Ist die Bildung in Bayern und Sachsen wirklich so viel besser?

  • Also, ohne jetzt auf alle Punkte einzugehen:

    • Abfragen sind nicht verbindlich, sie sind eher Teil der schulischen Kultur in Bayern, wenn man so will. Ich würde mal behaupten, der Großteil der KuK macht sie, aber nicht alle.
    • Eine Abfrage ist eine Teilnote der gesamten mündlichen / sonstigen / kleinen Leistung (oder wie auch immer das Gegenstück zu schriftlichen Klassenarbeiten / Klausuren im jeweiligen Bundesland heißt). In anderen BLs habe ich erlebt, dass KuK nach jeder Stunde eine Note notieren, die dann als Teil in die Gesamtnote einfließt. So muss man sich das vorstellen
    • Ich finde nicht, dass eine Abfrage immer alle drei AFBs beinhalten muss. Ein EWH ist auch nicht nötig, oder eine BE Einteilung, die haben die SuS ja auch nicht bei diesen mündlichen Noten, die andere KuK in anderen BLs nach jeder Stunde notieren. Dennoch sollten die SuS eine Vorstellung davon haben, was in so einer Abfrage allgemein erwartet wird und welche allgemeinen Kriterien gelten - wie halt auch bei Noten zu Unterrichtsbeiträgen. Deshalb auch die Frage nach der Benotung bei praktischen Arbeiten in Kunst.
    • Mögliche Abfragen können sein: klassische Vokabelabfragen (Wortgleichungen; macht man eigentlich kaum mehr); man projeziert einen Absatz aus einen fremdsprachlichen Text und der SuS muss Begriffe darin im Kontext erklären oder grammatische Phänomene, evtl. auch warum diese oder jene Form hier steht und nicht eine andere (Simple Past / Present Perfect); ein Zitat zu einem landeskundlichen und literaturgeschichtlichen Thema der letzten Stunde und der Schüler soll es kurz in Kontext setzen und in Bezug auf die letzte Stunde / die Lektüre / entsprechende Theorien erläutern; eine These in den Raum stellen, zu der ein Schüler mit Bezug zum Inhalt der Vorstunde Stellung nehmen soll
      Dauert alles nicht lange, nur so 3-4 Minuten. Die anderen SuS sind angehalten, mitzudenken bzw. schriftlich mitzuarbeiten. Man kann auch am Ende der Abfrage die schriftlichen Notizen eines anderen Schüler zur Abfrage nutzen, um andere Antwortmöglichkeiten abzuklären

    Ich verstehe schon, dass das nicht jedermanns Sache ist und dass es in anderen BLs unüblich ist. Uns es gibt sicherlich auch Gründe, die dagegen sprechen. Und darüber kann man natürlich reden. Aber viele der Gründe, die hier vorgebracht werden, sind einfach albern. Also ob sonst alles, was wir so im Unterricht hätten, völlig und zu 100% perfekte Methoden wären, die keine Nachteile hätten.

  • Nehmen wir mal das Vokabellernen: Wie geht dann das ohne das klassische Wiederholen zuhause? Im Unterricht ist dafür doch eher wenig Zeit.

    Es kommt darauf an, wie man Wörter wiederholt. Am besten funktioniert Anwenden im Kontext. Am schlechtesten funktioniert klassisches Hinsetzen, eine Seite zuhalten und versuchen sich an Wörter zu erinnern. Sinnvoll ist spaced repetition, am sinnvollsten digital bspw. mit Anki (mit Vokabeln im Kontext). Das führe ich früh ein, dann klappt das ohne Stress. Das Handy haben die SuS sowieso dauernd in der Hand.

    Ich versuche dafür, wöchentlich ein paar Minuten im Unterricht frei zu machen, aber grundsätzlich muss das noch außerhalb der Unterrichtszeit bearbeitet werden. Das wird gerne auf dem Weg zur Schule erledigt.

