Nicht zeitgemäße und missverständliche Begriffe in Kinderbüchern

  • Wir haben vor kurzem "Das Sklavenschiff" von Heine gelesen, wo ja auch die Haie gerne das Negerfleisch fressen. Meine Schüler haben´s selbst angesprochen (7. Klasse), dass man das doch nicht sagt und ich habe ihnen dann erklärt, dass Neger an sich nur "Schwarzer" heißt, das Wort aber lange abfällig gebraucht wurde und man es deshalb heute nicht mehr verwendet. Damit waren alle zufrieden, auch die Kinder mit einem afroamerikanischen Elternteil. Ist das jetzt korrekt oder auch schon wieder veraltet? :sterne:


    PS: Nesthäkchen und Trotzkopf habe ich geliebt und x-fach verschlungen - aber geendet bin ich nicht als biedere Ehefrau. ;) I

  • Zitat

    Dieses entsetzte "Man wird doch wohl noch Neger sagen dürfen" ist einfach furchtbar. Ist es nicht schön, dass es mehr Sensibilität für Diskriminierung gibt? Und dass das auch sprachlich sichtbar wird? Ich finde das selbstverständlich.


    negros (altgriech.) heißt nichts anderes als "dunkel, schwarz".
    Wo ist da eine Diskriminierung enthalten?
    Die ergibt sich doch immer nur aus dem Kontext.



    edit: hat sich überschnitten mit dem Beitrag von tina40

  • Streichen wir jetzt auch den "Mohr von Venedig" bei Shakespeare und ersetzen ihn durch einen politisch korrekten Begriff?



    Au ja! :-))


    "Der Mann mit afrikanischem Migrationshinterund in Venedig" - hey, das geht runter wie Öl!


    Mal ehrlich, vor lauter politischer Korrektheit kann man sich prima lahmlegen. Ich halte die Bereinigung von Begriffen in Literatur für übertrieben. Bloss nicht anecken, bloss niemandem zu nahe treten! Die armen Kinderlein. Ich denke, wir haben da echt andere Baustellen, die dringender sind.


    Wie einige andere in diesem Thread auch teile ich die Meinung, dass gerade solche Begriffe ein guter Anlass sind, mit Kindern über Veränderung von Sprache und die Bedeutung von Begriffen zu reden. Wie sollen sie sonst lernen ? Auf dem Schulhof in der "Expertenrunde"?


    Grüße
    Raket-O-Katz


    (Mist, Pflichtlektüre im kommenden Semester ist "The Reluctant Fundamentalist". Darf ist das ungeschönt mit den Schülern lesen???)



  • Doch, das meine ich ernst, weil ich mit keinem Wort geschrieben habe, dass es in der Schule gelesen werden sollte, sondern lediglich angemerkt habe, dass Kinder das auch nur lesen werden, wenn sie überhaupt die Wahl haben. Und diese hätten sie bei Dir durch das Ausleihen in der Bibliothek auch!


    Und ja, ich sehe das so, wie einige, die nach mir noch geschrieben haben, dass vor lauter Ehrfurcht darüber, dass bestimmte Worte heute anders verwendet werden man dennoch diese nicht überall komplett tauschen muss, um die armen Kinder zu schützen. Für eine breite Bildung gehört für mich dazu, dass Sprachwandel auch angesprochen wird. Das muss ich nicht im Kleinstkindalter machen, aber das sollte doch möglich sein, ohne in die Betroffenheitsfalle zu tappen, dass alle Mädchen die den Trotzkopf lesen zu männerhörigen Wesen verfallen! Schließlich möchte ich auch, dass meine Schüler lernen, kritisch mit den Dingen umzugehen und diese zu hinterfragen. Wenn ich sie immer nur in Schutzfolie packe werden sie das aber bis zum Ende der Schulzeit nie gelernt haben.

  • Zitat

    Der "Trotzkopf" ist Erbauungsliteratur. Aus dem wilden Mädchen wird
    brave Internatsschülerin und später eine fügsame Ehefrau, die gelernt
    hat, dass man seinem Mann nicht widerspricht. Und das sollen die
    Heldinnen unserer Töchter werden? Nein danke.

