Fächerliebe- wie groß muss sie sein?

  • Ich habe mich im Studium konsequent um Shakespeare gedrückt. "Lieben" gelernt habe ich ihn erst bei der Beschäftigung mit ihm im Unterricht - und das merkten dann auch meine SchülerInnen.

    Ist bei mir ähnlich mit E-technik: Mess- und Schaltungstechnik. War nie meines, seit ich da regelmäßig mit Multisim arbeite und sehe wie einfach und logisch alles ist (an der Uni war alles so abstrakt), macht mir das immer mehr Spaß. Ich würde Elektrotechnik nicht noch einmal studieren, aber habe auch da viele Bereiche, die mir viel Spaß machen und dann kann ich auch mit den Teilen klar kommen, die ich eher nicht so mag. Immer mit dem Wissen, die nächste Unterrichtseinheit ist toll.

  • Wenn ich, auch hier im Forum, lese, dass Lehrer ihre Fächer nach solchen Kriterien wie "Wo habe ich wenig Vorbereitung", "Wo muss ich wenig korrigieren", "Mit welchem Fach bekomme ich besonders gute Anstellungen" usw. wählen, dann bin ich, ganz nett gesagt, entsetzt.

    Kann ich verstehen. Ich bin sehr froh, dass bei meinen Fächern alles sehr gut zusammenpasst und ich nicht vor der Entscheidung stand, ob mir "wenig Korrekturen", "Leidenschaft" oder "gute Chancen auf eine Planstelle" wichtiger sind.

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




    • Offizieller Beitrag

    Ich liebe mein Fach Latein sehr. Ich liebe überhaupt Sprachen.

    Und wenn gegen Ende der Ferien mir jemand berichtet, er habe festgestellt, dass... und ich mich ertappe, den Satz automatisch ins Lateinische übersetzt zu haben...nun, dann nehme ich das als Zeichen dafür, dass Schule wieder anfangen darf ;)

    Offenbar merken meine Schüler, dass ich dieses Fach sehr verinnerlicht habe. So nannten Abiturienten mich sogar "Muttersprachlerin":lach:


    Aber: das geht mir mit anderen Sprachen auch. Und: ich brenne nicht dafür. Ich kann auch gut ohne.

    Ich habe Hobbies und andere Interessen. Ich lebe nicht (nur) für die Schule, ich kann auch gut ohne. Ich langweile mich nie.


    Den Schülern einen guten Eindruck von meinem Fach zu vermitteln, ist mir wichtig. Und in vielen Fällen scheint mir das zu gelingen. Was will man mehr:klatsch:

  • Ich finde man muss das "Brennen" für das eigene Fach losgelöst betrachten vom Brennen für die Schule. Letzteres ist absolut ungesund und nicht zu empfehlen. Unterrichten ist ein bezahlter Job, den man gerne und auch gut machen sollte, aber das war es auch. Allerdings (und so war es bei mir) wählt man seine Fächer unter anderem auch nach Interesse. Ich beschäftige mich privat wahnsinnig gerne mit Literatur, Kultur, Sprachen und vor allem philosophischen Fragen. Daher habe ich auch Anglistik und Philosophie studiert. Ich würde also schon sagen, dass ich meine Fächer leidenschaftlich gerne studiert habe und mich auch heute noch in meiner Freizeit mit ihnen (hobbymäßig) beschäftige und zwar völlig unabhängig von Schule. Wenn ich also den neuen Booker Preisträger lese (britischer Literaturpreis), dann mache ich das freiwillig und genieße es auch. Natürlich kann es passieren, dass ich dabei über etwas stolpere, was ich dann später im Unterricht verwende, aber ich suche nicht aktiv danach und daher "stresst" es mich auch nicht.

    Dass ich für meine Fächer brenne, hilft mir dabei, sie gut und glaubhaft im Unterricht rüberzubringen. Für die Schule selbst brenne ich allerdings nicht.

  • Ich fand mal sehr nett, dass eine Schülerin sagte, bei mir merke man, dass ich Spaß am Vermitteln meines Faches habe, im Geg. zu anderen LuL (was eigentlich auch wieder traurig ist). Das war das Fach Englisch und sogar obwohl sie ziemlich schlecht darin war 😬

    Für Französisch „brenne“ ich etwas weniger, weil es leider viele gibt, die das Fach nicht mögen, sich mit der Grammatik (Konjugation und Zeiten) sehr schwer tun, weshalb es schwerer ist, die SuS dafür zu begeistern…

