Referendariat: Maximale Gängelung

  • Hallo alle miteinander,

    mein Benutzername "NurEinReferendar" drückt schon ein wenig aus, worum mir geht.

    Zunächst die Rahmensituation: Ich bin im ersten Ausbildungsabschnitt meines Referendariats. Hier in BW benötigt man ein OK beider Seminarausbilder, um selbstständigen Unterricht im 2. Ausbildungsabschnitt zu erhalten. Ich sehne mich danach, endlich mal mich im Unterrichten ausprobieren zu dürfen ohne ständig jemanden hinten drin sitzen zu haben, dessen Vorstellungen ich hauptsächlich bedienen soll. Aber nö, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist natürlich besser. Je stärker man kontrolliert, desto besser werden die Leute ausgebildet. Ja nee, is' klar. Pädagogik preußischer Unteroffiziere!

    Vor dem Referendariats habe ich in Forschungsprojekten zusammen mit der Industrie gearbeitet. Deswegen weiß ich: Soooooo dumm bin ich wahrscheinlich nicht, wie ich mich mittlerweile fühle. Meine Erfahrungen dort: Es wird geduzt, man begegnet sich mit Respekt, mit Lockerheit und freut sich auf die Zusammenarbeit. Auch dort hatte ich Phasen, in denen ich wirklich sehr hart arbeiten musste. Aber man behandelte sich gegenseitig wie Gentlemen. Neue Kollegen werden nett begrüßt, man ist positiv-neugierig und dann gibt man dem Neuling erst mal einfache Aufgaben und dann immer etwas schwierigere, bis er voll mitarbeiten kann. Der Umgang ist konstruktiv wertschätzend, mindestens neutral.


    Leider ist die Welt, die ich nun im Referendariat erlebe, völlig dem entgegengesetzt. Ich finde es unmöglich, was für Sitten in diesem System vorherrschen: Einige Beispiele:

    • Referendare werden wie dumme Schüler behandelt, von denen man die Schwächlinge hinausprüfen will, anstatt diese als zukünftige Mitarbeiter zu sehen, die man bestmöglich ausbildet. Das Prüfen steht im Vordergrund. Das ist Preußen 1800.
    • Es wird gedacht in den Kategorien "Kontrolle" und "Maßregelung", auch wenn es vielleicht nicht mehr so genannt wird, ist dies das Mindset.
    • Referendare sollen das Rad komplett neu erfinden. Materialien werden vorenthalten. (Klar, von netten Kollegen an der Schule erhält man trotzdem welche.) Die Fachdidaktikveranstaltungen verfehlen jedoch völlig ihr Ziel, denn das wäre meiner Meinung nach deren Job. Und damit meine ich fertige Verlaufspläne und Materialien. Anpassen kann und muss man danach ja immer noch.
    • Unsitten wie: Es wird erwartet, dass der Referendar belegte Brötchen, Kaffee und am besten noch selbstgebackene Kuchen seinen Prüfern zum UB/Lehrprobe darreicht. Hallo????
    • Völlig überzogene und teils sinnlos-pedantische Anforderungen: Das minitiöse Tracken des Unterrichtsverlaufs nach dem Verlaufsplan. Die Sinnfreiheit, die damit zusammenhängt. Erinnert mich an die Bundeswehr beim Stubenappell, bei dem nach Falten der Hemde im Kleiderschrank akribisch gesucht wird. Ungefähr gleiches Mindset.
    • Fachlicher Dogmatismus bzgl. Formalismen
    • Subjektiv intransparente Erwartungshaltungen von unglaublich wichtigtuerischen und allwissenden Halbgöttern, wie ich sie vorher wirklich selten im Leben kennengelernt habe.

    Furchtbar. In der erste Sitzung in der einen Fachdidaktik wusste ich schon, das wird auf einen Konflikt hinauslaufen.

    Entsprechend ist es bei mir nun auch so gekommen: Der eine Ausbilder hat mir das Ok gegeben und hält mich für eine gute Lehrerpersönlichkeit, der andere vermutlich nicht und hat sich über mich bei der Schulleitung beschwert (Entscheidung wird nun gerade praktisch so lange wie möglich hinausgezögert und seit dem wird mir das Leben zur Hölle gemacht. Eventuell müsste ich den ersten Ausbildungsabschnitt wiederholen bei Kürzung der Bezüge.). Ich werde zwar nicht als völlig untauglich eingestuft, aber für einen Chaoten gehalten, der nicht genügend Engagement zeigt.