    Wäre ich Deutschlehrer, würde ich das lesen lassen.

  • Wäre ich Deutschlehrer, würde ich das lesen lassen.


    Ach, nicht nur Experte, was schulische Belange der Primarstufe angeht, sondern auch Koryphäe der Literaturwissenschaften. Ich erstarre immer öfters vor Ehrfurcht.

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

    Einmal editiert, zuletzt von jotto-mit-schaf ()


  • Ach nicht nur Experte, was schulische Belange der Primarstufe angeht, sondern auch Koryphäe der Literaturwissenschaften. Ich erstarre immer öfters vor Ehrfurcht.



    Off topic:


    Leute, wenn ihr den Sil. immer zitiert, kann ich mir ja die Ignoriertaste erparen und muss mich weiter ärgern :flieh:

  • Off topic:


    Leute, wenn ihr den Sil. immer zitiert, kann ich mir ja die Ignoriertaste erparen und muss mich weiter ärgern :flieh:


    Off topic:


    Leute, wenn ihr den Sil. immer zitiert, kann ich mir ja die Ignoriertaste erparen und muss mich weiter ärgern :flieh:


    Dabei war die Ursprungsaussage nicht mal von ihm ;)

  • Okay, muss ich also nun die Bücherregale meiner Kinder leerräumen.
    Als erstes fliegt "Hilfe, die Herdmanns kommen" raus und "Diese Angeber". Beides sehr diskriminierend, wie ich finde. Der "Kleine Wassermann" wurde ja schon genannt. Da er hier aber sowieso nur in alter Rechtschreibung vorliegt, ist der Verlust nicht ganz so schlimm.
    Was ist mit Aschenputtel? Raus damit? Oder wird sie durch Cinderellus ersetzt?
    Naja, "Trotzkopf" lesen meine Söhne sowieso nicht, sind ja Jungs... Aber die Benjamin Blümchen CDs müssen weg, die Bürgermeisterdiskussion gab es ja schon vor langer Zeit mal, also muss das wohl auch revolutioniert werden.

  • Derzeit wird in den Staaten heiss über Quentin Tarantinos Film :"Django unchained" diskutiert, weil darin ständig über "Nigger" geredet wird. Sein Kommentar:

    Zitat

    Quentin Tarantino: Well, you know if you're going to make a movie about slavery and are taking a 21st-century viewer and putting them in that time period, you're going to hear some things that are going to be ugly, and you're going see some things that are going be ugly. That's just part and parcel of dealing truthfully with this story, with this environment, with this land.
    Personally, I find [the criticism] ridiculous. Because it would be one thing if people are out there saying, "You use it much more excessively in this movie than it was used in 1858 in Mississippi." Well, nobody's saying that. And if you're not saying that, you're simply saying I should be lying. I should be watering it down. I should be making it more easy to digest.
    No, I don't want it to be easy to digest. I want it to be a big, gigantic boulder, a jagged pill and you have no water.


    Auch "Nigger Jim" in "Onkel Tom's Hütte" ist eine historische Gestalt und sein Name verdeutlicht die Verachtung, die damals Farbigen entgegen gebracht wurde.
    Es ist nicht tolerierbar, heute einen Farbigen auf der Straße so anzusprechen oder zu bezeichnen - aber zur Wiedergabe und Verdeutlichung einer historischen Situation in der Literatur oder im Film unumgänglich. Bevor jemand im Film das Zählen beginnt: Das N*Wort fällt - laut Google - 110 mal.


    Anders herum:
    Worte und ihre Bedeutungen verändern sich. Und das sollte man den Schülern auch beibringen (und selbst im Hinterkopf behalten). Wer von euch zitiert heutzutage noch die Eltern zu sich, falls ein Schüler im Aufsatz das Wörtchen "geil" verwendet :grins:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat SteffdA :

    Zitat

    Also in einer Art von vorauseilendem Gehorsam den Politcal-Correctness-Spinnern (sorry, ich hab' grad ' 'n Hals und mir fällt da gerade auch kein besserer Begriff ein) die Deutungshoheit überlassen und die bestimmen lassen was wir wie zu sagen und zu denken haben?!?!

