Ehemalige Schüler fragen nach dem "Du"?

  • Hallo zusammen,


    ich bin zur Zeit in einer Situation bzw. vor einer Frage, die ich vor wenigen Jahren noch klar beantworten hätte können. Heute - also mit etwas Erfahrung - ist es dann aber nicht mehr so einfach.


    Mein Dienstort ist gleichzeitig auch mein Wohnort. Mit allen Vor- und Nachteilen. In der Kleinstadt bin ich aufgewachsen, ich kenne viele Familien, die Verhältnisse in allen Schichten und die Vereine. Zuvor habe ich mein Referendariat in einer Stadt rund 30km entfernt gemacht.


    Nun habe ich zwei Gruppen ehemaliger Schüler.


    1. Die Schüler, bei denen ich Referendar war.
    2. Ehemalige Schüler meiner Schule, die ich nun auf der Straße, beim Einkaufen usw. treffe.


    Von beiden Seiten kam nun auch schon die Frage, ob sie mich nun - nachdem ich ganz sicher nie mehr ihr Lehrer sein würde - mich auch mit "Du" ansprechen dürfen. Insbesondere fragen das die Klassen, zu denen ich ein ganz gutes Verhältnis hatte. Früher hätte ich das wohl nicht zugelassen. Heute bin ich mir unsicher.


    Mir fallen bei beiden Gruppen keine Gründe ein, die dagegen sprechen. Andererseits finde ich es eine doofe Situation, wenn ich irgendwann 30jährige Ex-Schüler treffe und selbst nicht mehr weiß, soll ich jetzt "du" oder "Sie" sagen. So wichtig die Höflichkeitsanrede in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis und auch in anderen Situationen ist - danach ist es auch etwas kompliziert. Rein vom Gefühl her tendeiere ich zum "Du", aber irgendein logischer Denkmechanismus sagt "Sie!".


    Was meint ihr? Jemand ähnliche Situationen erlebt?

    • Offizieller Beitrag

    An unserer Schule (auch der meines Mannes) ist es eigentlich zumindest bei uns jüngeren Kollegen üblich, nach dem Abschluss zum Du zu wechseln, wenn die Schüler danach fragen. Das sind meist gar nicht so viele, viele bleiben (nachdem sie gefragt haben und wir uns auf das "du" geeinigt haben) trotzdem wieder beim "sie", weil das so drin steckt.
    Wir haben mehrere Jahre miteinander gearbeitet, und übereinander geärgert und miteinander gefreut, da finde ich das "du" nachher legitim.

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

  • Das ist eine gute Frage, besonders wenn man überlegt, wenn man 60 ist und die ehemaligen Kleinen inzwischen 3 Kinder und einen Doktortitel haben.
    Ich persönlich wähle inzwischen aus, welchen Schülern ich das "Du" anbiete, man hat einfach zu Schülern einfach ein unterschiedliches Verhältnis. Ich sage immer, das muss man sich auch verdienen :)
    Und ehrlich: Soviel hat man ja auch nicht davon, wenn man seinen ehemaligen Lehrer duzen kann.

  • Ich selbst mache es so, dass ich das du nur bei Schülern gestatte, mit denen ich mehr oder weniger in (losem) Kontakt bleibe. Wenn man sich sowieso höchstens mal im Vorbeigehen sieht, kann man sich auch weiterhin siezen, man siezt sich ja auch mit anderen Leuten.
    Vielleicht, so fällt mir gerade sein, hängt es aber auch ein bisschen davon ab, wie man die Schüler in der Schule anspricht: Ich sieze sie in der Oberstufe konsequent, deshalb kommt es mir nicht irgendwie "überfällig" vor, ihnen nach der Schulzeit das du anzubieten. Und wenn sie danach fragen und ich möchte das nicht, sage ich halt "nein".


    Hamilkar

    • Offizieller Beitrag

    Hm,


    die gute alte Frage und jeder scheint damit anders umzugehen. Ich weiß aus eigener Erfahrung noch, dass uns damals zwei Lehrer schon in der 12. das Du angeboten haben. Und ich weiß, wie schwer uns das gefallen ist als Schüler. Aber es hat eigentlich gut geklappt.


    Mittlerweile bin ich so alt, dass sogar Praktikanten mich - selbst wenn ich es ihnen anbiete - hartnäckig siezen. Das ist mir jetzt wurscht.


    Meinen Schülern biete ich es an, sondern ich sage ihnen, dass sie es selbst entscheiden müssen - ich gebe es ihnen frei, wenn sie es nicht schaffen, dann hake ich auch nicht nach. So siezen mich einige noch danach, andere eben nicht. Wie der Vorredner sagte: die, die man eh nur selten sieht, bleiben automatisch beim sie, die anderen wechseln und dann ist es ok.
    Und in einem Fall ist eine Schülerin, die vor 6 Jahren noch "sie" sagte, auch zu einer Art Freundin von mir und meiner Frau geworden. Ich denke einfach, dass der Übergang da irgendwann fließend wird.