  • Ich denke mit Schrecken an meine Schulzeit an Fächer zurück, für die ich mich nicht interessiert hatte, und mit welcher Qual dann das Lernen für diese Fächer für mich verbunden war. Während ich in interessanten Fächern kaum etwas lernen musste. Mein großes Interesse im Sinne von "Brennen" war die Biologie und ich finde den Gedanken schrecklich, den Stoff für ein Staatsexamen zu lernen, wenn ich mich nicht dafür interessiere. Für mein zweites Fach Chemie war das Interesse auch da, aber nicht so groß wie für die Biologie, wo ich vor dem Staatsexamen erst noch das Diplom gemacht hatte. Entsprechend größer ist auch mein wissenschaftlicher Hintergrund in der Biologie. Jedoch unterrichte ich auch Chemie sehr gerne, wobei ich die Schulchemie als sehr einfach empfinde und gefühlt einen größeren Vorsprung vor den Schülern habe als in Biologie. Liegt wohl daran, dass Chemie weniger im Alltagsleben der Schüler auftaucht als Biologie (eigener Körper, Krankheiten, Tiere etc.). Aber in der Biologie bin ich auch jetzt noch mehr bei der aktuellen Forschung dran als in der Chemie, lese eher Bücher und Fachartikel zu biologischen Themen, was mir im Oberstufenunterricht zugute kommt. Ob die Schüler das bemerken, denke ich nicht. Die wenigsten erleben mich in beiden Fächern und haben einen Vergleich.

    Es ist ja bei den Fächern nicht alleine mit Unterrichten getan. Man benötigt immer wieder neues Hintergrundwissen, wird zu Themen geffragt, die über den Lehrstoff hinausgehen, bildet sich weiter, diskutiert mit Kollegen und anderen. Das stelle ich mir schwer vor, wenn man kein oder kaum Interesse am Fach hat.


    Sarek

  • Die wenigsten erleben mich in beiden Fächern und haben einen Vergleich.

    Die Erfahrung mache ich gerade in zwei Klassen. Sehr spannend. :) Im Grunde finde ich die Physik ja wirklich spannender als die Chemie aber letzteres habe ich halt studiert und weiss entsprechend viel mehr im Fach. Promoviert bin ich in der Physikalischen Chemie, habe aber an einer Uni studiert, an der die Organische Chemie sehr gross ist. An der Schule bin ich die einzige in der Fachschaft, die sich im Fortgeschrittenen-Praktikum mit den Jugendlichen an ernsthafte Synthesen ran traut. Das finde ich irgendwie immer wieder witzig, weil es ja eigentlich gar nicht mein Bereich ist. Die Jugendlichen finden genau das aber effektiv am tollsten, das fühlt sich für sie immer so "echt" an, wenn man selber einen neuen Stoff herstellt. Ich glaube, ich habe eine gewisse romantische Beziehung zur Chemie überhaupt erst an der Schule für mich entdeckt :D


    (Was ich aber einfach echt noch viel toller finde: Bei meinen FMSis habe ich jetzt zwei angefixt mit selber Bier brauen bzw. Kosmetik herstellen. Ich bin in den letzten 2 - 3 Jahren fürchte ich ein bisschen "Mutti" geworden, ich finde diese jungen Menschen soooo herzig.)

  • Antimon, so erging es mir mit dem Fach Chemie in der Schule. Es macht Spaß, die Schüler mit Experimenten zu verblüffen und ein wenig den mad scientist :sterne:heraushängen zu lassen. Oder einen Bezug zum Alltag der Schüler herzustellen, der ihnen selbst gar nicht bewusst ist. Und auch etwas Stolz, dass ich ein Fach studiert habe und unterricht, wo so viele Leute sagen, dass es ja sooo schwer wäre und sie das in der Schule nie kapiert hätten. (Letzteres kann ich nichtganz nachvollziehen, da es so schön logisch ist, wenn man die Regeln beherrscht. Aber daran scheint es zu scheitern bzw. viele erkennen in Chemie nicht die Bedeutung des Vorwissens.)


    Sarek

  • Ich finde den Begriff "brennen" schwierig, weil er für mich so einen extremistischen Touch hat und das ist nie gut.


    Ich glaube allerdings, dass man ein deutliches Interesse an seinen Fächern haben muss.

    Das ist eng verknüpft mit Authentizität und der Fähigkeit Schüler für das Fach zu begeistern. Schüler sind Spezialisten darin, sofort zu erkennen, wenn da etwas nicht stimmt.

    Darüber hinaus legt das Interesse am eigenen Fach einen guten Grundstein dafür, dass man sein Wissen auch aktualisiert und den Schülern Verknüpfungen über den engen Lehrplan hinaus aufzeigen kann.

    Schlußendlich trägt einen das Interesse auch durch so manche Enttäuschung, mit der man im Berufsalltag umgehen muss.

  • Moin,

    Finde es sehr interessant, dass es so verschiedene Meinungen zum Thema gibt.

