Würdet ihr den Job wieder wählen?

  • Hallo, Ich bin neu auf der Plattform und dachte, ich ergreife die Gunst der Stunde ein Thema zu eröffnen, das mir schon lange am Herzen liegt. Ich bin mittlerweile fertig mit dem Studium und stehe kurz vor dem Ref. Ich habe den Beruf gewählt, weil ich seit klein auf Lehrerin werden wollte, ich Spaß am Vermitteln von Lehrinhalten habe, und einen sinnhaftigen Job gesucht habe, wo Bezahlung natürlich auch stimmen muss. Demnach habe ich mich fürs Grundschullehramt entschieden. Ich höre nun aber sehr oft sehr negative Aussagen, so in etwa wie „Ich bin gespannt wie lange ich es in dem Job noch aushalte“, „Nach 20 Jahren den Job verlassen - beste Entscheidung“ „ich würde es nicht nochmal machen“ „kräfteraubend“, „burnout“ usw.

    Klar höre ich auch positive Aussagen, aber es ist nunmal so, dass sich die negativen eher in meinem Kopf einpflanzen. Ist hier jemand, der eine ehrliche und reflektierte Meinung zu dem Ganzen äußern kann? Wie empfindet ihr es?

    Eine weitere Frage die mir am Herzen liegt, ist die Sache mit eigenen Kindern später. Ich hätte gerne eigene Kinder, nur da höre ich auch so oft, dass das schwierig ist, privat und beruflich von Kindern umzingelt zu sein. Da wäre ich froh, wenn Mütter/Väter was dazu sagen könnten, wie sie das empfinden.

    Ich danke euch :)

  • Deine erste Frage in diesem Thread (Vertretungsstunden (in fremden Klassen)) geht ein wenig in dieselbe Richtung. Du scheinst wirklich sehr unsicher zu sein, was deinen Berufswunsch angeht. Mein Tipp wäre, dass du genau überlegst, ob du eine sinnvolle Alternative im Hinterkopf hast. Wenn nicht, und Lehrer/Lehrerin dein absuluter Wunschberuf ist, dann mach dein Referendariat und zieh das engagiert durch. Alles ergibt sich dann irgendwie. Auch die Familienplanung und - organisation. Die Meinungen von Lehrkräften hier und im richtigen Leben werden dir nicht viel helfen. Sei mutiger.

  • Meine Erfahrungen kann ich dir gerne erzählen (Spoiler: sehr positive ausgenommen eigene Kinder, denn ich habe keine), aber ich sehe nicht ganz, wie dir das helfen könnte. Du hast positive und negative Aussagen gehört und das wird hier im Forum nicht anders sein - aber das sind eben die Erlebnisse anderer Leute und nicht deine. Nur die positiven Erfahrungen zu berücksichtigen wäre genauso wenig zielführend wie nur die negativen und wenn du das ganze Spektrum nimmst, dann bist du genau da, wo du jetzt bist.

    Es hilft alles nichts - du musst diese Erfahrungen selbst machen. Niemand kann dir sagen, wie du mit diesem Beruf zurecht kommen wirst und es gibt nur einen Weg für dich, das herauszufinden - es ausprobieren.

  • Ich kann dir aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass die Freude am Lehrersein auch sehr vom schulischen Umfeld abhängt (Stimmung im Kollegium, gegenseitige Unterstützung bzw. Zusammenarbeit, grundsätzliche pädagogische Haltung einer Schulleitung).

    Ich liebe den Beruf und habe ihn sehr gerne gemacht. Nach Bundesland und damit ebenso ich Schulwechsel bin ich super unglücklich und überlege mir, was ich mache, falls einem erneuten Wechsel nicht stattgegeben wird. Im jetzigen Umfeld finde ich den Job unerträglich.


    Das hilft dir jetzt auch nicht viel weiter...

    Aber vielleicht macht es dir Mut ins Ref zu gehen und Erfahrungen zu sammeln. DEINE Erfahrungen, und nicht das Geschwätz von anderen Leuten. Und dann findest du heraus, ob es zu dir passt oder nicht. Ein abgeschlossenes Ref schadet nun auch nicht unbedingt im Lebenslauf, kannst du als Berufserfahrung angeben.


