"Menschlichkeit fehlt" am Gymnasium - geht es nur ums Aussieben??

  • Die frühen Noten waren auch für die Eltern ein klares Signal, dass es so nicht funktioniert und sie sich umstellen müssen.

    Oder muss sich die Schule vielleicht umstellen? Vielleicht gibt man den 10-jährigen (!) ein paar Wochen mehr Zeit für die Umstellung auf neue Lehrer, Mitschüler, Stundentafel, etc, ehe man sie ab Woche 2 mit 5en bombardiert?

  • Die Klassenlehrerin: "Es geht ums Abitur, nicht um Schmusepädagogik." (5. Klasse!)


    Und mein Kind sagte zu mir nach einem halben Jahr: "Ich glaube, die Lehrer interessieren sich gar nicht für uns."


    Jetzt ist er in der 8. und hat sich daran gewöhnt, eine Nummer zu sein.

    Ich glaube, um Lehrer, die dieses Gefühl vermitteln, geht es. Das sind mit Sicherheit nicht alle, zum Glück! Aber es gibt sie eben (vermutlich auch häufiger auf dem Gymnasium als an anderen Schulformen), und wenn so ein junger Mensch in der 5. Klasse auf so einen Kollegen trifft, kann das ein wahrer Schock sein.


    An der Grundschule geht es darum, in einer extrem heterogenen Gruppe bestmöglichen Unterricht zu machen und aus jedes Kind das Beste herauszuholen. Ist das am Gym auch so? Oder ist es egal, was aus denjenigen wird, die im Unterricht nicht mitkommen?


    Ich erinnere mich an meine eigene Gym-Schulzeit. Wenn jemand da mal nicht auf Zack war, gab es gerne den Satz: „Du musst hier nicht sitzen. Den Abmeldezettel kannst du dir im Sekretariat abholen.“

  • Oder ist es egal, was aus denjenigen wird, die im Unterricht nicht mitkommen?

    Nein, natürlich ist es nicht egal. Aber ...



    Wenn jemand da mal nicht auf Zack war, gab es gerne den Satz: „Du musst hier nicht sitzen. Den Abmeldezettel kannst du dir im Sekretariat abholen.“

    Das ist halt einfach so und hin und wieder sage ich das meinen Jugendlichen schon auch wenn sie meinen demonstrativ keine Lust haben zu müssen. Als Klassenlehrperson berate ich natürlich sowohl diejenigen, die Lust haben und sich schwer tun als auch den umgekehrten Fall. Man muss einfach schauen, welche Möglichkeiten es gibt und manchmal ist die Lösung einfach runter vom Gymnasium und Lehrstelle suchen oder Wechsel an die Fachmittelschule. Diesen Beratungsauftrag hat am Gymnasium aber nicht jede Fachlehrperson, das liegt primär bei der Klassenleitung. Also bei uns ist das so. Als Fachlehrperson helfe ich gerne, wenn ich direkt angesprochen werde, aber ich dränge mich niemandem auf.

  • So hart es klingt, aber eigentlich ist es so: Niemand muss am Gymnasium beschult werden, während man in der Grundschule beschult werden muss. Natürlich kann man es auf einer Schulform mit niedrigerem Anforderungsniveau sich leichter machen, was sicher auch im Interesse mancher sein dürfte. Ob ein 5. Klässler oder dessen Eltern bereits umfänglich diese Anspruchshaltung bei Abwägung der möglichen Alternativen verarbeiten können, ist wohl eher Einzelfallabwägung.

  • Ich finde schon, dass ein Übergang gestaltet werden muss. Dabei kann aber nicht Ziel sein, dass jedes Kind bis zum Abitur durchgeschliffen wird. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht an überzogene Leistungsanforderung aus Sek. 1 am Gymnasium erinnern. Es war schon etwas anders als in der Grundschule, aber nicht unbedingt härter. Eine Anpassung des Gesamtniveaus im Gymnasium an die schwächsten Schüler macht das dreigliedrige Schulsystem ja dann eigentlich überflüssig. Es gibt ja viele Gründe wieso jemand auf einer bestimmten Schulform scheitern kann. Das ist ansich aber doch gar nicht schlimm, denn es gibt immer noch Real- und Hauptschule.

  • Oder muss sich die Schule vielleicht umstellen? Vielleicht gibt man den 10-jährigen (!) ein paar Wochen mehr Zeit für die Umstellung auf neue Lehrer, Mitschüler, Stundentafel, etc, ehe man sie ab Woche 2 mit 5en bombardiert?

    Nein. Das sind am Anfang irgendwas um 20 Wörter pro Woche, die sind zumutbar. Die schlechten Noten ergeben sich daraus, dass ich nur richtig oder falsch werte - sprich, ob das Wort einen Rechtschreibfehler hat oder überhaupt gar nicht gewusst wurde, macht keinen Unterschied und gibt beides 0 Punkte. In den ersten Tests lernen die Kinder einfach noch wahnsinnig schlampig und meinen es reicht, wenn ersichtlich ist, dass sie das richtige Wort meinen. Mir ist aber wichtig, dass sie von Anfang an sorgfältig schreiben. Auch wenn das vermutlich nicht ihren Erfahrungswerten aus der Grundschule entspricht. Fange ich damit erst verspätet an, weil sie erst "ankommen müssen", müssen sie hinterher doppelt lernen.