    Gruß


    H.


    PS: Angemerkt sei noch ein witziger Fall aus meiner aktuellen Schulpraxis. Eine Schülerin vom Gymnasium meiner Frau, die sie sehr gern hat (also die Schülerin meine Frau), haben wir in zwei aufeinander folgenden Jahren auf Rock im Park getroffen. Diese Schülerin hat meine Frau gesiezt, mich aber geduzt - keine Ahnung warum, ich fands ok.
    Ich habe dabei aber nicht erwartet, dass sie sich in der Schule so verschlechtert, dass sie auf die Realschule musste - auf die, wo ich arbeite .... Während sie mich anfangs siezte - ich hab sie nicht im Unterricht -, kam sie neulich mit einer Mitschülerin in mein Büro, baute sich auf und meinte: "Sag mal, hast du die Planung für Weimar mittlerweile fertig?" "Nein, das dauert noch." "Achso, na dann, sag halt bitte Bescheid, wenn du fertig bist." Und ging...
    Ich fands irre witzig, vor allem auch das Gesicht der Mitschülerin. Die Sache mit dem Respekt und der Autorität geht in diesem einen Fall weiter ihren normalen Gang ;).

  • Ich biete meinen Schülern in der 8.Klasse das "Du" an - allerdings unter der Vorgabe, dass sie mich erst duzen dürfen, wenn sie ihre Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Immer wieder treffe ich ehemalige Schüler, die mich stolz duzen - wir freuen uns dann miteinander über den Gesellenbrief und trinken gemeinsam ein Bier drauf.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Einigen (wenigen) Schülern habe ich, weil wir uns beim gemeinsamen ehrenamtlichen Arbeiten wiedertrafen, das Du angeboten. Einem Nachbarjungen sowieso, die Eltern duze ich schon seit Jahren. Jetzt ist der Junge einige Jahre aus der Schule raus, er findet es schön, dass wir jetzt ein nachbarschaftliches Du haben können.


    Bei den meisten Schülern kommt die Frage nicht auf, obwohl die Chemie stimmt. Vielleicht liegts auch daran, dass sie die Erfahrung gemacht haben, dass man sich auch mit "Sie" verstehen kann.


    Ich habe aber auch mindestens zwei Ex-Schüler für die mir sogar ein "Sie" zuwider ist. (Ich hatte keine Strafanzeige gestellt, sie haben sich für ihr Vergehen/ihre Straftag noch nicht einmal bei mir entschuldigt - es war kein großer Schaden, mir geht es um Einsicht!).


    Manche Schüler wollen am Tag der Entlassung schon zum Du übergehen, das mag ich aber nicht.


    Einige meiner Schüler kenne ich schon seit Kleinkindalter. Diese siezen mich aber in der Schule. Das klappt sehr gut. Vor ein paar Wochen kam einer der Jungs, um etwas für die Schule bei mir zu Hause abzugeben. Ich lag auf dem Sofa, mein Mann ging zur Tür und ich hörte: "Hallo Herr Xy, können Sie xx (mein Vornamen) diese Mappe geben?" Ich habe mich scheckig gelacht. Er trennt also ganz souverän zwischen Dienstort und Privatraum.

  • Und wie macht ihr das in der Grundschule?


    Die Kinder sagen an unserer Schule immer "Du Frau xy".


    Einige Kinder fragten schon, ob sie nach der vierten Klasse "du" und meinen Vornamen sagen dürfen. Fänd ich jetzt nicht schlimm, aber auch leicht komisch, weil viele ältere Schüler noch jüngere Geschwister an der Schule haben... da kann schon mal ein Durcheinander aufkommen, oder?


    VLG DO_it

  • Hallo DO it,


    in der Grundschule sollen die Kinder ruhig "du, Frau XY" sagen - einige wenige Kinder siezen einen schon in der ersten Klasse, bei den anderen kommt es im Laufe der Zeit.
    Da du ja in der Schule eine Vertrauensperson bist, ist es für die Kinder am Anfang mit dem DU leichter. In der vierten Klasse thematisieren wir aber schon, dass Erwachsene mit Sie angeredet werden.


    Meine eigenen "Kleinen" dürfen mich gern duzen, wenn sie 18 sind, denn sonst müsste ich sie siezen, das würde mir schwer fallen. Wir hatten ja doch eine sehr intensive vierjährige gemeinsame Arbeits- und Lebenszeit.


    Viele Grüße
    venti :)

  • Hallo zusammen,


    vielen Dank für die Antworten!


    Ich nehme so als Fazit daraus: So machen, wie man sich selbst am wohlsten fühlt. Ich habe meinen ehemaligen Schülern der Schule, an der ich nicht mehr bin, jetzt gestattet, "Du" zu sagen. Ich denke, das ist ok, wenn auch eher theoretisch, weil ich sie sowieso kaum mehr sehen werde.

