Ist die Bildung in Bayern und Sachsen wirklich so viel besser?

  • Früher gab es in Bayern in den Grundschulen mobile Reserven und pädagogische Assistentinnen. Ob es die jetzt noch gibt, weiß ich gar nicht. Das verhinderte oft Unterrichtsausfall und Schwächere oder Stärkere wurden regelmäßig aus dem Unterricht genommen und gefördert.

    Auf dem Papier gibt es sie noch, ja. Leider werden die Förderlehrer als hausinterne mobile Reserve missbraucht, eine kontinuierlich Förderung von Schwachen oder der Inklusionskinder findet kaum statt. Differenzierung jeglicher Art fallen an GS und MS im großen Stil für Vertretungen aus.

  • as ist definitiv nachhaltiger, als wenn man sich in der Unterrichtsstunde mehr oder weniger engagiert berieseln lässt und erwartet, dass sich Lerninhalte ansonsten ohne weiteren Aufwand irgendwie ins Hirn transferieren

    Ich kann mich dunkel an eine pädagogische Fortbildung erinnern an der eine kleine Kohortenstudie dazu präsentiert wurde. Also da hat man nach der Effektivität kurzer, und sehr regelmässiger Leistungskontrollen geschaut. In dem Moment als diese Leistungskontrollen entfielen, war alles wieder weg. Also null Nachhaltigkeit. Leider erinnere ich mich nicht mehr an den Namen der Dame, die das damals vorgetragen hatte. Nur so viel dass es jemand aus Deutschland war.

  • Das spräche ja dafür, die Leitungskontrollen unbedingt beizubehalten.


    Ich denke halt, es schafft mehr Verbindlichkeit, als wenn es völlig egal ist, ob man vorbereitet oder unvorbereitet zum Unterricht erscheint. Und völlig unvorbereitet geht es meines Erachtens nicht, denn niemand hört Sachverhalte einmal und hat sie dann so abgespeichert, dass man einige Tage später nahtlos anknüpfen kann.


    Klar, man kann auch in jeder Stunde nochmal 15 Minuten wiederholen, aber dann wirds halt ggf. eng mit dem Lehrplan...

  • Nachdem wir vorhin schon bei der anekdotischen Evidenz waren:

    Als ich zwischendurch in anderen Bundesländern unterrichtet habe und dort die regelmäßige Vokabelabfrage eingeführt habe (- sehr zum Entsetzen der Schüler*innen -), habe ich durchaus eine Vergrößerung des Wortschatzes erleben können.
    Vereinzelt (!) habe ich dies auch nach dem Abi von Oberstufenschüler*innen als Feedback bekommen, dass sie die Abfragen zwar gehasst haben, dass sie aber selbst gemerkt haben, dass es etwas gebracht hat.

    Noch (!) vereinzelter haben sich schwache Schüler bedankt, dass sie so eine Möglichkeit hatten, ihre Noten zu verbessern. Aber ich will diese Rückmeldungen nicht verallgemeinern, das waren wirklich Einzelfälle.

  • Würdest du das weiter ausführen wollen? Fände ich im Kontext um die Diskussion, was jetzt effizient und nachhaltig ist, noch spannend.

    Klar, sehr gerne. Die Art der Leistungserhebungen variiere und mache ich tatsächlich auch etwas von der Klassenstufe und dem Fach abhängig, aber grundsätzlich wären nachfolgende Methoden meine Alternativen zur reinen Abfrage, auf die ich gerne zurückgreife:

