Faktorisierung. Was haltet ihr davon?

  • Wenn man mal bei den Hamburgern schaut, wie die Faktorisierung stattfindet, dann sind die Unterschiede zwischen Mathe und Deutsch nicht wirklich riesig. Da wird nicht das abgebildet, was hier manche als Unterschiede sehen.

    Was ich in Bezug auf technische Fächer sehe, da fällt mir zum Beispiel auf, dass der Unterricht in der Fachschule den hohen Aufwand abbildet, sich auf diesem Niveau reinzuarbeiten und den Unterricht projektorientiert zu gestalten. Das entspricht meiner Erfahrung, dass der Aufwand dort deutlich höher ist (war) als in meinem allgemeinbildenden Fach. Mit dem Faktor 1,7 wird das genauso wertig/aufwendig gesehen wie zum Beispiel Deutsch am Gym in den Klassen 7-10.

    Da ist der Unterschied zur Berufsfachschule mit Assistentenabschluss (das scheint unserer HBF zu entsprechen) ganz gut abgebildet, während die Berufsschule (aus meiner persönlichen Sicht) zu schlecht abschneidet in der Faktorisierung. Meine persönliche Sicht ist da aber geprägt durch häufige Wechsel der Berufe und Lernfelder, was den Aufwand größer macht als die Gewichtung der Faktoren wiedergibt.

    Es ist natürlich die Frage, ob sich durch eine schlechte Faktorisierung extremer Mangelfächer in der Berufsschule (was durch diese Faktoren der Fall ist) groß zusätzlicher Nachwuchs zu gewinnen ist. (Und mit extremem Mangel meine ich, dass in diesen Fächern seit 2 Jahrzehnten durchgängig sowohl Seiten- als auch Quereinstieg geöffnet sind.) Die Faktorisierung bildet den Einarbeitungsaufwand in andere Berufe und neue Lernfelder nicht ab und fokussiert meiner Ansicht nur auf andere - für mich nicht ganz sichtbare - Gründe. Der Aufwand, der sich in der Faktorisierung abbilden sollte, umfasst ja nicht nur Korrekturaufwand sondern eben auch die Komplexität und Vielfalt des Faches und des Einsatzes dort.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Die Faktorisierung bildet den Einarbeitungsaufwand in andere Berufe und neue Lernfelder nicht ab und fokussiert meiner Ansicht nur auf andere - für mich nicht ganz sichtbare - Gründe.

    Ja, das ist im Hamburger Modell vermutlich der Fall. Ich habe mich damit nicht näher beschäftigt, aber es würde mich wundern, wenn eine Bildungsbehörde eine Faktorisierung auf Basis einer differenzierten und fundierten Arbeitszeiterfassung durchführen würde. So gesehen liegen die Realos hier, die sich dagegen aussprechen, schon nicht ganz falsch.

    In einem hypothetischen Szenario, das von einer belastbaren Grundlage ausgeht, könnte man natürlich in der Faktorisierung auch die Berufserfahrung berücksichtigen. Rein theoretisch.

  • Ja, das ist im Hamburger Modell vermutlich der Fall. Ich habe mich damit nicht näher beschäftigt, aber es würde mich wundern, wenn eine Bildungsbehörde eine Faktorisierung auf Basis einer differenzierten und fundierten Arbeitszeiterfassung durchführen würde. So gesehen liegen die Realos hier, die sich dagegen aussprechen, schon nicht ganz falsch.

    In einem hypothetischen Szenario, das von einer belastbaren Grundlage ausgeht, könnte man natürlich in der Faktorisierung auch die Berufserfahrung berücksichtigen. Rein theoretisch.

    Sauberer als eine Faktorisierung wäre die reale Erfassung der Arbeitszeit, aber das scheut die KMK wie der Teufel das Weihwasser.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
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  • die reale Erfassung der Arbeitszeit, aber das scheut die KMK wie der Teufel das Weihwasser.

