Was hat euch dazu bewogen, Lehrer:in zu werden?

  • Hallo in die Runde,

    Ich habe mich für den Quereinstieg ins Lehramt beworben. In diesem Zusammenhang beschäftigt mich die Frage, was andere dazu bewogen hat, diesen Beruf zu wählen – insbesondere Menschen, die nicht den klassischen, geradlinigen Weg über das Lehramtsstudium gegangen sind.

    Meine eigene Schulzeit war alles andere als einfach. Ich habe mehrfach die Schule gewechselt, hatte familiäre Belastungen und habe mich oft als jemand gefühlt, der im System Schule nicht gut aufgehoben war. Vieles empfand ich als ungerecht oder wenig nachvollziehbar. Ich war keine besonders gute Schülerin – nicht aus Desinteresse, sondern weil mir oft der Halt und das Verständnis fehlten. Lange Zeit war ich einfach nur froh, die Schule hinter mir zu lassen.

    Ich habe zwei Kinder im Schulalter (Grundschule und Oberstufe) und bin ehrenamtlich in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aktiv. Es macht mir Spaß, sie ein Stück ihres Weges zu begleiten, zuzuhören, Orientierung zu geben – manchmal auch einfach nur präsent zu sein.

    Diese Erfahrungen haben in mir den Wunsch geweckt, mich für den Quereinstieg zu bewerben. Nicht, um das System Schule zu „verändern“, aber vielleicht um an bestimmten Stellen anders zu handeln als ich es damals erlebt habe. Ich möchte jungen Menschen auf Augenhöhe begegnen und sie ernst nehmen.

    Dennoch Frage ich mich, ob das der richtige Ort für mich ist.

    Ich bin sehr gespannt auf eure Beweggründe…

    Vor allem interessiert mich, wie ihr die Realität im Schulalltag erlebt – jenseits von Idealvorstellungen. Welche Herausforderungen begegnen euch? Was hat euch bestätigt, was vielleicht auch ernüchtert?

    Ich freue mich auf den Austausch und ehrliche Einblicke.

    Viele Grüße

  • Ich wollte das seit der erste. Klasse. Ich habe gute und schlechte Erfahrungen gemacht und einfach für mich erkannt, dass ich besonders benachteiligten Schülern helfen möchte, auch wenn das zeitintensiv ist und sehr viel Kraft kosten kann.
    Außerdem liebe ich einfach die Arbeit mit Schülern und das Unterrichten.


    Mich ernüchtert es, wenn Kollegen nicht motiviert sind und mich stärkt es, wenn ich meine positiven Rückmeldungen von Schülern und Eltern bekomme.

  • Von irgendwas muß man halt leben.

    Und da ich vorher unter anderem mal als technischer Trainer gearbeitet hatte, fand ich da recht gute Anknüpfungspunkte.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Deinem Kriterium „nicht geradlinig“ entspreche ich, denke ich. Sehr kurz zusammengefasst: Schule, Mittlere Reife, Lehre, nach der Lehre als Angestellter im Lehrbetrieb weitergearbeitet, nebenher gelernt, Abitur für Nichtschüler gemacht, Studium, Diplom, Forschung und Lehre an der Uni, Promotion, Industrie, Schule und nochmal Studium aka Lehrerausbildung. So aufgeschrieben sieht das irgendwie so aus, als hätte sich da ein Kreis geschlossen .. fällt mir erst jetzt gerade auf 😂

    Die Kurzversion, warum ich Lehrer geworden bin (längere Versionen kannst du über die Forensuche finden): Lehre hat mir als Doktorand Spass gemacht (und hat mir viel besser gefallen als die Forschung), ich bin gerne unter Menschen und arbeite gerne mit Menschen (allerdings viel lieber mit Erwachsenen als mit Kindern), ich sitze nicht gerne am Schreibtisch und bin lieber aktiv und (heraus-)gefordert.

    „Jenseits von Idealvorstellungen“ fällt mir leicht - ich hatte keine. Allgemein bin ich pragmatisch und habe weder eine Berufung noch eine übergeordnete Agenda. Meinen Job mache ich einfach sehr gerne und habe dabei glücklicherweise auch sehr gute Arbeitsbedingungen. Wenn das, was ich mache, für andere Menschen nützlich ist und/oder es ihnen hilft, ihren individuellen Zielen näher zu kommen (was mich natürlich sehr freut) - dann umso besser :)

  • Beim Abi war die Vorstellung, Lehrer zu werden, für mich komplett absurd. Das wurde nicht mal angedacht. Im Ingenieursstudium hatte ich aber schnell gemerkt, dass ich das (Studium) kann, dass aber die typischen Ingenieursjobs mir nicht liegen und mich nicht interessieren.

    Lehrende HiWi-Tätigkeiten fand ich spannender. An der Stelle: Spaß und Talent an der Arbeit mit Menschen entdeckt (was mir früher im Zela als Gruppenleiter oft rückgemeldet wurde, was ich da aber nicht in mir gesehen hatte).

    Also: Frage, was mache ich? Erst in der Industrie einen Schnittstellenjob mit viel Kundenkontakt gesucht. Nach Jahren in der Industrie habe ich den QE gemacht und bin in meinem Job absolut zufrieden. Absurditäten gibt es auch in der Industrie. Die Skurrilitäten im öD sind anders, aber auch da.

    Als Lehrer ist der Job anstrengend, macht mir aber Spaß. Die SuS sind wie sie sind und ich komme damit zurecht. Dass ich an der BBS halt viele habe, die ihre Päckchen tragen und öfter nicht so motiviert sind, damit kann ich leben. Ich begleite viele einfach dabei, reifer und etwas gebildeter zu werden. Dass bspw. in einer Fach-Abi-Klasse 90% niemals studieren werden, lässt manche Lehrkräfte hyperventilieren. Mit solchen Situationen muss man umgehen können.

