Quereinsteiger mit "spezieller" Vita

  • Liebe Forenuser,

    ich wende mich an euch Experten mit einer speziellen Vita und würde mich über einen Ratschlag freuen.

    Ich versuche die Vorgeschichte auch kurz zu fassen, auch wenn es hier viel zu erzählen gibt.

    Ich habe in Bayern Lehramt für Realschule (Physik/Chemie) studiert, auch schon viele Module und Praktika absolviert, jedoch das 1. Staatsexamen nicht angetreten sondern vorher aus privaten und finanziellen Gründen das Handtuch geschmissen.

    In meiner Vergangenheit habe ich lange als Nachhilfelehrer gearbeitet und dann in der Mittagsbetreuung, wo ich auch eine Leitung übernommen hatte. Ich bekam dann die Gelegenheit an einer staatlichen Realschule und an einem staatlichen Gymnasium ca. ein Schuljahr als Vertretung zu arbeiten, bis ich an einer Privaten Realschule gelandet bin, wo ich nun im 2. Schuljahr befristet beschäftigt bin.

    Die Schulleitung stelle mir in Aussicht, dass mir in einigen Jahren ein Ministerialbeauftragter eine Genehmigung ausstellen könnte, die es mir erlaubt auch unbefristet an der Schule zu arbeiten. Aufgrund meines fehlenden Staatsexamens scheint sich das jetzt wohl zunächst als schwierig zu gestalten.

    Aktuell fallen dort fürs nächste Schuljahr weitere Physik- und Mathematiklehrer weg. Nach aktuellem Stand wäre ich z.B. der einzige Physiklehrer an der Schule. Ich hoffe daher, dass ich zumindest noch ein zweites Mal für ein Schuljahr verlängert werde. Die Schulleitung hat mir das vor einigen Wochen in einem Mitarbeitergespräch - auch aufgrund des Personalmangels an der Schule - auch zuversichtlich in Aussicht gestellt.

    Meine Frage wäre nun: Wie sind meine Aussichten bzw. was würdet ihr machen?
    Am einfachsten wäre es natürlich, wenn ich das 1. Staatsexamen nachmache. Aktuell sehe ich das allerdings als problematisch. Ich arbeite zur Zeit (aufgrund einer anderen Tätigkeit als Selbstständiger im Bildungsbereich) während der Schulzeit teilweise 10/11 Stunden am Tag und kann es mir auch finanziell nicht leisten Zeit fürs Studium zu schaffen bzw. weiß ich auch nicht, ob ich noch einmal zum klassischen Pauken in der Lage wäre. Ich könnte sehr gut mit einer unbefristeten Stelle an einer privaten Realschule leben. Die Frage ist halt nur, ob das überhaupt realistisch ist. Ich denke die Zeit ist da auf meiner Seite, der Lehrermangel, gerade in Physik, wird ja von Jahr zu Jahr schlimmer.

    Kann mir jemand da eine fundierte Einschätzung/Perspektive oder einen Ratschlag geben? Ich wäre für alles dankbar. Kann ich mit meiner Vita vllt. wo anders Fuß fassen? Ich würde eigentlich schon gerne an der Schule bleiben, denn die Arbeit macht mir sehr viel Spaß und ich denke auch, dass ich sehr zufriedenstellend arbeite. Aber wenn es nicht anders geht, bin ich auch offen für andere Wege.

  • Ich habe in Bayern Lehramt für Realschule (Physik/Chemie) studiert, auch schon viele Module und Praktika absolviert, jedoch das 1. Staatsexamen nicht angetreten sondern vorher aus privaten und finanziellen Gründen das Handtuch geschmissen

    Das wird dein größtes Problem sein. Mein Rat: mach den abschluss zu Ende

  • Das wird dein größtes Problem sein. Mein Rat: mach den abschluss zu Ende

    Das war mir bewusst. Aber wie bereits beschrieben ist das einfacher gesagt als getan. Ich wurde glaube ich damals exmatrikuliert, weil ich die Maximalstudienzeit überschritten hatte. Ich weiß nicht, ob der Zug für mich abgefahren ist.

  • Du kannst so weitermachen, dann bist du vom Glück abhängig, ob studierte Lehrkräfte gefunden werden. Sind sie da, bist du sofort weg.

