Sprecht ihr Mobbing an?

  • Ihr wisst ja, ich hab im vorherigen Studium mal Stützunterricht gegeben für Schüler.


    Dabei ist mir ein Fall doch sehr in Erinnerung geblieben. Die Schüler mobbten einen Jungen, den sie nicht leiden konnten.


    Ich hab das versucht zu bearbeiten und das auch weitergeleitet, aber es war sehr schwer, da ich nicht die ganze Klasse hatte und die Klassenlehrerin hatte leider mehr mit sich und ihrer Frisur zu tun, als irgendwie zu agieren.
    Der Gipfel war, dass sie sagte: "Na, so wie der aussieht, ist es kein Wunder, dass er gemobbt wird."
    Neudeutsch würde man dazu wohl sagen: Pädagogen fail.



    Sprecht ihr Mobbing gezielt an und bearbeit das oder leitet ihr das weiter?
    Hab von Schulen gehört, die sich diesen Mobbingexperten Carsten Stahl eingeladen haben, aber der Mensch ist ja doch sehr ausgeplant und oftmals hilft es ja schon Konflikte zeitnahe anzusprechen oder zu bearbeiten.


    Wie verfahrt ihr da?

  • Natürlich spreche ich Mobbing an. Je nachdem, welche Wünsche der Schüler äußert, spreche ich (wenn ich die Klasse kenne) mit den Schülern, leite ich es an den Klassenlehrer weiter oder informiere unsere Schulsozialarbeiterin. (Manchmal informiert auch die Klassenleitung die Schulsozialarbeiterin).
    Eine solche Aussage wie die der Kollegin gehen gar nicht :sauer:

  • Bei (echtem!) Mobbing einzugreifen, ohne dass man genau weiß, was zu tun ist, kann mehr Schaden anrichten, als es Nutzen bringt. Bei überschaubaren, kurzfristigen Formen bediehne mich des No-Blame-Approachs. Bei schwerwiegenden, langfristigen Fällen ziehe ich unsere Schulpsychologin hinzu, die das dann umfassend und wirklich professionell angeht.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Das was du sagst ist interessant.
    Es gibt doch aber kein vorübergehendes Mobbing.
    Entweder ist es Mobbing oder nicht.


    Wie der Herr Stahl mal in einer TV Show sagte: "Ich halte nichts von Eingrenzungen und Menschen, die behaupten erst nach 3 Monaten ist es Mobbing. Dann darf ich jemandem theoretisch 2 Monate vors Schienbein treten und erst ab dem 3. Monat ist es Mobbing."


    Das was du meinst, sind doch dann eher kurzfristige Auseinandersetzungen.

  • ...die Klassenlehrerin hatte leider mehr mit sich und ihrer Frisur zu tun, als irgendwie zu agieren.
    Der Gipfel war, dass sie sagte: "Na, so wie der aussieht, ist es kein Wunder, dass er gemobbt wird."

    Kann ich mir so nur sehr schwer vorstellen. Mir ist noch keine Kollegin begegnet, die eine solche Einstellung hatte und so reagiert hätte. (Nach dem Motto: Mir ist meine Frisur wichtiger als meine pädagogische Aufgabe.)

  • Kann ich mir so nur sehr schwer vorstellen. Mir ist noch keine Kollegin begegnet, die eine solche Einstellung hatte und so reagiert hätte. (Nach dem Motto: Mir ist meine Frisur wichtiger als meine pädagogische Aufgabe.)

    Einer der Gründe, warum ich Lehrer geworden bin, ist die zweifelhafte, vergleichbare Einstellung meiner eigenen Lehrerinnen und Lehrer. Also ja, es gibt da sehr merkwürdige Gestalten!

  • Der ist unter anderem Anti-Agressions-Trainer, nebenbei auch Privatermittler (gewesen?), und war in der ein oder anderen Reality-Doku-Soap zu solchen Themen im TV zu sehen.


