Neuer Direkteinstieg in BaWü für Sek I und Grundschule macht alles möglich - warum überhaupt noch Lehramt studieren?

  • Bawü hatte ja angekündigt den Weg für Quereinsteiger ins Lehramt zu erleichtern und nun lese ich just heute die Konditionen für den Direkteinstieg in die Sekundarstufe I, die ich gelinde gesagt sehr überraschend finde. Die Maßnahme zielt nicht auf spezielle, besonders gesuchte Fächer ab, wie das sonst bei Quereinsteiger-Modellen der Fall ist, sondern ist für absolut alle! Fächer der Sek I geöffnet.


    Man kann mit passendem Bachelor-Master-Abschluss direkt als Angestellter mit E12 einsteigen, sofern das Erstfach im Umfang von mind. 65 ECTS und das Zweitfach im Umfang von mind. 30 ECTS studiert wurde. Nur mal so zum Vergleich, bei einem Lehramt Studium der Sek I muss bereits im Bachelor jedes! Fach im Umfang von 65 ECTS studiert werden, Bildungswissenschaften und Schulpraxis sind da noch nicht drin. Insgesamt braucht man bei Lehramt für den Bachelor in der Sek I 180 ECTS und für den Master nochmal 120.


    Die Direkteinstieg Maßnahme geht insgesamt drei Jahre, die ersten zwei Jahre sind pädagogische Schulung, während der man Seminarveranstaltungen hat, hospitiert und unter Betreuung eines Mentors unterrichtet, im dritten Bewährungsjahr unterrichtet man dann selbständig und kann danach normal mit A13 verbeamtet werden.


    Mir stellt sich bei dem Ganzen die Frage warum man dann eigentlich überhaupt noch klassisch Lehramt studieren sollte und sich mit einem aufwendigerem Studium sowie mit dem Hungerlohn und Druck im Referendariat rumärgern sollte, wenn es so über den Direkteinstieg einfacher und mit besserem Lohn gehen kann? Zudem müsste man sich nicht schon im Studium mit einem Master of Education festlegen und könnte sich Optionen für die freie Wirtschaft offen halten, falls es mit Lehramt doch nichts wird. Durch diese Maßnahme ist letztendlich der einzige Vorteil des klassischen Weges, dass es schneller geht und man ein Jahr früher auf Probe verbeamtet sein kann.


    Ich denke ich hätte wahrscheinlich nicht mehr Lehramt studiert, wenn es das bereits zu Beginn meiner Studienzeit gegeben hätte. Vielleicht ist das eine Reform des Lehramts-Studiums durch die Hintertür? Was haltet ihr davon?


    Für Grundschule geht das übrigens genauso


    Zum Nachlesen: Direkteinstieg wissenschaftliche Lehrkräfte allgemein bildende Schulen - LEHRER-ONLINE-BW

  • Vielleicht ist das eine Reform des Lehramts-Studiums durch die Hintertür? Was haltet ihr davon?

    Fände ich gut. Das Lehramtsstudium ist nicht mehr zeitgemäß, sonst gäbe es mehr Leute, die das machen wollen. Ich fände eine komplette Reform der Lehrerausbildung gut.

  • Meine Stelle wurde jetzt das dritte Jahr in Folge erfolglos ausgeschrieben. Ich sehe es als eine Chance, jemanden zu finden, damit ich endlich die ersehnte Freigabe für andere Gefilde bekomme.


    Ansonsten bräuchte es einen Paradigmenwechsel: Zum Beispiel weg vom Ausbau der Ganztagsschule zurück zu Hausaufgaben und damit verbunden einer stärkeren Inpflichtnahme der Eltern. Dann würde der Lehrerbedarf auch wieder sinken. Der ist nämlich in den letzten Jahren nicht proportional zur Anzahl der Schüler gestiegen.

  • Rala

    Danke für die Infos und den Link.

    Sehe das in der Sache wie du.

    Viel erschreckender finde ich jedoch noch, dass für den GS-Direkteinstieg sogar ein Bachelor ausreicht (https://lehrer-online-bw.de/,L…bw/Direkteinstieg-Info-GS).

    Für Sopäd. gibt es kein entsprechendes Programm, obwohl hier eklatanter Mangel besteht? Wird hier tatsächlich noch auf Fachlichkeit gesetzt oder wird nur angenommen, dass es hier sowieso nicht ausreichend Interessenten geben würde?