    Ich werde an sich in einem Mangelfach ausgebildet. KEIN WUNDER, warum man zu wenig Leute hat.

    Nun überlege ich gerade, hinzuschmeißen. Ich hab einen 2-Jährigen, für den ich unterhaltspflichtig bin und den ich seit 3 Wochen schon nicht mehr sehen konnte, weil ich nur noch am Rad drehe und für Besuche Unterrichtsvorbereitungen durchführe. Kürzung der Bezüge würde leider bedeuten, dass der Unterhalt für meinen Sohn ebenfalls sinken muss. Dies könnte die Konfliktgefahr mit der Ex wiederum vergrößern. Ein Abbruch des Referendariats würde wiederum bedeuten, dass ich meinen Wunsch, Lehrer zu werden, leider auch nicht realisieren kann. Da ich Sonderbezüge bekomme (Mangelfach), müsste ich außerdem sämtliche Sonderbezüge zurückzahlen. Finanziell ein riesiger Schaden. D.h. aus finanziellen Gründen bin ich schon fast gezwungen, weiter zu machen, gehe dabei aber ein enormes Risiko ein, wenn ich am Ende bei den Lehrproben rausgeprüft werde. (Leider schwer zu sagen bei der vorherrschenden Willkür.)

    Leider eine sehr belastende Situation.

    Ach ja, mit den Schülern komme ich zurecht. Interessiert ja aber keinen. Unterrichten an sich macht mir auch Spaß. Ich konnte 2mal alleine unterrichten ohne Mentor, das war noch besser. Also an sich zweifle ich nicht am Lehrerberuf, eher zweifle ich am Erfolg meiner Ausbildung.


    Vielleicht erging es dem oder der einen ähnlich und steckte in einer ähnlichen Situation? Was würdet ihr mir raten?

  • NurEinReferendar

    Hat den Titel des Themas von „Referendariat ist schrecklich“ zu „Referendariat: Maximale Gängelung“ geändert.
  • dessen Vorstellungen ich hauptsächlich bedienen soll.

    Die, die Prüfung bestanden haben.


    Referendare werden wie dumme Schüler behandelt, von denen man die Schwächlinge hinausprüfen will, anstatt diese als zukünftige Mitarbeiter zu sehen, die man bestmöglich ausbildet. Das Prüfen steht im Vordergrund. Das ist Preußen 1800.

    Es tut mir Leid, dass das so empfunden wird. Es ist aber so, dass diese Lehrer genau wissen, wie es läuft.


    Materialien werden vorenthalten.

    Richtig. Jeder kann selber mit fertigen Materialien unterrichten.

    Referendare sollen aber zeigen können, dass sie den Stoff selber beherrschen und reduzieren können. Eine Kernkompetenz eines jeden Lehrers.

    • Referendare werden wie dumme Schüler behandelt, von denen man die Schwächlinge hinausprüfen will, anstatt diese als zukünftige Mitarbeiter zu sehen, die man bestmöglich ausbildet. Das Prüfen steht im Vordergrund. Das ist Preußen 1800.

    Gäb viel zu sagen (und in einzelnen Punkten entspricht das auch dem, was ich vor 25 Jahren erlebt habe) ... aber der Lehrberuf ist auch definitiv nichts für "Schwächlinge". Wenn man mit Stress, Undankbarkeit, Ungerechtigkeit, hohen (überzogenen) Anforderungen (die kommen dann später von Eltern und z.T. Schülern), genauestem Arbeiten (immerhin erstellt und korrigiert man Prüfungen, die über Zukunftschancen entscheiden ... was meinst Du, wie genau Eltern, die schulischen Erfolg für ihre Kinder wollen, alles begutachten, was auch nur der kleinste Fehler von Dir sein könnte?), Formalismus (die Formalia schützen übrigens auch die Lehrkraft; die aufgestellten Regeln, die der Staat dann auch vertritt, puffern so einige Dinge ab) nicht klar kommt, wird man in dem Beruf kaputt gehen. Evtl. wird vor diesem Hintergrund "ausgesiebt".