    • Ergebnisse der Schülerexperimente aus der aktuellen Stunde am Unterrichtsende vorstellen lassen
    • Schüler/in bekommt zu Beginn der Unterrichtsstunde mitgeteilt, dass er/sie dran ist, Protokoll über die aktuelle(n) Unterrichts(doppel)stunde(n) zu führen, das er/sie wiederum dann in der nächsten Stunde zu Beginn der Stunde als kleine Wiederholung der letzten Unterrichtsstunde(n) vorstellen darf. Insbesondere hier sind jene SuS sehr dankbar über die Art der Wiederholung, die aufgrund von Krankheit o. ä. in der vorangegangenen Stunde fehlten.
    • Lernzirkel-/Expertenaufgaben am Ende der Stunde oder in der nächsten Unterrichtseinheit zu Beginn der Stunde vorstellen lassen
    • Versuchsprotokolle führen und vorstellen lassen
    • Bereits im Unterricht gemeinsam erarbeitete sowie geübte/gerechnete Aufgaben nochmals vorrechnen oder erklären lassen (entweder am Ende der Stunde oder dann in der zu Beginn der nächsten Unterrichtsstunde
    • Gelegentlich auch Schülerversuche nochmals vor der Klasse durchführen und mit entsprechenden Erklärungen präsentieren lassen (beiliegendes Protokoll zur Hilfe erlaubt, oftmals zwei Schüler/innen, die den Versuch gemeinsam vorführen und nochmals erklären)

    Das Meiste davon wende ich in der Oberstufe an, in den Sek 1 Klassen mache ich die mündlichen Noten auch gerne wie oben beschrieben, dann aber in ''abgespeckter Form'' oder generell in anderer Form (insbesondere auch in meinen anderen Fächern).

  • In der Sek I hatte ich als Schüler diese Abfragen in Englisch. Dadurch war ich motiviert, kontinuierlich Vokabeln zu lernen. In der Sek II konnte ich davon profitieren als der Fokus mehr auf Textproduktion und Diskussionsfragen lag. Klar könnte man diese Abfragen kritisch sehen, aber mir halfen sie beim Fremdsprachenlernen damals.

  • M.E. übt keine Art der Leistungserhebung als solche Druck aus, sondern die Lehrkraft kann das machen und zwar mit jeder Art von Kontrolle. Man kann Kinder wie Idioten dastehen lassen, egal was sie machen. Da hab ich leider genug Ekelhaftes gesehen.


    Leistung zu erwarten, in dem man das Wiederholen/Lernen auch kontrolliert, empfinde ich jetzt nicht per se als Druck. Das kann man doch ganz selbstverständlich machen und wertschätzend (oder schlicht sachlich) Rückmeldung geben.

  • Klar, man kann auch in jeder Stunde nochmal 15 Minuten wiederholen, aber dann wirds halt ggf. eng mit dem Lehrplan...

    Abfragen ist doch auch nichts anderes, als Inhalte wiederholen. Und wenn das nicht einfach nur Abfragen von stumpf auswendig Gelerntem ist, dauert das etwas.


    Verbindlichkeit ist auch mMn sinnvoll. Die ergibt sich aber daraus, dass man gerade nicht ständig alles wiederholt, sondern immer weiter aufbaut, beim Üben in der Schule und bei Klassenarbeiten.

  • Ich zitier mich mal selber:

    Allerdings ist das natürlich ein völlig anderes Menschenbild als es in anderen Bundesländern vorherrscht, wo nach Möglichkeite gefördert wird und immer wieder neue Chancen eröffnet werden.

    Was am Ende des Tages besser ist, ist vermutlich eher eine ideologische Fragen; in Hinblick auf so standardisierte Tests ist der bayerische Weg sicherlich der erfolgsversprechendere.

    Natürlich muss keiner das bayerische System gut finden. Dass die Bayern in dieser Form des Tests in der Regel besser abschneiden, muss ja auch nicht unbedingt heißen, dass sie insgesamt "besser" sind. Dazu müsste man eben erstmal genauer definieren, was das Schulsystem eigentlich erreichen will.

    Aus meiner Erfahrung in anderen Bundesländern kann ich (anekdotisch) sagen, dass die Schüler*innen, die durch ein Gesamtschulsystem gegangen sind, in der Regel weniger "leistungsstark" waren als es Schüler*innen am bayerischen Gymnasium waren. Dafür waren sie sozial deutlich besser aufgestellt und insgesamt freundlikcher, höflicher und umgänglicher. Wie gesagt, alles anekdotisch und pauschalisiert.

