Klassenleitung

  • Hi,


    Sorry, wenn das nicht alles ganz sinnvoll geschrieben ist.


    Ich habe momentan eine Klassenleitung im Jahrgang 6. Momentan alleine - krankheitsbedingt. War die halbe 5 auch schon so. Die Klasse ist nicht ganz einfach - ADHS, Störungen in der emotionalen Entwicklung, und jetzt auch pubertäres Gezicke. Sie sind recht laut und lebhaft. Bedeutet auch - ja, ich habe Probleme mit der Disziplin in der Gruppe, aber wie arbeiten dran - und ich habe den Eindruck, dass es (wenn auch langsam) besser wird.


    Heute habe ich erfahren, dass die Schulleitung entschieden hat, dass ich die Klasse abgeben muss. Denn es gebe zu viele Probleme und ich würde mich kaputt machen.


    Letzteres - ja, die Kids sind anstrengend. Aber ich mag sie und will sie nicht aufgeben. Probleme - klar, gibt es auch. Und ich bin noch Berufsanfänger und frage wohl zu viel nach. Plan ist, ich soll den Kids erzählen, dass ich in der Oberstufe gebraucht würde - dann ein Jahr aussetzen, und dann eine neue 5. Klasse.


    Ich möchte das aber nicht. Ich will um meine Klasse kämpfen. Bin eigentlich seit dem Gespräch nur noch am weinen. Das sind meine Kids, ich will sie nicht aufgeben. Und es ist nicht meine Gruppe - klar, auch, aber nicht nur sie. Und meiner Meinung nach ist die Nachbarklasse lauter, meine nur "auffälliger" weil langsamer zurück in der Klasse


    Irgendwelche Ideen wie ich um die Kids kämpfen kann?


    Und muss ich bei der Ausrede der Schulleitung bleiben? Von Lügen halte ich eigentlich nichts. Gerade überlege ich, sonst die Eltern (+ Kids) Anfang Mai zu informieren - wenn ich nichts erreichen kann. Und zwar mit dem Hintergrund - und nicht mit fadenscheinigen Argumenten, dass in einem anderen Jahrgang mehr Bedarf wäre. Dann machen da nämlich auch evtl manche etwas Stress, und ich bin nicht allein.

  • Ich finde deine Schulleitung super - dass jemand im Blick hat, wer sich gerade kaputt macht, ist nicht selbstverständlich 👍


    Deine emotionale Reaktion (weinen, Wahrnehmung des "Kämpfens" um die Klasse) lässt vermuten, dass du evtl. ein bisschen sehr "involviert" in dieser Thematik bist und es eventuell auch an ein wenig professioneller Distanz fehlt.. an deiner Stelle würde ich der Regelung dankbar zustimmen, mich sammeln, sortieren, und dann mit der nächsten Klassenleitung frisch neustarten.

  • Ich denke auch, du solltest das nicht persönlich nehmen und auch nicht als Niederlage auffassen. Schon dass du jetzt weinen musst, sollte ein Alarmzeichen für dich sein. Kümmere dich jetzt erst einmal um dich selbst und schaffe etwas Abstand. Vertrau mal auf deine Schulleitung, sie wird schon wissen, was sie tut.


    Die "Notlüge" finde ich gar nicht so schlecht - schau, es soll ja auch nicht für die Kids so aussehen, als hätten sie dich verjagt.


    Krönchen zurechtrücken und weitermachen :troest:

  • Ich habe mit diesen Kids schon verdammt viel erreicht. Aktuelle Sachen:

    - Förderschwerpunkt wird beantragt, und das Kind ist in total kaputten Familienverhältnissen. Weiß ich seit einem Monat. Weil er davor sich nicht getraut hat, was zu sagen. Toll, dass dann wieder eine Bezugsperson weg ist.

    - 2 Kids die mit Verhaltensplänen langsam besser klarkommen. Da läuft auch viel Elternarbeit.

