Anrede im Ref wenn nicht Herr/Frau

  • Hallo liebe Forumscommunity :gruss:


    ich bin noch im Studium, aber das Ende rückt näher und damit auch das Ref. Langsam mach ich mir vermehrt Sorgen, wie ich da durch kommen soll...


    Ich bin divers, also weder männlich noch weiblich. In der Uni werde ich problemlos einfach mit Vornamen angesprochen (das ist bei uns aber ohnehin üblich) oder wenn es mal formeller sein muss mit Vorname+Nachname. In meinem Praktikum war das dagegen schwieriger, da die Schulleitung auf Herr oder Frau bestand (ich sollte mir selbst aussuchen, was besser passt...). Nun passt davon aber beides nicht und ich habe es schließlich die paar Wochen erduldet, aber einfach war das nicht. Für das Referendariat kommt das nicht in Frage, das würde ich nicht aushalten und es würde mich kaputt machen.


    Ich kenne leider keine anderen diversen oder inter Lehrkräfte bei denen ich um Rat fragen könnte bzw. bei denen ich mich erkundigen könnte, wie die das handhaben. Ich vermute auch, dass es hier im Forum niemanden gibt, der aus erster Hand berichten kann, aber da für alle hier der Schulalltag ja viel näher ist als für mich wollte ich zumindest fragen, welche Möglichkeiten ihr seht bezüglich der Anrede?


    Vielen lieben Dank schon mal für die Mühen.

  • Ich bin von der Thematik nicht betroffen und bin auch nicht übermäßig eingearbeitet, aber eine Frage drängt sich mir doch direkt auf:

    Ich nehme an, dass du dir deiner Geschlechteridentität schon eine Weile bewusst bist. Und wenn du bereits am Ende des Studiums stehst, bist du ja offenbar deutlich im Erwachsenenalter. Da ist dir doch sicherlich diese Problematik auch im Alltag schon begegnet, also, dass Mitmenschen, die dich nicht kennen, dich automatisch mit Herr oder Frau ansprechen. Und auch wenn man das in Kontexten, die zeitlich nur kurz andauernd vielleicht einfach aushält, macht man sich in diesem Zusammenhang nicht Gedanken, welche alternative Anrede man sich wünschen würde und sich vorstellen könnte?

    Ich würde ganz offensiv bei Kolleg*innen, Schulleitung und Seminar darum bitten, mit dieser Anrede angesprochen zu werden.

    Bezüglich Schüler*innen ist es sicherlich zusätzlich noch die Frage, ob man sich in einer Weise offenbaren möchte, die einfach zum jetzigen gesamtgesellschaftlichen Stand des Genderdiskurses leider immer noch eine "Angriffsfläche" darstellt, wesegen sich auch einige schwule Kollegen zumindest nicht aktiv outen. Wenn du andererseit unter der falschen Anrede derart leidest, stellt sich die Frage des "Wollens" vielleicht auch gar nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Gibt es eigentlich eine "3. Anrede"?


    Ich würde für mich persönlich einfach die Anrede zulassen, die der Optik mehr entspricht (ist einfacher, es sei denn, du findest die andere Anrede passender. Aber beide Anreden (Herr und Frau) sind ja für dich nur ein Kompromiss) und nicht weiter drüber nachdenken (solange es keine andere Anrede gibt).


    Grüße,


    kl. gr. frosch


    P.S.: Mich rufen die Kinder ab und zu bei meinem Spitznamen. (Nein, nicht "Frosch") Ohne "Herr". Aber ich nehme an, dass das auch keine Option ist.

  • Ich halte es für sehr mutig, sich in dieser Weise zu outen und wünsche dir viel Kraft für deinen Weg. Ich glaube generell, dass es wichtig ist sich Mistreiter:innen zu suchen, um sich austauschen zu können und ggf. nicht jeden Kampf alleine durchstehen zu müssen. Ich möchte dir also zum einen empfehlen, dich in der Frage der Anrede in förmlicheren Kontexten mit entsprechenden Vereinen aus dem LGBTQI- Bereich auszutauschen. Auch wenn dort am Ende keine (angehenden) Lehrkräfte zu finden wären, betreffen solche förmlicheren Kontexte ja auch andere diverse Menschen.

