Schule verbietet Bauchfrei - mit einem sehr seltsamen Argument

  • Hey.

    Nach dem Thread "in den Ausschnitt gucken", möchte ich hier mal etwas ansprechen, das mir eine 16jährige Klavierschülerin gestern eröffnete.

    Sie erzählte mir, dass ihre Schule bauchfrei verbiete. Selbst, wenn das Top einfach nur einen Ticken zu kurz ist und beim Recken der Nabel zu sehen sei.

    Grund - und da fiel mir alles aus dem Gesicht: "Es lenkt männliche Schüler und Lehrer ab."

    Ich habe fast kein Problem damit, wenn eine Schule sagt, sie sei konservativ und hätte eine gewisse Kleiderordnung. Hausrecht, fertig. Kann jeder finden, wie er will. Es gibt ja auch Schulen mit Uniformen. Aber das Argument, es würde quasi Lehrer und Schüler (ungut) ablenken...das ist für mich die Schuld-Umkehr in der Goldmedaillen-Ausführung.

    Ich weiß, dass wir nicht in einer Welt leben, in der jedes Mädel tragen kann, was es will, weil es IHR Körper ist und jeder Mensch das und ihren Kleidungsstil einfach respektiert, bzw weil es EGAL ist, was sie trägt. Sehr schade. Trotzdem empfinde ich die Argumentations-Art sehr schlimm und bin am Überlegen, mit der Mutter des Mädchens mal zu sprechen, ob man da nicht mal einen Vorstoß wagt, der ganz klar das Problem dieser Argumentation benennt.


    Wie seht ihr das? Rege ich mich da übermäßig auf oder könnt ihr das nachvollziehen?

    Blowing out someone else's candle doesn't make yours shine any brighter.

  • 1. Ja, die Argumentation ist selten dämlich, wenn sie denn wirklich so sein sollte

    2. Not your cup of tea, die Schule hat vermutlich 100 LuL, 1000 SuS und knapp 2000 beteiligte Eltern da muss sich nicht irgendeine Klavierlehrerin einer Schülerin berufen fühlen, sich um die schlüssige Begründung der Schulregeln zu kümmern.

  • Wie seht ihr das? Rege ich mich da übermäßig auf oder könnt ihr das nachvollziehen?

    Nein, kann ich kann die Aufregung auf beiden Seiten nicht nachvollziehen.

    Mir persönlich ist völlig egal, was meine Schüler tragen oder nicht tragen, solange wir auf dem Schulgelände und nicht im öffentlichen Raum sind und solange keine komischen Diskussionen entstehen. (Siehe Nachbar-Thread.)

    (In der Öffentlichkeit ist das etwas anderes und ich sehe es auch als Teil meines Erziehungsauftrags, dass den Schülern bewusst ist, was ein Verstoß gegen Kleidernormen bewirken kann. Wir sprechen da allerdings eher über neutrale Dinge, wie z.B. Kopfbedeckungen in Räumen.)

    Ich kann nachvollziehen, dass sexualisierte Bekleidung den Schulfrieden stören kann. Wo da die akzeptable Grenze liegt, muss jede Schulgemeinschaft selbst entscheiden. Das hängt auch massiv von Klientel und Ort ab.

    Bevor man sich da selbst aufregt, empfehle ich immer die eigene Grenze zu überprüfen: Bauchfrei, Dekotlet, Bauarbeiter-Dekotlet, Badekleidung, kurze Hose, etc... Für manche Menschen ist es bereits die Sichtbarkeit des Haars. ;)

  • Ich sehe es wie du: Die Begründung der Schule scheint mir fadenscheinig zu sein.

    Du könntest der Klavierschülerin ja sagen, dass sie über die SV vielleicht erreichen könnte, dass die Regelung - zumindest mit dieser Begründung - zurück genommen wird.

