Ideen gegen den Lehrermangel

  • Ich konnte weder im einen, noch im anderen Artikel sinnvolle Ansätze gegen den Lehrermangel entdecken. Was davon hältst du denn für zielführend Ratatouille?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Vielen Dank für die Links! Der erste Artikel trifft genau mein Humorzentrum, der zweite direkt meinen Brechreiz. Bezeichnend ist, dass der zweite Artikel im Rahmen eines Wirtschaftsblogs erschienen ist. Derartige dystopische Vorstellungen können nur aus einem Umfeld kommen, in denen der menschen- tier- und umweltverachtende Müll von McDonalds als vorbildliche Qualitätsware dargestellt werden. Gruselig! Es interessiert nur die Effizienz, erzielt in erster Linie durch totale Standarisierung aka Gleichmacherei. Es sei denn, auch dieser Blog ist ironisch... da mag es sein, dass FAZ-Ironie mit meiner nicht kompatibel ist.

    Obwohl: MacDoof mit Bildung zu vergleichen hat schon was...


    Anknüpfend an den ersten Artikel noch ein Vorschlag:

    1. Da ja bereits wieder über allgemeine Dienstpflichten diskutiert wird, rege ich an, zur Gewinnung von extrem kompetenten Seiteneinsteigern die Kommentare unter Artikeln zu Bildung und Schule bei SPON, ZON, Welt etc. zu sichten. Diejenigen, die sich besonders hervortun durch genaues Wissen darüber,

    - wie easy der Job im Vergleich zur "richtigen Arbeitswelt" doch ist,

    - welches Schulfach man dringend einführen müsste,

    - wie das alles früher war und dass das noch keinem geschadet habe,

    - dass nur die schlechtesten eines Jahrgangs Lehramt studieren,

    - ... (hier eure Lieblings-Stammtischparolen einfügen, wird sicherlich eine tolle Vorlage für Bullshitbingo)

    werden sofort ausfindig gemacht und zu fünf Jahren Schuldienst verdonnert.


    Darüber hinaus finde ich die Idee mit dem Ertränken von jedem zehnten Schüler sträflich unterkomplex. Es fehlt völlig das Kriterium, welche Schüler denn in den Teich gehen sollen; dass könnte man im Sinne der Standarisierung im zweiten Artikel doch wunderbar kombinieren. Nach dem Motto: wer nicht mal nach dem wissenschaftlich unfassbar fundierten einheitlichen System nicht klarkommt, muss halt dran glauben...

  • Aus dem FAZ-Blog: "Der Computer schreibt vor, was heute unterrichtet wird, wie es vermittelt wird und wie viele Minuten jedes Segment bekommt. Er dirigiert die Gesten der Lehrer, er sagt ihnen, wann sie Schüler ohne Vorwarnung drannehmen sollen und wie häufig bestimmte Übungen wiederholt werden sollen."


    Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Sieht der Computer auch vor, die wie vielte Schülerantwort die richtige sein wird?

    "Ich habe üüüüüberhaupt nichts kapiert. Können Sie das noch einmal erklären?"

    "Ich war letzte Stunde nicht da und weiß nicht, was ich machen soll."

    "Ich habe mein Heft vergessen."

    "Mir ist schlecht, kann ich ins Krankenzimmer?"

    Kind weint.


    *beliebige Ergänzung*


    Sarek

  • Der Artikel erwähnt leider nicht, dass 2014 für zehn Schulen der Bridge International Academies in Kenia und 2016 für zahlreiche weitere Schulen der Bridge International Academies in Uganda wegen mangelnder Qualität die Schließung verfügt wurde. In beiden Fällen gaben die Gerichte den Regierungen Recht.


