"Menschlichkeit fehlt" am Gymnasium - geht es nur ums Aussieben??

  • Hatten wir so einen Thread nicht vor Jahren sogar schon einmal?

    Die Themen "Gymnasiallehrer beschweren sich über die Grundschule" bzw. "Grundschullehrer beschweren sich über das Gymnasium" haben wir regelmäßig und auf der Skala von sachlich bis polemisch auch schon in diversen Ausprägungen. Es ist allerdings schon auffällig, dass es im wesentlichen um diese beiden Schulformen geht, ich kann mich nicht erinnern, dass hier schon mal Gymnasiallehrer über Haupt- oder Realschullehrer hergezogen hätten, oder auch umgekehrt. Auch die beiden Kernanlässe scheinen mir reproduzierbar: bei Gymnasiallehrern geht es meistens um das zu niedrige Niveau und den damit verbundenen Ärger, den man mit bestimmten Schülern/Eltern hat, bei Grundschullehrern meist um negative Erfahrungen des eigenen Kindes.

  • Da bin ich ganz bei dir, nur ich selbst singe nicht, sonst würde die Zahl der Krankmeldungen vor meinem Unterricht extrem steigen:musik:

  • So hart es klingt, aber eigentlich ist es so: Niemand muss am Gymnasium beschult werden, während man in der Grundschule beschult werden muss. Natürlich kann man es auf einer Schulform mit niedrigerem Anforderungsniveau sich leichter machen, was sicher auch im Interesse mancher sein dürfte. Ob ein 5. Klässler oder dessen Eltern bereits umfänglich diese Anspruchshaltung bei Abwägung der möglichen Alternativen verarbeiten können, ist wohl eher Einzelfallabwägung.

    Es geht nicht um das höhere Anforderungsniveau, sondern um die Vermittlung auf pädagogische, menschliche Art und das Hinführen zu diesem höheren Niveau.

  • Da bin ich ganz bei dir, nur ich selbst singe nicht, sonst würde die Zahl der Krankmeldungen vor meinem Unterricht extrem steigen


    Das ist bei mir ganz anders; aber die SuS haben schnell gespürt, dass es dabei nicht auf stimmliche Qualitäten ankommt, sondern darauf, dem Libretto gerecht zu werden. Stimmlich machen es Degenhard und Wegner einem aber auch nicht schwer.

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Aha... Da habe ich wohl in Bio nicht gut aufgepasst, was? Andererseits habe ich es genauso, wie ich es formuliert habe, auch an der Uni in den Vorlesungen gelernt; da hatte ich wohl einen schlechten Dozenten :weissnicht:... Diese deiner Meinung nach "umgangssprachlichen" Formulierungen werden komischerweise sogar in einem Online-Lexikon benutzt (siehe hier: https://lexikon.stangl.eu/1234/kurz-und-langzeitgedaechtnis/).

    Sorry, es war nicht als Angriff gemeint.

    Die Wörter sind schon fachsprachlich.

    Aber: Wenn du die Seite, die du verlinkt hast, gelesen hättest, hättest du erfahren, dass Informationen im Kurzzeitgedächtnis (oder Arbeitsgedächtnis) ca. 30 Sekunden (plus-minus, so steht es dort) gespeichert werden können. "Kurzzeitgedächtnis" hat als entgegen seiner umgangssprachlichen Verwendung nichts mit dem Lernen für einen Test und danach wieder vergessen zu tun.

    Warum ich meine, dass man das als LehrerIn wissen sollte, hat auch nichts mit "Bio" zu tun, sondern mit entwicklungs- und lernpsychologischen Grundlagen. Wenn ich mit Kindern Intelligenztests durchführe, muss ich den Eltern ja auch erklären können, was die unterschiedlichen Faktoren bedeuten. Und sollte dazu noch wissen, was für Auswirkungen Stärken und Schwächen in bestimmten Bereichen auf die Lernmöglichkeiten und die Unterrichtsgestaltung haben.

  • Also lauf einfach los und sieh zu, dass es nicht mehr als 100 m werden.

    Das klingt so, als kämen alle gleichzeitig an.

    Vor Augen habe ich als Flachländer deine Kraxelbilder und meinen windigen Deich.


    Tatsächlich laufen bei der Wanderung mit SchülerInnen einige gerne ein Stück vor, andere mit dir, 20m dahinter, gerne auch mal 150m dahinter und andere müssen geschoben werden.


    Als Lehrkraft läuft man mal mit den einen, mal mit den anderen und dank der Superkräfte kann man pfeilschnell von ganz hinten nach ganz vorne gelangen.