  • Nehmen wir mal das Vokabellernen: Wie geht dann das ohne das klassische Wiederholen zuhause? Im Unterricht ist dafür doch eher wenig Zeit.

    Vokabellernen steht außer Frage, das muss man nach der Schule tun, aber nicht täglich und nur die Vokabeln, die man sich wirklich schlecht merken kann.

  • Nehmen wir mal das Vokabellernen: Wie geht dann das ohne das klassische Wiederholen zuhause? Im Unterricht ist dafür doch eher wenig Zeit.

    Häufiges Anwenden der Vokabeln war für mich deutlich besser fürs lernen. Das stumpfe auswendiglernen hat bei mir nie funktioniert.

  • Wie ich schon schrieb, war ich als Schülerin im Gymnasium das Abfragen gewöhnt...

    Was mich aber am allerallermeisten unter Druck setzte, war die Aussage unseres Schulleiters, den wir damals in der 9. Klasse in Erdkunde hatten. Er sagte, dass er uns jederzeit schriftlich über die letzten beiden Stunden abfragen könnte und jederzeit bedeute auch die Tage, an denen er nur zur Vertretung käme und wir überhaupt kein Erdkunde hätten. Das hat mir massiv Angst gemacht. Zu allem anderen habe ich jeden Tag Erdkunde gelernt. Eines Tages kam die Vertretung durch den Schulleiter und natürlich der Test. Ich hatte eine 1-, aber nur in Klammern, denn ich hatte am Ende zu meiner Nachbarin rübergeschielt, als ich schon fertig war und wurde des Abschreibens beschuldigt. Nur weil sie dann eine 5 hatte, glaubte er mir halbwegs.


    Jetzt liegt er auf dem Friedhof 2 Häuser neben meinem Vater und ich hasse ihn.

  • Jetzt liegt er auf dem Friedhof 2 Häuser neben meinem Vater und ich hasse ihn.

    Was dir nicht nützt und ihm nicht schadet. Klassische lose-lose-Situation, würde ich sagen.

  • Was dir nicht nützt und ihm nicht schadet. Klassische lose-lose-Situation, würde ich sagen.

    Kannste mal sehen, dass schlechte Gefühle nicht einfach weggehen, auch nicht mit der Zeit. Von seinem Unterricht weiß ich gar nix mehr.

    Dafür von meinem Bio - und Chemieunterricht. Da hatten wir einen tollen Lehrer im Leistungskurs. Wir wurden auch nicht einzeln abgefragt, sondern man hat das zusammen gemacht. Und Bier gebraut und Wein angesetzt.

  • Ja, ich hatte auch so einen Schulleiter, bei dessen Heimgang so manche Träne geflossen ist - vor Freude. Im Unterricht soll er aber nicht schlecht gewesen sein, nur in sozialen Kontexten.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Ich verbuche das eher unter "Lebenserfahrung" sammeln denn unter "doppelt bestraft". Schließlich wird irgendwann auch für die introvertierten Schüler der Tag der mündlichen Prüfung kommen und da sehe ich es schon als großen Vorteil an, wenn sie diese Prüfungssituation schon aus ihrem Schulalltag kennen.


    Ähnlich gehe ich mit den Diagnosen ADHS etc. um. Da erzählen mir manche Schüler: "Das brauche ich nicht zu können, schließlich habe ich ein Attest, in dem steht, daß ich das nicht kann. Entsprechend brauche ich es auch gar nicht erst zu versuchen."

    Die gucken mich dann immer schief an, wenn ich ihnen entgegne, daß ich jetzt eigentlich genau diese Dinge, die sie nicht können, von ihnen täglich abprüfen müßte, eben damit sie es lernen für ihr späteres Leben. Schließlich fragt nach der Schulzeit niemand mehr warum man etwas nicht kann. Da zählt dann nur noch das Ergebnis, also kann man es oder nicht? Und genau auf dieses Leben habe ich die Schüler vorzubereiten.