    Erinnert mich von der Rigidität und Methode her an Orwells 1984 ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zum Jim Knopf: Michael Ende höchstselbst hat die Abänderung von China in Mandala veranlasst. Er wurde damals von den 68ern heftig kritisiert, wegen des falschen Chinabildes, das er mit seinem Werk verbreite.....


    Ich finde es unmöglich, dass man sich da so einfach dran vergreift. Sprachliche Modernisierung (z.B. das Mädchen in Rotkäppchen) ist etwas anderes als eine inhaltliche Änderung (auch wenn es um die Faschingstradition geht und nicht direkt um die Negerlein, ist es doch eine inhaltliche Änderung, wenn sich die Kinder plötzlich als Cowboy verkleiden....). Kein Mensch würde je darauf kommen, Werke von Shakespeare politisch korrekt abzuändern. Das zeigt doch eigentlich, dass Kinderliteratur eben nicht als "richtige" Literatur gilt - nach dem Motto, mit der kann mans ja machen. Hanni und Nanni und Dolly mussten darunter extrem leiden (mehr als die Hälfte der jeweiligen Werke sind noch nicht mal von Enid Blyton und die, die es sind, sind eher nacherzählt als übersetzt).

  • Passend hierzu:


    http://www.focus.de/kultur/bue…pft-wurde_aid_900532.html


    Der genannte "Shitstorm" bgzl. 'Der schwarze Hund' muss wohl auch nicht weiter kommentiert werden. Diejenigen, die Herrn Hacke beschimpfen, haben das Buch nicht mal gelesen. Wundert mich persönlich auch nicht; seit wann muss man es irgendwie belegen, wenn man jemanden als "Rassisten" beschimpft?


    Die Allegorei auf '1984' ist vollauf berechtigt! Ich persönlich frage mich auch, wie ich es geschafft habe, kein militanter Neonazi zu werden...mir wurden ja als Kind sogar noch die "10 kleinen Negerlein" vorgesungen.


    (Nebenbei, wie man aus der bloßen Feststellung, dass jemand eine andere Hautfarbe hat, eine Diskriminierung ableiten kann ist mir auch schleierhaft...vllt glaube ich ja zuviel an das Gute im Menschen.)

    Mit meinem Verhältnis zur Realität ist alles in Ordnung. Ich lasse es alle 14 Tage vorschriftsgemäß warten.

  • Getreu dem Motto "Herr, lass die Heiligen und Politisch-Korinthen-Korrekten im Himmel ! Auf der Erde nehmen sie einem die Luft zum atmen und machen uns das
    Leben zur Hölle !" habe ich mir gerade den Struwelpeter als E-Book heruntergeladen und genieße ihn gerade und hätte auch als Vater keine Probleme damit, es meinem Kind lesen und betrachten zu lassen. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zum Glück hat die Zeit mit einem klugen Artikel nachgelegt. Darin heißt es unter anderem


    Nicht Lindgren war rassistisch, sondern die Welt, in der sie lebte. Sie wusste es nur nicht. Man hat so gesprochen, weil es damals normal war, normaler jedenfalls als heute, Menschen anderer Herkunft abzuwerten.


    Warum fällt es so schwer, das zu benennen? Weil es heute nicht mehr nötig ist? Weil es nervt?


    Es ist nötig. Und ja, es nervt. Vor allem jene, die davon betroffen sind.


    Es nervt, wenn weiße Menschen dunkelhäutigen Menschen erzählen wollen, wann sie sich verletzt fühlen dürfen und wann sie es mit der Correctness und »Empfindlichkeit« übertreiben. Es nervt, dass die Mehrheit definieren will, was »wirklicher« Rassismus ist und welcher unschuldig oder der jeweiligen Zeit geschuldet.


    Von ähnlicher Ignoranz ist auch manch Stammtischdebatte rund um den Fall Brüderle geprägt. Weil, Frauen sind ja auch so schrecklich empfindlich.