  • "Kakaodienst" und "du, Frau..." hatte ich aber schon vor 40 Jahren in meiner Grundschulzeit. (Wobei ich fast glaube, dass es den Kakaodienst inzwischen nicht mehr so häufig gibt. Oder?)

    OT: Ich war ja auch vor über 40 Jahren in der Grundschule, aber "Kakaodienst" kenne ich nicht. Wie läuft/lief der denn ab? Bei uns wurden in der GS Kakao, Milch und Bananen- sowie Erdbeermilch (igitt!) vom Hausmeister in einem kleinen "Kabuff" verkauft.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Bei uns gab´s auch den Kakaodienst, der aus dem Keller den bestellten Kakao/Milch holen durfte.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • zu meiner Zeit musste man in der GS die Milch (Kakao, Vanille oder Erdbeere) vorbestellen und die Eltern holten es einmal im Monat ab (oder war es alle zwei Monate)?


    Auf jeden Fall habe ich mein Päckchen täglich mit in die Schule getragen. Ich habe bis soeben nicht gewusst, was Kakaodienst ist. (Ich dachte an große Kannen frisch gekochten Kakao.)

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Was mich echt wundert: Was habt ihr alle für Probleme mit dem "Schülerzahlen-Halten“? Ich kenne nur Wartelisten-Gymnasien. Die Landesschulen und solche mit besonderem Profil haben sogar Aufnahmeprüfungen, die suchen sich die Kinder aus.

  • War ein cooler Job. Irgendwie.

    Witzig, dass Kinder solche Dienste lieben. Eine Kollegin hat mal die Klassendienste vergeben, nach "wer war besonders brav und fleißig, der darf fegen." Sie haben sich drum gerissen. Das will ich mal zu Hause erleben: Wenn du brav Hausaufgaben gemacht hast, darfst du dein Zimmer aufräumen ^^

  • Kakaodienst hatten wir auch! Das war schön.


    Übergang von GS auf Gym (und vermutlich auch alle anderen Schulformen) finde ich schon ganz sinnvoll. Ich gebe in Vokabeltest grunsätzlich noch einen halben Punkt, wenn das Wort falsch geschrieben, aber richtig erkennbar ist.

    Unserer Schule bekommt viele Kinder aus Grundschulen, in denen "Schreiben nach Gehör" unterrichtet wird und die Rechtschreibung nicht bewertet wird. Da habe ich immer das Gefühl, dass ich nicht übertreiben sollte, zumal es sich ja nun auch noch um eine Fremdsprache handelt.

  • Ja.. gerade WEIL sie im Deutschen so katastrophal schreiben, ist mir wichtig, es im Englischen von Anfang an anders anzugehen. Ich streiche mittlerweile auch die deutschen Fehler an (bei Tests, die in beide Richtungen gehen) und lasse sie verbessern. In der Mittelstufe schreiben viele unserer Schüler ein rechtschreibfehlerfreieres Englisch als Deutsch, das ist wirklich erschreckend.

  • zu meiner Zeit musste man in der GS die Milch (Kakao, Vanille oder Erdbeere) vorbestellen und die Eltern holten es einmal im Monat ab (oder war es alle zwei Monate)?


    Auf jeden Fall habe ich mein Päckchen täglich mit in die Schule getragen. Ich habe bis soeben nicht gewusst, was Kakaodienst ist. (Ich dachte an große Kannen frisch gekochten Kakao.)

    Bei uns gab es weder "Kakaodienst" noch Vorbestellungen. Wie sind einfach mit unseren 50-Pfennig-Stücken in der Hand zum Hausmeister gedackelt und haben uns die Flaschen Milch (stimmt, Geschmacksrichtung Vanille gab es bei uns - neben Erdbeer und Banane - auch!) oder Kakao dort gekauft. Diese Organisation des Verkaufs hat aber leider oft zum Ende der Woche dazu geführt, dass es keinen Kakao mehr gab, da er ausverkauft war...

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  • Für mein Fach (Englisch) und als Klassenleitung einer 5. Klasse sieht der Übergang so aus, dass ich ihnen nebst Organisatorischen Dingen erkläre, wie die Dinge bei uns am Gymnasium so laufen und sie dürfen natürlich all ihre Fragen stellen. Anfangs bin ich gar nicht groß zum Unterrichten gekommen. In Englisch fange ich ja quasi nochmal bei Null an, obwohl die meisten Englisch in der GS hatten. Das Lehrwerk (Kl...) sieht auch vor, dass man alle möglichen, z.T. schon bekannten Wortfelder (Tiere, Dinge im Zimmer, Schulkram, Zahlen) wiederholt und je nachdem, wie fix sie dabei sind bzw. wenn ich merke, dass sie die schon kennen, kann ich schneller vorangehen.

    Ansonsten teile ich den Eltern beim Elternabend noch mit, was bei uns grundsätzlich anders ist als an der Grundschule und worauf sie sich einstellen müssen und gebe ihnen Tipps zum neuen Schulalltag. Auch thematisieren wir das Thema Noten immer wieder in der Klasse und ich erkläre, dass die am Gymnasium auch mal schlechter ausfallen und wie man am besten damit umgehen kann.

    Neben den ganzen schon erwähnten Veranstaltungen finde ich das mehr als genug an Gestaltung des Übergangs. Wenn Schulen das so gar nicht machen, ist es natürlich nicht so schön für die Schüler, aber an den meisten Schulen ist das m. E. durchaus üblich.


    Ich bin damals am 1. Tag am Gymnasium zum Klassenzimmer gebracht worden von meinem Vater. Punkt. Los ging's.

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