Raus aus dem Lehrerberuf - Möglichkeiten, Wege, Verluste, usw…

  • Liebe Community,


    ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, mache ich mir in den letzten Jahren zunehmend Gedanken darüber bzw bin mir sicher, den Lehrerberuf nicht dauerhaft ausüben zu wollen. Ich bin seit 12 Jahren verbeamteter Lehrer, vollen Engagement und Enthusiasmus gestartet, schnell befördert worden usw. usf.. Jedoch frustriert der Job mich mittlerweile seit Jahren und nimmt mir eine ganze Menge Lebensfreude. (Ich denke in diesem Zusammenhang gibt es hier einige Themen, die ähnliche Szenarien beschreiben.)


    Nun sehe ich mich in meinem „Beamtenstatus“ gefangen. Der Weg in die Wirtschaft wäre - meiner Wahrnehmung nach - unter „Pensionsgesichtpunkten“ der reinste ökonomische Irrsinn (natürlich ist es auch nicht sinnvoll noch 25 Jahre in einem Job zu arbeiten, der einen bis ins Mark frustriert), zudem würde natürlich der Beamtenstatus verlorengehen.


    Die Frage die sich mir daher stellt - und hier hoffe ich ggf auf den ein oder anderen Erfahrungsbericht - welche Wege sind hier bekannt, ohne größere Verluste aus dem Lehrerberuf auszusteigen oder gibt es Möglichkeiten in andere Tätigkeitsgebiete zu wechseln, in welchen man den Beamtenstatus beibehalten könnte.


    Über entsprechende Rückmeldungen würde ich mich freuen und wünsche allseits einen guten Start in die Woche!


    Viele Grüße

  • Bolzbold

    Hat das Thema freigeschaltet
  • Liebe(r) T-VII,


    willkommen in diesem Forum.

    Ja, die Situation kann in der Tat belastend sein, wenn man in eine solche Situation gerät.

    Ich würde mir die Frage stellen, ob ich definitiv aus dem aktiven Schuldienst raus will, oder ob ich zunächst eine temporäre Auszeit nehmen möchte, in der ich mich aber weiterentwickeln kann. Leider gibst Du kein Bundesland an, so dass es schwierig ist, Dir hier konkret etwas zu raten.

    In NRW gibt es beispielsweise immer mal wieder Stellen als pädagogischer Mitarbeiter im Ministerium. Es gibt außerdem Stellen in den Kommunen. In beiden Fällen würde man temporär abgeordnet. Ggf. ergeben sich über diesen Weg dann noch andere Möglichkeiten. Wenn man bereits A15 und Teil der erweiterten Schulleitung ist, hat man sich nach sechs Jahren für die Schulaufsicht qualifiziert, so dass bei entsprechendem Bedarf auch ein Wechsel dorthin möglich ist.

    Eine Sache ist aber in jedem Fall problematisch: Schulflüchtlinge möchte man in keiner dieser Behörden.

    Hier in diesem Forum gibt es auch bereits den einen oder anderen Thread, der sich mit Deinen Fragen befasst. Nutze doch einmal die Suchfunktion und schau mal, was es dazu bereits gibt.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Lass Dich auf jeden Fall professionell beraten. Du wirst in einem Lehrerforum kaum in Kontakt mit Menschen kommen, die den schwierigen und langwierigen Weg (da sollte man wohl nichts beschönigen) raus aus Lehramt und Beamtentum selbst gegangen sind.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Hm, du unterrichtest bereits am Berufskolleg. Ich hätte vermutet, dass du vor der Sek1 fliehen möchtest, was über Versetzungen möglich ist... Aber da du diese gar nicht unterrichtest, sind es wohl andere Gründe.

  • Das mit der Beratung sehe ich ähnlich; vorher solltest Du vielleicht schon für Dich klären: willst Du einfach nur weg oder willst Du irgendwo hin? Und warum?

    Das hat doch ziemlich große Bedeutung... um verbeamtet und im pädagogischen Bereich zu bleiben, fielen mir da Versetzung oder Abordnung an eine andere Schule/ Schulform, Schulamt und Universität/ Hochschule ein. Pädagogik außerhalb des Schulkosmos geht meistens mit Aufgabe des Beamtenstatus einher. Und alles andere sowieso ;)


    Die kurzfristige Lösung zum Durchatmen wäre da sicherlich Beurlaubung oder radikale Stundenreduktion auf 50%, wobei Du für beides die Genehmigung des Schulamtes brauchst und den Antrag bis zum 31.1. stellen musst, falls er ab nächstem Schuljahr gelten soll (wobei ich jetzt einfach mal davon ausgehe, dass das in jedem BL so gilt, man möge mich andernfalls berichtigen).


