Aufgabenstellungen, die so richtig daneben gegangen sind

    • Offizieller Beitrag

    In der lokalen Zeitung und teils auch in den sozialen Netzwerken kursiert folgende tatsächlich so gestellte Aufgabe in einem GK PL in der Einführungsphase:

    Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines verstorbenen Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland und damit eine Existenz zu sichern.


    Besprich die Situation mit deiner/m Tischnachbarin/Tischnachbarn. Welche Konflikte seht ihr darin?


    Die Schule trägt - wie so viele - das Label "Schule ohne Rassismus"... Ich denke, das Ganze fällt unter die Kategorie "epic fail".


    Kennt Ihr noch weitere Aufgabenstellungen, die hinsichtlich der erfolgten Reaktionen so richtig in die Hose gegangen sind?

  • Zuletzt bin ich mal über eine Aufgabe in einem "älteren" (10 Jahre alt) Ethikbuch gestolpert, wo es sinngemäß darum ging zu begründen, warum ein Moscheeneubau nicht erfolgen dürfe mit dem Grundtenor des dazugehörigen Textes, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Kritisch reflektietr reflektiert sollte diese Aufgabe nicht werden. Mit einer Gruppe habe ich an der Stelle tatsächlich über ein Moscheebauprojekt in unserer Stadt debattiert und wir haben uns angeschaut, welche Argumente dafür und dagegen von verschiedenen Parteien und Gruppierungen vorgetragen wurden, welche Interessen und/oder Werte dahinterstehen könnten und wie sie dazu stehen. Die Aufgabenstellung habe ich ihnen dann am Ende gezeigt und sie gefragt, was sie von dieser Art Aufgabenstellung halten würden. Das war eine spannende Debatte zu Haltungen, Zeitgeist und eben auch deren Ausdruck in Schulbüchern, die man insofern immer sehr kritisch prüfen muss.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Mal abgesehen davon, dass ich die Aufgabenstellung auch eher misslungen finde...


    Aber es ist halt eine Migrantengruppe, in der Zwangsverheiratungen (auch Nicht-Zwangsverheiratungen) im erweiterten familiären Bereich schon mal vorkommen.

    Sicher aber sind Zwangsverheiratungen in manch anderen Migrantengruppen häufiger vorzufinden, würde ich meinen.


    Und die Heirat, um an eine Staatsbürgerschaft zu kommen, da kann man quasi (sowas wie die Schweiz oder die USA etc. mal ausgenommen) jede beliebige Nationalität außerhalb der EU einsetzen.


    Man hat in diesem Fall scheinbar versucht, zwei bzw. drei Konfliktaspekte (Zwangsheirat; Rechtsbruch; Heirat innerhalb der Familie) in einer Fallbeschreibung unterzubringen.


    Rassismus, also dass jemand aufgrund seiner Ethnie benachteiligt oder negativ dargestellt wird, sehe ich hier nicht. Leider wird dieser Begriff mittlerweile inflationär benutzt. Wenn, dann könnte man von Diskriminierung aufgrund der Herkunft sprechen.


    Aber es ist nun einmal auch einfach so, dass in bestimmten Kulturkreisen eher Zwangshochzeiten und Hochzeiten innerhalb der Verwandschaft stattfinden als in anderen.




    PS: Schaut euch mal die Verwandschaftsverhältnisse in Marokko an, das ist echt übel (und wäre hier in einer Vielzahl der Fälle illegal) - und natürlich nicht mir der Türkei oder türkischstämmigen Migranten zu vergleichen.

  • PCB-Buch für den alten Lehrplan der Mittelschule in Bayern: "Der Klimawandel hat Gewinner und Verlierer."

    Das würde heutzutage so niemand mehr formulieren.

  • Ich weiß nicht mehr wo, aber in einer Abiaufgabensammlung aus einem anderen Bundesland, also nicht Bayern, hab ich mal diesen Cartoon gefunden, der offenbar wirklich Aufgabe im Abitur war. Ich fand das zumindest fragwürdig. Im Unterricht, wo man sich daran vielleicht reiben und abarbeiten kann, mag das ja noch angehen, aber in einer reinen Prüfungssituation...

