"KInder dürfen schreiben, wie sie wollen" / Lesen durch Schreiben

    • Offizieller Beitrag
  • Ich finde den Artikel ehrlich gesagt überhaupt nicht lesenswert. Allein die Beispiele (»Die Schulä fenkt an.«) zeigen, dass Herr Martenstein keine Ahnung von dem hat, was er schreibt.
    Mit Schreiben nach dem "Lustprinzip" hat Lesen durch Schreiben auch nichts zu tun.

  • Aus der linguistischen Perspektive krankt die Sache schon daran, dass zwei Konzepte vermengt werden, die nicht vermengt werden können: Grapheme und Phoneme. Buchstaben repräsentieren nuneinmal im Regelfall keine Laute - das hat sprach- und schrifthistorische Gründe. Nur die phonetische Umschrift repräsentiert verlässlich die Lautung von Sprache.


    Warum wird also zu Beginn des des Lernprozesses ein sachlich falsches Konzept gelehrt, der dann mit großer Mühe wieder behoben werden muss?


    Ich weiß nicht, ob das nur mir so geht; ich habe schlicht und einfach ein prinzipielles Problem damit, wenn an der Schule sachlich falsche Dinge gelehrt werden, bloß weil sie so scheinbar einfacher und kindgerechter vermittelt werden können. Macht man das eigentlich im Sachunterricht auch so? Oder im Mathematikunterricht?


    Wie habe ich Anfang der 70er Jahre Schreiben gelernt? Naja, eigentlich so wie man in der wirklichen Welt, d.h. außerhalb der Schule, immer noch Dinge lernt: vom Einfachen zum Schwierigen schreitend vormachen, nachmachen, üben, üben, üben, können. Ich denke, ich kann mitlerweile recht gut schreiben, so schlecht wird das Verfahren also wohl nicht gewesen sein.


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Ich weiß nicht, ob das nur mir so geht; ich habe schlicht und einfach ein prinzipielles Problem damit, wenn an der Schule sachlich falsche Dinge gelehrt werden, bloß weil sie so scheinbar einfacher und kindgerechter vermittelt werden können.

    DAS verstehe ich daran auch einfach nicht. Es ist einfach nicht logisch die Kinder auf den Holzweg der scheinbaren Graphem-Phonem-Korrespondenz zu führen, die so im Deutschen nicht existent ist. Warum sollte man den Kindern dann vermitteln, dass es sie gäbe und dies eine gute und sichere Methode wäre, etwas zu verschriftlichen?
    Sprechen wir in Standardlautung ist es nicht möglich, einzelne Phoneme die einem Graphem entsprechen von einander getrennt zu hören. Was jedoch schon sehr kleinen Kindern möglich ist, ist Silben zu erkennen. Macht auch Sinn, das Deutsche ist - grade in seiner Verschriftlichung - sehr am silbischen Prinzip orientiert.
    Interessanter Weise können soweit ich weiß bei Untersuchungen fast alle Kinder kurz vor Einschulung Silben intuitiv richtig erkennen - ein halbes Jahr später, wenn sie in der Schule schreiben mit Anlauttabelle etc. lernen sollten, hatten die meisten Kinder plötzlich große Probleme, die Silben zu hören...

  • Zitat

    Wie habe ich Anfang der 70er Jahre Schreiben gelernt? Naja, eigentlich so wie man in der wirklichen Welt, d.h. außerhalb der Schule, immer noch Dinge lernt: vom Einfachen zum Schwierigen schreitend vormachen, nachmachen, üben, üben, üben, können. Ich denke, ich kann mitlerweile recht gut schreiben, so schlecht wird das Verfahren also wohl nicht gewesen sein.