    Dein Bundesland wäre ebenfalls gut zu wissen, denn solltest Du wirklich ganz raus wollen, gewähren einige BL Altersgeld auf Antrag, einige nicht. Auch Deine private Situation solltest Du bedenken: als kinderloser Single in einer Mietwohnung habe ich andere Voraussetzungen als als Familienvater im nicht fertig abbezahlten Eigenheim.


    Wie weiter oben schon geschrieben: hier sind naturgemäß wenige Ex-Lehrende vertreten ;) daher ist es vermutlich ratsam, ganz ganz viel zu googeln... ja, man muss leider viel mit sich alleine ausmachen auf diesem Weg.

  • Hallo zusammen,


    Vielen Dank für die zahlreichen Rückmeldungen! Ich selbst komme aus und unterrichte in NRW als OStR an Berufskollegs. Zudem habe ich seit Jahren einen Lehrauftrag an einer Hochschule, was mir viel Freude bereitet. Aber das Schulsystem ist für mich die reinste Qual.


    „Leider“ habe ich als junger Vater in einem Neubau doch einige finanzielle Verpflichtungen…


    Nochmals herzlichen Dank für die Rückmeldungen…!

  • In NRW gibt es beispielsweise immer mal wieder Stellen als pädagogischer Mitarbeiter im Ministerium. Es gibt außerdem Stellen in den Kommunen. In beiden Fällen würde man temporär abgeordnet.

    Ich halte das für einen guten ersten Schritt. Wenn man immer als Lehrer gearbeitet hat, kann man sich nicht so recht vorstellen, was ein reiner Bürojob bspw. bedeutet. So ein Job hat viele Vorteile (klar abgegrenzte Arbeitszeiten; oftmals weniger akute Stressmomente, die alle gleichzeitig auf dich einwirken wie im Schuldienst: obwohl es im Amt auch stressige Phasen gibt, ist das eine andere Art von Stress), aber gleichzeitig ist das auch einfach extrem anders. Man hat plötzlich viel weniger mit (jungen) Menschen zu tun, auch wenn man natürlich Kollegen und ggfs. "Publikumsverkehr" hat. Und das abarbeiten von Akten kann sehr, sehr eintönig sei - und so ein Arbeitstag sehr, sehr lang.
    Ich habe meine (sehr kurze) Abordnung vor längerer Zeit damals nie bereut, weil ich erstens viel besser verstanden habe, wie das System (tm) funktioniert und weil ich gemerkt habe, dass ich bei allen Aspekten, die mich am Lehrberuf stören, als Lehrer nie - also wirklich niemals - das Gefühl habe, dass der Arbeitstag so gar nicht vorübergehen will. Und dass ich die Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit als Lehrer niemals in Frage gestellt habe - im Amt aber schon. Das hat dann wirklich dazu geführt, dass ich den Lehrerjob wieder viel mehr zu schätzen gelernt habe. Außerdem ist Abwechslung immer gut.

    Langer Rede kurzer Sinn: Schau doch echt erst mal, was so über Abordnungen geht, um einen Eindruck zu bekommen, worauf du Lust hast

  • Wenn Lehre an der Hochschule Spaß macht und es auch Interesse an Forschung gibt, lohnt es sich ggf. Ausschau nach Abordnungsstellen an der Uni zu halten. Diese sind zwar auch immer befristet, aber es besteht die Möglichkeit zur Promotion aus der sich ggf. weitere neue Möglichkeiten ergeben.

  • Was genau stört dich denn so sehr?

    Das hier aufzulisten würde vermutlich den Rahmen sprengen und ist vermutlich an anderer Stelle schon zu Hauf dargestellt worden. Faktisch ist es so, dass ich mich seit meinem Beginn vor 12 Jahren vom absoluten Menschenfreund zum Misanthropen entwickelt habe und das als Resultat der beruflichen Entwicklung der letzten Jahre interpretiere.


    Tatsächlich habe ich langjährige Berufserfahrung in der Wirtschaft, weis wie sich der Büro-Alltag gestaltet… Bin mir aber auch bewusst, dass man in der Wirtschaft nicht auf jemanden wartet, der seit über einer Dekade als Lehrer tätig war. Von den finanziellen Gesichtspunkten ganz abgesehen…


    Eine Abordnung klingt für mich zunächst sinnvoll… Forschung und Promotion sind für mich tatsächlich die am erstrebenswertesten Ziele, leider natürlich auch mit temporären finanziellen Einbußen, welche ich mir nicht erlauben kann, behaftet…

  • Das hier aufzulisten würde vermutlich den Rahmen sprengen und ist vermutlich an anderer Stelle schon zu Hauf dargestellt worden.