    Wenn ich jetzt will, dass ein Abiturient auch nach 30 Jahren noch Stilmittel in einem Gedicht findet, eine Funktion ableiten kann oder eine grobe Vorstellung vom Zitronensäurezyklus hat, dann ist vielleicht das bayerische System besser. Wenn es darum geht, dass Schüler*innen mit entsprechenden Soft Skills abgehen, dass vielleicht mehr Schüler*innen das Abitur bestehen etc., sind andere Systeme vielleicht geeigneter. Aber dann frage ich mich, warum man so viel Wert auf diese standardisierten Tests legt, die eben genau das nicht abbilden können.

  • Sind denn zumindest die leistungsschwächeren Schüler "sozial deutlich besser aufgestellt und insgesamt freundlikcher, höflicher und umgänglicher"? Ich habe oft beim Lesen hier im Forum das Gefühl, dass Verhaltensauffälligkeiten und Leistungsschwäche Hand in Hand gehen.

  • Kann ich so nicht beantworten. Ich hab halt immer nur am Gym unterrichtet und da sind dann natürlich nur die leistungsstärkeren Schüler*innen angekommen. Und die waren schon leistungsmäßiger meistens schlechter aufgestellt als ich das aus Bayern so kenne. Aber vom Verhalten her insgesamt einfach besser sozialisiert.

  • Ich zitier mich mal selber:

    Natürlich muss keiner das bayerische System gut finden. Dass die Bayern in dieser Form des Tests in der Regel besser abschneiden, muss ja auch nicht unbedingt heißen, dass sie insgesamt "besser" sind. Dazu müsste man eben erstmal genauer definieren, was das Schulsystem eigentlich erreichen will.

    Aus meiner Erfahrung in anderen Bundesländern kann ich (anekdotisch) sagen, dass die Schüler*innen, die durch ein Gesamtschulsystem gegangen sind, in der Regel weniger "leistungsstark" waren als es Schüler*innen am bayerischen Gymnasium waren. Dafür waren sie sozial deutlich besser aufgestellt und insgesamt freundlikcher, höflicher und umgänglicher. Wie gesagt, alles anekdotisch und pauschalisiert.

    Wenn ich jetzt will, dass ein Abiturient auch nach 30 Jahren noch Stilmittel in einem Gedicht findet, eine Funktion ableiten kann oder eine grobe Vorstellung vom Zitronensäurezyklus hat, dann ist vielleicht das bayerische System besser. Wenn es darum geht, dass Schüler*innen mit entsprechenden Soft Skills abgehen, dass vielleicht mehr Schüler*innen das Abitur bestehen etc., sind andere Systeme vielleicht geeigneter. Aber dann frage ich mich, warum man so viel Wert auf diese standardisierten Tests legt, die eben genau das nicht abbilden können.

    Ich sehe standardisierte Tests allgemein kritisch, obwohl ich aus dem Förderschulbereich komme, in dem standardisierte (normierte) Testverfahren ja noch deutlich stärker gewichtet werden und u.U. gravierende Auswirkungen auf Bildungsbiografien haben. ;)

  • Nachdem wir vorhin schon bei der anekdotischen Evidenz waren:

    Als ich zwischendurch in anderen Bundesländern unterrichtet habe und dort die regelmäßige Vokabelabfrage eingeführt habe (- sehr zum Entsetzen der Schüler*innen -), habe ich durchaus eine Vergrößerung des Wortschatzes erleben können.
    Vereinzelt (!) habe ich dies auch nach dem Abi von Oberstufenschüler*innen als Feedback bekommen, dass sie die Abfragen zwar gehasst haben, dass sie aber selbst gemerkt haben, dass es etwas gebracht hat.

