Einschulung in Klasse 3 ohne vorherigen Schulbesuch

  • Hallo zusammen,

    wie wird es bei euch an den Schulen gehandhabt, wenn ein Kind neu aus dem Ausland zuzieht, das vorher noch nie eine Schule besucht und auch keine sonstige Schulbildung erfahren hat?

    Meine Schulleitung ist der Ansicht, dass es altersgemäß eingeschult wird (in diesem Fall: 9 Jahre = dritte Klasse). Allerdings gibt es keinerlei Unterstützung bei allem, was nun zu tun ist: Alphabetisierung, Sprache lernen, Umgang mit Schulmaterial und Mitschülern erlernen. Ich fühle mich völlig überfordert! Habt ihr Ideen, wie ich bzw. das Kind Hilfe erhalten kann?

    VG Katrin

  • Hast du in der Klasse jemanden, der / die die Herkunftssprache des Kindes spricht, so dass dieses Kind eine Art Pate sein könnte für die Anfangszeit, um das Ankommen zu erleichtern?

    Gibt es bei euch keine Vorbereitungsklassen für SuS, die aus dem Ausland zuziehen?

    Welche Begründung gibt deine SL für die Einschulung rein nach dem Alter, bei einem Kind, das noch nie die Schule besucht hat, die Sprache nicht spricht, nicht alphabetisiert ist? Ist das Ziel, das Kind schnellstmöglich an eine Förderschule abschieben zu wollen, weil man es derart nach zwei Jahren loswerden kann oder gibt es einfach keinen Platz in einer ersten Klasse?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Bei uns, in NDS, ist es genau so, wie beschrieben:

    DaZ-Stunden gibt es nur, wenn sie beantragt und genehmigt sind, nicht aber mitten im Schuljahr.

    Hat die Schule Überhang (hat sie nicht, dann ordnet sie ab), kann davon etwas für DaZ genommen werden, manchmal kann man auch Stunden der Pädagogischen Mitarbeiter:innen nehmen.

    Finde heraus,

    - ob das Kind in der Schule war, bis wie weit es rechnen kann, kb es in der Herkunftssprache schreiben kann (mehrsprachige Briefe bei 4teachers oder online-Übersetzer nutzen oder ehrenamtlich im Schulumfeld jemanden suchen, der dolmetschen kann.

    - stecke danach die nächsten Ziele fest und organisiere Material, das zu den Vorkenntnissen passt.

    - überlege, wie du die Kinder der Klasse ins Boot holst - Spielen ohne Worte, Verständigung, erste Wörter, Gesten, Bildkarten, Spiele

  • Hintergedanke bei der altersangemessenen Beschulung ist sicherlich, dass so leichter soziale Kontakte geknüpft werden können. Wenn erstmal gemeinsames Spielen etc. vorhanden ist, kann der Spracherwerb auch außerhalb des Unterrichts (Pause, Freizeit, ...) ein wenig voranschreiten. Das klappt manchmal erstaunlich gut, manchmal aber ... weniger.

  • Kürzlich wurde doch festgestellt, dass Kinder, die direkt ins Sprachhbad geworfen werden nach soundsoviel Zeit besser Deutsch können als Kinder, die in Vorbereitungsklassen waren.

    Ich finde die Erkenntnis einigermaßen ernüchternd für all die DaZ-Mühen, die man, zumindest hierzulande, investiert hat.

  • Kürzlich wurde doch festgestellt, dass Kinder, die direkt ins Sprachhbad geworfen werden nach soundsoviel Zeit besser Deutsch können als Kinder, die in Vorbereitungsklassen waren.

    Ich finde die Erkenntnis einigermaßen ernüchternd für all die DaZ-Mühen, die man, zumindest hierzulande, investiert hat.

    Soweit ich mich erinnere, wurde das vor allem in den Medien festgestellt. Die Studie selbst kam gar nicht zu diesem Ergebnis.

  • Soweit ich mich erinnere, wurde das vor allem in den Medien festgestellt. Die Studie selbst kam gar nicht zu diesem Ergebnis.

    Soweit ich gelesen habe, hat die Studie festgestellt, dass Beschulung in Regelklassen tatsächlich zu besseren Ergebnissen führt, allerdings auch nicht völlig ohne vernünftige Begleitkurse.

  • Soweit ich das beobachte, ist das von sher viel mehr Aspekten abhängig, als allein auf die Beschulung in der Regelklasse zurückgeführt werden zu können.

    Bei meinen derzeitigen Strategen geht das so gar nicht auf ... wir wabern immer noch im Bereich A1, zum Teil seit 3 Jahren, die Alphabetisierung haben wir jetzt aber geschafft, sodass wir jetzt auf schriftlicher Ebene verdeutlichen können, was akustisch bisher nicht geklappt hat (passt zu anderen Störungsbildern).