    Alternativ, mach einen Abschluss fertig, wenn du als Lehrkraft arbeiten willst. Ob das bei dir noch geht, kann dir nur die Uni sagen, geh zur Studienberatung.

  • Das ich weg bin, wenn studierte Lehrkräfte auftauchen, ist mir klar. Ich kann nur soviel sagen: Die Chancen sehen an meiner kleinen Schule auf dem Land aktuell da sehr schlecht aus. Fürs nächste Schuljahr benötigen wir sowieso schon 1-2 Physiklehrer, um die Abgänge zu kompensieren, ohne mich wären es 2-3. Wäre schon gut, wenn sich überhaupt jemand finden lässt. Wahrscheinlich müssen Studierende des höheren Semesters übernehmen.

    Ihr meint also, das mit dem Ministerialbeauftragten wird nix?

  • Hast du denn einen anderen, nicht lehramtsbezogenen Abschluss? Falls ja: https://www.km.bayern.de/lehrer/stellen/quereinstieg.html


    Falls nein, hast du ja formell nur das Abitur vorzuweisen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du allein damit unbefristet an einer Schule unterkommen kannst. Selbst in NRW oder Berlin nicht und in Bayern ganz bestimmt nicht.


    Wenn du 50 bis 60 Stunden die Woche arbeitest, hast du doch bestimmt etwas Geld zurückgelegt, um jetzt noch ein oder zwei Semester zu studieren. Mach das.


    EDIT: Da du an einer Privatschule bist, ist das vielleicht interessant? https://lehrer-quereinstieg.de/ Für dieses Verfahren reicht anscheinend ein Bachelor.

  • Hast du denn einen anderen, nicht lehramtsbezogenen Abschluss? Falls ja: https://www.km.bayern.de/lehrer/stellen/quereinstieg.html


    Falls nein, hast du ja formell nur das Abitur vorzuweisen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du allein damit unbefristet an einer Schule unterkommen kannst. Selbst in NRW oder Berlin nicht und in Bayern ganz bestimmt nicht.


    Wenn du 50 bis 60 Stunden die Woche arbeitest, hast du doch bestimmt etwas Geld zurückgelegt, um jetzt noch ein oder zwei Semester zu studieren. Mach das.

    Naja, ich konnte ja die abgeschlossenen Module vom Studium nachweisen. Aber ja, der höchste Bildungsabschluss ist offiziell das Abitur.

  • Ich frage mich, warum die Schulleitung rumdruckst. Wenn sie dich behalten will, kann sie das doch einfach machen? Ich weiß nicht, welcher Beamte da eine Genehmigung erteilen sollte, ich kenne das nicht. Ruf doch bei der zuständigen Behörde an und frage, was das für ein Weg sein kann, es müsste ja dann irgend eine offizielle Lehrerlaubnis für Privatschullehrpersonen geben, die ohne Hochschulabschluss unterrichten dürfen. Ich vermute aber eher, dass das Sache der Schule ist, wen sie zu welchen Bedingungen anheuert.

  • Ich frage mich, warum die Schulleitung rumdruckst. Wenn sie dich behalten will, kann sie das doch einfach machen? Ich weiß nicht, welcher Beamte da eine Genehmigung erteilen sollte, ich kenne das nicht. Ruf doch bei der zuständigen Behörde an und frage, was das für ein Weg sein kann, es müsste ja dann irgend eine offizielle Lehrerlaubnis für Privatschullehrpersonen geben, die ohne Hochschulabschluss unterrichten dürfen. Ich vermute aber eher, dass das Sache der Schule ist, wen sie zu welchen Bedingungen anheuert.

    So wie ich das verstanden habe, muss das auch bei staatlich anerkannten Privatschulen das Schulamt genehmigen, sonst hätte die Schule mich schon längst behalten.

  • Hallo Laarson,


    Grundlegendes zuerst: Du wirst keinen besseren Zeitpunkt finden, um in den Schuldienst zu kommen, als in dem nächsten Jahren.


    Problemanzeigen:

    - Es ist zunächst problematisch, wenn du kein Erstes Staatsexamen abgelegt hast. Denn hättest du eines, wäre der von deiner SL vorgezeichnete Weg mit 10-jähriger Berufstätigkeit möglich. Tipp: Erkundige dich bei Universitäten und Hochschulen nach Anrechnungsmöglichkeiten deiner erbrachten Studienleistungen.