    Wir sind aber keine krasse Brennpunktschule, haben aber doch mit Disziplin-Problemen und mangelnder Motivation zu arbeiten.

    An BBSen (ganz spezielles System) gefällt mir eine gewisse Entspanntheit, die Berufs-/Wirklichkeitsnähe verbunden mit dem Anspruch auch allgemeinbildend zu arbeiten.

    Also: Ich würde das wieder machen. Mit dem Wissen von heute würde der kleine Tim Finnegan schon beim Abi einen direkten Weg zum Lehramt einschlagen. Aber nur mit diesem Weg konnte ich halt hier ankommen und zufrieden werden.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Also: Ich würde das wieder machen. Mit dem Wissen von heute würde der kleine Tim Finnegan schon beim Abi einen direkten Weg zum Lehramt einschlagen.

    Ich kann mich deinen Worten nur anschließen. Nur dem hier nicht. Ein Lehramtsstudium hätte mich maximal frustriert (auch heute noch). Daher war mein Weg heute wie damals genau richtig (wahrscheinlich :D)

  • Ich kann mich deinen Worten nur anschließen. Nur dem hier nicht. Ein Lehramtsstudium hätte mich maximal frustriert (auch heute noch). Daher war mein Weg heute wie damals genau richtig (wahrscheinlich :D)

    Das Studium war ok und hatte so wenige Lehramtsanteile, dass es kaum aufgefallen ist. Es hat halt in beiden Fächern Vertiefung gefehlt, weil man ja sonst ein Haupt- und ein Nebenfach hat. Das Lehramt war dann eher für beide Fächer zwischen Haupt- und Nebenfach angesiedelt.

    Was frustriert ist die Einbahnstraße Lehramt. In einen anderen Job kommt man ja nich mehr realistisch rein. Ich jetzt 10 Jahre nach der Uni ohnehin nicht mehr.

  • Ich kann mich deinen Worten nur anschließen. Nur dem hier nicht. Ein Lehramtsstudium hätte mich maximal frustriert (auch heute noch). Daher war mein Weg heute wie damals genau richtig (wahrscheinlich :D)

    Dass der Weg so richtig war, da stimme ich absolut zu. Das Ingenieursstudium hatte den Vorteil, dass man breiter aufgestellt ist (aber eben keine Garantie für den QE hat).

    Das Lehramtsstudium wäre aber weniger heftig gewesen als mein Fachstudium. Die Kommilitonen/innen aus dem (damals so genannten) Gewerbelehramt, mit denen ich zu tun hatte, waren in den fachlichen Veranstaltungen deutlich abgespeckt unterwegs und die Scheine, die ich dann später aus dem päd./psych. Bereich mitgenommen habe, waren entspannter zu bekommen --> ich hatte damit schon einen späteren Einstieg in die Schule vorbereiten wollen. Bei diesen Scheinen musste ich viel Text lesen und produzieren, aber die Herausforderung war geringer.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Ich war vorher im IT-Consulting/Individualsoftwareentwicklung tätig. Das war mit sehr viel Reisetätigkeit und Hotelaufenthalten unter der Woche verbunden. Als sich dann abzeichnete, dass ich Vater werde, wollte ich einen Job, bei dem ich jeden Abend zuhause bin, damit das Kind am 18. Geburtstag nicht fragt "Mama, wer ist der Mann?". Der Lehrerjob hat einfach das beste Gesamtpaket (Work-Life-Balance, Bezahlung, Altersvorsorge) geboten. Die Entscheidung habe ich nie bereut. Man muss allerdings verstehen, dass das Lehrersein ein Job ist und sich nicht diesen systeminhärenten Quatsch wie "Lehrer zu sein ist Berufung statt Beruf" etc. einreden lassen. Sobald man in dieses Fahrwasser gerät, steigt die Gefahr der Selbstausbeutung.

  • Ja da steckt viel wichtiges drin. Was ich in diesem Kontext betonen möchte: Bei vielen Nachmittagsveranstaltungen (Kinderturnen bspw.) war ich oft der einzige Papa, der dabei sein konnte. Das ging als Lehrer oft. Auf der anderen Seite konnte ich bei anderen Terminen (vormittags) mal nicht so eben Gleitzeitstunden nehmen, so dass ich da manchmal raus war. Aber ich will nicht klagen :)

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Das Lehramtsstudium wäre aber weniger heftig gewesen als mein Fachstudium. Die Kommilitonen/innen aus dem (damals so genannten) Gewerbelehramt, mit denen ich zu tun hatte, waren in den fachlichen Veranstaltungen deutlich abgespeckt unterwegs und die Scheine, die ich dann später aus dem päd./psych. Bereich mitgenommen habe, waren entspannter zu bekommen --> ich hatte damit schon einen späteren Einstieg in die Schule vorbereiten wollen. Bei diesen Scheinen musste ich viel Text lesen und produzieren, aber die Herausforderung war geringer.

    Das ist echt eine Antiwerbung für das Lehramt. Besonders der letzte Satz bestärkt meine Meinung sehr.

  • Nur kein Neid. Man ist nur so alt, wie man sich fühlt. :zahnluecke:

    Ich weiß bei vielen Fragestellungen im Forum, die sich über die Jahre wiederholen, wo ich suchen kann... Eine Menge gleicher Fragen tauchen immer wieder neu auf, während Antworten sich kaum verändern. Da kann man durchaus mal nachlesen und daraus lernen, oder?

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