    Noch (!) vereinzelter haben sich schwache Schüler bedankt, dass sie so eine Möglichkeit hatten, ihre Noten zu verbessern. Aber ich will diese Rückmeldungen nicht verallgemeinern, das waren wirklich Einzelfälle.

    Ist das in Fremdsprachen denn ungewöhnlich? In 5 und 6 habe ich immer wöchentliche Vokabeltests geschrieben, in der Sek I abgewechselt zwischen mündlichen und schriftlichen Abfragen. Aber komplett ohne Vokabelabfragen kenne ich Fremdsprachenunterricht gar nicht.


    Schmidt

    Ich mag das pauschale Abkanzeln von Auswendiglernen nicht. Als Arbeitsgrundlage, um von dort aus dann weiterzudenken, finde ich es nicht verkehrt und bei aller Kompetenzorientierung schadet ein wenig "stumpfes" Faktenwissen meines Erachtens auch nicht. Es wird ja nicht erwartet, dass Schüler seitenweise Buchseiten lernen, aber sie sollten die Inhalte der letzten Stunde wiedergeben und ggf. auch den Erkenntnisgewinn nochmal zusammenfassend nachvollziehen können. Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt und benötigt vielleicht 10-15 Minuten häusliche Vorbereitung.

  • Im gleichen Maß wie sie das halt in anderen Formen der Leistungsabnahme auch wissen. Sie wissen, dass sie ca. 50% erreichen müssen, um auf eine ausreichende Leistung zu kommen. Sie wissen, dass ihre Darstellung kohärent und strukturiert sein muss und dass sie Fachterminologie verwenden müssen.

    Wissen deine Schüler in Kunst immer ganz genau, was sie für eine 1, 2, 3 etc. leisten müssen, wenn sie praktische Arbeiten anfertigen?

  • Ich habe oft beim Lesen hier im Forum das Gefühl, dass Verhaltensauffälligkeiten und Leistungsschwäche Hand in Hand gehen.

    Das kann ich aus meiner bisherigen Karriere nur bestätigen. Mir fallen fast ausschliesslich leistungsschwache SuS ein, die in meinen Klassen disziplinarisch auffällig wurden. Wobei für mich "leistungsstark" nicht per se mit einer gewissen Ellbogenmentalität einhergeht, die ich mit dem bayrischen Schulsystem eher verbinde.

  • Ich habe oft beim Lesen hier im Forum das Gefühl, dass Verhaltensauffälligkeiten und Leistungsschwäche Hand in Hand gehen.

    Ich weiß jetzt nicht, ob man bei den entsprechenden Kolleginnen und Kollegen gleich auf eine Leistungsschwäche schließen sollte.

  • Ich bilde mir schon ein, dass mehr oder weniger vorhandener Leistungsdruck und das Sozialverhalten korrelieren. Ich habe ja nun auch schon an verschiedenen Orten unterrichtet und auch bei uns sind die Übertrittsbedingungen ans Gymnasium überall ein bisschen anders. Im Aargau gab es anno dazumal noch die berühmt-berüchtigte Bezirkschulabschlussprüfung und es musste die 4.7 im Schnitt im letzten Jahreszeugnis sein. Im Baselland gibt es keine Übertrittsprüfung und es tut eine 4.0 im letzten Zeugnisschnitt am Progymnasium. Die Aargauer bilden sich schon einiges ein auf ihre 4.7. Wenn sie dann mal am Gymnasium sind, merkt man schnell, von welchem Baum die Noten gefallen kamen. Die gut betuchten Eltern zahlen halt Nachhilfe und Vorbereitungskurse für die Übertrittsprüfung. Sobald das entfällt können die auch nicht mehr wenn nicht weniger als unsere "Doofis" im Baselland. Die Schule an der ich jetzt arbeite ist sowieso bikantonal (Baselland/Aargau). Ich sehe da keinen Unterschied im Leistungsvermögen.

Werbung