    Wobei es schon auch die Tendenz gibt / geben kann, sich selbst Regeln einzureden und deren Einhaltung vehement einzufordern, obwohl diese Regeln nirgends stehen ... (vgl. in einem anderen Thread die Zahl der geforderten Tests ... bei mir war das vor Jahren mal, dass man mir die Punkteverteilung bei Tests vorschreiben wollte, die unsere Schulordnung aber klar in die pädagogische Verantwortung der Lehrer legt).

    Deswegen finde ich es enorm wichtig, sich bgzl. des Schulrechts auszukennen. Im Referendariat wirst Du da mehr schlucken müssen, weil man halt schon von den Ansichten betimmter Vorgesetzter abhängig ist und ja eine Stelle möchte. Wenn man die Stelle mal hat, sich im Schulrecht auskennt und keine großen Beförderungen mehr anstrebt, lebt man deutlich entspannter.


    Bzgl. der Materialien:

    - erstens gibt es genügend Materialien (kostenlos) im Internet oder von Verlagen

    - zweitens müssen Materialien, die bei meinem Unterrichtsstil funktionieren, bei Dir noch lange nicht klappen ... daher ist es tatsächlich gut, wenn man lernt, seine eigenen, auf seinen Stil abgestimmten Materialien zu erstellen.


    Ich hatte im Ref einen Betreuungslehrer, der gerade mal zwei Jahre älter war als ich und deutlich zeigen "musste", dass er eben schon fertiger Lehrer war und ich nicht (wohl gemerkt, Betreuungslehrer ... das sind die, die in Bayern keine Noten vergeben, sondern wirklich beratend und helfend zur Seite stehen sollen ... "Ratschläge" begannen immer mit dem Satz "Wer eine gute Note will, muss das so machen ..."). Er verfuhr nach der Maximie "nach unten treten und nach oben buckeln" ... fast hätte ich das Ref wegen ihm geworfen (und das im letzten halben Jahr, wobei bis dahin alles so verlaufen war, dass ich mir Hoffnung auf eine Anstellung machen konnte). Solche Geschichten werden Dir viele erzählen können ... man muss sich da durchbeißen.

    Schön, dass Du das Arbeitsklima außerhalb der Schule besser empfunden hast ... mein Sohn (Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann) hat das Gegenteil erlebt - soll heißen, sowas kommt nicht nur an der Schule vor, sondern überall dort, wo Menschen andere ausbilden (und damit irgendwie Macht ausüben).


    Bei meinen Lehrproben wurde nie erwartet, dass ich da auch noch einen Imbiss mitbringe.

  • Ja, das Referendariat ist eine absolute Zerreißprobe. Man befindet sich immer in der Doppelrolle des "Lehrerschülers", der zwar vor den Schülern die Kompetenz ist, vor den Kollegen aber die Inkompetenz (nicht, weil man zu dämlich ist, sondern weil man das Handwerk noch nicht beherrscht.)


    Ich habe vieles auch als absolut unnötig empfunden, was von mir zu Beginn verlangt wurde, vor allem das Erstellen von Material, Unterrichten nach "den Vorstellungen der Fachleiterinnen" und so weiter...


    Bis es mir irgendwann wie Schuppen von den Augen fiel: Handwerk muss man von der Pieke auf lernen. In der Industrie braucht man ja auch erstmal einen Gesellenbrief, bevor man einen Meistertitel tragen darf.

    Das Erstellen von Material und Verlaufsplan muss geübt werden und zwar von dir, indem du es selbst tust.

    Und zwar am Anfang muss man erstmal die Standards einüben und das ist eben die "Vorstellung der Fachleiter:innen".

    Was aber hilfreich ist zum Üben, sind die Lehrermaterialien zu deinem Lehrbuch. Die geben schon mal eine Struktur und didaktische Idee vor und sind gute Inspirationsquellen.



    Mein wichtigster Tipp (übrigens auch eine der Maximen, die ich in meinem Klassenzimmer immer aufstelle): Sieh die Kritik als Lernchance!

    Versuche nicht, die Fachleiter:innen als Feinde zu sehen, sondern sieh sie als Coaches, die dich zu einem möglichst sehr guten Lehrer machen wollen. Deswegen kritisieren sie so scharf.


    Richtig. Jeder kann selber mit fertigen Materialien unterrichten

    Dieser Aussage würde ich übrigens nicht zustimmen. Dann müsste man ja kein Ref mehr machen, sondern jeder würde zur Kopierkraft und wäre mit den Verlagsmaterialien vollends bedient.