    - vorgestern mal erfahren, was einige von denen auf dem Weg nach Deutschland (bei der Flucht) alles mitgemacht haben. Erzählen sie auch nicht einfach so.

    - oder dass ein Kind panische Angst vor seinem Vater hat, aber zu wenig erzählt als dass wir was unternehmen könnten

    - etc, ich hab viel nebenher um das ich mich noch kümmere. Leider gerade alleine. Weil immer Teamkollegen ausgefallen sind.


    Klar bin ich involviert - das sind meine Kids, ich hänge an meinen Chaoten, ich möchte sie weiter begleiten und auch mitbekommen, wie aus Kindern dann Teenager werden - was aus ihnen wird.

  • Du schreibst, dass du Berufsanfänger bist. Wie lange soll deine Berufskarriere denn voraussichtlich gehen?

    Wenn das so weitergeht, nicht lange an dieser Schule. Aber wegen voriger Vertretungsstellen habe ich die Verbeamtung schon sicher.


    Und vielleicht mache ich mir zu viele Sorgen um die Kids und reibe mich auch ein Stück weit daran auf. Es gibt immer mal Stresswochen, da ist alles was viel. Aber größtenteils komme ich gut klar.


    Oder willst du damit sagen, dass ich dann für die Schule nicht tragbar bin - und damit von anderer Seite aus da Gegenwind kommt?

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde es ebenfalls sehr umsichtig von deiner SL, dich da ein wenig rauszunehmen.

    Als Lehrer geht man immer einen schmalen Grat zwischen Engagement und Selbstausbeutung, und offenbar sieht die SL dich zu Letzterem tendieren.


    Ich finde es toll, was du alles in Bewegung gebracht hast, aber --auch wenn es hart klingt -- niemand ist unersetzlich.
    Und wenn du an der Schule bleibst, wirst du "deine" Kids doch trotzdem weiter sehen und vll als Fachlehrer auch begleiten.

  • Wenn das so weitergeht, nicht lange an dieser Schule.

    Ich glaube nicht, dass deine Anfrage hauptsächlich was mit dieser oder einer anderen zukünftigen Schule zu tun hat. Man kann Problemen nicht aus dem Weg gehen, wenn man sie mitnimmt, wenn sie ursächlich mit einem selbst zu tun haben: du wirst auch an anderen Schulen vergleichbare Situationen finden, mit Problemkindern zu tun haben und in dem gleichen Dilemma landen, wenn du vorbehaltlosen Einsatz bis über die professionelle Distanz hinaus in die persönliche emotionale Involvierung hinein als etwas Normales betrachtest.


    Das ist aber nicht normal. Schlussendlich ist es selbstzerstörerisch. Du hast nur eine begrenzte Kapazität an Energie, die du pro Zeiteinheit aufbringen kannst. Wenn du das ignorierst, wirst du früher oder später ausbrennen. Das wird deine Berufskarriere in Frage stellen. Du wirst deine Berufswahl in Frage stellen.


    Du bist Berufsanfänger. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Junglehrer noch kein gutes Gespür dafür entwickelt haben, wann sie sich selbst schützen müssen um morgen oder in 4 Monaten noch engagiert vor der Klasse stehen zu können.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Klar bin ich involviert - das sind meine Kids, ich hänge an meinen Chaoten, ich möchte sie weiter begleiten und auch mitbekommen, wie aus Kindern dann Teenager werden - was aus ihnen wird.

    Ist das jetzt ein unprofessioneller Rat, wenn ich vorschlage, dass du ihnen ja sagen kannst, dass sie immer zu dir kommen können, wenn sie etwas auf dem Herzen haben? Vllt. ist das sogar einfacher, als wenn du ihre Lehrerin bist. So könntest du auch für den ein oder anderen da sein. Das werden sicher nicht viele annehmen, aber evtl. schon ein paar. Du bist ja nicht weg. Sag ihnen das.