    Meiner Meinung nach sollte man schon Interesse an seinen Fächern haben. Ich höre immer wieder zb von Kollegen, dass das Mathe und Physik Studium so schwer sein soll. Finde es eigentlich sehr angenehm. Dagegen fände ich ein Germanistikstudium unheimlich schwer, weil ich mich einfach nicht so für Germanistik interessiere.

    Ich denke auch nicht, dass ich zb Deutsch so gut rüber bringen könnte wie Mathe und Physik, da Schüler mir dort wahrscheinlich keine Begeisterung abnehmen würden. Dementsprechend würde ich nicht sagen, dass du für deine Fächer “brennen” musst, sondern einfach interessiert sein solltest ☺️

  • Das klingt alles so, gäbe es bei euch gar kein "fachfremdes" Unterrichten. Ich unterrichte aktuell keines meiner studierten Fächer, sondern nur andere.

    Klar, das kann auch funktionieren, mir würde aber kein Fach (außer Sport) so viel Spaß machen wie meine Studierten und dann könnte ich meine Schüler nicht so für meine Fächer begeistern wie wenn ich selbst mit Überzeugung hinter den Inhalten stehe

  • Ich bin im Grunde in der Physik schon "fachfremd" obwohl ich ein Lehrdiplom dafür habe. Ansonsten gibt es das nicht bei uns und an meiner Schulform. Selbst für so spezielle Fächer wie Psychologie oder Hauswirtschaft (wird an der FMS im Wahlpflichtbereich unterrichtet) haben wir im Fachbereich ausgebildet Lehrpersonen. Bei den Sek-I-ern kommt das aber wohl öfter vor, dass eine NaWi-Lehrperson dann halt auch noch Mathe mit macht, z. B.

    Einmal editiert, zuletzt von Antimon ()

  • Das klingt alles so, gäbe es bei euch gar kein "fachfremdes" Unterrichten.

    Es hat vielleicht eher etwas mit Begeisterung zu tun für die Inhalte, die man unterrichtet.

    Das ist doch auch im fachfremden Unterricht so, wobei es Lehrkräfte zu geben scheint, die sich lediglich für 2-3 Fächer interessieren, und andere, die viel breiter aufgestellt sind.


    Meiner Meinung nach ist die Begeisterung durchaus wichtig.

    Aber ich frage mich auch, ob diejenigen, die sich für ein bestimmtes Fach begeistern, in die hineinversetzen, die diese Begeisterung nicht teilen und denen sich ein Fach erheblich schwerer erschließt.

    Was hilft es, wenn die Lehrkraft selbstverliebt in das Fach ist, die Inhalte aber nicht niederschwellig vermitteln kann.


    Andererseits braucht es die fachliche Expertise, um sich gut auszukennen und Reduktionen oder Exkurse zügig umsetzen zu können und im pädagogischen Handeln ein gutes Fundament zu haben.

  • Andererseits braucht es die fachliche Expertise, um sich gut auszukennen und Reduktionen oder Exkurse zügig umsetzen zu können und im pädagogischen Handeln ein gutes Fundament zu haben.

    Ist es nicht gerade dann schwieriger, angemessen zu reduzieren, wenn man die ganze Breite (und bis zu einem gewissen Grad auch Tiefe) des Faches kennt?

  • st es nicht gerade dann schwieriger, angemessen zu reduzieren, wenn man die ganze Breite (und bis zu einem gewissen Grad auch Tiefe) des Faches kennt?

    Denen, die das nicht kennen, fällt es sicher leichter, irgendetwas wegzulassen,

    aber eine fachlich versiert didaktische Reduktion benötigt gute Kenntnisse des Faches weit über die klassenbezogenen Inhalte hinaus.

  • Ui, jetzt wird aber ordentlich der Klischeeteppich breit getreten. Ich bin auch als Frau Dr. rer. nat. ausgesprochen kompatibel mit unseren Spanisten und Zeichnern. Ich werde fürs Unterrichten bezahlt, das ist mein Job. Ich habe mich bewusst gegen Forschung und Industrie entschieden. Meiner leidlichen Erfahrung nach, finden


    Ist es nicht gerade dann schwieriger, angemessen zu reduzieren, wenn man die ganze Breite (und bis zu einem gewissen Grad auch Tiefe) des Faches kennt?

    das eigentlich nur Leute, die in Wahrheit selbst Defizite haben. Um sich nebendran aufzublasen mit "ich kann's viel toller als du, weil ich weniger weiss". Nein, kannste nicht.

  • Das klingt alles so, gäbe es bei euch gar kein "fachfremdes" Unterrichten. (...)

    Tesla ist selbst noch Studierende:r. :)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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