  • Bevor man sich da selbst aufregt, empfehle ich immer die eigene Grenze zu überprüfen: Bauchfrei, Dekotlet, Bauarbeiter-Dekotlet, Badekleidung, kurze Hose, etc... Für manche Menschen ist es bereits die Sichtbarkeit des Haars. ;)

    Ich finde, die eigenen Grenzen haben nicht sehr viel mit der Thematik zu tun.
    Ich finde Socken in Sandalen furchtbar oder wenn das Hemd so über den Bauch spannt, dass der Knopf beinahe abspringt - sage ich als jemand, der selbst alles andere als schlank ist. Andere finden es vielleicht furchtbar, dass ich genau deswegen eher locker sitzende Kleidung trage. Alles persönliche Grenzen, die in keinster Weise Auswirkungen auf die Kleiderordnung haben dürfen. Alle Beispiele, die du bringst - mit Ausnahme der Badekleidung - haben ebenfalls nichts mit einer modernen Kleiderordnung zu tun.
    Die Badekleidung nehme ich aus, da diese sehr konkret Kleidung für einen bestimmten Funktionszusammenhang ist, der eine ganz normale gesellschaftliche Konventionen (- die nichts mit institutionellen Kleiderordnungen zu tun haben -) orts- und zeitbezogen außer Kraft setzt. Will sagen: Wenn du mit Badekleidung knappe Badehosen und oben ohne bei Männern oder Bikini/Badeanzug und sonst nichts bei Frauen meinst wäre das überall außerhalb des Schwimmbads unangemessen. Wenn der Mann Badeshorts und ein T-Shirt trägt, soll er meinetwegen so auch in die Schule gehen. Wenn die Frau zum Badeanzug einen Wickelrock oder Shorts trägt, meinetwegen auch. Spannend wäre der Grenzfall Bikinioberteil und Wickelrock/Shorts. Vermutlich gäb es keinen Grund, das zu verbieten.

    Ich würde das alles nicht toll finden und mich schon fragen, warum man mit Badeshorts und Muscle Shirt oder mit Bikinioberteil und Wickelrock in die Schule geht, aber das frage ich mich eben bei Socken in Sandalen auch.

  • Ich persönlich finde es auch nicht unbedingt bei allen Körperformen schön anzusehen, wenn bauchfrei getragen wird, genauso (in Anlehnung an besagten Thread) wenn der Busen so "hochgeschnallt" wird, dass er fast oben rauskommt aus dem Top (was genau bezweckt man damit?), ABER das ist mein Problem, wenn mir das nicht gefällt (genauso bei den Socken mit Sandalen etc.), genauso finde ich, ist es keine Begründung, dass man etwas nicht anziehen darf, weil der Anblick Schüler und Lehrer ablenkt!? Das ist dann deren Problem!

    Ich habe fast kein Problem damit, wenn eine Schule sagt, sie sei konservativ und hätte eine gewisse Kleiderordnung. Hausrecht, fertig. Kann jeder finden, wie er will. Es gibt ja auch Schulen mit Uniformen. Aber das Argument, es würde quasi Lehrer und Schüler (ungut) ablenken...das ist für mich die Schuld-Umkehr in der Goldmedaillen-Ausführung.

    Genau. Es könnte sich auch jemand durch eine Haarfarbe (lila, grün), oder auffällige Frisur oder durch einen T-Shirt-Aufdruck etc. pp. abgelenkt fühlen.

  • 1. Ja, die Argumentation ist selten dämlich, wenn sie denn wirklich so sein sollte

    2. Not your cup of tea, die Schule hat vermutlich 100 LuL, 1000 SuS und knapp 2000 beteiligte Eltern da muss sich nicht irgendeine Klavierlehrerin einer Schülerin berufen fühlen, sich um die schlüssige Begründung der Schulregeln zu kümmern.

    Zu 1: Ja, eben. Selten dämlich. Mir geht es hier nicht darum, dass eine Schule sowas nicht möchte. Aber dann doch bitte so formuliert, dass sich Mädchen nicht als die Schuldigen erkennen. Denn es gibt genug, die über das Argument nachdenken und NICHT total sauer sind, weil das doch mit ihnen nichts zu tun hat.

    Zu 2: ich bin ja nicht nur Klavierlehrerin, ich bin ja auch normale Lehrkraft (GS) und wir haben durchaus auch schon Vorpubertierende. Ich denke jetzt einfach drüber nach, wie meine Position dazu ist. Habe ich irgendwo den Anschein erweckt, ich möchte dort an der Schule irgendwas drehen? Ich habe lediglich überlegt, ob ich ermutigend einwirke, diese Argumentation in Zweifel zu ziehen und das Gespräch an der Schule zu eröffnen. Meine Schülerin wäre dazu fähig.