    Fertiges Material so auszuwählen und anzupassen, dass die individuelle Lerngruppe gut damit lernen kann, ist mMn mindestens genauso schwierig wie Material passgenau zu erstellen, wenn nicht sogar komplizierter.

  • Als jemand der selbst ordentlich „Spaß“ im Ref hatte:


    - durchbeißen und arschbacken zusammen kneifen

    - überleg dir wie du deine „gut gemeinte“ Kritik verbal verpackst wenn dich etwas stört —> du arbeitest mit Menschen die im Zweifel rechtlich beruflich über dir stehen

    - nimm Kritik, wie abwegig sie auch für dich ist, als Möglichkeit der Verbesserung

    - arsxhloch denken und freundlich sein sind keine Widersprüche

    - zeitlich ist das ref begrenzt, zieh also einfach durch und schau das du da unbeschadet rauskommst. Danach kannst du versuchen als Teil des Systems was zu verbessern —> funktioniert, dauert halt nur

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • Vor dem Referendariats habe ich in Forschungsprojekten zusammen mit der Industrie gearbeitet.

    Hallo, mir tut deine SItuation leid und zum Teil kann ich dich auch verstehen. Aber ich glaube in der Zeile, die ich Zitiert habe liegt der Hund begraben. Du hällst dich glaube ich aufgrund dessen für so "erfahren", dass du keine helfende Hand mehr brauchst. Aber leider muss man sagen, dass du (vermutlich) noch ein Anfänger auf diesem Gebiet bist.


    Klar ist das Ständige beobachtet und kritisiert werden nervig und demutivierend (gerade wenn die Kritik überhand nimmt) Aber das ist der einzige Zeitpunkt in deiner Lehrerkarriere, wo du Feedback zu deinem Unterricht bekommst. Und glaub ja nicht, dass SuS dir die Wahrheit sagen (bzw überhaupt eine Kompetente Aussage treffen können) Nur weil sie dich mögern heißt das noch lange nicht, dass dein Unterricht gut ist!


    Versuch es also nicht zwingend als Kritik an deine Person zu sehen sondern als Verbesserungsvorschlag für deinen Unterricht.

  • Das Ref ist eine sehr stressige und belastende Zeit und du bist leider das letzte Glied in der Kette.

    Wenn dir das Unterrichten Spaß machst und du mit den SuS zurechtkommst, ist das doch schon einmal top.

    Ich stehe dem Ref in seiner jetzigen Form auch kritisch gegenüber, aber das ist eine andere Kiste.

    So schwer dir das vielleicht fällt, aber konzentriere dich auf dich und deinen Lernerfolg und arbeite dich nicht am Negativen ab und irgendwelchen Leuten, die jetzt in der Hierarchie über dir stehen und das auch raushängen lassen. Das frisst einfach nur wahnsinnig viel Energie und Zeit, die du nicht hast. Ja, manche Fachleiter finden sich wahnsinnig toll und gockeln durch die Gegend. Ja, das ist lächerlich und spricht nicht für diese Personen. Das Ref ist aber zeitlich begrenzt und als fertiger Lehrer mit Mangelfach wirst du auch schnell eine feste Stelle haben und in einer ganz anderen Position sein.

    Such dir, wenn möglich, nette Ausbildungslehrer, die fair und sachlich kritisieren, dich motivieren und dich wirklich weiterbringen. Permanente Dauerkritik macht einen meiner Meinung nach nämlich nicht besser, sondern nur unsicherer.

    -Reflektiere dein Verhalten und versuche, die Tipps von Ausbildern und Fachleitern anzunehmen und umzusetzen. Die Leute wollen dir in der Regel nichts, sondern dich nur gut auf die UPP vorbereiten, denn sie wissen, worauf die Prüfer achten.

    Tauche dich mich anderen Reffis aus und haltet zusammen. Die anderen werden auch so ihre Probleme haben und zusammen ist man weniger allein.

    - Nimm dir Auszeiten, mach was Schönes und denk nicht permanent ans Ref. Unterrichtsentwürfe werden einfach nicht besser, wenn man nur noch darüber brütet und den Kopf gar nicht mehr frei bekommt.