    Genau, .. .so mache ich es unbedingt auch im Lesen durch Schreiben - Unterricht. Genau, wie du es beschreibst, lernen die Kinder bei mir Schreiben: vom Einfachen zum Schwierigen schreitend vormachen, nachmachen, üben, üben, üben, können.
    Und durch dieses immer mehr und immer besser schreiben lernen sie "nebenbei" lesen, ohne mühsam "Fuuuuuuuuu r-r-r-ruuuuuf-t Faaaa-r-aaaa" zu lesen, denn SO mache ich ihnen ja auch das Lesen nie vor :)

  • Wofür? Dafür, dass sie so lesen lernen?
    Sie tun es. Vielleicht ist das die Untermauerung.... habe an der Uni gelern, dass Kinder so lesenlernen, habe es im Ref. hospitiert und weiß gar nicht (außer aus eigener Kindheit) wie sie es mit beschränktem Lautmaterial tun??? F-u r-u-f-t ... Meine UNtermauerung war Frau Erichson an der Uni und ein elebendige, bunt gemischte Ref.-Klasse. :)

  • Naja gut, aber es kann doch nicht das Ziel sein, dass die Kinder "irgendwie" Lesen und Schreiben lernen, sondern sie sollen doch auf bestmögliche Weise einen fundamentalen Zugang zur Deutschen Sprache und ihrer Verschriftlichung bekommen. Und da sind doch sehr gute linguistische Kenntnisse der Lehrkraft und eine darauf beruhende Begründung des Unterrichts von Nöten. Wie begründet man/frau denn sonst den eigenen Unterricht? Sie lernen's halt irgendwie? Die Frage ist doch auch, welche Vorstellung die SuS dadurch von den grundlegenden Prinzipien der Sprache bzw. deren Verschriftlichung bekommen und was das für späteres Lernen - in jeglicher sprachlicher/schriftlicher Hinsicht - bedeutet.

  • Und da sind doch sehr gute linguistische Kenntnisse der Lehrkraft und eine darauf beruhende Begründung des Unterrichts von Nöten. Wie begründet man/frau denn sonst den eigenen Unterricht?


    Willkommen in der Realität.
    Lehrkräfte lernen ihren "Stoff" und die Didaktik in der Universität und im Referendariat.
    In der Universität sitzen aber Theoretiker, die von der Praxis und der Umsetzung ihrer Theorien in der Schule keine Ahnung haben, schlimmstenfalls noch nicht einmal Lehramt studiert haben, sondern irgendwas anderes gemacht haben.
    Also betet der Student/ Studentin diese tollen Theorien, wie z.B. den Spracherfahrungsansatz nach Brüggelmann und den Ansatz nach Reichen nach und wird dann auch im Referendariat daran gemessen. Denn auch diese Herrschaften dort beten alles nach was aus der Uni kommt, obwohl sie es eigentlich besser wissen sollten.
    Nach mühsamen Jahren merkt man dann, dass diese Theorien in Reinform nicht für alle gleich gut funktionieren und dann fängt der schmerzvolle Weg der Eigenfindung oder Rückbesinnung an.

  • Aus der linguistischen Perspektive krankt die Sache schon daran, dass zwei Konzepte vermengt werden, die nicht vermengt werden können: Grapheme und Phoneme.


    Um Lesen zu lernen wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben als Phoneme und Grapheme zu benutzen, egal welche Methode des Lesenlernes zu verwendest.
    Was du wahrscheinlich meinst ist, dass aus linguistischer Sicht die mündliche Sprache und die Schriftsprache zwei verschiedene Sprachsysteme sind. Dies wird bei der Begründung und
    Umsetzung der Methoden nach Reichen, Sommer-Stumpenhorst, Brüggelmann usw. nicht sauber getrennt und sträflich vernachlässigt.
    Es ist halt schlicht unmöglich, dass Kinder mit einer Anlauttabelle allein gelassen werden und eine Phonem/ Graphem Verbindung herstellen sollen, die im deutschen leider überhaupt nicht eindeutig ist
    und zu hoffen, dass daraus auch eine vernünftige Rechtschreibung entsteht. Und dies aus der Annahme heraus, dass mündlicher Spracherwerb und Schriftspracherwerb natürliche selbstablaufende Prozesse im Gehirn sind.