  • Was ist denn daran so schlimm, einen Türken als solchen zu benennen? Ich ahbe die entsprechende Textstelle gerade nicht vor Augen, weiß also nicht, ob da inhaltlich eine Diskriminierung mit verbunden ist.


    Eben hier sagst du es: Du hast die Textstelle nicht vor Augen, ich hingegen schon.


    Man muss dies alles aus dem Kontext heraus beurteilen. Das Buch spielt in einer undefinierten früheren Zeit. Entstanden ist "die kleine Hexe" 1957.
    In der Textstelle geht es darum, dass sich Kinder völlig unbedarft verkleiden und feiern. Die "exorbitanten" Kostüme werden vom Autor hervorgehoben.
    Heute würde vielleicht ein Ingo Siegner schreiben, beim Fest wären Stars-Wars-Warriors, SpongeBobs und Pokemons dabei gewesen.


    Preußlers Intention war es, etwas "Ungewöhnliches", "Spannendes" und "Aufregendes" stattfinden zu lassen. Und dazu zählten damals nunmal die Begrifflichkeiten "Neger, Türken und Chinesen(mädchen)", die zu der damaligen Zeit etwas Außergewöhnliches darstellten, ähnlich wie es wohl heute StarWars und Co. wäre. - Besondere Kostümideen halt zwecks Aufbaus des Spannungsbogens.


    Vor diesem Hintergrund ist es schon schwierig, Kindern heute unreflektiert vorzulesen.
    Hier sollte schon eine Erklärung erfolgen (welche sich mit etwas pädagogischem Geschick leicht einfließen lässt, ohne die Spannung zu mindern).



    Edit:

    Zitat

    Wo bitte ist das Problem? Ja, ich benutze ganz unbedarft im täglichen Sprachgebrauch Begriffe wie "Deutscher", "Russe", Franzose", "Pole" usw. genau so, wie auch "Türke" und "Chinese" und gerate dabei nicht ins Straucheln. Auch mit dem "Neger" hätte ich da kein Problem, die Bedeutung und Herkunft dieses Begriffes kann man im Unterricht klären.


    SteffdA: Bitte siehe den literarischen Kontext (s. o.)!

    Carpe noctem!

    Einmal editiert, zuletzt von Lea ()

  • Preußlers Intention war es, etwas "Ungewöhnliches", "Spannendes" und "Aufregendes" stattfinden zu lassen. Und dazu zählten damals nunmal die Begrifflichkeiten "Neger, Türken und Chinesen(mädchen)", die zu der damaligen Zeit etwas Außergewöhnliches darstellten, ähnlich wie es wohl heute StarWars und Co. wäre. - Besondere Kostümideen halt zwecks Aufbaus des Spannungsbogens.


    Und genau so kommt es bei den Kindern dann auch an. Preußler hat sein Handwerk durchaus verstanden.
    In meinen Augen sind es weniger die Begrifflichkeiten, die für Spannung und Außergewöhnliches sorgten, sondern die mitschwingende Exotik fremder Länder, die damals erst ganz allmählich in das Blickfeld einer breiten Bevölkerungsmasse traten. Verbunden mit einer gewissen Senhsucht nach eben diesem Exotischen. Wer konmnte schon so wet verreisen?


    Ich frage mich, ob Kinder diese Textstelle jemals als Diskriminierung verstanden haben. Wenn jemand im Fasching als Bayer geht oder als Holländer mit Holzklompjes an den Füßen und einer Tracht mit Haube, begeht er dann auch Diskriminierung? Oder ist es das Schriftliche?


    Dass man mit Kindern über bestimmte Begriffe in literarischen Texten sprechen muss, ist mir natürlich auch bewusst. Allerdings wäre mir das Preußler-Beispiel als Mutter keiner großen Thematisierung würdig, in der Grundschule würde ich die Kinder erzählen lassen, wie sie sich denn gerne verkleiden würden.
    Ein Umschreiben des Textes halte ich jedoch für falsch.

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