    Man kennt den Weg und das Gelände, die einen nehmen den rollstuhlgerechten, Ebenen Weg, die anderen schickt man noch auf einen Umweg durchs Gelände.


    Schön ist es, wenn dabei alle gelassen bleiben können, Freude daran haben, den Weg zu beschreiten, und gemeinsam ans Ziel kommen.

  • Informationen die einmal im Langzeitgedächtnis sind (auch für Vokabeltests) gehen eigentlich auch nicht wieder verloren, nur die Abrufbarkeit kann arg eingeschränkt sein, wenn zu wenig Verbindungen/Vernetzungen aufgebaut worden sind. Was das mit Biologie zu tun haben soll ist mir aber irgendwie unklar, Gedächtnistheorien werden eigentlich von Psychologen aufgestellt und validiert, ab und an mischen sich Mediziner halbgar mit MRI-Forschung ein, aber wieso Biologen? :)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Ich glaube, dass dieses Klischee der "Kuschelpädagogik" gerne gezogen wird, um sich selbst guten Gewissens der Selbstreflexion zu entziehen.

    Die Kinder sind einfach viel jünger und ohne groß Kuschelpädagogik zu machen, spielen die ersten Lehrerinnen doch für sie eine erhebliche Rolle. Die Kleinen lieben einen, ohne dass man extra was dafür tut, sagen aus Versehen Mama oder Papa, zu den Eltern dann "Frau Zauberwald", wie ich auch schon hörte. Wir begleiten sie ja auch ein ganzes Stück beim Großwerden, nicht nur beim kognitiven Lernen. Erst einmal in den Schlappen einer GS-Lehrerin laufen, dann kann man sehen, was sie bei uns AUCH alles noch lernen (müssen).

    Wie sagte meine Chefin immer: Grundschule ist eine eigene Schulform und kein Zubringer fürs Gymnasium.

  • und dank der Superkräfte kann man pfeilschnell von ganz hinten nach ganz vorne gelangen

    Die bei mir ganz vorne laufen, die kennen den Weg. Die haben mein vollstes Vertrauen und geben einfach kurz bescheid wenn sie angekommen sind. Im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne.

  • Die bei mir ganz vorne laufen, die kennen den Weg.


    Ganz genau. Am meisten muss man auf die aufpassen, die am Ende rumzockeln, sonst sind sie vielleicht auf einmal weg.

    Das ist bei mir gerade mal nicht so ... und das scheint zuzunehmen.

    Denen, die ganz hinten zockeln, denen kann man zum Teil auch mal sagen, dass sie einfach dem Weg folgen sollen und ihnen vertrauen.

    Die anderen kommen auf die wildesten Ideen, wenn man ihnen nicht ab und an einen Spurt oder ein Geländespiel in Aussicht stellt.


    Allerdings muss man auch die Mittleren im Blick behalten, ob sie zufrieden und ausgelastet sind. Wenn es unbedingt Noten sein sollen, sollte man eine für Anstrengungsbereitschaft erteilen. Wer gemächlich im Mittelfeld die Wegstrecke zurücklegt, obwohl ein zügiger Dauerlauf möglich wäre, braucht durchaus auch mal eine Ansage.


    Und ja, das alles geht in der Grundschule auch in Hausschuhen :_o_D


    Auf die Palme bringen mich allerdings die, die auf der Stelle stehen bleiben, ein Pläuschchen halten, die Aussicht genießen und auf irgendetwas zu warten scheinen, statt sich selbst mal ein Stückchen zu bewegen ... ich glaube, sie warten aufs Mamataxi, das sie an Ziel bringen soll, oder auf jemanden, der den Rollstuhl bringt oder sie in einer Sänfte trägt, obwohl sie prima laufen könnten.

  • Am meisten muss man auf die aufpassen, die am Ende rumzockeln, sonst sind sie vielleicht auf einmal weg.


    Das sind immer meine Helden gewesen; denn auf die brauch ich ja nicht mehr aufzupassen.

    Übrigens mit SuS schon lange keinen Wandertag mehr gehabt.

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Und ja, das alle geht in der Grundschule auch in Hausschuhen :_o_D

    Unsere beklagen sich da momentan allerdings über kalte Füße.


    Auf die Palme bringen mich allerdings die, die auf der Stelle stehen bleiben, ein Pläuschchen halten, die Aussicht genießen und auf irgendetwas zu warten scheinen, statt sich selbst mal ein Stückchen zu bewegen ... ich glaube, sie warten aufs Mamataxi, das sie an Ziel bringen soll, oder auf jemanden, der den Rollstuhl bringt oder sie in einer Sänfte trägt, obwohl sie prima laufen könnten.