    [Blockierte Grafik: https://thebigqs.files.wordpress.com/2010/06/multiculturalism1.jpg]

  • PCB-Buch für den alten Lehrplan der Mittelschule in Bayern: "Der Klimawandel hat Gewinner und Verlierer."

    Das würde heutzutage so niemand mehr formulieren.

    Ach, ich habe auch nach dem aktuellen G9-Lehrplan (NRW; "Die SuS beschreiben den Einfluss der naturräumlichen Bedingungen in den einzelnen Landschaftszonen auf die landwirtschaftliche Nutzung") in Lehrwerken (Plural!) Fragen gesehen, die darauf abzielen, ob z.B. Sibirien nicht Profiteur des Klimawandel sein könne, da dort ja mit weniger Permafrost ganz neue landwirtschaftliche Möglichkeiten erschlossen werden könnten...

    There are only 10 sorts of people - Those who know binaries and those who don't.

  • Meine Tochter bekam in Deutsch (10. Klasse Gym) kürzlich mal diese Karikatur des bekannt rechtsradikalen Karikaturisten Wiedemann vorgelegt:


    Das Thema war eine materialgestützte Erörterung zur These, dass das Lesen immer mehr Bedeutung verliere. Und nein, ich unterstelle der Kollegin keine rechtsradikale Gesinnung. Nur Naivität. Und mangelnde Fähgikeit im Interpretieren von Karikaturen.

  • Ach, ich habe auch nach dem aktuellen G9-Lehrplan (NRW; "Die SuS beschreiben den Einfluss der naturräumlichen Bedingungen in den einzelnen Landschaftszonen auf die landwirtschaftliche Nutzung") in Lehrwerken (Plural!) Fragen gesehen, die darauf abzielen, ob z.B. Sibirien nicht Profiteur des Klimawandel sein könne, da dort ja mit weniger Permafrost ganz neue landwirtschaftliche Möglichkeiten erschlossen werden könnten...

    Ich frage mich offen gestanden, was an dieser Art Fragestellung falsch sein soll. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es Regionen der Welt geben wird, die vom Klimawandel eher profitieren werden, während es in vielen anderen Regionen massive Verwerfungen geben wird. Es geht dann doch auch nicht darum, den Klimawandel schön zu reden. Zensieren muss man solche Überlegungen jedoch auch nicht.


    PS: Hierzu gibt es (neben wahrscheinlich vielen anderen) z.B. eine in Nature veröffentlichte eher wirtschaftswissenschaftliche Studie der Universität San Diego (Katharina Ricke et al.) zu den voraussichtlichen öknomischen Schäden durch die Kohlendioxid-Emissionen. Einbezogen wurden direkte Kosten ökologischer Schäden, Vermeidungs- und Anpassungskosten und Abmilderungskosten. Während Länder wie Indien, die USA, Saudi-Arabien usw. deutlich schlecht wegkommen, stehen u.a. Deutschland und Russland da ziemlich gut da.


    (vgl. https://www.nature.com/articles/s41558-018-0282-y) (Leider Paywall)

  • Wenn man "Sieger und Verlierer Klimawandel" googlet, findet man auch viele Artikel, die sich mit der Anpassungsfähigkeit der Tierwelt beschäftigen. Man kann die Folgen des Klimawandels durchaus objektiv bewerten.

  • Ich frage mich offen gestanden, was an dieser Art Fragestellung falsch sein soll. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es Regionen der Welt geben wird, die vom Klimawandel eher profitieren werden, während es in vielen anderen Regionen massive Verwerfungen geben wird. Es geht dann doch auch nicht darum, den Klimawandel schön zu reden. Zensieren muss man solche Überlegungen jedoch auch nicht.