    Darüber hinaus solltest du dich spätestens mit Beginn des Refs über eine Gewerkschaftsmitgliedschaft bzw. den Kontakt zum und Austausch mit dem PR entsprechend vernetzen, damit du angesichts deines persönlichen Leidensdrucks auch Schulleitungen gegenüber nicht alleine dastehst im Zweifelsfall, sondern starke Unterstützer:innen an deiner Seite weißt.


    Welche Anrede würdest du dir den wünschen, wenn der Vorname alleine nicht möglich ist? Wäre ggf. Vorname + Nachname und Siezen ohne weitere Anrede eine gute Lösung für dich, nachdem es das bereits im Studium gegeben hat?


    Ganz unabhängig davon: Mach dir, ehe du ins Ref gehst, bitte bewusst, dass du einerseits in jedem Schuljahr, jeder Klasse und allen KuK (von denen manche jedes Schuljahr aufs Neue daran erinnert werden müssen...) gegenüber Gespräche wirst führen müssen, die von dir gewünschte Anrede betreffend. Sei dir darüber im Klaren, dass Eltern dich am Ende dennoch vermutlich häufig je nach Vorname/ äußerem Erscheinungsbild mit "Herr" oder "Frau" ansprechen werden und finde für dich gute, konstruktive, situativ angemessene Wege, solche Situationen zu lösen. Ich weiß, dass ist hart und wird dich viel Kraft kosten. Deshalb ist es wichtig, das bereits jetzt innerlich vorzubereiten und gute Strategien zu entwickeln zur rhetorischen Umsetzung, zum gewünschten Inhalt, aber auch zur eigenen, psychischen Stabilisierung, damit der Leidensdruck möglichst abnehmen kann, auch wenn mal wieder jemand eine unerwünschte Anrede wählt und du dich erklären musstest.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich glaube am wichtigsten ist wirklich, dass es eine konkrete alternative Anrede gibt, die man irgendwie als Variante zu Frau und Mann verwenden kann.

    Du wirst darüber Gespräche führen müssen, am allerwichtigsten finde ich das mit den Schülern. Alles was "fremd" ist gibt Redebedarf, je offener du dich dabei zeigen kannst, desto einfacher für alle. Schulleitung und Eltern haben dich zu akzeptieren wie du bist. Je selbstbewusster du da auftrittst umso besser für alle Seiten. In die Richtung würde ich überhaupt keine großartigen Gespräche zulassen.


    Ich war bisher an jeder Schule geoutet, ich hatte super spannende Gespräche darüber mit Schülern und Diversität kommt nur in den Köpfen an, wenn sie irgendwie sichtbar wird.

    Aber... Man muss das wollen. Ich verstehe jeden Kollegen*in, der/die das nicht für sich möchte. Obwohl ich auch das bedauerlich finde im Jahr 2022...


    Was ich damit sagen will: Zu einem gewissen Grad muss man sich sicher darauf gefasst machen Gespräche zu führen. Fühle ich mich genötigt mich zu rechtfertigen, hört der Spaß auf, dann beende ich das Gespräch (auch mit Schulleitung und auch mit Eltern).

  • Vielen Dank für eure ganzen Antworten!


    Erst einmal muss ich aber wohl etwas klarstellen, das ich zuvor nicht deutlich genug gemacht habe: ich bin biologisch weder Mann noch Frau. Auf die genauen Einzelheiten mag ich nicht eingehen, aber am ehesten lässt sich dies wohl als cis-divers beschreiben (ohne damit trans-diverse Menschen irgendetwas absprechen zu wollen). Meine Geburtsurkunde weist den entsprechenden Geschlechtseintrag auf.

    Ich nehme an, dass du dir deiner Geschlechteridentität schon eine Weile bewusst bist. Und wenn du bereits am Ende des Studiums stehst, bist du ja offenbar deutlich im Erwachsenenalter. Da ist dir doch sicherlich diese Problematik auch im Alltag schon begegnet, also, dass Mitmenschen, die dich nicht kennen, dich automatisch mit Herr oder Frau ansprechen. Und auch wenn man das in Kontexten, die zeitlich nur kurz andauernd vielleicht einfach aushält, macht man sich in diesem Zusammenhang nicht Gedanken, welche alternative Anrede man sich wünschen würde und sich vorstellen könnte?