  • wie wird es bei euch an den Schulen gehandhabt, wenn ein Kind neu aus dem Ausland zuzieht

    Aus welchem Herkunftsland kommt das Kind?

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
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  • gibt es einfach keinen Platz in einer ersten Klasse?

    Du kannst ein neunjähriges Kind nicht in eine erste Klasse mit fünf- bis siebenjährigen Mitschülern hocken. Das hilft auch niemandem. Zweite Klasse könnte man prinzipiell drüber nachdenken, hängt von vielen Aspekten ab.

  • Das läuft dann sooo unterschiedlich mit den Kindern. Vor ca 1 Jahr war ich bei dm und wollte für meine Klasse zum Abschied eine Fotocollage erstellen. Fotos von meinem Smartphone. Ich hab mich ungeschickt angestellt und plötzlich sagte ein ca 10 jähriger Junge neben mir, was ich vorhabe und ob er mir helfen soll. Im Laufe der Aktion stellte sich heraus, dass wir mal an derselben Schule waren. ^^ Ich war für 1 Jahr an die Grundschule abgeordnet, auf die er als ukrainisches Flüchtlingskind kam. Er erzählte mir ganz stolz, dass er nach den Ferien auf eine Gemeinschaftsschule wechselt. Er konnte gut Deutsch und es war eine sehr nette Begegnung. Ich ließ noch Kollegen von damals grüßen. Auf der anderen Seite gibt es Kinder, denen ihre Kriegserfahrung im Gesicht steht, die nicht gut Fuß fassen und kaum sprechen. Trotz Förderstunden kaum Fortschritte machen und an die man schlecht rankommt. Man kann nicht wissen, wie es wird. Es hängt von vielen Dingen ab. Wir wissen nicht einmal, wo das Kind herkommt und warum es nicht in der Schule war.

  • Gibt es bei euch keine Vorbereitungsklassen für SuS, die aus dem Ausland zuziehen?

    Die dürfen bei uns übrigens nur von alphabetisierten Schülern besucht werden, Kinder, die noch nie in einer Schule waren, kommen in eine Jül-Klasse mit Schulbesuchsjahr 1, egal ob sie Deutsch verstehen. Werden wir nächste Woche wieder so einschulen, für die ist es teilweise echt blöd mit der Sprache, aber ja, die müssen dann eben über Sprachbad usw. lernen.

    Du kannst ein neunjähriges Kind nicht in eine erste Klasse mit fünf- bis siebenjährigen Mitschülern hocken.

    Doch, kannst du, machen wir jedes Jahr in den Jül-Klassen und das ist überhaupt kein Problem, also warum sollte das nicht gehen? Zeigt aber wieder den Vorteil von jahrgangsübergreifenden Klassen.

  • Zauberwald: Das ukrainische Kind wird bis zu seiner Flucht aber eine Bildungsbiographie gehabt haben, die mit einer deutschen vergleichbar ist. Der von dir beschriebene Junge wird nicht als 9-jähriger Analphabet in eine 3. Klasse gekommen sein.

    Andere ukrainische Kinder, die genau seinen schulischen Hintergrund hatten und hier genauso empfangen wurden, bleiben stumm und kommen gar nicht mit. Es liegt nicht immer nur an der Schule hier. Wir hatten sogar schon ukrainische Flüchtlingskinder, die zusätzlich nachmittags ukrainischen online- Unterricht hatten und das viel ernster nahmen, weil die Familien zurückwollten. Unsere Hausaufgaben wurden z.B. gar nicht erst gemacht. Wann auch?

    Aber das ist ja gar nicht Thema. Wollte nur sagen, erst einmal abwarten wie es wird. Nicht alles liegt auch nur an der Schule. Willkommensklassen gibt es bei uns nur an manchen Schulen. Da müsste das Kind zuerst hin, wenn es geht.

  • Du kannst ein neunjähriges Kind nicht in eine erste Klasse mit fünf- bis siebenjährigen Mitschülern hocken.

    Kommt drauf an, welche Prioritäten man setzt und welchen Entwicklungsstand der/die Neunjährige hat. Kleinkindhaftes Verhalten sieht man oft auch bei den Älteren.

    Und was das oft bemühte "Sprachbad" angeht: Ich habe in den letzten 20 Jahren immer weniger Kinder in den Klassen gehabt, die Deutsch (auch als Muttersprache) richtig sprechen konnten. Der sprachliche "Whirlpool" wurde zudem oft aus mehr als 10 Herkunftsländern gespeist - das ist dem Spracherwerb nicht förderlich.

    Wer gar kein Deutsch spricht, muss das vor dem Eintritt in eine Regelklasse zumindest halbwegs lernen dürfen.

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