    Viel Glück! :)

  • Ich lese da auch viel Frust, aber genauso mangelnde Reflexion über die Ausbildungsziele und -inhalte heraus. Neben den von Vorrednern bereits erwähnten Aspekten möchte ich beispielhaft auf folgende Aussage eingehen:

    Völlig überzogene und teils sinnlos-pedantische Anforderungen: Das minitiöse Tracken des Unterrichtsverlaufs nach dem Verlaufsplan. Die Sinnfreiheit, die damit zusammenhängt. Erinnert mich an die Bundeswehr beim Stubenappell, bei dem nach Falten der Hemde im Kleiderschrank akribisch gesucht wird. Ungefähr gleiches Mindset.

    Es scheint überhaupt nicht klar zu sein, wozu eine gute Vorstrukturierung der Stunde, zu der selbstverständlich ein Verlaufsplan mit antizipierten Zeiten gehört, überhaupt wichtig ist. Eine ähnliche Diskussion hatte ich kürzlich erst mit einem meiner Anwärter. Es geht am Ende auch nicht darum, die vorgeplanten Zeiten minutengenau zu erfüllen, sondern einerseits überhaupt ein Planungsinstrument zu haben, mit dem eine Stunde sinnvoll takten und die Erreichung der Lernziele sicherstellen kann und gleichzeitig Gelenkstellen in der Stunde zu identifizieren, an denen man je nach Verlauf des Unterrichts sinnvolle Ausstiege, thematische Verzweigungen oder ähnliches durchführen kann.


    Auch hier liegt eine m.M.n. Fehldeutung vor:

    Referendare sollen das Rad komplett neu erfinden. Materialien werden vorenthalten. (Klar, von netten Kollegen an der Schule erhält man trotzdem welche.) Die Fachdidaktikveranstaltungen verfehlen jedoch völlig ihr Ziel, denn das wäre meiner Meinung nach deren Job. Und damit meine ich fertige Verlaufspläne und Materialien. Anpassen kann und muss man danach ja immer noch.

    Das Fachseminar ist gerade nicht dafür da, den Lehramtsanwärtern einfach fertige Verlaufspläne und Materialien zu überreichen, sondern u.a. dafür, diese zu befähigen, selbst geeignete Materialien auszuwählen oder zu erstellen, die zu den eigenen Unterrichtsvorhaben jeweils passend sind. Das hat auch nichts mit "Rad komplett neu erfinden" zu tun, sondern mit der Anwendung fachdidaktischer Kenntnisse, die möglicherweise erst noch trainiert werden müssen.

  • Richtig. Jeder kann selber mit fertigen Materialien unterrichten.

    Referendare sollen aber zeigen können, dass sie den Stoff selber beherrschen und reduzieren können. Eine Kernkompetenz eines jeden Lehrers.

    Ich finde nicht, dass jeder mit vorgefertigten Materialien arbeiten kann. Auch diese gilt es, anzupassen und das ganze Konzept drum herum muss ja prinzipiell noch entwickelt werden. DAS habe ich auch absolut nicht verstanden, warum nicht - gerade am Anfang des Refs - von den Fachleiter:innen gesagt wird, wir empfehlen die und die vorgefertigten Materialien, Arbeitsblätter o.Ä.

    Generell hatte ich den Eindruck, dass man in Niedersachsen im Grunde weitgehend alles sofort zu können hatte. Direkt eigenverantwortlicher Unterricht ab der 1. Stunde und dann steht man mit allem ziemlich alleine da. Aus dem nichts heraus oder aufgrund einer theoretischen Einheit dazu, soll man Klassenmanagement, Unterrichtsorga etc. beherrschen.

    Die Unterrichtsbesuche werden von fast allen Referendar:innen als kleine Probeprüfungen verstanden, macht man da tendenziell eher Standardunterricht und erwartet Hilfestellungen für den Unterrichtsalltag von den Ausbildern kommt das schlecht an. Die Unterrichtsbesuche scheinen nicht dafür da zu sein, den alltäglichen Unterricht möglichst gut zu bewältigen, sondern nach meinem Eindruck haben die Ausbildenden vom ersten UB an die Prüfungsunterrichtsstunden im Blick. Mir kam es so vor, als würde von Anfang an die fast perfekte Stunde erwartet.


    Bei einer Ausbildung im Betrieb zeigt einem ja auch erst mal einer, der es draufhat, wie etwas genau geht, bevor man selber z.B. an eine hochkomplexe Maschine gelassen wird. Schritt für Schritt wird man herangeführt. Im Ref kam's mir so vor, als würde auf das Beispiel übertragen jemand sagen: "Da hinten steht die Maschine. Mach mal." Und wenn's dann nicht klappt, gilt man als möglicherweise ungeeignet.