    • Offizieller Beitrag

    Was mich bei diesen Diskussionen immer stört, dass sich die "Gegner" dieses Konzeptes so gar nicht mit der Sache befasst zu haben scheinen. Immer und immer wieder wird z.B. behauptet, dass so Rechtschreibung erlernt werden soll - was quatsch ist. Auch scheinen die dahinterliegenden Theorien zwar verurteilt, aber nicht gelesen zu werden.
    Ich bin sicher keine Vertreterin von Reichen in Reinform, aber man sollte doch neben der theoretischen Beschäftigung mit der Materie auch Berührungspunkte in der Praxis mit "Lesen durch Schreiben" gehabt haben, bevor man solche Dinge wie hier im Thread behauptet (und verurteilt).
    Ist halt wie sonst auch bei uns Grundschultanten: jeder weiß es (besser). Und wenn er Mathe auf Gymi studiert hat... ;)


    Deswegen ist es mir auch zu blöd, hier immer wieder mit zu diskutieren und z.B. zu sagen, dass ich (und viele Kolleginnen) verantwortungsbewusst mit solchen Methoden umgehen, sie einsetzen und dass unsere Kinder Rechtschreibung erlernen. Ich bilde mir sogar ein (und kann es im Vergleich sehen), dass meine 1.Klassen sehr schnell lesen gelernt haben. Mit Anlauttabelle. Und ja, sie haben anfangs Hunt mit t geschrieben... Mittlerweile haben sie trotzdem die Sache mit der Auslautverhärtung verstanden. Lesen durch Schreiben hat keinen bleibenden Schaden hinterlassen - Hurra!

  • Und wenn ich könnte, würde ich noch öfter "Gefällt" drücken bei Melosine.


    Vielleicht sollten hier einige Kollegen, haben sie doch offensichtlich so großes Interesse daran, wirklich einfach mal den Herrn Thomé lesen. Ich bin ja auch kein Verfechter von Namenshuldigungen, aber in diesem Fall bleibt mir (auch bedingt durchs Studium an einer gewissen Universität und an einem gewissen Institut ;) ) nichts anderes übrig. Der Mann weiß schon, wie der Hase läuft. Und ich habe noch nie jemanden gehört, der sich stundenlang so herrlich über den Igel echauffieren kann ... ;)

  • Ich kann euch, Melosine und immergut, nur beipflichten. Auch ein Herr Thomé, der alles andere als der Methode "Lesen durch Schreiben" nahe steht, fordert praktische Schreiberfahrungen von Kindern ein (freies Schreiben). Weiteres muss man sich, wie angedeutet wurde, selbst anlesen.


    Die Diskussion hier erinnert mich an das Bild vom Laufen lernenden Kind, dem man von Anfang an zeigen *muss*, wie Laufen richtig geht. Ansonsten behält es einen bleibenden Schaden und wird nie "richtig" Laufen lernen.


    Ein Vater eines Kindes sagte mir mal: "Angst [vor dem Fehler] war noch nie ein guter Lehrmeister."

    Einmal editiert, zuletzt von MarekBr ()

  • Mich erstaunt immer wieder mit welcher Arroganz da die SekI-Leute urteilen. Traut man Grunschulleuten und Didaktikern da wirklich nicht zu, dass sie es besser wissen und dass es gut so ist, wie es ist? Klar die Rechtschreibleistung der Kinder ist schlechter geworden. Aber auch die Merk- und Konzentrationsfähigkeit usw.. Das hat doch mehr mit den Kindern "heute" zu tun, als mit Fibel oder nicht Fibel.


    Leider hat meine Frage keiner beantwortet. Meines Wissens gibt es keinen Lese- und Schreiblehrgang mehr der ein reiner Fibellehrgang ist. In meiner alten Schule kam Intraact auf, das ist meiner Meinung nach wirklich eine Alternative zum Spracherfahrungansatz, aber sonst? Gibt es doch gar nicht. Mal ganz von Reichen ab, der ja nu ein Vertreter ist und nicht gerade das beste Konzept hat.


