Generation "Ich bin grossartig"

  • An die meisten besseren "Büroausbildungen" kommt man fast nur noch mit Abitur überhaupt ran.

    Was verstehst du denn unter "bessere Büroausbildungen"?

    Mag sein, dass das so ein "Stadt- vs. Land"-Unterschied ist oder von BL zu BL unterschiedlich, aber ich weiß definitiv, dass mind. die Hälfte unserer Azubis der Verwaltungsfachangestellten und der Industriekaufleute (was ich schon als "gute Büroausbildung" bezeichnen würde) keine AHR und auch keine FHR hat.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • das wurde bereits in den 80ern behauptet

    Ich weiß, dass ein Straßenbahnbauer und ein hiesiger Friseur Abitur verlangen.


    Ist zwar kein Gesetz, aber hilft dem Ausbildungsplatzsuchenden mit guter Mittleren Reife auch nicht.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Was verstehst du denn unter "bessere Büroausbildungen"?

    Mag sein, dass das so ein "Stadt- vs. Land"-Unterschied ist oder von BL zu BL unterschiedlich, aber ich weiß definitiv, dass mind. die Hälfte unserer Azubis der Verwaltungsfachangestellten und der Industriekaufleute (was ich schon als "gute Büroausbildung" bezeichnen würde) keine AHR und auch keine FHR hat.

    Hm, mag anekdotisch sein, aber meine Schwester hat eine Ausbildung zur Speditionskauffrau gemacht und in ihrer Klasse waren zwei ohne Abitur. Vollabitur.


    Das ist nicht in NRW, sondern mehr oder weniger auf dem Land in RLP.

  • Ebenfalls anekdotisch, weil ich mich gerade vor einigen Wochen mit dem "Betroffenen" darüber unterhalten habe ;) : Der Sohn einer Freundin macht ebenfalls - derzeit im zweiten Ausbildungsjahr - eine Ausbildung zum "Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung". In seiner Berufsschulklasse (nicht an meiner BBS (wir haben keine Azubis aus diesem Bereich), sondern an einer BBS im ländlichen Raum im Nachbarlandkreis) ist er der einzige mit Hauptschulabschluss. In seiner Klasse sind laut seiner Aussage zwei junge Leute mit AHR und vier mit FHR. Alle anderen haben einen Realschulabschluss oder den erweiterten Sek. I-Abschluss.

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    • Offizieller Beitrag

    hier auf dem halben Land in NRW habe ich schon öfters bei Besuchen von Betrieben (Schulpraktika 9. Klasse) gehört, dass es zwar ein Ausbildungsberuf nach mittlerer Reife sei (Bankkaufmann, Versicherung, usw..), sie aber lieber Volljährige mit Führerschein nehmen. Also Abiturient*innen.
    Grund: zuviele ohne Führerschein hätten die Ausbildung abgebrochen, weil die Busse nicht fahren, oder der/die Azubi keine Lust mehr habe, so lange zu fahren... usw. (also es waren hauptsächlich Ausbildungen, wo man mehrere Stationen macht)


    Also habe ich oft interessierte Schüler:innen erlebt, die dann das Abitur "mitnehmen" und dann beschließen, zu studieren (weil wenn schon Abitur, lieber das Studileben mitnehmen)... Leider verliere ich danach in der Regel den Kontakt.
    Meiner Meinung nach wäre eine gute AUsbildung ausgerechnet für diese Kids gut gewesen (selbst wenn sie danach studieren, aber zum Zeitpunkt des Abiturs muss ich ehrliche Zweifel zugeben)

  • hier auf dem halben Land in NRW habe ich schon öfters bei Besuchen von Betrieben (Schulpraktika 9. Klasse) gehört, dass es zwar ein Ausbildungsberuf nach mittlerer Reife sei (Bankkaufmann, Versicherung, usw..), sie aber lieber Volljährige mit Führerschein nehmen. Also Abiturient*innen.
    Grund: zuviele ohne Führerschein hätten die Ausbildung abgebrochen, weil die Busse nicht fahren, oder der/die Azubi keine Lust mehr habe, so lange zu fahren... usw. (also es waren hauptsächlich Ausbildungen, wo man mehrere Stationen macht)

    Das ist dann natürlich verständlich aus Sicht der Betriebe, dass sie zumindest Azubis mit Führerschein haben möchten.