    Ich würde ganz offensiv bei Kolleg*innen, Schulleitung und Seminar darum bitten, mit dieser Anrede angesprochen zu werden.

    Bezüglich Schüler*innen ist es sicherlich zusätzlich noch die Frage, ob man sich in einer Weise offenbaren möchte, die einfach zum jetzigen gesamtgesellschaftlichen Stand des Genderdiskurses leider immer noch eine "Angriffsfläche" darstellt, wesegen sich auch einige schwule Kollegen zumindest nicht aktiv outen. Wenn du andererseit unter der falschen Anrede derart leidest, stellt sich die Frage des "Wollens" vielleicht auch gar nicht.

    Das passiert tatsächlich erstaunlich selten. Wer mich anspricht, kennt ja meinen Namen und Anreden einfach nur mit Herr oder Frau ohne Namen kommen so gut wie nie vor. Ich habe hier tatsächlich überhaupt keine Erfahrungen bisher gemacht. Das einzige, was ab und an vorkommt, sich aber auch langsam legt, sind Online-Formulare (am besten sind die mit Herr, Frau und Doktor...), wo gar kein diverser oder offener Geschlechtseintrag gewählt werden kann, aber etwas angegeben werden muss.

    Es kommt natürlich vor, zum Beispiel bei Anwesenheitslisten am Anfang des Semesters und neuen Dozenten, dass die meinen Vor- und Nachnamen haben und dann Herr oder Frau verwenden, aber in der Regel gehe ich da schon proaktiv auf die Leute zu und mittlerweile bin ich auch an den Instituten bekannt genug, dass sich das im Grunde ausgewachsen hat. Ich nehme es auch niemandem übel, wenn er sich da vertut oder erstmal Schwierigkeiten hat.

    Das habe ich vor, allerdings ist es natürlich im Ref und in anderen Pflichträumen schwierig, wenn man kein Gehör findet.

    Was das Outing angeht: ich bin in keiner Position, mich nicht outen zu können. Ich falle optisch auf.

    Gibt es eigentlich eine "3. Anrede"?


    Ich würde für mich persönlich einfach die Anrede zulassen, die der Optik mehr entspricht (ist einfacher, es sei denn, du findest die andere Anrede passender. Aber beide Anreden (Herr und Frau) sind ja für dich nur ein Kompromiss) und nicht weiter drüber nachdenken (solange es keine andere Anrede gibt).

    Es gibt die Anrede Enby (wie auch *Jazzy* sagte), aber ich kenne niemanden der die verwendet. Das wäre für mich allerdings tatsächlich eine Lösung.

  • Wie ist denn dein Vorname? Eher männlich, weiblich oder neutral. Du sollst ihn natürlich hier nicht nennen, aber wie kommst du denn damit klar? Deutet der auf ein Geschlecht hin? Ansonsten, schwierig. Ich finde es richtig, zu seiner Diversität zu stehen, gerade auch für die Schüler, für die seltenen, auf die es evtl. auch zutrifft und für die anderen genauso. Es ist an der Zeit, dass man nicht mehr Angst haben muss, zu seiner Persönlichkeit zu stehen. Wenn es diese Anrede "Enby" gibt, die ich noch nie gehört habe, ist es vllt. auch an der Zeit, dass man diese kennen lernt. Ich würde mich jedenfalls nicht gerne mein Arbeitsleben lang mit Herr ansprechen lassen, ich bin das ja gar nicht.

  • Ich sehe gerade, dein Nick ist Enbidium, du kannst also was damit anfangen. Es ist wie bei allem, was etwas anders ist in der Schulgemeinde. Anfangs wundern sich alle und bald ist es "normal." Es kommt auf dich und deine Lehrer/Innenpersönlichkeit an. Ich hasse zwar dieses Wort, aber es fällt mir nix anderes ein.

    • Offizieller Beitrag

    Es gibt die Anrede Enby ... Das wäre für mich allerdings tatsächlich eine Lösung.

    Okay, wenn es die gibt:

    Du: "Hallo ich bin Enby xyz."

    Schüler: "Enby? Ist das ihr Vorname?"

    Du: "Nein, das ist eine Anrede, die man nutzt, wenn 'Herr' oder 'Frau' nicht passen. ..."


