Ich dachte bis gerade eben, dass ich der einzige total bekloppte Mensch bin, der sich jede Einzelheit aus dem Leben der Schüler merken kann, nur den Namen nicht.


    Am Gang treffe ich dann Schüler, sage "Hallo... ??? äh..." und weiß die Schülerin sitzt letzte Reihe links, hatte in der letzten Schulaufgabe ne 3, verdreht manchmal die Lösungen, obwohl sie es eigentlich verstanden hat, hat nen Hund und war letzte Woche krank. Nur der Name fällt mir nicht ein.


    Ich erkläre das den Schülern immer am Anfang vom Schuljahr, weil mir das echt unangenehm ist.


    Hätten die Schüler Nummern, ich bin mir sicher, ich könnte sie mir besser merken. "0815, les doch bitte mal die Aufgabenstellung vor, bevor 4711 die Lösung sagt" :grimmig:

  • und weiß die Schülerin sitzt letzte Reihe links, hatte in der letzten Schulaufgabe ne 3, verdreht manchmal die Lösungen, obwohl sie es eigentlich verstanden hat, hat nen Hund und war letzte Woche krank. Nur der Name fällt mir nicht ein.

    Ähnlich ergeht es mir, wenn ich ehemalige Schüler nach Jahren wiedertreffe. Ich weiß, wie sie als Grundschüler ausgesehen haben, wo sie gesesssen sind, einige Ereignisse mit ihnen, kann mich noch an ihre Art/Leistung erinnern, ihre Eltern, ihre Freunde - aber oft erinnere ich mich partout nicht mehr an den Namen. Wenn sie mir dann ihren Namen sagen, sind mir diese Begleitumstände sofort präsent.

  • Ich kenne alle Namen meiner SuS spätestens bis zu den Herbstferien, inkl. Nachnamen und Wohnort. In der Regel weiss ich auch, wer der/die Älteste bzw. der/die Jüngste in der Klasse ist, kenne Geschwisterkinder und allenfalls auch Heimatländer von Migranteneltern. Ich fände alles andere auch bei einem zweistündigen Grundlagenfach komisch. Jugendliche nicht mit Namen ansprechen können geht absolut gar nicht. Finden auch unsere Jugendlichen, die sind da ausgesprochen empfindlich. Ich find's grad total schräg, wie viele hier schreiben, sie könnten sich die Namen der SuS nicht merken. :skeptisch:


    Edit: Hab grade gezählt, dieses Schuljahr hatte ich nur 107 SuS, waren ein paar halbe Klassen dabei. Je nachdem komme ich auf bis zu 150 SuS, unsere Klassen sind ja nicht gar so gross.

  • Ich weiß nicht, warum ich's nicht kann, aber ich kann's halt nicht. Ich habe auch am Anfang probiert, Namen bewusst zu lernen; mit Bildern und so typischen Memo-Techniken. Hat alles nicht funktioniert. Also sage ich auch direkt in der ersten Stunde, dass ich einige Namen vielleicht nie wissen werde und darüber hat sich noch nie jemand beschwert. Oft fällt mir auch der Nachname als erstes ein und dann rede ich halt eine Person aus der 5. Klasse mit Frau oder Herr an.

  • Das finde ich echt total seltsam. Also ich weiss, dass eine Handvoll meiner KuK es auch nicht gebacken bekommt und die Jugendlichen können das echt gar nicht leiden. Für mich hat das was mit Wertschätzung zu tun, dass ich weiss, wer vor mir sitzt. Mag sein, dass ihr das anders seht, aber von dem Konzept überzeugt ihr mich nicht ;)

    • Offizieller Beitrag

    Wir haben dieses Jahr zwei 4. Klassen entlassen - mit einer der beiden hatte ich immer eher wenig zu tun gehabt. Klar, ich kannte die Kinder. Aber ich hatte keinen Unterricht bei denen. Etc.

    Da ich schon in deren 1. Schuljahr gemerkt habe, wie schwer es mir fiel, mir die Namen der Kinder der Klasse zu merken und ich das auch eher unschön fand (Stichwort: Wertschätzung) mache ich es seitdem so, dass ich die Kindern im ersten Schuljahr in den ersten drei - vier Schulwochen mehr als regelmäßig in der Frühstückspause oder vor dem Unterricht besuche und ganz gezielt die Namen lerne. Muss sein.


    (Wobei das bei einer Schule mit 150 Kindern auch kein größeres Problem sein sollte.)


    kl. gr. .... *kopfkratz* ......

  • Für mich hat das was mit Wertschätzung zu tun

    Für mich auch, aber ich kann es einfach nicht. Ich gebe echt mein bestes um die Namen zu lernen und am Sitzplatz kann ich die Namen auch meist ganz gut, aber am Gang hab ich dann keine Chance mehr.


    Ich erkläre es den Schülern zu Beginn immer und ich schätze ich bin ansonsten ausreichend wertschätzend, zumindest habe ich das Gefühl, dass ich gut mit Schülern auskommen.

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Ordner sind 90er. Ich hasse Ordner. Wahrscheinlich aber vor allem, weil sie bei mir nicht das tun, was sie sollen. :teufel:

  • Für mich hat das was mit Wertschätzung zu tun, dass ich weiss, wer vor mir sitzt. Mag sein, dass ihr das anders seht, aber von dem Konzept überzeugt ihr mich nicht ;)

    Ich weiß ja, wer da vor mir sitzt. Ähnlich wie hier bereits geschildert, kenne ich die Person ja, weiß diverse Details über sie, aber halt nicht den (Vor-) Namen.

  • Veronica Mars OK, es mag rühmliche Ausnahmen geben und ich glaub Dir jetzt mal, dass Du eine bist :)


    Ich muss aber auch zugeben, dass meine Jugendlichen manchmal regelrecht beunruhigt sind, was ich mir alles merke. Ich weiss auch Hobbies und merke mir, wer welche Sorte Tee nimmt.

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