  • Rala

    Danke für die Infos und den Link.

    Sehe das in der Sache wie du.

    Viel erschreckender finde ich jedoch noch, dass für den GS-Direkteinstieg sogar ein Bachelor ausreicht (https://lehrer-online-bw.de/,L…bw/Direkteinstieg-Info-GS).

    Für Sopäd. gibt es kein entsprechendes Programm, obwohl hier eklatanter Mangel besteht? Wird hier tatsächlich noch auf Fachlichkeit gesetzt oder wird nur angenommen, dass es hier sowieso nicht ausreichend Interessenten geben würde?

    Vielleicht spart man sich so ein Programm im SoPäd- Bereich, weil man einfach mal davon ausgeht, man könne dank der zahlreichen Quereinsteiger genügend Kinder inklusiv beschulen, um die Probleme in diesem Bereich einfach verpuffen lassen zu können..


    Bachelor als ausreichende Basis an der GS ist ein gewaltiger Rückschritt, wobei auch die Absage an die Fachlichkeit in der SEK.I eine echte Ohrfeige darstellt nicht nur für uns Bestandslehrkräfte, sondern vor allem auch für unsere SuS, die anders als SuS an Gymnasien offenkundig keine fachlich ausreichend geschulten Lehrkräfte mehr wert sind in BW.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Rala

    Danke für die Infos und den Link.

    Sehe das in der Sache wie du.

    Viel erschreckender finde ich jedoch noch, dass für den GS-Direkteinstieg sogar ein Bachelor ausreicht (https://lehrer-online-bw.de/,L…bw/Direkteinstieg-Info-GS).

    Für Sopäd. gibt es kein entsprechendes Programm, obwohl hier eklatanter Mangel besteht? Wird hier tatsächlich noch auf Fachlichkeit gesetzt oder wird nur angenommen, dass es hier sowieso nicht ausreichend Interessenten geben würde?

    Stimmt, das hatte ich für die Grundschule noch vergessen zu erwähnen. Mir bereiten genau diese Abstriche bei der Fachlichkeit enorme Bauchschmerzen und es ärgert mich ehrlich gesagt schon sehr, dass es, mal wieder, die Grundschule und die Sek I sind bei denen die Fachlichkeit über Bord geschmissen wird. Beim Gymnasium kommt komischerweise nie jemand auf solche Ideen, die Fachlichkeit zu opfern, aber für den "Rest" tut es anscheinend mal wieder weniger.


    Wie es mit Sopäd. aussieht in der Hinsicht auf den Direkteinstieg weiß ich nicht, man findet nichts dazu momentan.

  • Bachelor als ausreichende Basis an der GS ist ein gewaltiger Rückschritt, wobei auch die Absage an die Fachlichkeit in der SEK.I eine echte Ohrfeige darstellt nicht nur für uns Bestandslehrkräfte, sondern vor allem auch für unsere SuS, die anders als SuS an Gymnasien offenkundig keine fachlich ausreichend geschulten Lehrkräfte mehr wert sind in BW.

    Danke, du hast es wirklich trefflich auf den Punkt gebracht.

  • Ich denke nicht, dass es am Studium liegt.

    Das denke ich schon. Man legt sich damit schon sehr früh fest. Wenn man was anderes machen will, kann das einem im Weg stehen. Ich würde die komplette Pädagogik in den Vorbereitungsdienst legen und den entsprechend verlängern.

  • Das denke ich schon. Man legt sich damit schon sehr früh fest. Wenn man was anderes machen will, kann das einem im Weg stehen. Ich würde die komplette Pädagogik in den Vorbereitungsdienst legen und den entsprechend verlängern.

    Das würde ich besonders für die Grundschule eher nicht machen. Und ich glaube auch füf die SekI, besonders an eher "schwierigeren" Standorten, sind pädagogische Kenntnisse essentiell. In der Sek II sieht das möglicherweise anders aus.

  • Die Grundschule ist schon noch etwas "anderes". Ich finde aber auch, dass man ernsthaft über die Abschaffung des Lehramtsstudiums in seiner jetzigen Form nachdenken sollte.


    In NRW sehe ich schon jetzt keinen Grund mehr, Lehramt zu studieren - außer eben im Fall der Grundschule. Der Seiteneinstieg über OBAS mit anschl. Verbeamtung könnte meinetwegen auch zur Norm werden und wir schaffen das jetzige Konstrukt ab.