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    • Offizieller Beitrag

    Ja, nachvollziehbar, aber es hat ein bisschen (ja, hinkender Vergleich) was von "Frau im gebärfähigem Alter bekommt keine Klassenleitung oder keinen LK, sie könnte schwanger werden".
    Nur, weil eine Abiturientin die Krankenschwesterausbildung abgebrochen hat, sobald sie genug Wartesemester fürs Studium hatte oder ein Bankkauf-Auzbi immer zu spät kam und es auf Busse schob, ist es wirklich wirklich doof für den jungen Abiturienten, der unbedingt Pfleger werden möchte und keine Lust auf ein Studium hat oder für die Abiturientin, die bei der regionalen Bank sofort Geld verdienen möchte. (und einen Führerschein muss man sich erstmal leisten können, als 18jähriger Abiturient)
    Am Ende ein Teufelskreis, wenn man bestimmte Ausbildungen schwer erreichbar macht (weil man es vom Angebot erstmal leisten kann...)

  • Ich weiß, dass ein Straßenbahnbauer und ein hiesiger Friseur Abitur verlangen.

    Und - findet der Friseur genügend Abiturienten, die für seinen Hungerlohn arbeiten möchten? Falls ja, ist ja alles fein.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Und - findet der Friseur genügend Abiturienten, die für seinen Hungerlohn arbeiten möchten? Falls ja, ist ja alles fein.

    Ja. Er bedient die "oberen Zehntausend", seine Angestellten sollen mit der Kundschaft kommunizieren können (seine Begründung).


    Der Straßenbahnhersteller begründet es mit den digitalen Programmen, die seine Arbeiter benötigen.


    Bei uns ist die Arbeitslosigkeit sehr gering, die Arbeitgeber haben noch die Auswahl.

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  • Friesin, was genau ist sn den Aussagen verwirrend? Bei städtischen Hauptschulen haben in den Abschlussklassen mit Glück 2 von 30 Schülern eine Ausbildungsstelle. Alle anderen machen irgendwas anderes. Man kann schon von Abiturienten (Fach oder Voll) nicht erwarten, dass sie Lesen, Schreiben, Rechnen können. Warum sollte ein Betrieb Ressourcen verschwenden, wenn es genug (Fach-)Abiturienten gibt (die schon einige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung nich erfüllen)?

    Ein guter Freund ist hier mitverantwortlich für die Einstellung bei der Polizei. In Hessen braucht man dafür mindestens die die Fachhochschulreife, weil alle Polizisten studieren. Im Einstellungsverfahren fliegen beim Diktat regelmäßig 40% der Bewerber raus, beim Mathe Test 30%.

    Die guten Abiturienten können sich aussuchen, was sie wollen. Viele andere Abiturienten studieren aus Verlegenheit, weil sie wegen erheblicher Defizite keinen Ausbildungsplatz bekommen.

    Insbesondere Hauptschüler fallen komplett hinten runter.

  • Ja. Er bedient die "oberen Zehntausend", seine Angestellten sollen mit der Kundschaft kommunizieren können (seine Begründung).


    Der Straßenbahnhersteller begründet es mit den digitalen Programmen, die seine Arbeiter benötigen.


    Bei uns ist die Arbeitslosigkeit sehr gering, die Arbeitgeber haben noch die Auswahl.

    Die Frage ist doch weniger, wen der Friseur einstellen, als wer bei ihm eine Ausbildung anfangen will. Die Wahrscheinlichkeit, dass Abiturienten ihm die Bude einrennen, halte ich persönlich doch für eher unwahrscheinlich.