    Auch erwähnt der Artikel nicht, dass in einer 2017 veröffentlichten Studie in Liberia zwar leicht bessere Schulerfolge an BIA-Schulen im Vergleich zu den staatlichen Schulen der jeweiligen Länder erreicht wurden, gleichzeitig aber zahlreiche Mängel der Schulen wie z.B. hohe Zahlen von aus den Schulen verdrängten Schülern und die im Vergleich zu den staatlichen Bildungsausgaben wesentlich höheren Betriebskosten aufgelistet wurden. Das bedeutet konkret in Zahlen, dass die jährlichen Kosten pro Kind in Liberia in staatlichen Schulen bei 50 USD, in Schulen der Bridge International Academies aber zwischen 663 und 1050 USD lagen. Soviel zu Kosteneffizienz ;)


    Wenn man eine Schule betreibt, die um den Faktor 10-20 mal mehr Geld pro Schüler benötigt und sich dann noch die Schüler passend zusammencasted, ist ein nur leicht besserer Schulerfolg irgendwie erbärmlich und zeigt ja gerade, dass das kein Modell für die Fläche sein kann.

    • Offizieller Beitrag

    Lehrermangel lässt sich leider aufgrund der durch das Grundgesetz wie die Länderverfassungen geschaffenen Strukturen nicht effektiv und nachhaltig beheben.

    Meine Ideen, die auch auf meinen Erfahrungen in der Behörde basieren, wären:

    • Abschaffung der kommunalen Trägerschaft für Schulen und Übertragung derselben an die Kultusministerien, so dass die Ausstattung der Schulen nicht von der Finanzlage der Kommunen abhängt.
    • Großzügigere Ausstattung der Kultusministerien mit entsprechenden Finanzmitteln, so dass Investitionen nicht dem Gusto (oder eher Veto) des Finanzministeriums unterliegen. Die Ausstattung der Lehrkräfte unterliegt ebenfalls direkt der Kultusbehörde.
    • Abkopplung des Kultusministeriums von der Landespolitik, damit Bildungspolitik kein Spielball der kurzfristig denkenden Landespolitik bleibt. Stattdessen Einrichtung einer Landesbildungsbehörde, die unpolitisch ist und sich damit um Sachfragen kümmern kann und entsprechende Entscheidungen nicht von der jeweiligen politischen Opportunität abhängig macht.
    • Temporäre Absenkung der Zugangsvoraussetzungen für den Schuldienst, um eine 120%ige Versorgungsquote an Unterrichtsstunden (nicht an Stellen, denn das ist nicht dasselbe!) zu erreichen, um im Anschluss daran die Unterrichtsverpflichtung aller Lehrkräfte um 10% zu reduzieren.
    • Einrichtung von klassischen Verwaltungsstellen an Schulen (VerwaltungsdirektorIn und weiteres verwaltungstechnisches Personal)
    • Einrichtung von BeraterInnenstellen, die durch eine spezialisierte Ausbildung (Psychologie / Pädagogik) bei Schulproblemen beraten können.

    Durch die so erzielte Entlastung aller Lehrkräfte könnte der Beruf deutlich attraktiver werden, weil er nicht mehr so belastend ist. Vielleicht nehme ich diese Ideen als Grundlage für einen utopischen Roman, der im Jahre 2122 spielt...

  • Abschaffung der kommunalen Trägerschaft für Schulen und Übertragung derselben an die Kultusministerien, so dass die Ausstattung der Schulen nicht von der Finanzlage der Kommunen abhängt.

    Meine Rede seit Jahren. Wenn ich von Schulen höre, die von den Lehrkräften nur zu den Dienstzeiten des Hausmeisters betreten werden können, kriege ich zuviel.

  • Einrichtung von BeraterInnenstellen, die durch eine spezialisierte Ausbildung (Psychologie / Pädagogik) bei Schulproblemen beraten können.

    Hm. Es gibt aktuell in unserem System:


    - Beratungslehrer:innen

    - Schulpsychologische Beratungsstellen

    - Schulsozialarbeit

    - Sonderpädagogische Dienste (aller Förderschwerpunkte)

    - Beauftragte an den Schulämtern für Autismus, ADHS, LRS usw.


    Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die alle niederschwellig zu erreichen sind und ob die genügend Personal/Stunden haben, um den Bedarf zu decken, aber prinzipiell ist das doch erst einmal eine ganze Bandbreite. Welche spezielle Expertise hätten die von dir angedachten Berater*innen und wo würden sie sich in dieses System einfügen?

  • Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die alle niederschwellig zu erreichen sind und ob die genügend Personal/Stunden haben, um den Bedarf zu decken, aber prinzipiell ist das doch erst einmal eine ganze Bandbreite. Welche spezielle Expertise hätten die von dir angedachten Berater*innen und wo würden sie sich in dieses System einfügen?

    Zu mindestens bei uns existiert davon aber viel davon nur auf dem Papier. Wir haben teilweise Wartezeiten von einem Jahr. Vor allem fehlt es mir an systematischer Beratung. Also nach bestimmten Vorgaben werden bestimmte Themen bearbeitet.

  • :D Das scheint ja der allerneueste Hype zu sein. Wurde mir in letzter Zeit von 3 voneinander unabhängigen Bekannten dazu geraten.

    Ich meine damit aber nicht systematische Beratung für den einzelnen. Sondern für das ganze System Schule. Das man wirklich Schwerpunkte legt und diese dann nach und nach abarbeitet. Momentan kommt gefühlt jedes Halbjahr ein neues Problem (von oben).

  • Ich meine damit aber nicht systematische Beratung für den einzelnen. Sondern für das ganze System Schule. Das man wirklich Schwerpunkte legt und diese dann nach und nach abarbeitet. Momentan kommt gefühlt jedes Halbjahr ein neues Problem (von oben).

    Bloß wer soll das machen, und vor allem, wer ist dafür kompetent genug? An zu vielen wichtigen Stellen, auch in der Politik, sitzen zu viele Leute ohne die nötige Sachkenntnis.

  • systematische Beratung

    Du meinst sicher "systemische Beratung". Systematisch sollte sogar die Beratung im Baumarkt sein.

    • Offizieller Beitrag

    Ja, das gibt es "im System". Aber eben nicht an jeder einzelnen Schule sofort bei Bedarf verfügbar. Letzteres ist mein Desiderat.

    • Offizieller Beitrag

    Bolzbold for Kultusminister!

    Ne Du, lass mal. Die von mir skizzierte Reform wird ja so nie kommen können, weil dafür eine Menge an Gesetzesartikeln geändert bzw. neu geschaffen werden müsste fernab des bekannten politischen Spiels. Selbst wenn man das tatsächlich anginge, werde ich wohl nicht lange genug leben, um die Ergebnisse einer solchen Reform noch erfahren zu können. Dafür würde alleine der Prozess an sich Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

  • Ich meine damit aber nicht systematische Beratung für den einzelnen. Sondern für das ganze System Schule. Das man wirklich Schwerpunkte legt und diese dann nach und nach abarbeitet. Momentan kommt gefühlt jedes Halbjahr ein neues Problem (von oben).

    Meinst du das im Sinne der Schulentwicklung? Hierfür gibt es in den einzelnen Regionalbehörden u.a. die Schulentwicklungsberatung, die auch relativ kurzfristig angefordert werden kann. Parallel dazu existieren auch Unterstützungsangebote seitens des NLQ, die ebenfalls genutzt werden können.

  • Ne Du, lass mal. Die von mir skizzierte Reform wird ja so nie kommen können, weil dafür eine Menge an Gesetzesartikeln geändert bzw. neu geschaffen werden müsste fernab des bekannten politischen Spiels. Selbst wenn man das tatsächlich anginge, werde ich wohl nicht lange genug leben, um die Ergebnisse einer solchen Reform noch erfahren zu können. Dafür würde alleine der Prozess an sich Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

    Ist mir klar, aber du hast so wunderbar viel genannt, an dem es krankt. Wenn das schon mal erkannt würde und erste Schritte eingeleitet würden… ich wäre happy.

  • Es wäre schon mal schön, wenn der Laufbahnwechsel vereinfacht würde.


    Wir hatten bei uns (Hauptschule) schon häufig Vertretungslehrer, die Gym/Ges studiert hatten und gerne bei uns geblieben wären. Nicht allein, um eine Stelle zu haben, sondern weil sie die Arbeit an der HS erfüllte und sie einen richtig guten Job gemacht haben.


    Vielleicht tut sich ja was diesbezüglich in NRW, wenn nun A13 für alle Lehrämter kommt (*Traummodus on*)

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