    Sicherlich wird es Rückfragen geben. Ich bin mir auch sicher, dass es ab und zu unnötigerweise doofe Reaktionen gibt (Jugendliche sind halt manchmal so, Erwachsene aber auch).


    Was du machen kannst, wenn der/die Vorgesetzte das nicht möchte - da habe ich ehrlich keine Ahnung.

  • Okay, wenn es die gibt:

    Du: "Hallo ich bin Enby xyz."

    Schüler: "Enby? Ist das ihr Vorname?"

    Du: "Nein, das ist eine Anrede, die man nutzt, wenn 'Herr' oder 'Frau' nicht passen. ..."


    Was das Outing angeht: ich bin in keiner Position, mich nicht outen zu können. Ich falle optisch auf.

    Genauso, Frosch. Enbidium outet sich sowieso und klärt in dem Zusammenhang gleich die Ansprache.

  • Morgen!

    Ich dachte, die Anrede ist Enby.

    LG

    Enby kannte ich bisher nur als Substantiv neben "Frau" und "Mann". Dass es auch als Anrede benutzt wird, wusste ich gar nicht. "Mx" als Anrede war mir ebenfalls nicht bekannt. Danke für diese Information undichbinweg !

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Erst einmal muss ich aber wohl etwas klarstellen, das ich zuvor nicht deutlich genug gemacht habe: ich bin biologisch weder Mann noch Frau. Auf die genauen Einzelheiten mag ich nicht eingehen, aber am ehesten lässt sich dies wohl als cis-divers beschreiben (ohne damit trans-diverse Menschen irgendetwas absprechen zu wollen).

    Ich hoffe, das klingt jetzt nicht komisch, aber diese genaue Differenzierung ist eigentlich gar nicht notwendig und vielleicht für den Alltag eher verwirrend als hilfreich. Wir rutschen langsam, ganz langsam, in ein gesellschaftliches Verständnis, dass es relevant ist, was eine Person für sich möchte und wie sie sich selbst sieht. Damit will ich sagen: Wenn du für dich die Anrede Mann/Frau ablehnst, ist es erstmal egal, ob du cis-divers oder trans-divers bist - für den Alltag. Dass eine genauere Beschäftigung mit Genderidentitäten, gerade mit non-binären Genderidentitäten uns allen gut anstehen würde, ist dabei eine andere Geschichte. Und sicherlich können Schüler*innen, egal ob sie von der Thematik persönlich betroffen sind oder nicht, nur davon profitieren, wenn dies an geeigneter Stelle thematisiert wird. Gleichzeitig halte ich es auch für eine gute Form der Repräsentation, wenn der Umgang damit eben so normal wie möglich ist. Will sagen, ganz naiv würde ich mir das eben so vorstellen, dass man in einer neuen Lerngruppe ganz knapp am Anfang erläutert, dass man divers ist und deswegen die Anrede xy wünscht. Und dann fängt man mit dem unterrichtlichen Alltagsgeschäft an. Wenn es Fragen gibt, kann man ja erläutern, dass man gerne zum geeignten Zeitpunkt ein Gespräch anbietet, aber eben nicht jetzt gerade. Also, soweit meine naive Vorstellung als nicht-Betroffener, aber vielleicht liege ich damit auch völlig daneben.

  • Es gibt Schulen, an denen die Lehrkräfte mit Vornamen angesprochen werden, aber die dürften sehr rar gesät sein.

    Das wäre für mich tatsächlich der Idealfall, aber das ist so selten, dass ich wohl kaum so viel Glück haben werde.


    Danke! Mit Mut hat das wenig zu tun, ich habe da einfach keine andere Wahl. Ich falle auf und so kann ich zumindest proaktiv wirken. Das ist meiner Erfahrung nach der deutlich angenehmere Weg als wenn andere sich alles über mich und meine Identität ausmalen. Daher ist auch die Tatsache, das ständig erklären zu müssen einfach ein mein Leben begleitendes Faktum, da komm ich einfach nicht drumherum. Das kann belastend und vor allem wegen der ständigen Wiederholung ermüdend sein, aber ich bin das gewohnt.