  • Übrigens ist es immer, also meist, traurig, wenn man eine Klasse nach 2 Jahren (ist hier üblich) abgibt. Gerade, wenn man sich durchkämpfen musste. Aber die Neuen lenken einen sofort wieder davon ab.

  • Dein Engagement in allen Ehren, aber es sind eben nicht "deine" Kids. Bei mir persönlich gehen bei dieser Rhetorik die Alarmglocken an, denn die so redenden Kollegen sind diejenigen, die früher oder später umfallen. Es ist schön, dass die Kinder Vertrauen zu dir fassen und sich Fortschritte zeigen. Ich würde anbieten, dass sie gerne weiterhin zu dir kommen können und du weiterhin ein offenes Ohr für sie haben wirst. Vielleicht wäre ja auch ein Kompromiss, dass du die Klasse nicht komplett "verlässt", sondern weiterhin als Fachlehrer drin bleibst.


    Aber ansonsten würde ich eine professionelle Übergabe gestalten und reflektieren, an welchen Stellen du vielleicht über deine eigenen Grenzen gegangen bist und was den Eindruck erweckt hat, dass du dich kaputt machst. Und beim nächsten Mal mit klar abgesteckten Grenzen des Selbstschutzes an eine neue Klassenleitung herangehen.

  • Das sind meine Kids,

    Nein. Diese jungen Menschen und dich hat letztendlich der Zufall zusammengeführt. Du hast in die Beziehung investiert, klar, aber diese war von vornherein auf Zeit angelegt. Lass’ los und übe professionelle Distanz.


    Sei froh, dass ihr eine Schulleitung habt, die rechtzeitig erkennt, wenn ed zu viel wird.

  • Ich kenne dich nicht und kann von daher nicht einschätzen, ob du dich übernimmst. Ich kenne auch deine Schule nicht und kann von daher nicht einschätzen, ob du weitere Personen an deiner Schule hättest mobilisieren können. Ich weiß auch nicht, warum du nicht dauerhaft an der Schule bleiben möchtest.

    Was ich aber weiß, viele der Kinder und Jugendlichen brauchen verlässliche und dauerhafte Beziehungen, die ihnen im System Schule verwehrt werden. Zwei Jahre Begleitung als Klassenlehrer:in reichen da oft nicht. Ich würde deshalb das Gespräch mit der SL suchen und schauen, was sich machen lässt.

    Wenn nicht, dann eben nicht.

    Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

  • Wir wissen nicht genau, warum die SL so entschieden hat. Aber sie hat ja eine Fürsorgepflicht dir gegenüber und wird sich etwas dabei denken. Das mit dem Reflektieren über dich selbst, das oben jemand schrieb, finde ich gut. Manchmal sendet man (permanent) Signale, die man vllt. selbst gar nicht so wahrnimmt. Ich denke da aber jetzt eher an eine bestimmte Kollegin. Dich kenne ich ja nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Die Fürsorgepflicht der SL ist bemerkenswert - das hätte meine Schulleitung niemals gemacht. Da bekamen gerade solche Menschen wie die TE die Problemklassen, weil die SL wusste, dass Menschen wie die TE das schon machen. (OK, die "Schleifer" bekamen auch solche Klassen, aber die haben das recht professionell ohne emotionales Engagement gemanagt.)


    Ich habe bei den Klassen bzw. den Stufen, die ich betreuen durfte, auch immer von "meinen Kids" geredet, aber mehr aus Solidarität als aus zu intensiver emotionaler Verbindung. Gleichwohl: Ausgerechnet die SchülerInnen, die mich als Klassenlehrer in der 6. Klassen wirklich gefordert haben, haben mir bei ihrem Abiball, der gleichzeitig mein letzter Abiball an meiner Schule vor meiner Abordnung in die Behörde war, einen wirklich tollen Abschied bereitet.