    Ich hab übrigens zwei kleine Kinder und ja manchmal ist mein Aufmerksamkeitsakku leer, wenn ich morgens schon viel beansprucht wurde... Aber ehrlich gesagt sind die eigenen Kids der Grund nachmittags raus zu gehen und abzuschalten. Das ist eine ganz andere Art von Aufmerksamkeit als in der Schule.

  • Ich finde die Aufgabe, Schulkinder zu unterrichten und eigene Kinder großzuziehen, sind völlig unterschiedliche Dinge und letzteres ist für mich persönlich die herausforderndere Aufgabe, weil die eigenen Kinder natürlich ganz andere Dinge von einem brauchen und man als Eltern quasi 24/7 im Dienst ist, während eine Schulstunde, und wenn sie noch so anstrengend ist, nach 45 min. vorbei ist (und dann geht man in eine andere Klasse und startet neu und es kann ganz anders laufen). Der Balance-Akt zwischen Beruf und eigenen Kindern ist immer schwierig und ich glaube nicht, dass das eine größere Herausforderung für Lehrkräfte ist - aber das ist nur meine persönliche Meinung / Erfahrung. Ich kann aber in dem Punkt zustimmen, dass man - je älter man wird - weniger Lärm verträgt und es zu Hause dann v.a. mit kleinen Kindern oft auch nicht so ruhig ist. Aber: Rückblickend sind sie so schnell groß geworden und jetzt ist es auch zu Hause wieder viel ruhiger und ich kann meist am Stück meiner Arbeit nachgehen. Sagen wir es so: Die "Umzingelung" der eigenen Kinder ist eine ganz andere als die der Kinder in der Schule. Für mich sind das zwei völlig unabhängige Dinge und ich würde die Entscheidung für den Beruf und / oder für eine Familie unabhängig voneinander treffen.

  • zu 1)

    Ich höre nun aber sehr oft sehr negative Aussagen, so in etwa wie „Ich bin gespannt wie lange ich es in dem Job noch aushalte“,

    Du wirst - falls es "normal" läuft - im Referendariat durch ständige Bewertungen und dem Spagat zwischen "Lehrerexistenz" und "De-facto-Schülerexistenz" an Grenzen kommen. Da geht es dir dann wie anderen - und das muss dir bewusst sein, damit du das aushältst. Tipp: Lies im Spiegel vom 20.1.2024 auf Seite 42 den Artikel "Referendare klagen über Willkür und Ungerechtigkeit". Dann weisst du, dass du nicht allein bist.

    zu 2)
    Nach 20 Jahren den Job verlassen - beste Entscheidung


    Nicht nachmachen. Schlechte Entscheidung. Das Dasein als Lehrer*in ist ein Auf und Ab. Man hat mit Menschen zu tun. Das ist abwechslungsreicher - und problembehafteter, als wenn man 40 Jahre lang tagtäglich Saugroboter montiert. Meine beste Entscheidung war, dass ich durchgehalten habe. Nun bin ich in Pension und kann mein Ruhegehalt genießen. Wäre ich im Angestelltenverhältnis geblieben, kämen monatlich ca. 30% weniger aufs Konto.


    zu 3)

    Ich hätte gerne eigene Kinder, nur da höre ich auch so oft, dass das schwierig ist, privat und beruflich von Kindern umzingelt zu sein


    Man ist nicht umzingelt. Der Vorteil im Lehrerberuf ist die teilweise freie Zeiteinteilung. Nachmittags mit den eigenen "Grodden" etwas zu unternehmen ist anders - und versöhnt auch mit den Kindern, mit denen man am Vormittag zu tun hatte ;)

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.

  • ... wobei der Bericht im Spiegel schon sehr einseitig war. Mein Ref war auch zweifellos sehr stressig aber fair.

    Wer sich ungerecht behandelt fühlt bzw. ungerecht behandelt wurde (was es ja auch gibt), äußert sich halt deutlich expliziter. Und das nimmt der Artikel recht einseitig auf und bleibt ansonsten - was eine realistische Darstellung des Refs angeht - eher oberflächlich.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • ... wobei der Bericht im Spiegel schon sehr einseitig war. Mein Ref war auch zweifellos sehr stressig aber fair.

    Wer sich ungerecht behandelt fühlt bzw. ungerecht behandelt wurde (was es ja auch gibt), äußert sich halt deutlich expliziter. Und das nimmt der Artikel recht einseitig auf und bleibt ansonsten - was eine realistische Darstellung des Refs angeht - eher oberflächlich.