    Im LGBTQI-Bereich bin ich gut vernetzt, ich kenne allerdings keinen diversen Menschen, der als Lehrkraft oder generell im ÖD außerhalb der Universität tätig ist und Unis sind nun mal doch sehr angenehme Bubbles, aber anderswo ist es dann nicht immer ganz so leicht. Vielen Dank aber für den Hinweis auf die Gewerkschaft und den Personalrat (?). Das merke ich mir.


    Am liebsten wäre mir tatsächlich Vorname, ansonsten Vorname+Nachname. Enby (oder dergleichen) mit Nachname würde ich notfalls allerdings auch akzeptieren. Es steht aber weiter hinten, weil ich es tatsächlich als – und hier mangelt es mir an einem besseren Wort – stigmatisierender empfinde als die Vornamensnennung.

    Wie ist denn dein Vorname? Eher männlich, weiblich oder neutral. Du sollst ihn natürlich hier nicht nennen, aber wie kommst du denn damit klar? Deutet der auf ein Geschlecht hin? Ansonsten, schwierig. Ich finde es richtig, zu seiner Diversität zu stehen, gerade auch für die Schüler, für die seltenen, auf die es evtl. auch zutrifft und für die anderen genauso. Es ist an der Zeit, dass man nicht mehr Angst haben muss, zu seiner Persönlichkeit zu stehen. Wenn es diese Anrede "Enby" gibt, die ich noch nie gehört habe, ist es vllt. auch an der Zeit, dass man diese kennen lernt. Ich würde mich jedenfalls nicht gerne mein Arbeitsleben lang mit Herr ansprechen lassen, ich bin das ja gar nicht.

    Mein Vorname wird eher aber nicht ausschließlich weiblich gelesen. Ich verwende allerdings männliche Pronomen, was sich bei einer Vorstellung ja auch kurz erwähnen lässt, allerdings ist das tatsächlich nichts, wo ich großen Wert drauf lege.

    GB hat die Lösung: Mx.

    Das hilft mir leider nicht, wäre aber tatsächlich eine sehr elegante Lösung.


    Ich hoffe, das klingt jetzt nicht komisch, aber diese genaue Differenzierung ist eigentlich gar nicht notwendig und vielleicht für den Alltag eher verwirrend als hilfreich. Wir rutschen langsam, ganz langsam, in ein gesellschaftliches Verständnis, dass es relevant ist, was eine Person für sich möchte und wie sie sich selbst sieht. Damit will ich sagen: Wenn du für dich die Anrede Mann/Frau ablehnst, ist es erstmal egal, ob du cis-divers oder trans-divers bist - für den Alltag. Dass eine genauere Beschäftigung mit Genderidentitäten, gerade mit non-binären Genderidentitäten uns allen gut anstehen würde, ist dabei eine andere Geschichte. Und sicherlich können Schüler*innen, egal ob sie von der Thematik persönlich betroffen sind oder nicht, nur davon profitieren, wenn dies an geeigneter Stelle thematisiert wird. Gleichzeitig halte ich es auch für eine gute Form der Repräsentation, wenn der Umgang damit eben so normal wie möglich ist. Will sagen, ganz naiv würde ich mir das eben so vorstellen, dass man in einer neuen Lerngruppe ganz knapp am Anfang erläutert, dass man divers ist und deswegen die Anrede xy wünscht. Und dann fängt man mit dem unterrichtlichen Alltagsgeschäft an. Wenn es Fragen gibt, kann man ja erläutern, dass man gerne zum geeignten Zeitpunkt ein Gespräch anbietet, aber eben nicht jetzt gerade. Also, soweit meine naive Vorstellung als nicht-Betroffener, aber vielleicht liege ich damit auch völlig daneben.

    Nein, das klingt überhaupt nicht komisch. Wie gesagt, ich habe größtes Verständnis für trans-diverse (und auch alle anderen). Ich bin aber in einer anderen Position. Wenn ich sehe, was trans Menschen alles durchmachen müssen, dann will ich da echt nicht tauschen. Für mich war die rechtliche Angleichung meines Personenstandes ein einfacher Besuch beim Standesamt mit ärztlichem Attest, kein langwieriges, gerichtsbegleitetes Verfahren mit Gutachtern und dergleichen. Das was mir an Mut und dergleichen zugesprochen wird, verdiene ich daher nicht. Ich kriege gerade bei trans-diversen Menschen auch oft mit, wie deren Geschlechtsidentität als Marotte, Spielerei, Aufmerksamkeitshascherei abgetan wird, was verachtend und verletzend ist. Ich kann dagegen wie jeder Cis-Mann oder jede Cis-Frau einfach darauf beharren, das mein angeborenes Geschlecht respektiert wird. Ich empfinde das als großes Glück, will aber keinem trans Menschen seine Identität absprechen.