    - Es ist weiterhin problematisch, wenn du über keinen Abschluss (Studium, Aus- oder Weiterbildungsberuf) verfügst. Denn hättest du einen, würde es sich auch um einen Quereinstieg im eigentlichen Sinne handeln. Tipp: Informiere dich breit angelegt. Frage dich: Für welchen Beruf könnte ich eine Schulfremdenprüfung ablegen? Für welchen Weiterbildungsberuf könnte mich eine IHK aufgrund meiner Berufstätigkeit zulassen?


    Alles Gute und freundliche Grüße

    Philipp

  • EDIT: Da du an einer Privatschule bist, ist das vielleicht interessant? https://lehrer-quereinstieg.de/ Für dieses Verfahren reicht anscheinend ein Bachelor.

    Dürfte keine Option sein, da es in Studiengängen, die mit dem 1. Staatsexamen enden üblicherweise keinen zusätzlich vorgeschalteten Bachelor gibt, nur Grund- und Hauptstudium gegeben hat. Ich habe zwar auch noch Zeugnisse über ein erfolgreich absolviertes Grundstudium oder eine erfolgreiche Orientierungsprüfung, die haben aber nicht den formalen Wert eines Bachelorzeugnisses.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • So wie ich das verstanden habe, muss das auch bei staatlich anerkannten Privatschulen das Schulamt genehmigen, sonst hätte die Schule mich schon längst behalten.

    Ruf beim Schulamt an und erfrag die dahinterstehen Regelung, um Klarheit zu bekommen oder frag deine Gewerkschaft, was sie darüber weiß.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Wenn es nicht weit von Österreich weg ist (Salzburg?), könntest du deine Studienleistungen hier anerkennen lassen und den Bachelor fertig machen.

    Wäre ggf eine Option, wenn du wegen der Exmatrikulation nicht weiter machen dürftest.

    Ist nur so ein Gedanke 🤔

  • Wenn es nicht weit von Österreich weg ist (Salzburg?), könntest du deine Studienleistungen hier anerkennen lassen und den Bachelor fertig machen.

    Wäre ggf eine Option, wenn du wegen der Exmatrikulation nicht weiter machen dürftest.

    Ist nur so ein Gedanke 🤔

    Exakt dasselbe wollte ich dir für BaWü vorschlagen, falls du nur in Bayern den Staatsexamensstudiengang nicht mehr fertig studieren kannst und in der Nähe zu BaWü bist. Sekundarstufe I ist ein Bachelor-Master-Studium, wenn du dir zudem die bisherigen Leistungen anrechnen lassen kannst, solltest du da zügig durchkommen. Dann bleibt dir Master und Ref offen, falls du dich irgendwann umentscheiden solltest.

  • Ruf beim Schulamt an

    Das wäre dann der erwähnte Ministerialbeauftragte.

    Davon ab - bei uns (staatlich anerkannte Ersatzschule, BW) könntest du nicht arbeiten. Ohne wenigstens irgendeinen einschlägigen Uni-Abschluss geht hier gar nichts.

    Und, wie oben schon erwähnt: Was woanders nicht geht, geht in Bayern überhaupt nicht.

  • Ich arbeite zur Zeit (aufgrund einer anderen Tätigkeit als Selbstständiger im Bildungsbereich) während der Schulzeit teilweise 10/11 Stunden am Tag und kann es mir auch finanziell nicht leisten Zeit fürs Studium zu schaffen bzw. weiß ich auch nicht, ob ich noch einmal zum klassischen Pauken in der Lage wäre.

    Kennst du die Geschichte vom Holzfäller, der keine Zeit hat, seine Axt zu schärfen, weil er ja noch so viele Bäume fällen muss? Du musst dich schon entscheiden, ob du investierst oder ob du dich weiter durchwurschtelst. Es ist doch klar, dass du ohne Abschluss immer zweite Wahl bist, Lehrermangel hin oder her.


    Und ein Lehrer, der von sich sagt, dass er das mit dem Lernen nicht (mehr) hinkriegt ... also weißt du ...

  • Also erstmal vielen Dank für den schnellen und fundierten Input.