    Nun - die Klagen über den Ablauf und über die Zustände im Ref sind Legion. Der Artikel macht jedoch deutlich, mit welchen Problemen und Menschen man im Ref rechnen muss. Ich habe als Mentor Seminarschulräte und Ausbildungslehrer kennen gelernt, die sich in ihrer Selbstüberheblichkeit und menschlichen Kälte als "letzte Instanz" gesehen haben, die noch verhindern könne, dass ungeeignete Bewerber "auf die Kinder losgelassen würden". In Beratungen nach Unterrichtsbesuchen wurden auch durchaus gelungene Schaustunden zerpflückt und das letzte Haar in der Suppe gesucht, damit etwas gemäkelt werden konnte.

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.

  • Ich kann zu 100% sagen, dass ich wieder diesen Beruf ergreifen würde. Er hat für mich viele Vorteile:

    Ich kann weitgehend selbstbestimmt arbeiten. Ich kann einen Teil meiner Arbeit zu Hause verrichten. Ich kann sozial interagieren und liebe den Austausch mit anderen Menschen/Kindern. Ich arbeite gerne ab morgens, daher liebe ich den Rhythmus 8-14 Uhr hohe Schlagzahl, nachmittags entspannteres Herangehen im Home Office oder im offenen Ganztag (da bin ich nur 1x pro Woche und finde die Stimmung entspannt, auch wegen der kleineren Gruppen). Ich finde die 13 Wochen unterrichtsfreie Zeit leider geil und wenn man sich gut organisiert, kann man in diesen Phasen viel freie Zeit genießen. Ich halte die Bezahlung für ziemlich gut (das ist natürlich Ansichtssache - für mich als Arbeiterkind ohne Hang zu Luxusgütern ist es viel Geld).


    Meine Kinder sind schon groß, daher kann ich auch den zweiten Punkt beurteilen. Zu keinem Zeitpunkt sind mir Kinder hier oder da zu viel geworden. Die eigenen Kinder zu erziehen ist einfach auch mal so komplett anders als die Arbeit in der Schule, das hing bei mir gar nicht zusammen, weder im positiven noch im negativen Sinne. Ich finde sogar, dass man seinen Beruf noch besser ausübt, wenn man eigene Kinder hat. Als ich Mutter war, konnte ich mich besser in das Denken und Erleben von meine Schulkindern hineinversetzen. Ich wurde weicher und sensibler für ihre Bedürfnisse.


    Das Ref hat mich übrigens wenig gestresst.

  • ... wobei der Bericht im Spiegel schon sehr einseitig war.

    Man darf halt auch nie vergessen, wer solche Berichte schreibt. Wenn dein Ref glatt läuft, wirst du dich in der Regel weder an die Presse wenden, noch den Druck verspüren Geld durch freiberufliche journalistische Tätigkeit zu verdienen....


    Ich finde den Beruf übrigens nach wie vor super und bin mit meiner Berufswahl zufrieden. Klar, gibt immer Sachen die man verbessern kann, aber das Gesamtpaket stimmt für mich noch. Es ist einfach toll die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen zu begleiten und ihnen etwas beizubringen.

    Einmal editiert, zuletzt von kodi () aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • Mein Referendariat habe ich als sehr unfair, stressig und anstrengend empfunden. Das ist aber schon über 20 Jahre her. Direkt nach dem Ref hatte ich für mich eigentlich entschieden, mich nach einem neuen Beruf umzusehen. Ich bin dann doch dabei geblieben und bin nach einigen eigenen Kindern wieder in den Job eingestiegen.

    Ich habe an unterschiedlichen Schulen gearbeitet und sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Ich habe in unterschiedlichen Funktionen in Schule gearbeitet und auch hier sehr vielseitige, herausfordernde, positive und negative Erfahrungen gemacht. Heute kann ich sagen, dass die Freude am Job überwogen hat und überwiegt. Nun bin ich vermutlich (?) an meiner letzten Schule angekommen und darf wieder ganz neue, spannende, herausfordernde Erfahrungen machen.

    Das schöne an meinem Job finde ich ist, dass es so vielseitig ist. Es gibt keinen Stillstand, außer, man will ihn (ich glaube aber, dann wird man nicht unbedingt glücklich).

    Fazit: ich gehe nach über 20 Jahren morgens immer noch motiviert zur Arbeit und würde mich jederzeit wieder für meinen Job entscheiden.

