Dauerkranke Schülerin

  • Hallo,

    ich habe folgendes Problem. Seit dem Halbjahr ist eine neue Schülerin bei mir in der Klasse, die seit 1,5 Jahren nicht mehr bewertet wurde, weil sie dauernd krank war. Sie hat Migräne, welche gefühlt durch alles ausgelöst wird: schlechte Luft, Lautstärke, zu kalt, zu warm, zu irgendwas.

    Sie wird dann blass und bekommt Kopfweh. Am Anfangs hatte sie nur Ibu dabei, weil die Triptane zu teuer waren. Mittlerweile hatte sie welche, aber die scheinen wieder leer zu sein.

    Ende vom Lied: sie fehlt seit Februar mittlerweile 70% der Zeit und auch ich komme mit dem Bewerten an meine Grenzen.

    Dienstag habe ich einen Termin mit der Mutter.

    Angeblich haben sie medizinisch und therapeutisch alles durchprobiert.

    Das Mädchen hat schon 2x wiederholt und sitzt jetzt mit 16,5 Jahren in meiner 7. Klasse.


    Was kann ich hier tun? Was kann ich raten?


    Sie ist eine liebe und sehr schüchterne Schülerin. Nicht auffällig oder problematisch, abgesehen von ihrer Krankheit.


    Vielleicht weiß einer Rat.

  • Warum scheitert die Versorgung mit funktionierenden (?) Medikamenten am Geld trotz Krankenversicherung? (Ich gehe davon aus, dass es eine solche gibt, wenn medizinisch und therapeutisch alles probiert wurde.) Schulsozialarbeit ist mit im Boot? Was sagt diese zu der Angelegenheit? Was möchte das Mädchen denn beruflich machen später, außer frühberentet in Armut zu leben bis sie stirbt? Weiß sie, dass ihr die Ausschulung ohne Schulabschluss droht, so dass sie höchstens als Helferin mal irgendwo schaffen kann- vorausgesetzt, sie schafft es regelmäßig ihrer Arbeit nachzukommen? Was sagt deine SL zu dem Fall? Hat die schulpsychologische Beratungsstelle einen Hinweis gehabt für dich/ die Familie? Wie ist dein Eindruck von der Mutter bzw. der Tochter? Wurde bereits alles ausprobiert? Sind beide interessiert an einer Lösung und dazu bereit sich dementsprechend einzusetzen? Was will die Tochter für sich?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    Frag nach, ob sie bereits beim Arzt/Neurologen waren. ("Medizinisch alles ausprobiert" kann leider auch heißen: Ibu, Paracetamol, freiverkäufliches Triptan, Magnesium, Homöopathie. Das ist nicht alles.)


    Triptane:

    Es gibt freiverkäufliche Triptane, die sind wirklich teuer, wenn man sie häufig benötigt.

    Es gibt verschreibungspflichtige Triptane und verschreibungspflichtige Packungsgrößen von denen, die man in Kleinpackungen kaufen kann. Dafür benötigt man ein Rezept vom Arzt. Für Kinder und Jugendliche entfällt meines Wissens nach die Zuzahlung, womit die Triptane für das Mädchen eigentlich kostenfrei sein sollten - wenn der Arzt ein Rezept ausstellt.


    Wenn die Triptane nicht ausreichend helfen und die Anzahl der Migränetage sehr hoch ist, gibt es Medikamente, die man prophylaktisch einnehmen kann - als Erwachsener. Wie das bei Jugendlichen ist, weiß ich nicht. Mit diesen Medikamenten kennen sich die Hausärzte oft nicht gut aus, da ist dann eher eine Neurologin gefragt.

    Bei einer sehr starken / häufigen Migräne gibt es die Möglichkeit, einen Grad der Behinderung zu beantragen. Ob euch das weiterhilft wegen der Fehlzeiten, weiß ich nicht.


    Falls es Fragen gibt:

    Eine gute Anlaufstelle ist die Migräneliga. Am 3.7. gibt es dort ein Seminar zu Migräne bei Kindern und Jugendlichen. Vielleicht können die Mutter oder die Schülerin dort Erkenntnisse gewinnen: https://www.migraeneliga.de/03…23-18-uhr-online-seminar/

    Es gibt auf der Seite auch Ansprechpartner:innen der Migräneliga und eine Liste mit Ärzten und Kliniken.

