Ein Journalist schreibt seiner Tochter einen Brief

    • Offizieller Beitrag

    Aber was ist mit den angeblichen Vorteilen von G8? Sieht die jemand wirklich? Eher so war meine Aussage vom Schuss in den Ofen gemeint. Wozu das Ganze? Auch wenn du und andere Kollegen ihren Stoff durchbringen, stellt sich doch die Frage nach der Sinnhaftigkeit.
    Ich kenne übrigens nur G8-Lehrer die im Sinne ihrer Schüler "jammern". Den meisten erfahrenen Kollegen scheint es ohne weiteres möglich zu sein, auch in 8 Jahren fertig zu werden. Aber für die Schüler ist das scheinbar oft der pure Stress.

  • Ich sehe es schon als Vorteil, dass ich mit gerade 23 ausstudiert hatte, mit 25 hätte ich mein 2. Staatsexamen gehabt, wenn mir mein Kind nicht dazwischen gerutscht wäre.;) Ich genieße es noch so jung zu sein und jetzt mit 29 bilde ich Referendare aus, die meist älter sind als ich. Achja und ich kriege gerade mein 2. Kind.


    LG Anja

  • Aber was ist mit den angeblichen Vorteilen von G8? Sieht die jemand wirklich? Eher so war meine Aussage vom Schuss in den Ofen gemeint. Wozu das Ganze? Auch wenn du und andere Kollegen ihren Stoff durchbringen, stellt sich doch die Frage nach der Sinnhaftigkeit.


    Die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt sich für mich eher umgekehrt - die Schule ist kein Selbstzweck, wenn man die Schüler 13 statt 12 Jahre in der Schule behalten möchte, muss man dieses Jahr durch einen echten Mehrwert den die Schüler davon haben, begründen. Und den sehe ich zumindest in dem Umfang, dass es ein ganzes Jahr rechtfertigen würde, nicht. Ich sehe auch G8 nicht als wichtigste Stressursache für Schüler. Die Sehe ich eher darin, dass bei immer mehr Schülern das Abi mit Gewalt erzwungen werden soll, die eigentlich mit einem ordendlichen Realschulabschluss und einer guten Ausbildung besser bedient wären. Das Erreichen des Abiturs wird immer mehr zur Vorraussetzung für späteres Lebensglück verklärt.
    Ich habe immer mehr Schüler, die sich ständig von 4- zu 4- quälen, zwei Jahrgangsstufen wiederholen, jahrelang praktisch kein schulisches Erfolgserlebnis haben und dann am Ende mit 21 Jahren das Abi im zweiten Versuch mit 3,8 machen um danach eine Lehre als Einzelhandelskauffrau anzufangen ("Studieren wollte ich eh nie"), die sie schon vor zwei Jahren hätten abschließen können, wenn sie einen anderen schulischen Weg genommen hätten. Da ist die Frage nach G8 oder G9 nachrangig.

  • es gibt in bw (schätze in anderen bundesländern ist das ähnlich) ja auch immer noch die möglichkeit, sich für das abitur 9 jahre lang zeit zu lassen....nämlich durch einen realschulabschluss und dem anschließenden besuch eines beruflichen gymnasiums....aus elternsicht kann ich es verstehen, dass man sich nach klasse 4 am liebsten den übergang auf ein gymnasium für sein kind wünscht....für einige wäre aber der (um-)weg über das berufliche schulwesen sicherlich entspannter und mit weniger frust verbunden...ich halte es für wichtig, dass grundschullehrer über solche möglichkeiten gut bescheid wissen, um eltern die entscheidung für die realschule vielleicht etwas erleichtern zu können....G8 ist nach meiner beobachtung grundsätzlich schon in ordnung, aber man müsste ehrlicher die frage beantworten, wer dafür geeignet ist....


    krabat

    • Offizieller Beitrag

    Deine Argumentation ist für mich nicht schlüssig, Moebius, da es ja nicht um die Frage ging, die Schulzeit zu verlängern. Ich könnte deinen Aussagen vielleicht zustimmen, wenn die Schüler bisher 8 Jahre auf dem Gymi gewesen wären und nun über eine Verlängerung der Schulzeit nachgedacht würde. Da es aber umgekehrt war, muss schon die Frage nach dem Vorteil der Verkürzung erlaubt sein. Und der ist m.E. eben fraglich.
    Und die Kinder, die mit Gewalt durch Abi geprügelt werden, gibt es auch unter G9 zuhauf. Fürs Gymnasium ungeeignete Schüler werden es immer schwer haben, ob sie nun 1 Jahr mehr oder weniger Zeit haben. Nur insgesamt entsteht doch ein ziemlicher Druck für alle Schüler (und Lehrer).