  • Ich bin ehrlich gesagt verwundert, dass anscheinend viele Schüler nach Ende der Schulzeit ihre Lehrer einfach so duzen. Ich mache das nicht, wenn ich einem meiner ehemaligen Lehrer auf der Straße begegne. Ich rede nur dann mit Du an, wenn es mir axplizit angeboten wurde. Allerdings sind meine Eltern mit einem Lehrerehepaar befreundet, das an meiner Schule unterrichtete. Sie ist nie meine Lehrerin gewesen, er war in der Oberstufe ein Jahr lang mein Chemielehrer. Ich habe sie stets gesiezt, die beiden mich geduzt, sie kannten mich von klein auf. Als ich mit der Schule fertig war, bot die Frau mir das Du an, beim ihm wurde es mir nach dem dritten oder vierten privaten Treffen zu blöd und ich wechselte einfach zum Du über. Aber alle anderen Lehrer, die ich nicht privat treffe, werden konsequent gesiezt.


    Mein Vater unterrichtete hauptsächlich 5. und 6. Klasse Hauptschule und hat viel Wert darauf gelegt, dass seine Schüler das Sie endlich und korrekt anwandten. :D

  • Zitat

    Original von Rolf1981
    Ich denke, das ist ok, wenn auch eher theoretisch, weil ich sie sowieso kaum mehr sehen werde.


    Dazu eine Frage an alle - wie oft seht ihr ehemalige Schüler?
    Jeder hat ja so seine Schüler, die ihm besonders am Herzen liegen und von denen man wissen möchte, was so aus ihnen geworden ist.
    Wie haltet ihr Kontakt?
    Einfach hoffen, dass sie sich mal melden oder erleichtert ihr das Kontakthalten, indem sie eure E-Mail-Adresse kriegen (wenn sie sich nicht eh schon haben) usw.?

  • Zitat

    Original von Hawkeye
    Mittlerweile bin ich so alt, dass sogar Praktikanten mich - selbst wenn ich es ihnen anbiete - hartnäckig siezen. Das ist mir jetzt wurscht.


    *g* Jap. Ich ertappe mich gelegentlich auch in anderen Situationen (Kneipe, Geschäft, Plattenladen etc.) dabei, wie ich mich erschrecke, wenn ich gesiezt werde. Gibt mir doch zu denken...... [Blockierte Grafik: http://www.fancysplace.com/smileys/kit-shocked.gif]


    Abgesehen davon halte ich es wie die meisten hier. Schüler, zu denen ich durch AGs, gemeinsamen Musikgeschmack oder sonst wie ein gutes Verhältnis hatte, biete ich nach dem Abi das Du an. Was mir aber nach wie vor sehr, sehr schwerfällt ist das Siezen in der SEK II. Sobald ich den Kurs näher kenne, eiere ich in neutralem Sprachgebrauch rum. Ich muss wohl noch älter werden, ehe mir das mit dem Siezen leichter von der Hand gehen wird.


    Grüße vom
    Raket-O-Katz

  • Hallo,
    mich haben ganz viele Schüler und -innen bei wkw gefunden, und das finde ich klasse!
    Gruß venti :)

    • Offizieller Beitrag

    Ich sehe meine ehemaligen Schüler (von vor meinem Schulwechsel im Oktober) regelmäßig via ICQ. Habe da ne Menge in der Liste. Einige von denen sagen "Du" zu mir, einige "sie". Hatte es denen erlaubt.


    kl. gr. Frosch

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Ummon


    Dazu eine Frage an alle - wie oft seht ihr ehemalige Schüler?
    Jeder hat ja so seine Schüler, die ihm besonders am Herzen liegen und von denen man wissen möchte, was so aus ihnen geworden ist.
    Wie haltet ihr Kontakt?
    Einfach hoffen, dass sie sich mal melden oder erleichtert ihr das Kontakthalten, indem sie eure E-Mail-Adresse kriegen (wenn sie sich nicht eh schon haben) usw.?


    Nicht regelmäßig, aber aus jedem Jahrgang, den ich zum Abschluss führe, bleibt vielleicht eine/einer, den ich danach noch sehe, auch absichtlich, weil sich bestimmte Hobbys auch überschneiden. Kontakt halte ich über icq oder die üblichen Online-Communities oder auch per Email/SMS.
    Mittlerweile nutze ich den Kontakt auch, wenn ich was brauche. So war ich heute bei der Sparkasse bei einer ehemaligen Schülerin, die mir für alle Klassen diese Sparkassentäschchen besorgt hat. Darüber hinaus ist auch mein Plan, mal ehemalige Schüler zu engagieren, wieder an ihre Ex-Schulen zu kommen und mal so zu berichten für andere Klassen, wie sich das Arbeitsleben so gestaltet.
    Mal sehen.


    H.

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