    • Offizieller Beitrag

    Das wäre traurig und Zeitverschwendung.

    Das sehe ich genauso. Ich bin auf Social media in einer Migräne-Gruppe und dort will in jedem 2. Beitrag irgendjemand irgendwas verkaufen:

    Coaching - wie ich selbst meine Kopfschmerzen los wurde - das MUSS auch bei dir klappen!

    Teurer Saft mit wenig Vitaminen - wie ich am Schneeballsystem verdiene.

    Geheime Wundertabletten - schreib mich an.

    Schüsslersalze. (Ok, die enthalten einen Hauch mehr als Globuli, aber... nun ja.

    Dehnen gegen Migräne

    etc.

    pp.

    Ich überlege öfter mal, ob ich da austrete, aber dazwischen sind dann ab und an mal spannende Beiträge.

  • Was kann ich hier tun? Was kann ich raten?

    Zunächst würde ich fragen, was die Mutter bereits versucht hat. Dann um fachärztliche Gutachten bitten, ggf. den Amtsarzt einschalten durch Schulleitung (guck in die Schulbesuchsregelungen deines Bundeslandes, es gibt so ein paar Vorgaben zur Schulpflicht und auch Verfahren bei Absenz, chronischen Erkrankungen usw. allerdings sehr wenige).


    Edit: Ggf. möchte sich die Mutter ans Jugendamt wenden, bzgl. externer Beschulung. Zum Beispiel bei Schulangst geht sowas.

  • Zunächst würde ich fragen, was die Mutter bereits versucht hat. Dann um fachärztliche Gutachten bitten, ggf. den Amtsarzt einschalten durch Schulleitung (guck in die Schulbesuchsregelungen deines Bundeslandes, es gibt so ein paar Vorgaben zur Schulpflicht und auch Verfahren bei Absenz, chronischen Erkrankungen usw. allerdings sehr wenige). Ggf. ans Jugendamt wenden, bzgl. externer Beschulung.

    Darum werde ich auf jeden Fall bitten. Mal sehen, ob sie der Bitte nachkommt.

  • Das Mädchen hat schon 2x wiederholt und sitzt jetzt mit 16,5 Jahren in meiner 7. Klasse.

    Wie geht das? Die meisten meiner SuS in der 7. Klasse sind 12-13 J. Nach 2x wiederholen wären die 14-15 Jahre. Oder habe ich einen Denkfehler? Gibt es bei euch keine Höchstausbildungsdauer?


    Bei uns wäre das längst ein Fall für den Schulpsychologen bzw. die Schulleitung gewesen. Was sollst du da groß machen oder entscheiden?


    Ich habe auch eine Schülerin, die ca. 50% der Zeit bisher dieses Schuljahr gefehlt hat. Alle wissen Bescheid, aber sie und die Eltern stellen sich quer, etwas zu tun (z.B. Schulwechsel). Wenn sie zu meinem Unterricht erscheint, starrt sie Löcher in die Luft, weil sie keine Ahnung hat, wovon wir reden. Alle Gespräche und Versuche, zu helfen und zu ermutigen, sind im Sand verlaufen bzw. haben zu nichts geführt. Ich wüsste nicht, was ich da jetzt noch tun könnte.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Angeblich werden die Triptane nicht von ser Krankenversicherung übernommen und sie müssen sie selber kaufen. Ich kenne mich da medizinisch nicht aus und habe die Information bisher so hingenommen.

    Also... es scheint so zu sein, dass die üblichen Erwachsenentriptane erst ab 18 zugelassen sind. Für 12- bis 17jährige gibt es aber mindestens dieses Nasenspray-Triptan: https://www.aerzteblatt.de/arc…an-intranasal-fuer-Kinder

    Dieses ist rezeptpflichtig.


    Es könnte eine Zweitmeinung, anderer Arzt, möglichst Neurologie hilfreich sein.

    Mirgärne stört ja nicht nur Schule und Lernen, es ist eine erhebliche Beeinträchtigung des gesamten Lebens.