    Ich argumentiere hier auch ein bisschen aus mütterlicher Sicht. Und mir konnte noch niemand schlüssig vermitteln, warum ich meinen Sohn aufs G 8 - Gymnasium schicken sollte. Auch diesem Diskussionsstrang entnehme ich keine wirklichen Proargumente.

  • Mein Bruder geht ja ins G8 (jetzt 11. Klasse) und ich hab da festgestellt, dass viel von dem Stress nur dadurch entsteht, dass die Eltern die Kinder aufscheuchen. Das hat man damals bei diesem Bürgerbegehren in Bayern gesehen - es wurde massiv angeprangert, dass die 2. Fremdsprache schon in der 6. Klasse kommen sollte. Als der Plan noch war, das G9 zu reformieren (die Lehrpläne dafür standen ja zu dem Zeitpunkt), da war die 2. FS in der 6.noch wundertoll. Dann kursieren Fehlinformationen à la "die G9er mussten aber xyz nicht!!!!". Zuhauf. Meine Mutter saß z.B. zu Beginn der Kurswahlphase mit mir am Tisch und meinte, das sei ja alles so unfair, die Kinder wären ja dann so lange in der Schule und sie hätte richtig Mitleid. Das sei ja alles so viel Stress und die Kinder müssten doch so viele Fächer belegen. Ich hab sie dann einfach mal gefragt, warum sie denn mit mir kein Mitleid hatte in der Kollegstufe. Verwirrter Blick. Als ich dann erwähnt hab, dass ich 33 Stunden hatte, waren die 34, die mein Bruder in der Schule verbringt, plötzlich nicht mehr so viel. Dann wird behauptet, die G9er hätten Geschichte nicht so lange belegen müssen, hätten die Mathenoten nicht einbringen müssen und Deutsch auch nicht etc.pp. Ich hab mich ne Zeit lang echt gefragt, ob meine Mutter meine Oberstufenzeit verschlafen hat :D.
    Und auch in der Unter- und Mittelstufe war bei meinem Bruder nie der Riesenstress zu sehen, von dem immer die Rede ist. Das liegt wohl zu einem großen Teil an der grandiosen Stundenplanung der Schule - er hatte bis zur 10. Klasse immer maximal zwei Mal die Woche Nachmittagsunterricht. Er hat bis zur 9. drei Mal die Woche Fußball und ein Mal die Woche Gitarre gespielt. Letzteres tut er immer noch. Und ersteres hat er nicht aus Zeitmangel aufgegeben. Auffällig ist, dass seine Kumpels, die über den berüchtigten Stress jammern, drei Mal die Woche zum Fußball gehen, dann noch zum Klavier- und zum Saxophonunterricht und dann noch mindestens zwei Mal zu Tischtennis, Karate oder Judo. Der Stress ist Freizeitstress, kein Schulstress.

  • Deine Argumentation ist für mich nicht schlüssig, Moebius, da es ja nicht um die Frage ging, die Schulzeit zu verlängern. Ich könnte deinen Aussagen vielleicht zustimmen, wenn die Schüler bisher 8 Jahre auf dem Gymi gewesen wären und nun über eine Verlängerung der Schulzeit nachgedacht würde. Da es aber umgekehrt war, muss schon die Frage nach dem Vorteil der Verkürzung erlaubt sein. Und der ist m.E. eben fraglich.


    Dein Argument läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass du zwar keine großen Vor- und Nachteile zwischen G8 und G9 siehst, aber für G9 bist, weil es vorher halt schon immer so war.
    Das man in G8 keine bessere schulische Ausbildung zu erwarten hat ist schon klar, aber eben auch keine gravierend schlechtere. Wenn man es als etwas grundsätzlich positives ansieht, wenn Schüler bei gelichem Ergebnis möglichst lange Zeit in der Schule bleiben (und so erscheint es mir bei einigen G9 Befürwortern), kann man ja auch in G8 die ein oder andere freiwillige Wiederholung einlegen - merkwürdigerweise macht das aber keiner.

  • Der Unterschied bei G8 ist aber, dass all diejenigen, die eine "Wiederholung" einlegen, auch den Stempel "Wiederholer" haben bzw. 'versagt' haben.
    In Deutsch merke ich, dass einige Themen, die in der Oberstufe schon 'zu früh' waren, jetzt noch mehr 'zu früh' sind.