    Der hier ist gemeint: https://de.wikipedia.org/wiki/Carsten_Stahl

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Lies mal den verlinkten Wiki-Artiekl, @Krabappel.
    Das Projekt kommt offenbar sehr gut an.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
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  • Ich würde niemals C.S. (ich will hier keine Schleichwerbung für ihn machen) einladen. Das ist für mich ein "Aufhetzer".


    Selbstverständlich würde ich gegen Schikane und Drangsalierungen unter Schülern vorgehen. Manches würde ich vielleicht nur als "Ärgern" empfinden, aber auch dagegen würde ich vorgehen. Grundsätzlich versuche ich immer, die Kinder dazu zu bringen, dass sie ihre Konflikte friedlich und gewaltfrei lösen. Sie müssen sich nicht alle gegenseitig mögen, aber sie sollen gefälligst vernünftig miteinander umgehen.


    Wenn wiederholte Gespräche da nicht helfen, hole ich meist sehr rasch die Eltern und andere mit ins Boot und setze Sanktionen ein.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Kann ich mir so nur sehr schwer vorstellen. Mir ist noch keine Kollegin begegnet, die eine solche Einstellung hatte und so reagiert hätte.

    Ich kann mir das (leider) ohne Weiteres vorstellen. Ist aber irgendwie auch schön zu hören, dass es Menschen gibt, die noch nie auf solche oder ähnliche Menschen getroffen sind.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich würde Mobbing natürlich ansprechen, wenn ich es mitbekomme.


    Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich höre häufig eher im Nachhinein von Mobbingfällen. Im Unterricht selbst - finde ich zumindest - passiert wenig, was auf Mobbing hindeutet. Sobald aber beispielsweise jemand ausgelacht wird, unangemessen reagiert, sich lustig macht usw. nehme ich das Verhalten zum Anlass und rede mit den SuS darüber. Je nach Situation allgemein oder auch unter 4 Augen.


    Als es vor einigen Monaten diesen Fall mit der 11-Jährigen gab, die sich lt. Medien wegen Mobbing das Leben genommen hat, habe ich das direkt mal thematisiert in meiner Klasse, weil es mich so geschockt hat.


    In manchen Lehrbuchtexten wird es ja thematisiert, sodass man zumindest vorbeugend mit dem Thema arbeiten kann und ich mach gerne zB sprachl. Übungen, wo Personen nur mit positiven Adjektiven und neutralen Äußerungen zur Erscheinung beschrieben werden (zB helpful, brown short hair) oder Rollenspiele mit Perspektivwechsel.


    Aber darüber hinaus muss ich ehrlich sagen, bekomme ich wenig mit, da ich ja nicht weiß, was „hinter den Kulissen“ abläuft, außer ich bin zufällig dabei, was aber sehr selten vorkommt.


    Welche konkreten Fälle habt ihr da gehabt, was genau habt ihr beobachtet und was habt ihr dann gemacht?


    Ich hatte kürzlich nur einen Fall, wo das Kind früher mal gemobbt wurde (Info der Eltern) und auf dieses habe ich besonders geachtet und den Eltern Rückmeldung gegeben, ob ich etwas Auffälliges beobachte beim Umgang der SuS untereinander.

  • Was für eine Frage. Das MUSS angesprochen werden. Und nicht nur angesprochen.
    Im Idealfall kommt es gar nicht erst so weit. Als Klassenlehrer kann man da durch Prävention vorbeugen.



    Wobei......Ich hatte den Eindruck, dass du Schüler sowieso für potentielle Feinde hältst, die man lieber unterdrückt. Unter der Voraussetzung guckt man bei Mobbing natürlich lieber weg. Ist dann ja gut, wenn die Schüler sich gegenseitig zur Schnecke machen, dann muss man selbst weniger draufhauen.
    Praktischweise bedingt sich das ja auch gegenseitig. Eine Atmosphäre mit viel Druck, fehlendem Respekt vor Schülern und dem Glauben an das Schlechte im Schüler begünstigt Mobbing.