  • Ich komme zwar nicht aus dem Grundschulbereich, aber gewisse Rahmenbedingungen ähneln doch denen weiterführender Schulen. Ich kann nur jedem vom Lehrerberuf abraten. Das sage ich sogar unseren Abiturienten, obwohl von diesen höchstens 1-2 SuS pro Jahrgang mit dem Lehramtsstudium liebäugeln, da sie ja jeden Tag mitbekommen, wie unattraktiv dieser Beruf ist. Den Lehrerberuf kann man ausschließlich aufgrund der intristischen Motivation machen, unbedingt mit Kindern arbeiten zu wollen und ein höheres Gehalt als im Erzieherbereich anstrebt Alle anderen (vermeintlichen) Vorteile, bzw. Benefits, die noch vor 10-15 Jahren galten, kann man mittlerweile vergessen. Die Aufwertung der Berufe in der freien Wirtschaft infolge Fachkräftemangel und der allgemeine Arbeitnehmermarkt machen Parameter wie sichere/unkündbare Stelle, freie Zeiteinteilung, mehr Ferien, überdurchschnittliche Besoldung, etc. obsolet. Mittlerweile ziehen Lehrer in allen Bereichen den Kürzeren. Insbesondere die seit Corona weit verbreitete Selbstverständlichkeit des Homeoffice mit wirklich freier Zeiteinteilung ist ein riesen Benefit der freien Wirtschaft bzw. auch vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Dass man in den meisten Berufen auch nicht den halben Tag in einem lärmintensiven, stressigen, oft dreckigen Umfeld arbeiten muss, tut sein Übriges. In anderen Berufen gibt es auch Pausen in denen man sich erholen kann, freie Wochenenden, etc., etc....Also, es spricht m.M.nach fast alles gegen den Lehrerberuf. Ich versuche mich seit mittlerweile 10 Jahren aus dem Job rauszubewerben, leider ohne Erfolg. Die Verbeamtung als Lehrer ist meist auch eine Einbahnstraße. Viel Spaß, wenn man dann gezwungen ist, bis zur Pension durchzuhalten.

  • Also ich empfinde A13 schon als ein sehr gutes Gehalt :)

    Plattenspieler geht es darum, dass es ja an der Förderschule auch immer schon A13 gab und Förderschule soweiso der beste Job der Welt ist. Ansichtssache, aber Plattenspieler proklamiert das in jedem zweiten Beitrag.

  • Also, ich habe mich als Lehrerin nicht von meinen eigenen Kindern umzingelt gefühlt, im Gegenteil. Ich konnte sehr effektiv mit ihnen lernen, wenn es sein musste und wir hatten immer gleichzeitig die Ferien frei. Ich musste auch nicht in den Ferien nach einer Betreuung suchen, weil der Hort auch mal zu hat, so wie andere Eltern das müssen.

    Der Beruf hat mir viel gegeben, aber auch viel Kraft geraubt. Ich fand es immer schade, dass ich an den Wochenenden kaum Zeit für meine Kinder und die Familie hatte: Korrigieren, vorbereiten, Haushalt, Wäscheberge, usw. Nach den Wochenenden war ich früher oft fix und fertig, als die Kinder noch klein waren. Es macht mich auch traurig, dass ich mir momentan nicht vorstellen kann, bis zur regulären Rente (bei mir mit 66) durchzuhalten, aber ich möchte nicht als genervte alte Tante am Tisch vorne sitzen.


    Wenn die Bedingungen anders wären, würde ich den Beruf wieder wählen, aber unter den derzeitigen Bedingungen wahrscheinlich eher nicht. Ich sehne mich nach einer geregelten 40 Stunden Woche mit freiem Wochenende, ohne ständige digitale Verfügbarkeit für Eltern, Kollegen, Schulleitung. Auch möchte ich in meinen Freistunden nicht dauernd als Vertretungsreserve herhalten. Ich wünsche mir Schüler, die respektvoll und wertschätzend mit anderen (Mitschülern, Lehrern, sogar Schulsachen) umgehen können, Eltern, die ihre Kinder unterstützen und nicht alles den Lehrkräften überlassen usw. usw.

    Ich möchte auch nicht nur als Grundschultante gelten, deren Arbeit weniger wert ist, als die anderer Lehrkräfte (Besoldung, Stundenumfang und allgemeines Bild).

    Das wars. Also nein, ich würde einen anderen Beruf wählen.

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