    Das sehe ich anders. Die Gründe der Anderen sind nicht zwingend Deine Gründe und auch die Lösung orientiert sich daran. Wer am System (TM) ;) verzweifelt und daran, wie Lernende mit erhöhtem Unterstützungsbedarf durch alle Raster fallen, der wird im Schulamt sicher auch nicht glücklich werden. Wer gestresst ist von der Personalplanung seiner Schule, dem Klientel mit stark herausforderndem Verhalten oder deren Eltern, für den kann ein Standort- oder Schulformwechsel schon Entlastung bringen. Manche sind introvertiert und stehen nicht gerne vor vollen Klassen, andere extrovertiert und ecken mit Kollegen an, den nächsten graut die Vorstellung, noch 30 Jahre lang "immer dasselbe" zu machen, den nächsten stresst das Wissen, dass sich in den kommenden 30 Jahren permanent Verordnungen und Klientel verändern. Ok, einiges davon trifft auf viele Jobs zu 8) aber deshalb finde ich es schon wichtig, dass Du das für Dich klar hast. Musst es ja nicht hier mitteilen, aber aus den Äußerungen der Kolleg*innen kann man nicht unbedingt auf Deine persönliche Situation schließen.

  • Ok, der Einwand von Grubenvogel ist nachvollziehbar, daher versuche ich in aller Kürze die wesentlichen Ursachen meiner Frustration abzubilden.


    Vorab muss ich anmerken, dass ich vom Wesen (leider) niemand bin, der „innerlich kündigen“ kann oder dazu neigt zu resignieren mit den Gedanken „dann macht doch, was ihr wollt, ich hab ab 13h meine Ruhe“. Dies merke ich an, da mich im Speziellen viele Jahre als Klassenlehrer im Bereich Sek II (Höhere Berufsfachschule) nahezu in den Nervenzusammenbruch geführt haben. Fehlzeiten, Respektlosigkeiten, Fehlverhalten jeder Art, Versetzungsproblematiken, Nachprüfungen, Prüfungsentwürfe anfertigen (und im Grunde genommen ungenutzt in die Tonne werfen) bis hin zur täglichen Auseinandersetzung mit Analphabetismus, Dyskalkulie gepaart mit vollkommener Selbstüberschätzung haben hier schon einigen mentalen Schaden verursacht. Der Umgang mit den vorgenannten Aspekten wird natürlich dann besonders „spannend“, wenn man feststellt, dass man nahezu als „zahnloser Tiger“ unterwegs ist - gerade dann wenn es um konsequente Verfolgung von Fehlverhalten, Beratung hinsichtlich der weiteren Schullaufbahn oder schlichtweg auch erzieherischen Aspekten unterwegs ist. Hier gibt es unzählige Highlights die für mich schlichtweg absolut untragbar sind - beispielsweise das „übergeordnete Abändern“ von Vornoten um die Prüfungszulassung zu gewährleisten… Natürlich mit dem Ziel die Vorgaben bzw Vorstellungen der Bezirksregierungen zu erfüllen… Ich könnte Seiten dazu schreiben…


    Grundsätzlich ist es so, dass ich weiterhin unheimlich gerne auf einem fachlich anständigen Niveau unterrichte… Dazu zähle ich nicht die Aufgaben der Alphabetisierung o.ä…. Die „Kleinkriege“ um das Unterrichten herum sind für mich jedoch absehbar leider absolut untragbar…

  • Das hier aufzulisten würde vermutlich den Rahmen sprengen und ist vermutlich an anderer Stelle schon zu Hauf dargestellt worden. Faktisch ist es so, dass ich mich seit meinem Beginn vor 12 Jahren vom absoluten Menschenfreund zum Misanthropen entwickelt habe und das als Resultat der beruflichen Entwicklung der letzten Jahre interpretiere.


    Tatsächlich habe ich langjährige Berufserfahrung in der Wirtschaft, weis wie sich der Büro-Alltag gestaltet… Bin mir aber auch bewusst, dass man in der Wirtschaft nicht auf jemanden wartet, der seit über einer Dekade als Lehrer tätig war. Von den finanziellen Gesichtspunkten ganz abgesehen…


    Eine Abordnung klingt für mich zunächst sinnvoll… Forschung und Promotion sind für mich tatsächlich die am erstrebenswertesten Ziele, leider natürlich auch mit temporären finanziellen Einbußen, welche ich mir nicht erlauben kann, behaftet…

    Wenn es über eine Abordnung an die Uni läuft, ist das doch eigentlich nicht mit finanziellen Einbußen verbunden.