    Du als Lehrkraft hast von "dem Leben da draußen" ja auch wahnsinnig viel Ahnung.


    Und nein, jemand, der ADHS hat, kann sich im späteren Berufsleben ganz anders seine Sachen aussuchen als in der Schule. Keine langweiligen Vorträge, etc. Aber wahrscheinlich wird man mit solchen Handicaps eh nichts. Zumindestens in deinem Weltbild.

  • Ja, ich hatte auch so einen Schulleiter, bei dessen Heimgang so manche Träne geflossen ist - vor Freude. Im Unterricht soll er aber nicht schlecht gewesen sein, nur in sozialen Kontexten.

    Meine Deutschlehrerin liegt auf demselben Friedhof. Ich bin da nur manchmal, aber ich gieße jedes Mal ihr Grab. Nächstes Mal bringe ich ihr ihr Lieblingsgedicht mit - "Der Panther" von Rilke.

  • Stegreif... da muss ich immer überlegen, was das sein soll.

    In meinen Fächern kann man es auch schriftliche Vokabel-/Grammatik-Abfrage über die letzten zwei Stunden nennen.

    Als ich nach BY kam, musste ich mir das bayerische Schulvokabular erst mal aneignen. Stegreifaufgaben gehörte dazu. :)

    Ich auch!! 😄 Musste anfangs ständig nachfragen.

    Abfragen sind nicht verbindlich, sie sind eher Teil der schulischen Kultur in Bayern, wenn man so will.

    Ja, wobei ich das z.B. aus Berlin auch kenne.

    Dauert alles nicht lange, nur so 3-4 Minuten.

    Könnte es. Leider ist das Vokabel-Lernen und Anwenden nicht mehr so selbstverständlich. Heute erst wieder erlebt: Zwei Ausfragen in zwei versch. Klassen und beide Male wurde nicht (richtig) gelernt, dadurch zieht sich die Ausfrage wie Kaugummi, weil die SuS lange überlegen und ich durch kleine Hilfen versuche, noch was rauszuholen... Wenn ich das nicht regelmäßig machen würde, würden sie wahrscheinlich gar nicht mehr lernen...

    Am besten funktioniert Anwenden im Kontext.

    Das ist hier sowieso Pflicht. Isoliert Deutsch - Fremdsprache / Fremdsprache - Deutsch dürfen wir eigentlich gar nicht mehr abfragen.

  • Hat Stegreif was mit stehen und greifen zu tun? Oder mit Steg und reif? :weissnicht: Das habe ich auch nie verstanden, woher das Wort kommt und was es zu bedeuten hat...

    Guck mal hier, Zauberwald:

    Ein häufiger Rechtschreibfehler ist die Schreibung des Wortes "Stegreif" mit einem "h" ("Stehgreif"), da eine falsche Herleitung aus "stehen" und "greifen" vorliegt. (korrekt: Steg-Reif = Steig-Schlinge = Steigbügel). Reif ist hier Re(e)p, also Seil (Fallreep, Reepschnur, Reeperbahn)

    und hier:

    Boten überbrachten gute, aber auch schlechte Nachrichten des Königs. Zum Beispiel blieb der Bote beim Ausruf einer Steuererhöhung auf dem Marktplatz lieber im Sattel seines Pferdes, mit den Füßen im "Steg-Reif". Damals wurden die Überbringer schlechter Nachrichten für diese auch schon mal verantwortlich gemacht. (Marc Puxbaumer)

    Habe gerade selbst dazugelernt ;)

  • dass Verhaltensauffälligkeiten und Leistungsschwäche Hand in Hand gehen.

    Guckstu: Teufelskreis Lernstörungen von Betz-Breuninger, ein Klassiker der Sonderschullehrerausbildung (was für ein laaaaanges Wort)

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Du als Lehrkraft hast von "dem Leben da draußen" ja auch wahnsinnig viel Ahnung.