    Ja, ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

    Wobei ich ehrlicherweise glaube, dass ich im Jahresdurchschnitt nicht sehr deutlich über meinem Soll liegen würde. Könnte aber sein, dass gewisse Belastungspitzen arbeitsrechtlich problematisch würden bzw. zu unangenehmen Entscheidungen des Dienstherrn führen würden, was ich denn weglassen bzw. verschieben soll.

  • Wir hatten das Thema ja schon öfter, aber eine ehrliche Arbeitszeiterfassung könnte sogar aufdecken, dass die subjektive Einschätzung von Lehrkräften falsch ist und sie tatsächlich weniger Stunden arbeiten als sie denken. So war es bei mir als ich damit angefangen habe. Die Arbeit fühlt sich oft anstrengend an, aber ich bin deutlich unter dem Soll. Der Hauptgrund ist die unterrichtsfreie Zeit, durch die ich im Schnitt deutlich weniger als 41 Stunden pro Woche arbeite.

    • Offizieller Beitrag

    Die Arbeitszeit ist ein Scheinmessinstrument, da es den Output der Arbeit nicht erfasst.

    Wenn ich 20 Akten innerhalb eines Arbeitstages erledigen soll und das in vier Stunden schaffe, habe ich die anderen vier Stunden "frei". Ich hätte damit faktisch "nur" vier Stunden gearbeitet. Aber mein Output wäre genauso hoch wie bei jemandem, der das in acht Stunden erledigt.


    In unserem Beruf ist es aber so, dass wir eine Vielzahl an Aufgaben, die regelmäßig wie spontan auf uns zukommen, innerhalb unserer Arbeitszeit zu erledigen haben. Wann und wie wir das tun, ist egal. Wir sind dabei für einen vertretbaren qualitativen Output sowie für unsere Effizienz - auch angesichts der Erhaltung unserer Gesundheit - selbst verantwortlich.

    Ich weiß nicht, ob ich da eine Arbeitszeiterfassung haben wollte.

    Eine Arbeitszeiterfassung würde auch den Zeitbedarf bestimmter Tätigkeiten normieren und das wahrscheinlich aus rein fiskalischen Gründen zu unseren Ungunsten.

    Gleichzeitig würde dadurch bei hocheffizienten KollegInnen die Menge der Arbeit steigen, da es ja dann nicht sein kann, dass sie - um beim Vergleich zu bleiben - 20 Akten in vier Stunden abarbeiten und dann nichts Produktives mehr tun.

    Das schafft ganz andere Formen von Ungerechtigkeit wie von erheblichen Überlastungen bei KollegInnen die aus den Korrekturen oder langwierigen Beratungsgesprächen oder, oder, oder nicht herauskommen.

  • Die Arbeitszeit ist ein Scheinmessinstrument, da es den Output der Arbeit nicht erfasst.

    Rein beamtenrechtlich ist es aber so, dass wir unserem Dienstherrn unsere Arbeitszeit schulden und kein bestimmtes Ergebnis, das in dieser Zeit zu erzielen ist (beziehungsweise nur Eies "mittlerer Güte"). Das Ergebnis von Arbeitszeiterfassung wäre mit Sicherheit nicht, dass sehr effizient arbeitende KuK dann doppelt so viel schaffen würden, sondern dass sie ihr Arbeitstempo anpassen würden.

  • Ich habe mir schon fest vorgenommen, dass falls eine solche Erfassung kommt, ich natürlich auch aufschreiben werde, dass ich täglich stundenlang Unterricht plane. Verarschen lass ich mich nicht von der Erfassung. Ich möchte belohnt werden für schnelle und effiziente Arbeit. Das jetzige System lässt das zu.

  • Das Ergebnis von Arbeitszeiterfassung wäre mit Sicherheit nicht, dass sehr effizient arbeitende KuK dann doppelt so viel schaffen würden, sondern dass sie ihr Arbeitstempo anpassen würden.

    ... was diesen Beruf für mich wesentlich unattraktiver machen würde, da sich mein Stundenlohn verschlechtern würde bzw ich weniger Freizeit hätte.