    Danke daher für eure Gedanken zu dem Thema.

    Blowing out someone else's candle doesn't make yours shine any brighter.

  • Die Schülerin soll sich mit der SMV kurzschließen. Für mich schreit das geradezu nach kreativen SMV- Aktionen à la „Burka für alle- gegen die Ablenkung“, um einerseits deutlich zu machen, was für eine sexistische Argumentation das ist und andererseits Eltern oder auch örtliche Medien zu mobilisieren, damit diese Stunk machen gegen diese Regelung, aber auch die dahinterstehende Haltung, die die Bekleidung von Frauen/ Mädchen problematisiert, statt übergriffiges Verhalten zu problematisieren.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Zu 2: ich bin ja nicht nur Klavierlehrerin, ich bin ja auch normale Lehrkraft (GS) und wir haben durchaus auch schon Vorpubertierende. Ich denke jetzt einfach drüber nach, wie meine Position dazu ist. Habe ich irgendwo den Anschein erweckt, ich möchte dort an der Schule irgendwas drehen? Ich habe lediglich überlegt, ob ich ermutigend einwirke, diese Argumentation in Zweifel zu ziehen und das Gespräch an der Schule zu eröffnen. Meine Schülerin wäre dazu fähig.

    Und wieso betrachtest du es als deine persönliche Aufgabe an einer Schule, mit der du nichts zu tun hast, irgendwelche Gespräche eröffnen zu lassen? Aus deiner Schilderung geht nicht mal hervor, dass deine Schülerin ein Problem mit dieser Regelung hat, du weißt auch nicht, ob die Begründung überhaupt der Wahrheit entspricht, denn du kennst sie ja nur über Hörensagen.

    Ich weiß, vielen Lehrkräften erscheint diese Idee abwegig, aber: es ist grundsätzlich möglich davon zu erfahren, dass irgendwer, irgendwo, irgendwas ganz anders macht, als man es selber machen würde, vielleicht sogar auf eine Art, die man persönlich absolut daneben oder dumm findet, ohne sich direkt dafür zuständig zu fühlen, denjenigen zu belehren, dass er es in Zukunft doch Bitteschön anders machen möchte.

    Du hast überhaupt nichts mit der Sache zu tun, halt dich raus.

  • Achtung, eine solche Aktion ist durchaus antimuslimische Diskriminierung.
    (Ja, ich habe auch Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass man dies freiwillig machen, ja, ich weiß, dass es einen Unterschied zwischen Burka und Hijab gibt, aber ich habe Schülerinnen, die Hijab und Abaya tragen)

  • Du hast überhaupt nichts mit der Sache zu tun, halt dich raus.

    Wenn sich immer alle Menschen raushalten, wenn sie mit einer Sache nichts zu tun haben, würde viel Hilfe den Bach runtergehen.

    Meine Schülerin ist wütend über die Situation und findet das Argument lächerlich. Gottseidank. Es gibt viele Mädchen, denen dieses falsche Argument hängen bleibt. Und eigentlich sollte man sich/sie davon befreien.

    Daher habe ich, da meine Schülerin bei mir Rat suchte, sonst hätte sie das Thema mit mir nicht besprochen, hier einfach mal gefragt, wie es gesehen wird, um ihr einen möglichst guten Rat zu geben.

    "Halt dich raus" finde ich sogar eher befremdlich.

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  • Naja, jetzt schreibst du ja erst, dass deine Schülerin sich drüber aufregt, dann darfst du auch deinen Kommentar abgeben dazu. Der Rest ist ihre Sache, ich finde es übergriffig, hier etwas über ihren Kopf hinweg anzuzetteln.

  • Wer sagt denn etwas von "über ihren Kopf"?

    Ich möchte ihr einen guten Rat geben und wollte hören, ob mein Bauchgefühl dazu passt.

    Manchmal gibt es echt sehr eigene Reaktionen hier...

    Edit: natürlich spreche ich mit der Mutter NICHT über ihren Kopf hinweg!

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  • Wie seht ihr das? Rege ich mich da übermäßig auf oder könnt ihr das nachvollziehen?

    Sind wir nicht ein Forum, um Meinungen über Punkte auszutauschen?
    Auch über Sachen, die uns wenig betreffen oder die wir nicht ändern können?
    Es gibt hier 1000 Beiträge zu Trump und Corona...