    Und Du hast noch mehr Ahnung, um das auf Basis von drei Sätzen beurteilen zu können. :teufel:


    Und nein, jemand, der ADHS hat, kann sich im späteren Berufsleben ganz anders seine Sachen aussuchen als in der Schule. Keine langweiligen Vorträge, etc. Aber wahrscheinlich wird man mit solchen Handicaps eh nichts. Zumindestens in deinem Weltbild.

    Auch im späteren Berufsleben wird er vor Aufgaben gestellt, die ihm nicht liegen werden und vor denen er nicht weglaufen kann. Mir gehen halt die Schüler gehörig auf den Keks, die damit prahlen wie toll sie sind, daß sie ihrem Arzt erzählen konnten, daß sie das alles nicht können und dank eines entsprechenden Papiers sich munter des Lebens erfreuen können, während ihre Mitschüler knüppeln müssen. Und ja, wenn jemand das Mantra : "Ich könnt mir nichts, denn schließlich habe ich ein Attest über irgendeine Krankheit" vor sich her trägt, dann sehe ich schon die Notwendigkeit solche Jugendlichen auf den Ernst des Lebens vorzubereiten.


    Aber da Du mich schon persönlich angesprochen hast: In meiner eigenen Schulzeit habe ich trotz spastischer Lähmung regulär am Sportunterricht teilgenommen, nix mit Vergünstigungen. Meine Eltern waren der Meinung, daß das Kind nur so die notwendige Härte erlernt, um im späteren Leben bestehen zu können.


    Um mal auf das Thema der eigentlichen Diskussion hier zurückzukommen: Ich habe mir heute den Spaß erlaubt in einer Azubi-Klasse (12. Schuljahr) eine Aufgabe aus dem Test für die Viertklässler zu stellen: "Taschenrechner und Handy weg, Kopfrechnen ist angesagt, jeder nimmt sich jetzt mal einen Zettel und löst die Aufgabe: 'Rechne 3:55 Minuten in Sekunden um.'"

    Von den anwesenden 12 Azubis haben nur zwei das richtige Ergebnis von 233 Sekunden berechnen können. Die Schüler hätten sich also zumindest die 8 Schuljahre nach der Grundschule mal gleich sparen können. Da haben sie bzgl. ihrer Leistungsfähigkeit nur noch abgebaut.


    Mein Fazit daraus: Weg mit dem ganzen Methoden-Gehampel, dem Nachteilsausgleich bis zur Übervorteilung der normalen Schüler und den ewigen Ausreden für Absentismus. Schüler/Azubis im Alter von 16+ ist da schon etwas zuzutrauen.

  • 3 Minuten und 55 Sekunden sind übrigens 235 Sekunden. Meinjanur…

    • Ich finde nicht, dass eine Abfrage immer alle drei AFBs beinhalten muss. Ein EWH ist auch nicht nötig, oder eine BE Einteilung, die haben die SuS ja auch nicht bei diesen mündlichen Noten, die andere KuK in anderen BLs nach jeder Stunde notieren.

    Also bei mir gibt es eine Art Matrix zu Beginn anhand der deutlich wird welche Aspekte ich bewerte und aus der man eine Einordnung im Notenraster für jeden Aspekt findet. Somit können die SuS schon ein Stückweit einordnen was ich für gewisse Noten in der sonstigen Mitarbeit erwarte.


    Mal so nebenbei, mal wieder nur eine Geschichte von vielen. Ich habe Klassen mit SuS aus ganz Deutschland. Ich kann bis dato keine Bundesland spezifischen Unterschiede erkennen. Was man allerdings oft deutlich merkt, sind die unterschiedlichen Bildungswege und Schulformen. Allerdings spielt hier dann häufig sicherlich auch das Alter eine Rolle. Abiturienten sind einfach zwei bis drei Jahre älter als Absolventen einer Realschule und das zeigt sich auch häufig in Reife im Sinne von Verhalten und Einstellung.

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