    Bei uns ist es aber sowieso anders, die Betriebe suchen alle verzweifelt (fähigen) Nachwuchs. Alles was körperlich anstrengend ist oder auch eintönig werden könnte, will niemand mehr machen.

  • Ich habe auch ein paar Bekannte, die die Einstellungstests bei der Polizei nicht bestanden haben. Dadurch, dass die Aufnahme eines Studienganges insbesondere an größeren Hochschulen eind reine Formalität ist, ist es teilweise leichter, zu einem Studiengang zugelassen zu werden als zu einer Ausbildung - wobei es natürlich auch da noch einmal darauf ankommt, welche Art von Ausbildung es ist. Bei der Bank oder in der öffentlichen Verwaltung können selbst gute Abiturienten leer ausgehen, während man als Pfleger oder Fachlagerist eigentlich immer etwas in der Nähe findet.

  • Na weil sich "alle" für zu grossartig dafür halten ;)

    Oder eher großartiger als die Anderen? Sicher ist da die Denkweise: "Kann sich ja jemand Anderes die Hände schmutzig machen!". Im Grunde gab es immer einen kleinen Teil der Bevölkerung, der so dachte. Nur scheint der in den letzten Jahren erheblich zugenommen zu haben.

  • Offensichtlich ist das so, ja. Das ist tatsächlich meine Ausgangsfrage: warum?

  • Sicher ist da die Denkweise: "Kann sich ja jemand Anderes die Hände schmutzig machen!". Im Grunde gab es immer einen kleinen Teil der Bevölkerung, der so dachte. Nur scheint der in den letzten Jahren erheblich zugenommen zu haben.

    Wieso sollte das jemand denken? Jede*r überlegt halt für sich, was er/sie machen möchte. Und wenn es heißt, in diesem Beruf muss man schwer heben oder Schweine schlachten, dann suchen die meisten eben weiter.


    Zur Ausgangsfrage, ich habe eine Zeitlang in der Lehrerausbildung gearbeitet. Ich hab's wieder aufgegeben, weil mich die Anspruchshaltung und Selbstherrlichkeit vieler Referendar*innen abgetörnt hat. Da wurde ich hier immer eines Besseren belehrt: (mwd) Referendare werden ausgebeutet, Mentoren und Seminarleiter sind unfähige oder weggelobte Faule, denen es nur darum gehe, den armen Nachwuchs auszunutzen und fertigzumachen. Es kommt halt immer auch auf die Perspektive an.


    Und ein Aspekt kann ja durchaus auch positiv gesehen werden: unsere Generation neigt oft zu sehr dazu, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Die "Jugend von heute" hat tendenziell vielleicht mehr Selbstbewusstsein? Sie kann sich ja vielerorts auch die Arbeitsbedingungen aussuchen. Im Lehramt natürlich nicht, da interessiert sich niemand für Homeofficewünsche oder Betriebskitas. Und in Ausbildungsberufen eben auch eher nicht.


    Ich spekuliere natürlich auch nur vor mich hin, ich weiß nicht, ob die Unterschiede so groß sind, zwischen den Generationen. Dass sich etwas innert 5 Jahren ändern sollte, würde mich allerdings wirklich wundern

  • Da wurde ich hier immer eines Besseren belehrt: (mwd) Referendare werden ausgebeutet, Mentoren und Seminarleiter sind unfähige oder weggelobte Faule, denen es nur darum gehe, den armen Nachwuchs auszunutzen und fertigzumachen.

    Habe ich das auch geschrieben? Ist ne ernstgemeinte Frage, ich weiss es nämlich nicht mehr, ob ich mich dazu überhaupt geäussert habe. Ich beobachte jedenfalls an unseren Studierenden ähnliches Verhalten wie das, was du beschreibst. Wenn ich diesbezüglich mal was anderes geschrieben habe, leide ich wirklich an einer Wahrnehmungsverzerrung.

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