  • Wenn es über eine Abordnung an die Uni läuft, ist das doch eigentlich nicht mit finanziellen Einbußen verbunden.

    Ok, das wäre wirklich eine für mich er- und anstrebenswerte Alternative. Die Vorgehensweise ist mir jedoch gänzlich unbekannt, da mein derzeitiger Lehrauftrag auf Honorarbasis läuft. Eine Abordnung an die Uni müsste über meine Bezirksregierung / die entsprechende Hochschule in die Wege geleitet werden?

  • In NRW gäbe es auch die Möglichkeit, sich für die Lehrerausbildung bei den ZfsL zu bewerben. Die suchen, bei uns zumindest, immer Leute.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Ist chilipaprika nicht aktuell an die Uni abgeordnet?

    Du hast schon viele Tipps bekommen, die ich gern ebenfalls empfehle. In NRW schaut man bei Stella unter Funktionsstellen an Schulen. Es gibt Abordnung an die QUA-LiS aber auch an die BR oder das MSB. Auch Uni-Abordnungen findet man da.


    Welche Fächer hast du denn? Für inklusion wird aktuell viel gesucht.

  • Genau: ZfsL: mit der passenden beruflichen Fachrichtung hat man gute Chancen, aber wer "selten" sagt, sagt auch: wenig Reffis, wenig Entlastung, noch viel Schule.

    Uni / generell Abordnungen: auf Stella stehen die Stellen, man kann sich einfach bewerben ;-) (und sie sind nicht alle vorab vergeben, ich habe um mich herum gefragt).
    Aber da du schon einen Lehrauftrag hast, ist es am einfachsten, nachzufragen: jede Hochschule hat eine gewisse Anzahl an Abordnungsstellen / Qualifikationsstellen und die Institute können bei der entsprechenden Stelle nachfragen, wie das Verfahren dafür ist. Fakt ist: einige Institute haben häufiger / regelmäßiger Abordnungen, einfach weil sie danach fragen. Sprich: es liegt einfach daran, was gebraucht wird. Wenn ein Institut dich gerne hätte, kann es gerne fragen, wie die Chancen wären, ggf. ist es eine Teilabordnung (50%, ziemlich doof, aber vll für dich interessant), oder mehrere Institute / Teilbereiche bündeln ihre Interessen und dein Lehrauftrag wird entsprechend angepasst...


    aber auch da gilt: eine Abordnung ist zwar eine Zeit raus aus der Schule, das Ministerium macht es aber nicht als Versorgung für Schulflüchtlinge sondern eben zur Vernetzung. Die Qualifikationsstelle hat also schon den Sinn einer Vernetzung von Schule und Forschung..

  • Tatsächlich habe ich langjährige Berufserfahrung in der Wirtschaft, weis wie sich der Büro-Alltag gestaltet… Bin mir aber auch bewusst, dass man in der Wirtschaft nicht auf jemanden wartet, der seit über einer Dekade als Lehrer tätig war. Von den finanziellen Gesichtspunkten ganz abgesehen…

    Klingt für mich, als würdest du dir selbst im Weg stehen. Kann sein, dass nicht jedes Unternehmen nur auf dich wartet, aber was hindert dich, dich um Stellen zu bewerben, die deiner früheren Tätigkeit entsprechen, was hindert dich, dort Karriere zu machen und ein gutes Geld zu verdienen und privat für das Alter vorzusorgen?


    Wenigstens schreibst du nicht, dass du nicht auf die vielen Ferien verzichten möchtest. Denn das und der Beamtenstatus sind verantwortlich dafür, dass viele Lehrer an Schulen herumlaufen, die da eigentlich nicht (mehr) hingehören, weil sie keine Lust mehr haben und die Schüler nicht mögen. Das ist für keinen schön, und du schreibst ja schon, dass sich deine Persönlichkeit verändert.


    Dein Leid kann ich nachvollziehen, und du bist noch jung genug, das Ruder rumzureißen. Wenn du mit Abordnungen anfängst, hast du immer das Damoklesschwert über dir schweben, irgendwann an irgendeine Schule, die du dir nicht ausgesucht hast, zurück zu müssen. Und du bleibst im System Schule drin, obwohl dich das krank macht. Auch als Fachleiter hättest du ja mit der ganzen Problematik immer zu tun, und "Schulflüchtlinge" als Fachleiter sind nun ganz und gar keine Empfehlung.


    Und irgendwann kriegst du die Kurve nicht mehr.


    Du verrätst deine Fächer/deine Ausbildung nicht, von daher kann man dir da schlecht raten und das ist hier wohl auch das falsche Forum dafür.


    Aber mach was. Love it or leave it.

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