  • So viel anders als bisher wäre das - zumindest in einigen Fachkombinationen - auch nicht. Die pädagogischen Inhalte im Studium waren doch recht überschaubar, einen Großteil der zielgerichteten Ausbildung zum Lehrer erfolgte quasi berufsbegleitend im Referendariat.

  • Kenntnisse in Didaktik und Methodik werden überbewertet. Auch Wissen um Schulrecht und Psychologie ist unnötig.
    Wer ein iPad besitzt, lädt die passende App - den Rest des Unterrichts erledigen ChatGPT und das Smartboard.
    So geht moderner Unterricht!

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.

  • Könnte an der Uni oder am SekII Studiengang liegen, bei uns war der Pädagogik- und auch der Praxisanteil schon damals nicht gering und sehr hilfreich,

    allerdings kamen auch damals andere Studierende ohne Ahnung ins Ref.


    Das ist auch heute sehr unterschiedlich, einige haben trotz Praxisphase und Vertretungsvertrag vorab z.B. von Unterrichtsplanung keine Ahnung, andere Unis vermitteln es offenbar.

  • So viel anders als bisher wäre das - zumindest in einigen Fachkombinationen - auch nicht. Die pädagogischen Inhalte im Studium waren doch recht überschaubar, einen Großteil der zielgerichteten Ausbildung zum Lehrer erfolgte quasi berufsbegleitend im Referendariat.

    Ich gebe dir Recht, aber ich habe keinen vollwertigen Abschluss, nicht mal einen Bachelor in Mathematik. Ich habe einen "Master of Education" mit dem man nicht viel anfangen kann.


    Es wäre sehr entlastend, würde das Fachstudium zur Regel. Ich war sehr unsicher, ob ich in der Schule glücklich werden kann (bin ich an meiner Schulform jetzt), deshalb hat mich dieses Studium sehr geärgert.

  • Die Grundschule ist schon noch etwas "anderes". Ich finde aber auch, dass man ernsthaft über die Abschaffung des Lehramtsstudiums in seiner jetzigen Form nachdenken sollte.


    In NRW sehe ich schon jetzt keinen Grund mehr, Lehramt zu studieren - außer eben im Fall der Grundschule. Der Seiteneinstieg über OBAS mit anschl. Verbeamtung könnte meinetwegen auch zur Norm werden und wir schaffen das jetzige Konstrukt ab.

    Und im Bereich der sonderpädagogischen Förderung.

    Ich würde dir auch sonst nicht zustimmen. Einstiegspraktikum, Praxissemester, Bildungswissenschaften und Fachdidaktik in den Fächern sind schon ein nicht unerheblicher Umfang des M.Ed., der nicht unbedingt komplett im Vorbereitungsdienst stattfinden kann.

    Sinnvoller fände ich eine Trennung in einen Fach-Bachelor und einen M.Ed. Die Uni Bochum hatte das jahrelang. Wer nach dem Bachelor dann doch nicht Lehrer_in werden wollte, konnte einen Fachmaster in den studierten Fächern machen. Ebenso konnte man den M.Ed. nachträglich zu einem Studium machen.

    Das würde die Entscheidung durchaus offen halten und auch das Problem von z. B. state-of-Trance lösen.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Das würde die Entscheidung durchaus offen halten und auch das Problem von z. B. state-of-Trance lösen.

    Und ich bin ja nicht der einzige. Ich finde es fahrlässig, dass man sich so früh auf das Lehramt festlegt. Ich glaube die Perspektivlosigkeit, wenn man erstmal in dieser Spirale gefangen ist, führt zu vielen unglücklichen Kollegen in unserem Beruf.

  • Man könnte bei so einem System übrigens auch als Lehrer_in berufsbegleitend einen weiteren Master machen, wenn man nicht mehr als Lehrer_in arbeiten kann oder will.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Und ich bin ja nicht der einzige. Ich finde es fahrlässig, dass man sich so früh auf das Lehramt festlegt. Ich glaube die Perspektivlosigkeit, wenn man erstmal in dieser Spirale gefangen ist, führt zu vielen unglücklichen Kollegen in unserem Beruf.

    Ich stimme dir da völlig zu, du hast mich nur zu meinem Beitrag angeregt.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

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