    Das stimmt.


  • Übrigens mit SuS schon lange keinen Wandertag mehr gehabt.

    War ich heute, spontan, kurz und schön. Die Turnhalle war von einem Alte-Damen-Zirkel besetzt, ohne dass wir das wussten und da wir schon einmal unterwegs waren, sind wir einfach noch ein Stück weiter gezogen bis zu einem Spielplatz. Der Himmel war herrlich. Das kalte Wetter irgendwie auch.

  • Der Himmel war herrlich.


    off topic (Pardon!):


    Es ist mehr als 40 Jahre her. Ich hatte gerade ein paar Semester studiert, da verbreitete sich im Kegelklub meines Vaters die Mär, ich hätte in KR meine Zwischenprüfung bestanden (gab's nie). Da meldete sich am nächsten Tag ein Kegelbruder, Leiter einer koedukativen Realschule (war damals bei uns grad erst neuer Standard), telefonisch mit der Anfrage, ob ich denn nicht jetzt ein paar Stunden Reli für ihn vertreten könne. Brachte damals etwa 17,20 DM die 45 Minuten.


    Monate später, kurz vor den Osterferien, besuchte ich mit einer gemischten 7. oder 8. Klasse zum Thema "Auferstehung" den benachbarten Friedhof. Mit der Aufgabenstellung Auferstehungssymbole zu finden, schickte ich die SuS (damals hießen die noch "Schüler") pärchenweise los. Der Himmel war herrlich. Die Sonne schien frühlingshaft warm hernieder.


    Ich selber schlenderte so durch die Grabesgänge, als zwei ältere Damen auf mich zukamen: "Sind Sie der Lehrer von den Schülern da hinten?" Ich bejahte. "Dann sollten Sie aber auch auf Ihre Schüler aufpassen. Gehen Sie mal zur Leichenhalle."

    Schnellen Schrittes, angstbesetzt, so als ob einer von den Meinen vielleicht selber kurzfristig verstorben wär, begab ich mich dorthin, zu dem auch eigentlich vorgesehenen Treffpunkt.

    Auf dem Rasen vor dem Totenhäuschen, lagen ALLE Mädchen der Klasse. Die meisten obenrum nur mit BH bekleidet. HÖLLE!HÖLLE!HÖLLE! Und sonnten sich. Die meisten Jungs etwas abseits, fast Schulter an Schulter, verschämt die Köpfe zusammengesteckt (zumindest als sie mich wohl kommen sahen), tuschelnd, kichernd, giffelnd.


    So schnell war ich noch nie mit SuS zurück von einer Exkursion. Und keiner blieb 100 Meter zurück.

    Friedhofsexkursionen hab ich später nur noch im November unternommen.

    (Ich hoffe, ich hab das nicht schon mal hier erzählt.)

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Übrigens mit SuS schon lange keinen Wandertag mehr gehabt.

    Mein letzter endete mit einer Brandwunde am Knie. Ich bin mit einer Schülerin zusammen auf der Solarbobbahn in Langenbruck entgleist weil wir zu schnell um die Kurve gefahren sind. Davor sind wir so 2 h gewandert und haben uns vor lauter Tratschen einmal auch verlaufen. War immerhin dieses Schuljahr aber leider das letzte Mal dass wir raus durften.

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

  • Sorry, es war nicht als Angriff gemeint.

    Die Wörter sind schon fachsprachlich.

    Aber: Wenn du die Seite, die du verlinkt hast, gelesen hättest, hättest du erfahren, dass Informationen im Kurzzeitgedächtnis (oder Arbeitsgedächtnis) ca. 30 Sekunden (plus-minus, so steht es dort) gespeichert werden können. "Kurzzeitgedächtnis" hat als entgegen seiner umgangssprachlichen Verwendung nichts mit dem Lernen für einen Test und danach wieder vergessen zu tun.

    Warum ich meine, dass man das als LehrerIn wissen sollte, hat auch nichts mit "Bio" zu tun, sondern mit entwicklungs- und lernpsychologischen Grundlagen. Wenn ich mit Kindern Intelligenztests durchführe, muss ich den Eltern ja auch erklären können, was die unterschiedlichen Faktoren bedeuten. Und sollte dazu noch wissen, was für Auswirkungen Stärken und Schwächen in bestimmten Bereichen auf die Lernmöglichkeiten und die Unterrichtsgestaltung haben.