  • Rein beamtenrechtlich ist es aber so, dass wir unserem Dienstherrn unsere Arbeitszeit schulden und kein bestimmtes Ergebnis, das in dieser Zeit zu erzielen ist (beziehungsweise nur Eies "mittlerer Güte"). Das Ergebnis von Arbeitszeiterfassung wäre mit Sicherheit nicht, dass sehr effizient arbeitende KuK dann doppelt so viel schaffen würden, sondern dass sie ihr Arbeitstempo anpassen würden.

    Das wäre in einem Produktionsbetrieb mit einer strengen Taktung der Fall.

    Für Lehrer, die eigentlich selbstständig in einem engen Rahmen agieren, wäre das nicht sinnvoll.

    Wie auch im Betrieb gibt es effizient und weniger effizient arbeitende Kollegen. Aber im Betrieb lässt sich die Effizienz schnell erkennen und belohnen (Beförderung, Akkordzuschläge oder der es werden während der Arbeitszeit mehr private Dinge erledigt/ oder mit Kollegen Spaß haben).

    Ich arbeite eigentlich sehr effizient und schnell, wofür meine Kollegen oft ewig brauchen.

    Soll ich jetzt langsamer arbeiten oder mehr machen?

    Nein, die Bezahlung nach Aufgaben (Unterrichtsstunden und sonstigen Aufgaben) ist fantastisch.

    • Offizieller Beitrag

    Wie gesagt, es droht dann eine zeitliche Normierung der Dauer, die bestimmte Aufgaben einzunehmen haben. Selbst wenn man von einem Durchschnittswert ausgeht, dürfte das Ganze spätestens dann entsprechend "passend gemacht" werden, wenn dadurch höhere Kosten durch einen höheren Personalbedarf entstünden.

    Vor diesem Hintergrund ist der letzte Satz von fachinformatiker sicherlich für viele von uns zutreffend - immer vorausgesetzt, dass unsere Arbeitsergebnisse auch akzeptabel sind.

  • immer vorausgesetzt, dass unsere Arbeitsergebnisse auch akzeptabel sind.

    Tatsächlich habe ich es noch nie beobachtet, dass die Kolleg*innen, die schnell und effizient Arbeiten schlechtere Arbeitsergebnisse liefern würden. Fast gegenteilig, oft erlebe ich die Ergebnisse derer, die alles x-fach planen als mäßig gut bis minimal besser aber keinesfalls die viele Extrazeit wert.

    Die Kolleg*innen, die minderleisten sind nach meiner Erfahrung nicht die schnell arbeitenden, sondern die überlasteten. Die im Berg ihrer Belastungen (ob real oder hausgemacht) den Überblick verlieren.

  • Wie gesagt, es droht dann eine zeitliche Normierung der Dauer, die bestimmte Aufgaben einzunehmen haben. Selbst wenn man von einem Durchschnittswert ausgeht, dürfte das Ganze spätestens dann entsprechend "passend gemacht" werden, wenn dadurch höhere Kosten durch einen höheren Personalbedarf entstünden.

    Vor diesem Hintergrund ist der letzte Satz von fachinformatiker sicherlich für viele von uns zutreffend - immer vorausgesetzt, dass unsere Arbeitsergebnisse auch akzeptabel sind.

    Da weiß ich nicht, ob dann einfach eine höhere Arbeitszeit gestrichen werden kann. Gewisse Handlungen zu normieren und darüber hinaus aufgezeichnete Zeiten nicht zu akzeptieren, dürfte juristisch spannend werden. Bei dem Urteil bzgl. des Grundschuldirektors wurde die Streichung ja nur im Bereich überobligatorischer Arbeiten vorgenommen (soweit ich mich erinnere). In jedem Fall würde es dann interessante gerichtliche Auseinandersetzungen darüber geben, wenn der Dienstherr meint, durchschnittliche Effizienz nicht akzeptieren zu wollen.