  • Glaubt wirklich irgendjemand, dass es im Idealfall kein Mobbing in Klassen gibt? Das ist völlig unrealistisch im Schulkontext, selbst mit optimalen Präventionsansätzen passiert das in jeder Klasse irgendwann, die Frage ist wie lange es läuft, bis es augenfällig wird.


    Wichtig:


    1.) Als Lehrkraft entsprechende Signale wahrnehmen und ernst nehmen.
    2.) Es muss an der Schule einen klaren Interventionsansatz geben (welcher das ist, ist im Grunde völlig wurscht, von disziplinarischen Sanktionen bis no-blame-approach kann da alles funktionieren), der transparent ist und konsequent angewandt wird (das ist in vielen Fällen auch die wirksamste Prävention). Dazu braucht es aber geschultes Personal.


    Auf die Frage bezogen gilt also vor allem:


    Gibt es bei euch ein Konzept, dass du anwenden kannst oder einen Ansprechpartner den du hinzuziehen kannst? Falls nicht, solltest du das als dringenden Fortbildungsbedarf bei der Schulleitung ansprechen. Für den konkreten Fall: Nimm dir irgendein Konzept, dass dich halbwegs überzeugt (es muss von dir authentisch angewandt werden können, nicht jeder ist der Typ für law-and-order und für no-blame ist auch nicht jeder gemacht) und versuch es damit, denn irgendetwas machen musst du. Eine Möglichkeit wäre auch, mal beim Jugendkontaktbeamten der Polizei oder beim Jugendamt nachzufragen, ob die jemanden an der Hand haben, der da unterstützend tätig werden kann.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Welche konkreten Fälle habt ihr da gehabt, was genau habt ihr beobachtet und was habt ihr dann gemacht?

    Konkrete Fälle schreib ich jetzt nicht auf. Ich setze auf Gespräche (bei Konflikten: konkrete Rückmeldungen, eigene Gefühle, Wünsche an den anderen, Ich-Botschaften...), wenn neue Kinder kommen überlegen wir vorher, wie sich das anfühlt, wie man das Kind begrüßen kann usw.


    Wenn ich massive Übergriffe mitbekomme (Beleidigungen, anpöbeln oder "aufziehen" auf dem Schulhof, ekliges whatsapp-Verhalten) hole ich auch die Schulleitung mit ins Boot, Elterngespräche oder Sanktionen (die wiederum nur der Schulleiter aussprechen kann).


    Das Problem sind m.M.n. v.a. die Sachen, die außerhalb unserer Einflusssphäre stattfinden. Am deutlichsten zeigt sich das als Randstundenlehrer, wenn man die Gruppe nicht gut kennt- dort lassen die Kids eher untereinander die Sau raus, weil sie sich überlegen fühlen. In Klassen, in denen man ein gutes Standing hat ist die Gruppendynamik während man drin ist nicht gegeben, weil der Lehrer die Situation im Griff hat. Bis er den Raum verlässt :_o_(

  • Sagen wir es mal so...
    Es gibt kein "Patentrezept".
    Eben weil es so viele verschiedene Zusammenstellungen gibt...wer mobbt wen, ab wann ist es überhaupt "Mobbing", wie wird was von wem empfunden,...
    Wichtig ist, dass du als Lehrkraft zumindest aufmerksam bist. Und eben hinterfragst, wenn da was anders ist, als es sein sollte.
    Auch wichtig ist, dass die SuS wissen, dass sie zu euch koommen können, dass das eben kein "Petzen" ist, dass gegen Mobbing was getan werden muss, dass das eben nicht "okay" ist. Denn meistens funktioniert es nur, weil viele "unbeteiligte" eben nur wegsehen oder ggf sogar hinsehen und das "lustig" finden.
    Von daher... welche Maßnahmen da helfen, hängt sehr von den beteiligten SuS ab. Was bei diesn hilft, mag bei anderen völlig fehl am Platze sein.


    Lernt eure SuS besser kennen und einschätzen, das ist die hallbe Miete.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

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