    1. Ich neige schon dazu Websites zu lesen, bevor ich sie hier verlinke. Also: Ja, ich habe sie gelesen und ja, dort steht, dass im Kurzzeitgedächtnis für 30 Sek. gespeichert werden. Uns wurde damals im Studium (wir hatten übrigens nur eine Veranstaltung, in der es um diese Themen ging!) erklärt, dass Vokabeln u. ä., die man schnell gelernt hat, ca. 24 Stunden im Kurzzeitgedächtnis "kreisen" würden, dann langsam verblassen und letztendlich komplett gelöscht werden, wenn man sie nicht wiederholt. Von daher bleibe ich dabei, dass die meisten meine SuS - wenn sie denn überhaupt Vokabeln lernen - diese im Kurzzeitgedächtnis oder allenfalls im mittelfristigen Speicher abspeichern. Viele "lernen" nämlich erst morgens im Bus oder schauen sich die Vokabeln erst in der Pause vor dem Test an ;) .

    2. Tatsächlich haben Freund*innen von mir diese Thematik auch schon in der 13. Klasse des Gymnasiums im Biologie-Unterricht besprochen. Daher mein Verweis auf "Bio".

    3. Mag sein, dass ich mich irre, aber als Lehrerin für ältere SuS kann ich m. E. nicht wirklich viele entwicklungs- und lernpsychologische Grundlagen im Arbeitsalltag anwenden, weder für die Gestaltung meines Unterrichts und erst recht nicht um Eltern irgendetwas erklären zu können. Kommunikation mit Eltern kommt bei uns an den BBSn eher selten vor. Wir sind ja schon froh, wenn unsere SuS überhaupt zum Unterricht erscheinen! Ich denke, dass ist in den meisten anderen Schulformen anders, allein aufgrund der Tatsache, dass die SuS jünger sind und noch mitten in ihrer Entwicklung stecken. Ich behaupte einfach mal, dass wir BBS-Lehrkräfte nicht mehr sehr viel auf die "Lernstrategien" u. ä. unserer SuS einwirken und leider auch relativ wenig auf die Stärken und Schwächen der einzelnen SuS eingehen können. Das ist bei der Größe der Klassen und in der kurzen Zeit (im Vollzeitbereich meist ein Schuljahr, im Teilzeitbereich drei Jahre bei jeweils ein bis zwei Schultagen pro Woche), die die SuS bei uns sind, leider nicht möglich.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • 1. Ich neige schon dazu Websites zu lesen, bevor ich sie hier verlinke. Also: Ja, ich habe sie gelesen und ja, dort steht, dass im Kurzzeitgedächtnis für 30 Sek. gespeichert werden. Uns wurde damals im Studium (wir hatten übrigens nur eine Veranstaltung, in der es um diese Themen ging!) erklärt, dass Vokabeln u. ä., die man schnell gelernt hat, ca. 24 Stunden im Kurzzeitgedächtnis "kreisen" würden, dann langsam verblassen und letztendlich komplett gelöscht werden, wenn man sie nicht wiederholt.

    Moderne Ansätze zum Vokabeln lernen nutzen ja das SRS-System (Spaced Repetition System), wo die Wörter in immer größer werdenden Abständen wiederholt werden. Die Idee ist ja nicht neu, sondern das Prinzip des guten alten Vokabelkastens. Vielleicht ist die Sache mit dem Kurzzeitgedächtnis auch nur eine sprachliche Spitzfindigkeit, aber es ist definitiv so, was man kurz mal lernt, verschwindet schnell, und es muss immer wieder geübt werden.

  • Informationen die einmal im Langzeitgedächtnis sind (auch für Vokabeltests) gehen eigentlich auch nicht wieder verloren, nur die Abrufbarkeit kann arg eingeschränkt sein, wenn zu wenig Verbindungen/Vernetzungen aufgebaut worden sind. Was das mit Biologie zu tun haben soll ist mir aber irgendwie unklar, Gedächtnistheorien werden eigentlich von Psychologen aufgestellt und validiert, ab und an mischen sich Mediziner halbgar mit MRI-Forschung ein, aber wieso Biologen? :)

    Genau da liegt ja m. E. das Problem: Weil die meisten SuS nur kurzfristig für Vokabeltests und Klassenarbeiten etwas auswendig lernen, was sie anschließend schnell wieder vergessen (="Bulimielernen"), besteht eben kein langfristiger Lerneffekt.

    Wie bereits geschrieben: Es ging um den Biologie-Unterricht in der Oberstufe, in dem diese Thematik damals auch durchgenommen wurde.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

Werbung