    Ich persönlich brauche die Aufzeichnung der Arbeitszeit nicht, da es im Gesamtjahr passend ist. Besonders bei TZ-Lehrkräften dürfte aber die Aufzeichnung der Arbeitszeit aber helfen.

    Was die Effizienz angeht: Da ist der Unterschied zwischen meiner Arbeit als Lehrer und der Zeit, die ich mal in einer Behörde verbringen durfte, extrem krass. Dieser extreme Zeitdruck in meinem Lehrerjob war dort so nicht vorhanden.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Wie belastend eine Arbeit ist, hängt wesentlich mit den konkreten Aufgaben zusammen. Ich kann gut sechs Stunden am Tag unterrichten, auch wenn es natürlich anstrengend ist und auch von den Lerngruppen abhängt. Im Vergleich empfinde ich jedoch schon vier Stunden Korrektur als deutlich anstrengender. Wenn ich also in der unterrichtsfreien Zeit "nur" 20 Stunden pro Woche korrigiere, sieht das in der Arbeitszeiterfassung nach wenig Arbeit aus, aber für meinen Geist und Körper (Rücken!) war es eine anstrengende Woche.

    Das schlimme an der Korrektur ist ja, dass sie unglaublich monoton und langweilig ist, man aber nicht geistig "abdriften" kann, weil man konzentriert sein muss. Nach vier Stunden lässt meine Konzentration deutlich nach, weshalb ich dann auch aufhöre zu arbeiten. Ob das mit einer strengen Arbeitszeiterfassung auch so funktionieren würde?

  • Ich frage mich gerade, wie hoch die Deckung zwischen denjenigen ist, die hier ihre effiziente Arbeitsweise loben, durch die sie unter der vorgesehenen Arbeitszeit bleiben, und denjenigen, die oben noch dargelegt haben, wie unfassbar zeitaufwendig ihre Fächer sind. :stumm:

  • Wie belastend eine Arbeit ist, hängt wesentlich mit den konkreten Aufgaben zusammen. Ich kann gut sechs Stunden am Tag unterrichten, auch wenn es natürlich anstrengend ist und auch von den Lerngruppen abhängt. Im Vergleich empfinde ich jedoch schon vier Stunden Korrektur als deutlich anstrengender. Wenn ich also in der unterrichtsfreien Zeit "nur" 20 Stunden pro Woche korrigiere, sieht das in der Arbeitszeiterfassung nach wenig Arbeit aus, aber für meinen Geist und Körper (Rücken!) war es eine anstrengende Woche.


    Das schlimme an der Korrektur ist ja, dass sie unglaublich monoton und langweilig ist, man aber nicht geistig "abdriften" kann, weil man konzentriert sein muss. Nach vier Stunden lässt meine Konzentration deutlich nach, weshalb ich dann auch aufhöre zu arbeiten. Ob das mit einer strengen Arbeitszeiterfassung auch so funktionieren würde?

    Das kann ich zu 100% unterschreiben. Wenn das Kultusministerium eine KI entwickeln würde, die alle Korrekturen komplett übernimmt - ich müsste die also nicht mal mehr ansehen (so als Utopie) - könnte ich locker 50% mehr unterrichten und wäre trotzdem gefühlt massiv entlastet. Sowohl von der reinen Arbeitszeit aber auch von der mentalen Belastung, die Korrekturen für mich darstellen.

  • Och, ich korrigiere eigentlich ganz gerne... :rotwerd: So manches Mal empfinde ich vier Stunden Korrigieren als weniger anstrengend als zwei Doppelstunden Unterricht in "schwierigeren Klassen" wie der Berufseinstiegs- oder teilweise der Berufsfachschule.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

    • Offizieller Beitrag

    bei der Arbeitszeiterfassung kann es nicht darum gehen, welche Art von Tätigkeit welcher Kollege als be- oder entlastend empfindet.

    Und genau das wird dann dazu führen, dass ganz gleich, welche Faktorisierung eingeführt würde, man dies als ungerecht empfinden würde.

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