    Ach, ich wollte das gar nicht als "falsch" darstellen, sondern nur aufzeigen, dass eine derartige Fragestellung nicht zwingend veraltet ist. Im richtigen Kontext verortet (es ist eben kein Nullsummenspiel!) war das vor zwei Jahren durchaus eine Fragestellung, die die SuS motiviert hat. Auch weil es von der gängigen Herangehensweise an das Thema abgewichen ist.


    Ich sehe aber jetzt auch, dass man meinen Beitrag so lesen kann, als fände ich das unanständig :).

    There are only 10 sorts of people - Those who know binaries and those who don't.

  • Nichts. Der empörte Kollege Vater hat der Kollegin stattdessen eine vertieftere Auseinandersetzung mit den von ihr verwendeten Materialien nahegelegt.

  • Nichts. Der empörte Kollege Vater hat der Kollegin stattdessen eine vertieftere Auseinandersetzung mit den von ihr verwendeten Materialien nahegelegt.

    Sehr gut! :top:

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Mir fällt dazu das Biobuch mit der Rassenlehre ein. Ist noch gar nicht so lange her...

    https://taz.de/Veraltetes-Mate…hsischer-Schule/!5564200/

    Dass es unterschiedliche menschliche Phänotypen gibt, ist Fakt, das dürfte sicher unbestritten sein. Entscheidend ist da in meinen Augen eher, dass es keine besseren oder schlechteren (=Wertung) Rassen/Ethnien/Phänotypen gibt, sondern nur unterschiedliche. Und natürlich sind Juden keine Rasse, sondern eine Glaubensgemeinschaft, die unabhängig von Phänotypen ist. Solange das Buch diese Argumente berücksichtigt, sehe ich kein Problem.

  • Dass es unterschiedliche menschliche Phänotypen gibt, ist Fakt, das dürfte sicher unbestritten sein. Entscheidend ist da in meinen Augen eher, dass es keine besseren oder schlechteren (=Wertung) Rassen/Ethnien/Phänotypen gibt, sondern nur unterschiedliche. Und natürlich sind Juden keine Rasse, sondern eine Glaubensgemeinschaft, die unabhängig von Phänotypen ist. Solange das Buch diese Argumente berücksichtigt, sehe ich kein Problem.

    Du solltest dir die Mühe machen, dich mit der Debatte um den gesellschaftspolitisch umstrittenen, da gerade nicht neutralen oder gar sachorientierten Begriff der "Rasse" bezogen auf Menschen vertraut zu machen, ehe du dich mal wieder zu Dingen rein aus deinem Bauchgefühl und Halbwissen heraus äußerst, was dir mal wieder unabhängig von Fragen des Phänotyps und rein politisch gesprochen einen bräunlichen Anstrich verpasst. (Der dann wieder im Umkehrschluss einladen könnte zu Fragen über das umstrittene Merkmal der Rasse und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Bilder, Vorstellungen und Haltungen, war dunkle Schminke für weiße Menschen doch ein Weg Menschen nicht-weißer Hautfarbe in früheren Verfilmungen samt sämtlicher weiterer Verhaltenssterotype die damit einhergingen darzustellen.)

    Der biologistische Rassediskurs ist durch die Forschung widerlegt, wer daran festhält zeigt, worum es eigentlich, tieferliegend geht: Macht und Hierarchie durch die Zuschreibung von Bedeutung für Differenzen, die auf biologischer Ebene (Genetik) deutlich weitreichender sind, als Begriffe wie "Rasse", "Ethnie" oder auch "Phänotyp" auszudrücken vermögen würden.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace


  • Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines verstorbenen Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland und damit eine Existenz zu sichern.


    Besprich die Situation mit deiner/m Tischnachbarin/Tischnachbarn. Welche Konflikte seht ihr darin?



    Also als Einstieg in eine Stunde über Stereotypen und Vorurteile ist das doch gar nicht so verkehrt?

    Wenn die Schüler das einfach so problemlos schlucken und "brav" die Konflikte herausarbeiten hat man viel zu tun und zu diskutieren.


    Kommt halt sehr aufs Fach und auf die Stunde an. Und die Klassenstufe.

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