    PS:

    Das, was ich bei anderen Lehrkräften bei Hospitationen gesehen habe, war jedenfalls nicht das, was von mir erwartet wurde. Teilweise waren das echt schlechte Stunden...

  • Hallo, danke für die Beiträge. Ja, ich hatte gestern ein Tief.

    Zu den Unterrichtsmaterialien: Das war von mir auch eher ein "kleiner Punkt". An sich macht es mir ja sogar Spaß, diese selbst zu erstellen und bisher habe ich praktisch 100% selbst erstellen müssen. Für mich geht es eher darum, einfach Referenzen zu haben. Verläufe und Materialien könnte man ja sowieso nie 1 zu 1 übernehmen bzw. das wenige Material, was ich manchmal ergattere, gefällt mir oft sowieso nicht. Gut, sei's drum. Ich verstehe die Argumente, die sagen, dass man eben genau diese Materialerstellung und didaktische Reduktion selbst üben soll.


    Sich von erfahrenen Lehrkräften beraten zu lassen - dagegen habe ich absolut gar nichts. Finde nur, dass man den Leuten auch "Luft lassen" sollte und das sollte man vielleicht systemisch mehr in das Ausbildungssystem einbauen.


    War denke ich auch viel Frust dabei. Muss einfach versuchen, kontinuierlich besser zu werden und den Marathon zu laufen.


    Klar, ist natürlich immer so eine Geschichte "Geht die Kritik einfach gerade nur gegen mein Ego?" (mangelnde Selbstreflexionsbereitschaft) vs. Die-Kritik-war-tatsächlich-überzogen. Ich denke, die meiste Kritik, die an mich herangebracht wurde, ist absolut berechtigt. Doch der Ton spielt letztendlich auch die Musik und es ist vermutlich genau dieser, der mich in die Konfrontationshaltung/Trotzhaltung bringt. Ich werde versuchen, darüber stehen zu lernen.

  • Mal zwei Punkte von mir, kannst du annehmen oder auch einfach ignorieren:


    1. Ich bin im dritten Jahr nach dem Ref. Ich habe in meinem Leben noch keine Stunde gehalten, zu der ich keinen minutiösen Verlaufsplan erstellt habe. Das dient mir zum einen dazu, sicherzustellen, dass mein Stundenziel nach spätestens 2/3 der geplanten Zeit erreicht ist (dann schafft man es nämlich unter nahezu allen Bedinungen) und zum anderen habe ich so nen super Überblick wo ich im Vergleich zur Stoffverteilung stehe und wie es weitergeht. Außerdem ist die Stunde dann beim "zweiten" Durchgang viel schneller geplant. Ich habe Kollegen, die sind seit über 10 Jahren im Beruf und machen immer wieder ne Planung mit Bleistift auf nem Schmierzettel um dann im nächsten Jahr bei 0 wieder anzufangen. Aber jeder wie er mag.


    2. Finde ich einen zu laxen Umgang zwischen Mentoren (Fachbegleitende Lehrer) und Reffi nicht gut. In meinem Ref wurde gesiezt bis nach der letzten Prüfung, die Zusammenarbeit war professionell und auf Augenhöhe, es war klar, dass es auch eine Bewertungssituation ist. An meiner jetzigen Schule entwickeln sich da z.T. innige Freundschaften, was sich m.M.n. zum einen in den "Gutachten" niederschlägt und zum anderen zu grotesken Konflikten führt, wenn der vermeintliche "Freund" dann schlechte Noten verteilt (oder verteilen muss, weil in der Prüfungskomminssion ja noch andere sitzen).


    Zieh es durch, mach es so wie die wollen und dann, wenn die Prüfung geschafft ist, hast du noch zwischen 30 und 40 Jahren Zeit, alles genauso zu machen, wie du willst.

  • Generell hatte ich den Eindruck, dass man in Niedersachsen im Grunde weitgehend alles sofort zu können hatte. Direkt eigenverantwortlicher Unterricht ab der 1. Stunde und dann steht man mit allem ziemlich alleine da.