  • Möchte Moebius voll zustimmen. Möglicherweise ist es aber tatsächlich ein Gut, ein Wert an sich, ein Jahr länger Kind in der Schule bleiben zu dürfen. Ich glaube das nicht, aber das kann man vertreten - allerdings legt trotzdem keiner freiwillig eine Wiederholrunde ein.
    Für viele Kinder - die schnellen, zuverlässigen Lerner - ist das G8 geeignet, für andere wäre das G9 besser. Das Problem ist, dass man gleichzeitig G8 und mehr Schüler am Gymnasium haben will. Und das passt nicht zusammen.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Wenn das G8 nicht signifikant weniger Kompetenzen und Wissen vermittelt als das G9, dies aber dafür ein wenig gestraffter und schneller macht, dann führt das dazu, dass der Anspruch am Gymnasium einfach wieder ein wenig steigt. Dies ist aus meiner Sicht gar nicht schlecht. Wir hatten ja bereits mal darüber gesprochen, dass heute zu viele "eigentliche" Realschüler (und ich sage sogar Hauptschüler) am Gymnasium sind und, dass dadurch auch der Realschulabschluss abgewertet wird.


    Auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht macht es sehr viel Sinn die Schul- und Studienzeiten klein zu halten, wenn es dabei nicht zu massiven Kompetenzeinbußen kommt. Zeit ist Geld und ein Jahr weniger Ausbildung ist hochgerechnet sehr viel Wert. Auch für jeden Menschen persönlich ist es finanziell gesehen sinnvoll möglichst schnell auf dem Arbeitsmarkt anzukommen.

    • Offizieller Beitrag

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    Zeit ist Geld und ein Jahr weniger Ausbildung ist hochgerechnet sehr viel Wert. Auch für jeden Menschen persönlich ist es finanziell gesehen sinnvoll möglichst schnell auf dem Arbeitsmarkt anzukommen.



    (Entwicklungs)- Zeit ist mit Geld nicht zu bezahlen und ein jahr mehr zeit in der Pubertät ist oft hochgerechnet von unschätzbarem Wert. Für jeden Menschen persönlich ist es höchst sinnvoll, seine eigene Reifung möglichst in Ruhe erleben zu können.

  • Zitat Moebius :

    Genauso sehe ich das auch !
    Als Folge des Kuschel-Pädagogik-Geistes sowie der intendierten bildungsmäßigen Gleichmacherei, tümmeln sich viel zu viele Schüler auf den Gymnasien. Deshalb die Herunternivellierunge des Leistungsanspruchs. Es darf einfach nicht mehr sein, dass man Eltern suggeriert, dass ihr Kind nur zu atmen in der Lage sein muss, um das Abitur erreichen zu können.


    Deshalb meine ich sowieso, dass die Schüler auch entgegen den Elternwillen nur die Schule besuchen dürften, wo sie (intellektuell) auch hingehören.


    Bis zu einem gewissen Grade kann ich auch verstehen, dass die Grundschulkolleginnen am Ende der 4. Klasse geneigt sind den fordernden und krawanigen Rabatz-Eltern zu sehr nachgeben, dann oft zu milde zensieren und die Schüler damit in eine für sie zu anspruchsvolle Schulform geleiten lassen.-Wer kann es schon kräftemäßig jahrzehntelang durchhalten, sich ständig mit immer mehr werdenden uneinsichtigen Eltern mentale Scharmützel zu liefern ?


    Deshalb sollte man die Grundschulkolleginnen aus der Schulformformüberweisung/Schullaufbahnempfehlung komplett heraushalten und an allen weiterführenden Schulen Aufnahmeprüfungen einrichten, damit endlich mit der Gleichmacherei und Herunternivellierung nach unten Schluss ist und leistungsorientierte und leistungsstarke Schüler endlich wieder zu ihrem verdienten Recht kommen !
    Ich denke, dass in der Deutschen Schullandschaft eh schon zu lange sozialträumerisch phantasiert und gedamelt wurde.


    Dass ein studierter Mensch wie der o.g. Journalist in seinem Brief unausgewogene Gedanken entwickelt, löst bei mir Befremden aus.8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    2 Mal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Zitat

    ...und an allen weiterführenden Schulen Aufnahmeprüfungen einrichten, damit endlich mit der Gleichmacherei und Herunternivellierung nach unten Schluss ist und leistungsorientierte und leistungsstarke Schüler endlich wieder zu ihrem verdienten Recht kommen !