  • Ohne die konkrete Situation zu kennen (außer 1. Post) und daher ausdrücklich nicht persönlich auf die/den TE bezogen :


    Es gibt sicher auch eine Menge SL, die in der Situation "wie begründe ich den vorzeitigen Abzug der Klassenlehrerschaft gegenüber der Lehrkraft?" den kommunikativ eher einfachen Weg gehen, mit Fürsorge zu argumentieren (Signal "Mama/Papa hat mehr Erfahrung und passt auf dich auf") als die häufig eher unübersichtliche mehrdimensionale Sachlage in ihrer Gesamtheit darzustellen. Das ist dann oft sehr komplex, erzeugt allein dadurch schon Unklarheit und hat oft auch Anteile von tatsächlichem oder angenommenen defizitären Verhalten der Lehrkraft und erzeugt dann heftige Abwehr - ob sachlich begründet oder nicht, oft egal.

    So ja auch hier (Abwehr, Unverständnis).


    Meiner Erfahrung nach gibt es bei einer derart starken und ungewöhnlichen Entscheidung wie dem Entzug einer Klassenlehrerschaft kaum je nur einen einzigen Grund.



    Zum Konkreten Anliegen:


    Ich würde der TE raten, hier bei SL gezielt nachzufragen, welche weiteren Begründungszusammenhänge es denn gebe.


    Und ich würde weiters raten, zu fragen, weshalb die viel mildere Maßnahme, die Nachbesetzung der Co-Klassenlehrerschaft für den langzeiterkrankten Kollegen, nicht genutzt werde, um die TE zu entlasten. Das habe ich richtig verstanden, dass es an der Schule eigentlich immer 2 KL gibt? - Dass dieses Naheliegende nicht gemacht wird, zeigt m.E. schon recht klar, dass das Entlastungsargument vorgeschoben zu sein scheint. Die eigentlich an der Schule vorgesehene Teilung der Aufgabe, die hier durch die SL nicht umgesetzt wird, indem ein neuer Co-KL eingesetzt wird, treibt ja in der Argumentationslogik der SL die TE (auch) in die Überlastung. Da widerspricht sich die SL doch.


    Oder übersehe ich da etwas?

  • qamqam


    Das mag alles sein. Aber ich hütete mich, noch Energie in die Analyse zu stecken.


    Man sagt mir oft genug, dass ich noch dies machen solle oder das oder jenes. Wenn mir dann mal jemand sagt, ich solle etwas nicht (mehr) machen, bin ich froh, nicke und mache etwas anderes.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • ninale: Womöglich ist das so. Womöglich bräuchten die Schülerinnen langfristige Ansprechpartnerinnen, Begleiterinnen. Wenn das so ist, muss man solche einführen. Da braucht es vielleicht pädagogisches Personal jenseits der Lehrerinnen. Wenn es das an der Schule nicht gibt, ist das kein Grund für eine einzelne Kollegin sich zusätzlich zu belasten.


    Klassenlehrerin ist zunächst mal eine Verwaltungstätigkeit. In zweiter Linie ist man Ansprechperson, die an die zuständigen Stellen verweist. Wenn dann noch Zeit(!) ist, kann man sich um Einzelfälle kümmern. Diese Zeit herbeizuschaffen, ist aber nicht Aufgabe der einzelnen Lehrkraft sondern der Dienstherrin, gegebenenfalls vertreten durch die Schulleiterin.

  • Zustimmung - wenn die kommunizierte Begründung der SL den tatsächlichen Gründen entspricht.


    Ich bezweifle dies jedoch (s.o.), denn dann hätte SL zunächst anders handeln müssen: vakante Co-KL einsetzen.


    Die TE kann die eigene Professionalität nicht erhöhen, wenn die SL ihre tatsächlichen Gründe für den Entzug der Klassenlehrerschaft mutmaßlich (teilweise) nicht offen legt.Daher mein Ratschlag zur zweifachen Nachfrage.

  • Ich habe gar keine Zeit, die Begründung der Schulleiterin in Zweifel zu ziehen. Wenn sie vorgeschoben ist, ist sie vorgeschoben. So what?

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

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