    Das kommt aufs Lehramt an. Bei uns an den BBS in NDS startet das Ref zum 01.05. und 01.11. In den ersten drei Monaten hospitieren die LiV und unterrichten dann im "betreuten Unterricht" auch schon mal selber. Eigenverantwortlichen Unterricht bekommen sie aber erst mit dem Stundenplanwechsel zum Halbjahr bzw. zum Schuljahresbeginn, je nachdem, wann sie ihr Ref begonnen haben.


    Ich habe im Übrigen NurEinReferendar mein eigenes Refererendariat - das allerdings nun schon 20 Jahren zurückliegt - ganz anders empfunden, habe mich z. B. zu keinem Zeitpunkt wie eine "dumme Schülerin" behandelt gefühlt.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • 1. Ich bin im dritten Jahr nach dem Ref. Ich habe in meinem Leben noch keine Stunde gehalten, zu der ich keinen minutiösen Verlaufsplan erstellt habe.

    Bei dem, was du schreibst, hast du natürlich Recht.


    Aber:

    Eine Stunde ist nicht automatisch gut, weil du deinen minutiösen Verlaufsplan durchziehst. Ist vllt. auch schulformabhängig. Je länger ich im Dienst bin, je öfter knicke ich meine Planung, weil die Stunde anders läuft, die Kinder anders reagieren, andere Fragen haben, neue Impulse setzen, nicht so schnell sind oder schneller....usw., usw.


    Meine Klassen sind immer anders. Ich kann nicht dasselbe in jedem Jahrgang gleich unterrichten. Wenn ich meine alten Vorbereitungen lese, passen die oft nicht auf die Klasse oder sie gefallen mir nicht mehr. Material und Arbeitsblätter, das verwende ich gerne mehrfach, aber meine Stundenverläufe oft nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Aber:

    Eine Stunde ist nicht automatisch gut, weil du deinen minutiösen Verlaufsplan durchziehst. Ist vllt. auch schulformabhängig. Je länger ich im Dienst bin, je öfter knicke ich meine Planung, weil die Stunde anders läuft, die Kinder anders reagieren, andere Fragen haben, neue Impulse setzen, nicht so schnell sind oder schneller....usw., usw.


    Weil so ein Argument oft von Praktikant*innen und Referendar*innen benutzt wird à la "ich bin ein freier Geist und kann besser ohne Planung"...
    Du kannst so gut deine Planung knicken, WEIL du schon viele viele Stunden geplant hast und also über noch mehr mögliche Szenarien nachgedacht hast UND Erfahrung hast.

  • Es ist die Frage, wie lange nach dem Ref. man überhaupt Unterrichtsvorbereitungen schriftlich notiert. Mit etwas Routine geht doch auch einiges im Kopf.

    Einiges schon, aber da ich zur Vergesslichkeit neige, schreibe ich mir meist tatsächlich noch immer eine kurze Verlaufsplanung für die einzelnen Stunden. Auch nach über 20 Jahren im Schuldienst noch ;) .

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Jetzt ist es nur die Frage, ob man es im Ref macht oder nicht.

    Klar, das versteht sich meines Empfindens nach von selber. Aber es mag ja Personen geben, die total gut improvisieren können. Ob ich das für sinnvoll halte? Nein, gerade im Ref. so überhaupt nicht!

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Aber:

    Eine Stunde ist nicht automatisch gut, weil du deinen minutiösen Verlaufsplan durchziehst. Ist vllt. auch schulformabhängig. Je länger ich im Dienst bin, je öfter knicke ich meine Planung, weil die Stunde anders läuft, die Kinder anders reagieren, andere Fragen haben, neue Impulse setzen, nicht so schnell sind oder schneller....usw., usw.


    Meine Klassen sind immer anders. Ich kann nicht dasselbe in jedem Jahrgang gleich unterrichten. Wenn ich meine alten Vorbereitungen lese, passen die oft nicht auf die Klasse oder sie gefallen mir nicht mehr. Material und Arbeitsblätter, das verwende ich gerne mehrfach, aber meine Stundenverläufe oft nicht.

    Es gibt ja nen großen Unterschied zwischen "einen Plan haben" und "einen Plan stur durchziehen" :) Ich verändere auch laufend Dinge. Was jedoch (weitestgehend) festgeschrieben ist, ist die inhaltliche Aufbereitung. Und das ist bei meinen Fächern und Klassenstufen echt viel Arbeit gewesen.

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