    (mit Migräneattacke gesendet)

  • Wie geht das? Die meisten meiner SuS in der 7. Klasse sind 12-13 J. Nach 2x wiederholen wären die 14-15 Jahre. Oder habe ich einen Denkfehler? Gibt es bei euch keine Höchstausbildungsdauer?

    Vllt. noch vom Schulbesuch zurückgestellt gewesen und ein Jahr später in die Schule gekommen? Dann könnte ja 16 hinkommen?

  • In SH gibt es zum Absentismus klare Wege, da müsste in so einem Fall schon längst dieSchulleitung eingebunden sein. Du allein kannst nämlich wenig tun, da gilt es, das Netzwerk aus Schulsozialarbeit, Schulpsychologe, Arzt, Eltern, SL u.a. zu aktivieren und Möglichkeiten auszuloten, einmal um abzuklären, ob es wirklich keine medizinische Lösung gibt, zum anderen um zu klären, ob noch etwas anderes dahinter steckt und drittens um zu gucken, was man schulisch machen kann, damit das Mädchen trotzdem einen Abschluss bekommt. Das ist ja sehr individuell….

  • was wirklich noch helfen kann, ist Akupunktur. Aber das muss man auch wollen.

  • Mit medizinischen Ratschlägen würde ich mich da zurückhalten. Das ist nicht unser Job und gerade chronisch kranke Menschen leiden sehr unter diesen Hinweisen auf all die Dinge, die sie schon probiert haben oder schon wissen und das was A gemacht hat, muss B nicht helfen. Erst mal ist da der behandelnde Arzt gefragt; dann gibt es aber auch die Möglichkeit, sich bei der Krankenkasse oder der Ärztekammer zu erkundigen, welche Wege man noch einschlagen kann. Es gibt ja auch spezialisierte Kliniken.


    Hast du mit der Schulleitung gesprochen? Es wäre am besten, dass da jemand bei dem Gespräch dabei ist. Das Mädchen braucht ja dringend Hilfe. Vielleicht ist da ja auch schon einiges bekannt, was du noch nicht weißt? Hat du mit den Lehrkräften gesprochen, die das Mädchen vorher hatte?


    Aber ich denke, du wirst nach dem Gespräch mit der Mutter schon etwas weiter sein.

  • Was kann ich hier tun? Was kann ich raten?

    Kläre mit der Mutter ab, ob es ärztliche Bescheinigungen gibt und fordere diese ein. Frag vorab bei deiner Schulleitung an, ob ein amtsärztliches Gutachten eingeholt werden kann. Besprich dich vorab mit deiner SL bezüglich der rein rechtlichen Unterrichtssituation. Bei so exorbitanten Fehlzeiten kann es gut sein, daß Du oder einige Fachlehrer der Schülerin „nicht bewertbar“ ins Zeugnis schreiben. Wie geht es dann weiter? Wird die 7. Klasse dann wiederholt bis die Schülerin irgendwann 16 ist und am Berufskolleg in der Ausbildungsvorbereitung landet, um ihre Schulpflicht abzusitzen?


    Das sind alles Fragen, die ich vor dem Elterngespräch mit der SL abklären würde, um in den Elterngespräch dann nicht um den heißen Brei reden zu müssen.

  • Und es handelt sich hier schlicht um Schulabsentismus, was durch die Eltern noch gedeckt wird.

    Ich finde es super, dass du als Mediziner mit Ferndiagnosezusatzausbildung das so präzise diagnostizieren kannst.


    10/10

  • Ich habe das hier allgemein aus meiner Erfahrung geschildert, dass wenn die Eltern mit irgendwas wie "Wir waren schon bei allen Ärzten" und dann merkt man aber in der Zusammenarbeit mit den Eltern, dass das eben häufig nicht der Fall ist und/oder die Eltern alles decken. Das muss in diesem Fall nicht sein, ist es meiner Erfahrung nach aber häufig.


    Daher, wie ich bereits oben geschrieben habe, erste Maßnahme Attestpflicht und Schulleitung mit ins Boot holen (In NRW müsste man das für ersteres sowieso, in Niedersachsen scheinbar auch).


    Hier steht übrigens viel dazu: https://www.heidekreis.de/Port…uere_Schulpflicht_Web.pdf

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