    [ironie]
    Selektion in Deutschland? Das geht doch nicht!


    Aber ich habe eine Lösung: Aufnahmeprüfungen und anschließend eine EMPFEHLUNG für den weiteren Schulbesuch. Oder willst du den Kindern, die zufälligerweise am Prüfungstag "schlecht drauf" waren, den Lebensweg verbauen?


    Vielleicht sollten auch privat bezahlte Psychologinnen die Empfehlung austellen. So wie bei den Attesten für "Hochbegabte".
    [/ironie]


    Zitat

    Dass ein studierter Mensch wie der o.g. Journalist in seinem Brief derartige Gedankengänge entwickelt, finde ich höchst befremdlich.


    Seit wann muss ein Journalist studiert haben?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Naja, geehrter Mikael, eine Aufnahmeprüfung könnte sich ja über mehrere Tage erstrecken und verschiedene Voraussetzungen der Schüler abprüfen. Ich denke schon, dass die Prüfer erkennen könnten, ob ein Schüler gerade einfach nur schlecht drauf oder schlichtweg überfordert ist.


    Man könnte es zumindest für die nächsten Jahre andenken und entwickeln. So wie wie es bis jetzt läuft, geht es nun gar nicht ! Es müssten nur einige verantwortliche Bildungspolitiker den Mut haben, so etwas unpopuläres durchzusetzen. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !


  • (Entwicklungs)- Zeit ist mit Geld nicht zu bezahlen und ein jahr mehr zeit in der Pubertät ist oft hochgerechnet von unschätzbarem Wert. Für jeden Menschen persönlich ist es höchst sinnvoll, seine eigene Reifung möglichst in Ruhe erleben zu können.


    Ja, dieses Argument kommt von G9 Befürwortern auch immer. Es stellt in meinen Augen eine völlige Verklärung der Schule da. Wie kommt man eigentlich darauf, dass junge Menschen sich in der Schule besser entwickeln, als außerhalb? Es mag sicher einzelne geben, für die die Schule wirklich ein Schonraum ist und die diesen auch wirklich brauchen. Bei vielen, vor allem über 16jährigen, ist aber nach meinem Eindruck das Gegenteil der Fall, da hemmt die Schule eher die Persönlichkeitsentwircklung.
    Ich für meinen Fall kann mit Sicherheit sagen, dass ich mich in den letzten drei Schuljahren nicht groß weiterentwickelt habe. Bei mir war relativ schnell klar, dass ich mir einerseits keine Sorge um das Abi machen musste, andererseits aber auch, dass ich in eine Richtung studieren wollte, in der ich keinen großen NC benötigen würde. Es gab ganz objektiv keinen Grund für mich, mich groß anzustrengen. Hausarbeiten habe ich in der Kursstufen zb praktisch ausschließlich in meinen Leistungskursen gemacht, sonst nicht. Das eine Jahr Zivildienst nach der Schule hat mir für meine persönliche Entwicklung um ein Vielfaches mehr gebracht, als die komplette Oberstufe. Menschen entwickeln sich nicht dadurch, dass sie irgendwo ihre Zeit absitzen, sondern dadurch, dass sie sich Dingen stellen, die sie fordern.


    Natürlich, wer Zeit braucht, soll sie bekommen. Das aber deswegen alle im Gleichschritt ein Jahr länger im System gehalten werden sollen ist in dieser Pauschaltiät genau so wenig sinnvoll wie die Haltung mancher Eltern die Einschulung möglichst lange hinauszuzögern, weil man den Kindern damit ja "ein Jahr Kindheit schenken" würde.
    Es gibt ja Möglichkeiten wie die flexible Schuleingangsphase und man kann sicher auch daran arbeiten, dass eine Wiederholung eines Schuljahres nicht eine Stigmatisierung darstellt, sondern für manche Schüler einfach sinnvoll in ihrer persönlichen Entwicklung ist.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Deshalb sollte man die Grundschulkolleginnen aus der Schulformformüberweisung/Schullaufbahnempfehlung komplett heraushalten


    Du hast aber schon gemerkt, dass das in NRW inzwischen wieder der Fall ist, oder? Die GS-Lehrer können inzwischen nur noch empfehlen, entscheiden tun sie nicht mehr.


    kleiner gruener Frosch


    P.S.: "Aufnahmeprüfungen" gab es die letzten Jahre, nannte sich " Probunterricht". Da ist praktisch Kinder bei durchgefallen, wenn ich es richtig im Kopf habe.

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