    Was du machen kannst, wenn der/die Vorgesetzte das nicht möchte - da habe ich ehrlich keine Ahnung.

    Das ist eben meine große Angst: das jede Lösung abgelehnt wird.

  • Es gibt Schulen, an denen die Lehrkräfte mit Vornamen angesprochen werden, aber die dürften sehr rar gesät sein.

    Das wäre für mich tatsächlich der Idealfall, aber das ist so selten, dass ich wohl kaum so viel Glück haben werde.

    Wie Du Dich ansprechen lässt, ist allein Deine Sache. Wenn Du im Unterricht mit Vornamen angesprochen werden möchtest, dann ist das doch völlig ok.

  • Also, hier erstmal in der Theorie:

    • Wenn du gut im LGBTQI-Bereich vernetzt bist, dann lässt sich doch sicher rausfinden, wie andere diverse Personen mit dem Problem der Anrede umgehen. Dass du im ÖD bzw. an einer Schule tätig bist, macht dabei ja erstmal keinen Unterschied.
    • Flupp hat natürlich völlig recht: Wie du dich ansprechen lässt, ist erstmal deine eigene Entscheidung und da kann auch eine Schulleitung nicht so ohne Weiteres eingreifen.

    Soweit die Theorie, hier die Einschränkungen durch die Praxis:

    • Kollegiale Absprachen zum Umgang mit den Schüler*innen, oft implizit und unausgesprochen, sind an den meisten Schulen üblich und prinzipiell durchaus sinnvoll. Dazu gehört bspw. eben, dass sich Kolleg*innen in der Regel nicht duzen lassen und sich nicht mit dem Vornamen anreden lassen. Evtl. auch ob man als Lehrkräft Schüler*innen in der Oberstufe siezt oder nicht. Aber es sind Absprachen, sie sind nicht bindend. Trotzdem würde der Kollege, der sich locker Chris nennen lässt zumindest schief angesehen und vermutlich mal zu einem Gespräch mit der Schulleitung bzgl. professionellen Lehrer-Schüler Verhältnis geladen. Ich glaube aber nicht, dass hier dienstrechlich einwandfrei eine bestimmte Anrede oder ein bestimmter Umgang vorgeschrieben werden kann.
    • Bei dir ist die Situation natürlich anders, da geht es ja nicht um ein ich-bin-so-cool-dass-mich-Schüler-beim-Vornamen-nennen-dürfen, sondern es ist ja eine Frage deiner Identität, die dich in deinen Überlegungen zu dem Konstrukt Vor- und Nachname als Notlösung treibt. Ich halte das vor dem Hintergrund des vorherigen Punktes im Kontext der Schule nicht unbedingt für die glücklichste Lösung, aber wenn es für dich gefühlt die beste Lösung ist, dann ist das so. Dann musst du entsprechende Gespräche führen und ggfs. auch einen breiten Rücken (und diensrechtlich versierte Unterstützung) haben, um das entsprechend durchzukämpfen.
    • Persönlich halte ich das Referendariat für die denkbar ungünstigste Situation, um so einen Kampf zu führen. Du bist angreifbarer als in anderen Rollen, du bist emotionaler belastet als sonst. Da würde ich mir vermutlich so einen Kampf nicht antun wollen. Da du aber schreibst, dass es für dich eine so enorme emotionale und mentale Belastung ist, mit der falschen Anrede angesprochen zu werden, hast du vielleicht auch einfach nicht die Wahl, diese Entscheidung so nüchtern zu treffen.

    In jedem Fall wünsche ich dir viel Glück und sehe mal wieder, wie viel mehr ich mich mit diesem Thema beschäftigen muss, vor allem, wenn du über die Unterschiede zwischen verschiedenen Identitäten sprichst. Und auch, weil ich ehrlich überascht bin, dass es keine etablierte Standardanrede für diverse Menschen gibt - und dass es mir noch nie aufgefallen ist.

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