    Bei einem Gespräch mit der Schulleitung, die wohl auch zuvor mit dem Ministerialbeauftragen gesprochen hat, läuft es wohl erstmal so ab, wie raindrop es gesagt hat: Ich kann an der Schule so lange arbeiten, bis jemand mit einer angemessenen Qualifikation mir den Posten abnimmt. Damit könnte ich erstmal leben, denn aktuell ist in den MINT-Fächern gerade Land unter hier in der Region und an meiner Schule gehen eher noch mehr Kolleginnen und Kollegen, als das welche dazu kommen.

    Und da sind wir auch schon beim Punkt: Physik ist offensichtlich so ein Mangelfach, dass Bayern Dinge macht, die sich nicht mal andere Bundesländer wagen.

    Ich möchte klarstellen: Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe und sehe das auch nicht als Selbstverständlichkeit an. Mir ist bewusst, dass ich ohne Abschluss kein Anrecht auf irgendetwas habe. Und selbst wenn es jetzt nach zwei Jahren Vollzeitlehrer enden würde, dann wäre ich froh darüber, dass ich diese Erfahrung machen durfte.


    Aber so Aussagen wie "Mach doch einfach dein Studium fertig" mögen objektiv vielleicht richtig sein. Wenn das aber so einfach wäre, dann würde ich hier nicht mit euch diskutieren. Ich bin ungeplant durch ehrliches "hochwurschteln" in die aktuelle Situation gekommen und muss jetzt das Beste daraus machen. "Mach doch einfach dein Studium fertig" würde bedeuten, dass ich (fast) alles aufgebe, was ich mir die letzten zehn Jahre aufgebaut habe mit der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird. Ist das, was ich jetzt habe gut? Keine Ahnung, aber das ist MEIN Weg, den ich mir von ganz unten hart erarbeitet habe und auf den ich auch stolz bin. Und jetzt noch etwas Kontext: Durch die Selbstständigkeit habe ich eine Verantwortung aber auch einen Kostenapparat, den ich nicht einfach abdrehen kann. Und dank Corona und Inflation ist der finanzielle Puffer sehr gering. Daher mag die Entscheidung zwar richtig und wichtig, gewiss aber nicht einfach sein.

    Kennst du die Geschichte vom Holzfäller, der keine Zeit hat, seine Axt zu schärfen, weil er ja noch so viele Bäume fällen muss? Du musst dich schon entscheiden, ob du investierst oder ob du dich weiter durchwurschtelst. Es ist doch klar, dass du ohne Abschluss immer zweite Wahl bist, Lehrermangel hin oder her.


    Und ein Lehrer, der von sich sagt, dass er das mit dem Lernen nicht (mehr) hinkriegt ... also weißt du ...


    Deine Geschichte hinkt etwas. Meine Axt ist scharf. Schärfer als manch andere Äxte. Die Frage ist nur, ob ich sie weiterhin einsetzen darf.
    Und über deine andere provokante Aussage gehe ich jetzt einfach mal Lächelnd hinweg :-).

  • Durch die Selbstständigkeit habe ich eine Verantwortung aber auch einen Kostenapparat, den ich nicht einfach abdrehen kann. Und dank Corona und Inflation ist der finanzielle Puffer sehr gering. Daher mag die Entscheidung zwar richtig und wichtig, gewiss aber nicht einfach sein.

    Das kannst du nur selber abschätzen, was eine nebenberufliche Weiterbildung dich kosten würde. Mittel- und Langfristig wärst du nur sicherer aufgestellt als momentan. Wenn jemand mit einer entsprechenden Ausbildung kommen sollte, verlierst du dein Einkommen und musst sowieso nochmal neu denken. Mir wäre das zu unsicher. Aber es ist dein Leben, vielleicht hast du ja Nerven wie Stahlseile ;)

  • Durch die Selbstständigkeit habe ich eine Verantwortung aber auch einen Kostenapparat, den ich nicht einfach abdrehen kann.

    Aber ganz davon leben kannst Du nicht? Oder warum möchtest Du nun doch in den Lehrerberuf?

  • Informiere dich in der Studienberatung was dir als Scheine anerkannt wird und was du noch nachholen musst. Evtl. ist es gar nicht so viel, wie du denkst. Reduziere deine Stunden, Schränke für eine befristete Zeit deinen Lebensstil ein und mach deinen Abschluss. Wenn du ein fertiger Lehrer bist, wird du besser verdienen und hast eine feste Stelle sicher. Da lebt es sich ruhiger.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

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