  • Ich möchte ihr einen guten Rat geben und wollte hören, ob mein Bauchgefühl dazu passt.

    Wie seht ihr das? Rege ich mich da übermäßig auf oder könnt ihr das nachvollziehen?

    Es ist relativ offensichtlich, dass dein Antrieb nicht ein sachlicher Wunsch der Schülerin objektiv und vernünftig zu helfen ist, sondern deine eigene emotionale Reaktion. Du selber ärgerst dich über die Begründung und hast jetzt den Impuls, da irgendwie zwischen zu hauen. Die Frage, ob das wirklich ein guter Weg für deine Schülern ist, spielt für dich dabei überhaupt keine Rolle. Ich habe an mehreren Schulen Diskussionen zum Thema "bauchfrei" mitbekommen, mehr als einmal sind diese eskaliert mit gegenseitigen Angriffen, Beleidigungen und Unterstellungen unter der Gürtellinie. Es ist ein hochsensibles Thema, und du hast keine Kontrolle darüber, wie sich die Thematik anschließend entwickelt.

  • Die Argumentation ist extrem unpassend.

    Sich dem Anlass entsprechend anzuziehen, finde ich aber grundsätzlich schon angemessen und fände eine Kleiderordnung für Schulen gar nicht so verkehrt.

  • Es ist relativ offensichtlich, dass dein Antrieb nicht ein sachlicher Wunsch der Schülerin objektiv und vernünftig zu helfen ist, sondern deine eigene emotionale Reaktion.

    Nein. Hätte ich meine eigene emotionale Reaktion, die ich hier zusätzlich schilderte, als Anlass genommen, hätte ich einfach aus dem Bauch raus etwas gesagt und mit ihr dagegen gewettert. So habe ich ihr nur gesagt, dass ich ihr Bauchgefühl teile, ihren Ärger verstehen kann und mich mal etwas kundig mache. Und genau das mache ich hier.

    Die Argumentation ist extrem unpassend.

    Sich dem Anlass entsprechend anzuziehen, finde ich aber grundsätzlich schon angemessen und fände eine Kleiderordnung für Schulen gar nicht so verkehrt.

    Da hast du durchaus Recht. Und dagegen spricht auch nichts. Aber es sollte dann eine Argumentation her, die dem Ganzen gerecht wird und nicht Mädchen eine Schuldfrage zuspricht. "Zieh dich bitte ordentlich an, sonst werden andere Menschen durch DICH abgelenkt."

    Du willst doch mit ihrer Mutter reden, das schreibst du...

    Ja, aber doch niemals über ihren Kopf und niemals ohne sie. Falsche Reihenfolge. Aber du hast Recht, das hätte ich oben besser beschreiben können. Allerdings wäre es insgesamt (und damit meine ich nicht dich jetzt) schöner, wenn mir bei fehlender Information dann eher Fragen gestellt und keine Unterstellungen getätigt würden. Man ist doch nicht perfekt...auch nicht in einem ersten Beitrag in einem Thread.

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  • Achtung, eine solche Aktion ist durchaus antimuslimische Diskriminierung.
    (Ja, ich habe auch Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass man dies freiwillig machen, ja, ich weiß, dass es einen Unterschied zwischen Burka und Hijab gibt, aber ich habe Schülerinnen, die Hijab und Abaya tragen)

    Ich verstehe, dass es ein Risiko gibt, dass das dementsprechend instrumentalisiert werden würde. Ein anti- muslimische Diskriminierung per se ist es nicht, die Burka ist schließlich keine muslimische Vorschrift, sondern eine regionale Interpretatation religiöser Vorschriften ergänzt um lokale Traditionen, mit dem klaren Ziel Frauen zu gängeln, unsichtbar zu machen, zu beherrschen und zu unterdrücken über angeblich religiöse Bekleidungsvorschriften. Ein Hijab ist nun einmal etwas völlig anderes als eine Burka.

    Aber vielleicht ist es zumindest für eine Schulaktion angesichts zahlreicher AfD- Freunde sinnvoller, das Risiko der Instrumentalisierung durch braune Freunde zumindest in diesem Punkt zu reduzieren. Vielleicht wollen ja einfach die Jungen bauchfrei tragen, um das Ganze ad absurdum zu führen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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