    LG Anja

  • Zitat

    Die Frage ist doch auch, welche Vorstellung die SuS dadurch von den grundlegenden Prinzipien der Sprache bzw. deren Verschriftlichung bekommen und was das für späteres Lernen - in jeglicher sprachlicher/schriftlicher Hinsicht - bedeutet.

    Mit süßen fünf oder sechs Jahren lernen die Kinder bei mir vom ersten Schultag an: Schreiben ist toll, Buchstaben sind was Zauberhaftes und meine Lehrerin hilft mir, ganz viel zu lernen.
    Den Kindern beizubrignen, was ein Graphem und ein Phonem sind, überlasse ich da gerne den wohlstudierten Kollegen in den weiterführenden Schulen - in der festen Hoffnung, dass sie die große Freude über jeden neuen Buchstaben aus Klasse 1 nicht shcon in der ersten Schulwoche von Klasse 5 kaputtmachen.


    So, ab in die Sonne mit euch, bevor sie untergeht! 8)

  • Zitat

    Leider hat meine Frage keiner beantwortet. Meines Wissens gibt es keinen Lese- und Schreiblehrgang mehr der ein reiner Fibellehrgang ist.


    Entschuldige, Anja82, aber ich kenne keine Fibellehrgänge (mehr) ... Von daher verdrücke ich mich jetzt aus diesem thread, um ihn nicht weiter von deiner eigentlichen Frage abzulenken.....

  • Aber ich glaube, so wie früher kannst Du mit den Kindern von heute nicht mehr arbeiten. Die kommen ja mit ganz anderen Voraussetzungen und Begürfnissen in die Schule und wir GS-Lehrer müssen damit irgendwie umgehen.


    Ich bin kein totaler Reichen-Fan, arbeite aber dennoch mit der Anlauttabelle und stehe dazu. Sie bringt viele Vorteile (hat sicher auch Nachteile, aber nennt mir eine Methode, die die nicht hat) und ist bestimmt nicht dafür verantwortlich, dass die Rechtschreibkompetenz bei einigen Schülern zu wünschen übrig lässt. Das schiebe ich eher auf andere Faktoren - Stichwort veränderte Kindheit.

    • Offizieller Beitrag

    Ah, diese Frage war mir entgangen: ja, man macht das in anderen Fächern auch so. Entdeckendes Lernen, z.B. im Sachunterricht oder Rechenkonferenzen, etc. Hier wie da ist es aber so, dass man die Kinder dabei nicht allein lässt und Ergebnisse selbstverständlich reflektiert.


    Ja, mich stört es auch, dass irgendwie immer das Infragestellen unserer Kompetenz mitschwingt.
    Besonders ärgerlich finde ich es, wenn so etwas und bestimmte "Stammtischargumente" von Kollegen kommen - dass die Eltern Bedenken und Zweifel haben, weil sie eben nach einer ganz anderen Methode Lesen gelernt haben und sich nichts anderes vorstellen könne, mag ich ja noch nachvollziehen. Aber von Kollegen erwarte ich eine gewisse Beschäftigung mit der Materie, bevor eine Position bezogen wird. Ich stelle mich ja auch nicht hin und beurteile den modernen Fremdsprachenunterricht- Früher hat es solche Spirenzchen nicht gegeben und wir haben auch Englisch gelernt... :P

  • Melosine, das kann ich bestens nachvollziehen.


    Leute wie Martenstein schreiben viel, gern und lustig von Dingen, von denen sie nichts verstehen. "Ich habe aber früher ... ", "... hat bei mir geklappt.." und "... hat mir nicht geschadet..." sind in der Tat Phrasen für den Stammtisch und haben mit einer pädagogischen Diskussion nichts zu tun.


    Ich bin froh, dass meine Kinder in der Grundschule nicht so lernen mussten wie ich damals. Dass es auch anders geht, bunter, fröhlicher, offener, kindgerechter, das finde ich schön - ein echter Fortschritt. Aber auch das hat ja mit dieser Diskussion nichts zu tun - bin schon weg :)

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